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OUGENWEIDE
Ouwe War

(Sireena Records/FMS)
14 Tracks, 58:18, mit dt. Infos

Na, das wird ja langsam Zeit, dass Ougenweide auf CD erscheint. Die alten Platten sind kaum noch hörbar. Außer einer Hitzusammenstellung von Polydor (Liederbuch) und der weichgespülten Reunion-CD Sol von 1996 gab es bisher nichts. Jetzt nahm sich das Label Sireena diese Marktlücke vor. 2004 brachten sie eine erste Werkschau (Wol mich der Stunde), jetzt die vorliegende Zusammenstellung aus dem Bandarchiv. