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CARA DILLON
After the Morning

(Roughtrade RTRADCDP198)
Promo-CD, 12 Tracks, 50:25

Fast drei Jahre hat sich die sympathisch-zurückhaltende, inzwischen in England ansässige Nordirin Zeit gelassen, doch nun ist ihr neues Werk da - und das Warten hat sich durchaus gelohnt. Wenn sich auch nicht sehr viel hat verändert gegenüber den beiden Vorgängeralben - oder, positiv ausgedrückt: Cara Dillon ist sich treu geblieben. Nach wie vor versucht die mehrfach für ihre feine, unaufdringliche - mitunter einen Tick zu wenig markante Stimme - ausgezeichnete Sängerin den Balanceakt zwischen Mainstream und mehr traditionellen Tönen, versteht diesen aber zu meistern. Nicht zuletzt tatkräftig unterstützt durch ihren nicht minder begabten Gatten, Sam Lakeman, der auch dieses Mal für die Produktion des Albums mitverantwortlich zeichnet und wohl bei nahezu allen Songs selbst in die (Piano-)Tasten griff (war dem sparsamen Booklet der Promoversion der CD leider nicht zu entnehmen).

After The Morning ist insgesamt runder, leichtfüßiger und weniger schwermütig als der Vorgänger Sweet Liberty, dafür fehlen stärker herausstechende Stücke wie etwa das ergreifende „There Were Roses“ des letzten Albums. Anspieltipps sind aber auf jeden Fall das rhythmisch wie gesanglich an Tori Amos erinnernde „Here’s A Health“ sowie „Bold Jamie“ (Cara Dillon versteht es, tragische Geschichten zu interpretieren). Erwähnenswert auch: Das Titelstück („Streets Of Derry“) wurde im Duett mit Paul Brady eingespielt, mit dem sie gerade noch in Irland auf Tournee war.

Stefan Backes

 

CARA DILLON - After the Morning


HAUGAARD & HØIRUP
Gæstebud

(Go’ Danish Folk Music, GO0705/OSNS)
15 Tracks, 63:12, mit dän./engl. Infos

Die Herren H & H haben auf dieser CD soviel prominente Begleitung, dass allein die Aufzählung eine Seite füllen würde. Nennen wir stellvertretend nur Ale Möller, Eileen Ivers und die Sängerinnen Karen Mose, Helene Blum und Sofia Karlsson, die sogar schwedische Balladen beisteuert. Alle Stücke sind entweder traditionell oder von Herrn Høirup verfasst, mit der Ausnahme eines Werks von Kai Hoffmann (Text) und Carl Nielsen (Melodie), Dänemarks größtem klassischen Komponisten. Es geht los wie „Spiel mir das Lied vom Tod“, mit Mundharmonika, und der Hörerin sträuben sich schon alle Haare, aber zur Beruhigung geht’s dann gleich weiter im Walzertakt und das zuerst so dramatische Werk handelt von Windmühlen. Es gibt schmissige Tanzstücke, die so rätselhafte Titel tragen wie „The Puff“, es gibt zum Heulen ergreifende Balladen (eben von den Sängerinnen vorgetragen), und es gibt sogar einmal Django-Reinhardt-inspirierte Gitarrenbegleitung bei einem leicht angejazzten Stück. Die Herren H & H erheben ebenfalls ihre Stimmen und trällern a capella, in weiser Selbsterkenntnis aber nur einmal, denn ihre Stärke liegt einwandfrei nicht im Gesang. Selten in letzter Zeit eine CD gehört, auf der so viel los ist. Unbedingt anschaffen, auch für Leute, die mit dänischer Musik sonst nichts am Hut haben.

Gabriele Haefs

 

HAUGAARD & HØIRUP - Gæstebud


JUNE TABOR
Always

(Topic Records TSFCD4003)
4-CD-Box, 67 Tracks, 293:47, mit ausführl. engl. Infos

Die englische Sängerin June Tabor blickt mit dieser Box auf eine über 30-jährige Karriere zurück, ohne den Eindruck zu vermitteln, das Beste läge definitiv bereits in der Vergangenheit. Ob traditionelle Lieder, ob solche von Richard Thompson, ob mit der Oysterband oder mit dem Passendale-Projekt, ob a capella oder angejazzt, Tabors Stimme bleibt unverkennbar. Mysteriös, dunkel, unter die Haut gehend, keinesfalls esoterisch, vielmehr mit den Jahren nicht nur vom Klang, sondern auch von den Emotionen her tiefer und voller werdend. All das demonstrieren die häufig live aufgenommenen Lieder dieser fast fünfstündigen Sammlung eindrucksvoll, wobei erfreulicherweise die Hälfte davon bislang unveröffentlicht waren. Und so ganz nebenbei widerlegt sie auch das Vorurteil, sie würde nur große, ernste Lieder singen. Ein ausdrückliches Lob an David Suff, der nicht zum ersten Mal beweist, dass er runde, repräsentative Anthologien zusammenstellen kann. Das 48-seitige Beiheft von der Größe zweier CDs beinhaltet detaillierte discographische Angaben zu den einzelnen Stücken ebenso wie ausführliche Kommentare von Frau Tabor und einigen ihrer Kollaborateure sowie etliche Fotos der letzten Jahrzehnte. Hinzu kommt eine von Ken Hunt verfasste umfangreiche Würdigung ihres bisherigen Schaffens mit zahllosen Originalzitaten aus Interviews, die Ken hauptsächlich mit June Tabor über die Jahre geführt hat.

Es klappt nicht immer, aber hier trifft es zu: Diese Box wird musikalisch und inhaltlich der außergewöhnlichen Klasse einer June Tabor gerecht!

Mike Kamp

 

JUNE TABOR - Always


YASMIN LEVY
La Juderia - Ladino & Flamenco

(Adama CC 50024)
12 Tracks, 58:16, mit lad./engl. Texten

Nach Romanze hat es Levy mit ihrem zweiten Album wiederum geschafft, nach 2005 ein zweites Mal in die Rubrik „Culture Crossing“ für die BBC World Music Awards 2006 nominiert zu werden. Die 1977 in Jerusalem gebürtige Sängerin wurde bereits in jungen Jahren mit Liedern in Ladino konfrontiert, schließlich war ihr Vater bereits führend auf dem Gebiet der Erforschung und Erhaltung dieser judeospanischen Kultur, die mit der arabischen Eroberung ab 711 begann und 1492 mit der Vertreibung (oder - alternativ - der Ermordung) der letzten Juden auf der Iberischen Halbinsel ein abruptes Ende fand. Seit 2002 gibt es in Be’er Sheva übrigens auch in Institut an der Ben-Gurion-Universität, das sich ausschließlich dieser Thematik widmet. Levy schafft es, mediterrane Einflüsse mit dem Flamenco Andalusiens und den über 500 Jahre alten Liedern der Juden Spaniens zu vermischen, musikalische maurische (d. h. islamische) und jüdische Relikte in unser Jahrhundert zu übertragen. Ein weiteres Beweis, dass Musik stärker als Politik ist. Als Musiker empfehlen sich Yechiel Hasson (Gitarre), Amir Shasar (Klarinette, Ud), Sasson Levy (Cajon) sowie Rami Schuler (Percussion), die ersten begleiteten auch Levy am 3. Dezember 2005 in der Carnegie Hall. Das optisch überaus reizvoll und ansprechend aufgemachte Beiheft gibt die Liedtexte in Ladino (für Leser mit Spanischkenntnissen recht gut verständlich) und englischer Übersetzung wieder.

Matti Goldschmidt

 

YASMIN LEVY - La Juderia - Ladino & Flamenco


YANKA
Keranka - The Voice Of Bulgaria

(World Connection WC 43007/Edel Contraire)
16 Tracks, 49:54

Welche CD rotiert da? Erst klingt’s nach klassischer bulgarischer Folklore, dann wie Peter Gabriel goes Balkan und plötzlich wie Blackeyed Peas zu Gast bei einem Frauenchor in Sofia. Zwischenzeitlich ertönen Opernanklänge, mystische Synthi-Teppiche und dann ein waschechter Tom-Waits-beeinflusster Pianosong. Yanka steht drauf - und wo Yanka draufsteht, muss Yanka Rupkina drin sein. Man erinnere sich: Die ehemalige Sängerin des im Schatten des Erfolgs des Frauenchors Mystère Des Voix Bulgares bekannt gewordenen Trio Bulgarka kollaborierte in der Vergangenheit häufiger mit internationalen Künstlern, darunter Kate Bush und Chris de Burgh. Das jüngste Album des wegen ihrer schönen Stimme begehrten Studiogasts offenbart, welche Einflüsse sie auf all ihren Touren gen Westen aufgesogen hat. Und diesmal ist sie es, die sich Musiker ins Studio holt, darunter Linda Ronstadt oder die HipHop-Combo Positive Black Soul. Wenn Kritik angebracht ist, dann die: Das Album zeigt keine klare Linie. Aber: Jeder der 16 von unterschiedlichen Genres beeinflussten Songs ist für sich ein Hörerlebnis. Man kann sich ja einbilden, man hätte einen Sampler in die Anlage geschoben.

Frank Schuster

 

YANKA - Keranka - The Voice Of Bulgaria


CARLOS NÚÑEZ
Cinema Do Mar

(Saint George SAN 5199826/Sony)
12 Tracks, 40:36, mit Infos

Carlos Núñez, einer der virtuosesten Musiker im Lager der internationalen keltischen Musikszene, dokumentiert hier seine Kreativität im Hinblick auf Klassik und Filmmusik. Wir hören Kompositionen aus ganz verschiedenen Genres, z. B. ein sehr stimmungsvolles Adagio aus dem „Concerto de Aranjuez“, aber auch überbeanspruchte Themen wie „Bolero“ von Ravel. Wie auch auf seinen bisherigen Alben schwelgt der Meister in großen, mächtig klingenden orchestrierten Arrangements und unterstreicht so die bilderreiche Wirkung seiner Musik. Unterstützt von seinem Bruder Xurxo, der sich immer wieder als sensibler, kongenialer Percussionist zeigt, und von Pancho Alvarez an Bouzouki, Bass und Drehleier, und zahllosen weiteren, prominenten Gästen - z. B. von Musikern der Bands Solas, Chieftains, Altan - bleibt kein Zweifel an der musikalisch technischen Hochwertigkeit dieser Aufnahme. Dennoch bleibt für mich die Frage der Zielgruppe. Die Arrangements populärer Melodien im Midtempo lassen dem Meister wenig Raum, seine irrsinnige Fingerfertigkeit einzubringen. Ein gewisser „James-Last-Effekt“ ist dieser CD nicht abzusprechen. Der Connaisseur dürfte mehr Spaß an den authentischeren Produktionen haben, die sich mehr um die galicische Musik drehen. Gut geeignet als außergewöhnliche Hintergrundmusik bei einem festlichen Anlass, würde ich sagen, ohne das jetzt abwertend zu meinen!

Johannes Schiefner

 

CARLOS NÚÑEZ - Cinema Do Mar


JOHAN MEIJER
Vaarwater

(Nederossi NOP050908)
16 Tracks, 62:00, mit Texten und Infos

Nach seiner großartigen CD Von der Maas bis an die Memel (2003) nahm der niederländische Sänger und Liederschreiber Johan Meijer (Gesang, Gitarre) sein neues Werk wiederum zusammen mit Mikhail Ivanov (Bassgitarre) und Sergey Shurakow auf, der mit seinem überaus gefühlvoll gespielten Akkordeon den Gesamtsound wesentlich mitprägt. Beide spielen „hauptberuflich“ beim St. Petersburger Vermishelle Orchestra und wurden für die neue Meijer-Produktion von internatioalen Topmusikern aus den Niederlanden, England und Griechenland unterstützt. Musikalisch angesiedelt zwischen Pop und Folk, können sich Arrangements und Sound mit Majorproduktionen locker messen. Thematisch beschäftigt Meijer sich mit einem für einen Niederländer naheliegenden Thema, der Schifffahrt. Dabei erwarten den Hörer keineswegs unpolitische Lieder. Meijer bezieht ganz klar Stellung, so ist neben der schon auf seiner letzten CD enthaltenen niederländischen Version des deutschen Volksliedes „Wilde Schwäne“ das Lied „Naar de Elbe“ über den Weg der Roten Armee enthalten, und wenn man sich anschaut, von welchen Liedermachern Meijer Songs auswählte, dürfte die politische Linie klar sein. Neben seinen eigenen Songs finden wir zwei Gundermann-Übertragungen, Lieder von Wolf Biermann, Zülfü Livanelli, Klaus Hoffmann, José Alonso, Ewan MacColl und Jaques Brel. Eine uneingeschränkt empfehlenswerte CD!

Ulrich Joosten

 

JOHAN MEIJER - Vaarwater


HUBERT VON GOISERN
Ausland

(BMG 82876 71969 2)
15 tracks, 71:43

Warten auf Timbuktu

DVD, ca. 45:00

Alles scheint auf eine Fortsetzung von HvGs momentanem Traditionsprogramm getippt zu haben. Schließlich ist Ausland, so der Titel des aktuellen Albums, nichts anderes als eine Fortsetzung der ersten beiden Trad-Alben, soll heißen, dass die Nummer 3 aus fünfzehn Liveaufnahmen besteht, mit Stücken, die der aufmerksame Zuhörer eben schon aus 1 und 2 kennt. Wie dem Albumtext zu entnehmen ist, wollte HvG schon Anfang 2004 sein „Trad“-Programm aufgeben, aber Konzert folgte auf Konzert und bald neigte sich das Jahr zu Ende. Dabei fing im Herbst 1999 alles ganz harmlos derart an, dass ursprünglich eigentlich nur ein paar Volkslieder einzuspielen gewesen wären. Kein leichtes Unterfangen, „denn was für den Teufel das Weihwasser, ist für die Volksmusik das Studio“, so HvG. 2003 folgte die Nummer 2 (dazu gibt es auch eine DVD), aufgenommen hoch über dem Hallstätter See in einem Berghotel. Die Aufnahmen zu „3“ sind überwiegend in Deutschland eingespielt worden, deshalb der Titel Ausland. Nach der Alpinkatzenzeit und fünf Jahren „Trad“ darf man nun gespannt sein, was HvG als Nächstes aus der Hosentasche zaubern wird.

Mit der CD wird gleichzeitig eine DVD (beides als ein Album) mitgeliefert. In malerischen Bildern wird HvGs Tournee durch das afrikanische Mali gezeigt. Neben der Musik schien dort das Warten die Hauptbeschäftigung gewesen zu sein. Originalton HvG: „Man wartet so lange, bis man ganz vergessen hat, worauf man eigentlich wartet ...“

Matti Goldschmidt

 

HUBERT VON GOISERN - Ausland


M-ZA
m-zA

(coop breizh RAG 069)
11 Tracks, 45:33

Eine Band hat Angst vor Tänzern. Emsaverien aus der Bretagne ist eine gefragte Fest-Noz-Gruppe. Doch für ihr Konzertprogramm hat sie sich in die ähnlich klingende Tarnformel m-zA umbenannt - um bei Konzerten keine falschen Erwartungen aufkommen zu lassen. Hier sollen die Fans nur sitzen und zuhören. Nun hat das Quintett aus der Gegend um Nantes unter dem neuen Namen auch eine sehr schöne CD aufgenommen. Mit zwei Sängern, drei Melodieninstrumenten (Flöte, Geige und Dudelsack) sowie Gitarre und E-Bass hat die Gruppe einen stimmigen Sound gefunden. Gutes, fast durchgängig traditionelles Repertoire, geschmackvoll-folkige Arrangements und ein sanfter Groove sorgen dafür, dass man das dritte Album von Emsaverien/m-zA gerne von vorn bis hinten durchhört. Und man würde auch gerne dazu tanzen - selbst wenn das nicht im Sinne der Band ist.

Christian Rath

 

M-ZA - m-zA


HORSLIPS
Roll Back

(Horslips Records MOO23)
15 Tracks plus Bonus-CD mit 4 Live-Tracks und Video, 51:02 + 12:48 + 12:57

Noch eine Band, die glaubt nach fast 25 Jahren Abstinenz, sie könnte einfach mal eben so die Zeit zurückdrehen? Keineswegs. Anlässlich einer Ausstellung über ihr „Werk“ im Frühjahr 2004 zusammengekommen, beschlossen die Herren O’Connor, Devlin, Lockhart, Fean und Carr, sich noch einmal ins Studio zu begeben. Und wer die Musik dieser Pioniere des Folkrock noch in den Ohren hat, wird beim ersten Hören etwas befremdet, vielleicht sogar enttäuscht sein über die doch eher brave Stimmung der einstigen Musikrebellen. Allerdings: Der Genuss wächst mit jedem Mal mehr, das man die CD in den Player legt.

Roll Back ist ein rein akustisches Album, doch kein simpler Greatest-Hits-Sampler, eher eine Art retrospektiver Werkschau - ein verstohlener Blick auf das, was aus den Horslips hätte werden können, hätten sie sich damals anders entschieden. So finden sich Klassiker wie „Trouble (With A Capital T)“ oder „The Man Who Built America“ neben unbekannteren Stücken, von denen man nicht unbedingt erwartet hätte, dass sie den Weg aufs Album finden („Long Weekend“). Zusätzlich das ein oder andere irische Instrumental zum Beweis, dass es immer schon ihre Stärke war, in beiden Genres vollwertig zu Hause zu sein: im traditionellen Folk wie im waschechten Rock ’n’ Roll! Und als besondere Beigabe eine Bonus-CD mit einem Livemitschnitt des Auftritts der Fünf bei besagter Ausstellungseröffnung (inkl. Videofassung davon zum Anschauen am PC).

Stefan Backes

 

HORSLIPS - Roll Back


MICHAEL MESSER
Lucky Charms

(Cooking Vinyl COOKCD353/Indigo)
10 Tracks, 50:03, ohne Texte, aber mit vielen Fotos

Bei den British Blues Awards gewann Slidegitarrist Michael Messer 1990 den Titel „Acoustic Blues Artist of the Year“. Das sagt Einiges, wenn auch nicht alles - jedenfalls ging der Brite als einer der Erfinder des „Nu-Blues“ in die Bluesgeschichte ein. Auch auf Lucky Charms verbindet er, wie stets, amerikanischen Blues - sowohl Chicago Sound als auch Mississippi-Delta-Stil - mit modernen zeitgenössischen Klängen, scheut dabei auch nicht den Einsatz von Loops, Samples und DJ-Klängen (von Louie Genis an den Turntables). Messers eigene Songs und solche seines Kollegen Terry Clarke werden von einer sieben Musiker starken Band vorgetragen: Neben Messer fallen Ed Genis (Rhythmus- und Leadgitarre) und Richard Causon (Keyboards und irisches Melodeon) angenehm auf. Lucky Charms schmückt sich mit zehn sehr speziellen Songs, stark geprägt von Michael Messer: mal tragisch-traurig, mal mit einem oder mehr Schüssen seines speziellen Humors gespickt. Ohnehin - in puncto Humor braucht es nur einen Blick ins Booklet, dann ist eh alles klar. Ein erstklassiges neues Album.

Carina Prange

 

MICHAEL MESSER - Lucky Charms


MALINKY
The Unseen Hours

(Greentrax Recordings CDTRAX276/FMS)
12 Tracks, 62:54, mit engl. Texten und Infos

STEVE BYRNE
Songs From Home

(Greentrax Recordings CDTRAX275/FMS)
14 Tracks, 38:31, mit engl. Texten und Infos

Karine Polwart verlässt die schottische Band Malinky. Das ist deren Ende, oder? Ist es nicht! Kurze Beratung, zwei neue Leute und weiter geht es, womit die CD 3 Ravens aufhörte: songorienterter Folkmusik (nur ein Viertel der Tracks sind Instrumentals, allerdings sehr gute). Bei den Liedern kommt hauptsächlich Neuzugang Fiona Hunter zum Zuge, die außerdem sehr effektvoll das Cello streicht. Vergleiche zu Polwart sind unsinnig, Frau Hunter singt auf ihre Art und sie singt gut. Der zweite Neuling Ewan MacPherson verstärkt die Saitenlastigkeit bei den Instrumenten. Es bleibt dabei: Malinky konzentrieren sich auf intelligent arrangierte Lieder und sind damit in Schottland eher die Ausnahme, die im Oktober übrigens auch wieder in Deutschland zu hören sein wird.

Malinky-Mann Steve Byrne mag zwar in der schottischen Hauptstadt wohnen und arbeiten, sein Herz ist da, wo seine Wurzeln sind - an der Nordostküste, in Angus. Dichter in der reichen Sprache dieser Region hat er vertont, zwei Stücke selber beigesteuert und seine erste Solo-CD fast im Alleingang aufgenommen. Eine Spielzeit von unter 40 Minuten sorgt zwar mindestens für Stirnrunzeln, aber die Qualität der Musik macht dieses Manko zweifach wett. Zum einen bewegen sich die Kompositionen stimmig in der Angus-Tradition, zum anderen entpuppt sich Steve als intensiver und variationsreicher Sänger. Die CD ist einfach eine positive Überraschung.

Mike Kamp

 

MALINKY - The Unseen Hours

STEVE BYRNE - Songs From Home


flËur
Siyanie

(Prikosnovenie 2005, Galileo LC12661)
13 Tracks, 57:55

Zwischen Softpop und Ethnofolk singt sich diese ukrainische Band mit ihrer dritten CD unauffällig, aber sehr gefällig ins Ohr. Es sind die fast akustische Besetzung (Flöten, Cello, Bass, Drums), vor allem aber die beiden frischen, mädchenhaften Stimmen, die sich einschmeicheln und in ihrer Vieldeutigkeit den leichten Songs Aufmerksamkeit verschaffen. Da klingt immer etwas von klassischer Qualität und von osteuropäischer Energie mit. Eigentlich eine Scheibe zum Nebenbei-Hören, zur hübschen Untermalung - die dann immer wieder aufhören lässt und einlädt, auf die Repeattaste zu drücken.

Jürgen Brehme

 

flËur - Siyanie


ALTAN
Local Ground

(Vertical Records VERTCD 069/MP Media)
13 Tracks, 46:42, mit Infos, Texten u. Übers. aus dem Gälischen

Manche Rezensenten behaupten, dies sei das bisher beste Album von Altan, der traditionsreichen Band aus dem Norden Irlands. Dem kann ich nur bedingt anschließen: Ich vermisse nach all den Jahren immer noch die Flöte von Frankie Kennedy ... Einiges hier klingt auch wie schon einmal gehört (für einzelne Tunes trifft dies sogar im engeren Sinne zu). Aber es gibt auch jede Menge schönes, neues und bewundernswertes Material. Die Songs sind im typischen, kompakten Altan-Sound gehalten, Mairead ni Mhaonaighs Stimme klingt aber gereift und hat an Charme nochmals zugelegt. Fiddler Ciaran Tourish steuert einen melodisch sehr gelungenen Reel bei - „Richie’s§“. Einen besonderen Platz in meinen Ohren ergatterte „Roseville“ - eine hübsche und ungewöhnliche Komposition von Daithi Sproule. Große Bands haben große Gäste: So ist diesmal Carlos Núñez mit Gaita zu Gast bei „Silver Slipper“ - einem großen „Hit“ des legendären John Doherty. Globalisierung eben auch in Donegal. Für zurückhaltende, aber auf den Punkt gespielte Percussion sorgt Jim Higgins. Soundtechnisch spielt sich alles auf höchstem Level ab, von Virgin Rec. wechselte man zum englischen Vertical-Label, das ausschließlich mit High-End-Produktionen dieses Genres (Michael McGoldrick, Capercaillie etc.) aufwartet. Insgesamt ist dies eine sehr professionell klingende, solide Produktion, die dem hohen Stellenwert der Band in der irischen Musikwelt gerecht wird.

Johannes Schiefner

 

ALTAN - Local Ground


TRETÅR
Svart Kaffe

(Nomis Musik NMCD03)
17 Tracks, 57:24, CD mit minimalen engl. Infos

Tretår ist eine Gruppe aus Schweden, wenngleich nur ein Mitglied einen schwedischen Namen hat (ach, was gäben wir für ein paar gescheite Infos im schönbebilderten Beiheftchen), der Name des Gruppenmitgliedes Jean-Pierre Yvert macht begreiflich, warum sie viel in Frankreich touren, und ein Stück hat sogar einen französischen Titel - „C’est Le Bel Âge“ -, entpuppt sich beim Hören aber als Schottischer. Tretår bringen traditionelle schwedische Stücke und lange Balladen aus der europäischen Tradition, bei denen die großartige Stimme der Sängerin Louise Schultz zur Geltung kommt, instrumental dominieren Melodeon und Maultrommel. Sie geben allem gern einen internationalen Touch, im Walzer „Dansa New York“ finden wir klassisches unschwedisches Fingerpicking, das traditionelle schwedische Stück „1 a natten“ dagegen klingt durch und durch bayerisch. Wunderbare CD also, und nicht nur für Leute, die schwedische Musik lieben.

Gabriele Haefs

 

AMIR JOHN HADDAD
Pasando Por Tabernas

(Double Moon Records/Sunny Moon)
8 Tracks, 46:06, mit Infos

Eine dermaßen frische und aufregend neue Gitarrenstimme hat es im Flamenco lange nicht gegeben. Gleich im eröffnenden Tanguillo macht der in Freiburg geborene Amir John Haddad deutlich, dass ihm die Tiefe des Ausdrucks über eine billige Zurschaustellung seines zugegebenermaßen beeindruckenden technischen Könnens geht. In meditativer Abgeklärtheit zelebriert er die ersten kostbaren Momente und nimmt den Hörer auf der Stelle gefangen. Das Einarbeiten moderner, flamencoferner Harmonik ist ja spätestens seit Paco de Lucia ein Stilmittel, das so ziemlich jeder junge Gitarrist in seinen Vortrag integriert. Haddad macht das auf so dezente und gleichzeitig raffinierte Art - ganz phantastisch. Hier und da greift er zur Oud um den Rahmen melodisch und klanglich zu erweitern. Begleiter Pablo Martin an den zahlreichen Percussioninstrumenten ist ihm ein kongenialer Partner. Beeindruckender hätte ein Debüt kaum ausfallen können.

Rolf Beydemüller

 

AMIR JOHN HADDAD - Pasando Por Tabernas


ZMIYA
Solmamdenlo

(Prikosnovenie PRIK087/Galileo)
Promo-CD, 8 Tracks, 39:39

Geheimnisvoll dräuen die Intros, wer weiß, was aus ihnen wächst? Die sechs Herren von Zmiya gehören jedenfalls zu den Folklore-Überkreuzigern, die aus den verschiedenen Töpfen der Weltmusik schöpfen und gleichzeitig Electronica und Stromgitarren einsetzen. Dabei nutzen sie eine große Bandbreite an Klangfarben, vor allem durch die Vielzahl an Instrumenten, begonnen beim Didgeridoo über die Drehleier bis zur Oud. Das sieht dann beispielsweise so aus, dass ein sphärisch startender Song in einen Reggaebeat mündet, der von einem Akkordeon verziert wird. Oder lateinamerikanisch anmutende Percussion den Rhythmus vorantreibt, der dann für ein Drehleierzwischenspiel sein Tempo verliert, um es dann unvermindert wieder aufzunehmen. Und was singen die da in eben jenem Stück „Al Mostafa“: „Nobody liked to get tripper?“ Tut ja auch weh. Zmiya können genauso mit atmosphärischen Klageliedern wie „Douma“ überzeugen, das sich in wehmütigen Brüsten einnistet. Letztlich aber scheint die Zahl ähnlicher musikalischer Projekte Legion. Wahrscheinlich gilt auch für diese Produktion: dem Vergessen versprochen.

Volker Dick

 

ZMIYA - Solmamdenlo


KAL
Kal

(Asphalt Tango Records ATR 0906/Indigo)
12 Tracks, 45:15, mit engl. Infos

Im postkommunistischen Serbien bestimmen so genannte Turbofolkbands die Charts. Der Name ist schmeichelhaft: Ihre Musik ist nichts anderes als schnell und billig produzierter Kirmespop mit Balkaneinschlag. Dragan Ristic, Bandleader und Gitarrist des Sextetts Kal (Romanes für „schwarz“), wird in den Linernotes zitiert: „Die meisten benutzen elektrische Keyboards - ein Fluch.“ Auch Kal benutzen Synthesizer, aber sie benutzen sie nicht auf billige Weise. Ihre im Heimstudio entstandenen Aufnahmen schickten sie dem Londoner Soundtüftler Mike Nielsen, der schon Jamiroquai oder Natasha Atlas mixte. Herausgekommen ist ein Album, das Maßstäbe setzt. Es zeigt, wie Romamusik hip klingen kann, ohne die Roots zu vergessen - ähnlich wie Manu Chao oder das Gotan Project es in anderen Weltmusikgenres vormachten. Ristic: „Ich bin ein Stadtbewohner, gehöre zur modernen Welt, besuche Raveparties. Traditionelle und urbane Elemente zu mixen, ist der beste Weg, unsere Kultur zu präsentieren.“ Recht hat er. Genauso wie Garth Cartwright, Autor von Princes Among Men - Journeys with Gypsy Musicians: „Kal sind die heißeste Gypsyband aus den Vorstädten Belgrads, eine Rock-’n’-Roll-Attitüde, angefeuert von urbanen Beats und verwurzelt im Balkanblues.“

Frank Schuster
 

KAL - Kal


RENAUD GARCIA-FONS TRIO
Arcoluz

(Enja ENJ-9478 2 / Soulfood)
CD: 7 Tracks, 62:46, DVD: 85:00, UT.: frz., engl., dt., sp.

Renaud Garcia-Fons ist Jazzmusiker und spielt Kontrabass. Das tun viele Jazzmusiker. Einen fünfsaitigen Kontrabass. Das tun schon bedeutend weniger. Er bevorzugt das Spielen mit dem Bogen und dies meist in hohen und höchsten Lagen. Das tut so gut wie niemand. So wie Renaud Garcia-Fons spielt kein anderer auf diesem Planeten. Wer über eine solche Spieltechnik verfügt, offene Ohren hat und dazu noch ein brillanter Komponist ist, der ist natürlich ein gern gesehener Gast in den Aufnahmestudios und Konzerthallen der Welt. Seit einiger Zeit nun, spielt der Bassist zusammen mit dem Flamencogitarristen Antonio „Kiko“ Ruiz und dem brasilianischen Schlagwerker Jorge „Negrito“ Trasante in einem Trio, das sich nahtlos in die Reihe der großen Weltmusikensembles einsortieren lässt: Oregon, Shakti, Codona sind die Rollenmodelle, denen das RGF-Trio mühelos entspricht. Die Fähigkeit, komplexes Ensemble- und rasantes Solospiel zu ausgereiften Musikstücken zusammenzufügen, machen die Auftritte des Trios zu einer ausgesprochen kurzweiligen Angelegenheit. So war es naheliegend, der CD die dazugehörenden Konzertmitschnitte via DVD hinzuzufügen.

Fazit: Egal, welche Assoziationen der Titel Arcoluz bei Ihnen auslösen mag, egal, ob sie’s mit „Bogenlampe“ übersetzen oder ob Ihnen bei Garcia-Fons’ Bogenspiel („Coll’arco“) ein Licht aufgeht ... - kalt wird diese geniale Musik wohl niemanden lassen!

Walter Bast

 

RENAUD GARCIA-FONS TRIO - Arcoluz


PJOTR LESCHENKO
1931-37 Gloomy Sunday

(Oriente Musik RIENCD54/FMS)
19 Tracks, 71:05, Begleittext mehrsprachig

Die vierte CD mit Liedern des charismatischen russischen Sängers in Deutschland! In dieser Zeit lebte der in Russland geliebte und von der Obrigkeit verfemte Leschenko in Bukarest, wo er in seinem eigenen Café inmitten galanter Herren und eleganter Damen musizierte. Natürlich vor allem Tango, den Bartanz zwischen den Weltkriegen; gleich neun Tangos sind hier reproduziert, darunter zwei polnische. Polen hatte damals eine kurze, aber heftige Tangowelle, was an dem alles im Volk erfolgreich aufsaugenden und auf seine Art reproduzierenden Leschenko nicht vorübergehen konnte. Der Titelsong dieser Zusammenstellung ist jedoch ein ganz besonderer. Er bezieht sich auf ein ungarisches Lied vom „Traurigen Sonntag“ voller Weltschmerz und Abschiedsgedanken, welches jahrzehntelang suizidgefährdete Menschen wie eine Hymne des Selbstmordes anzog. Während die Radiosender gegen dieses Lied ankämpften (die BBC verbannte den Song aus dem Programm), sangen es Stars wie Billie Holliday oder Marianne Faithfull, wurde ein Kultfilm darüber gedreht (1999) und sogar eine Website nur für dieses Lied geschaffen. Leschenko singt natürlich eine Liebesliedversion im alten Stil, mit großer melancholischer Geste und jenem eigenartigen russischen Charme, der selbst auf einer modernen CD seine nostalgische Anziehungskraft nicht verleugnet.

Jürgen Brehme

 

PJOTR LESCHENKO - 1931-37 Gloomy Sunday

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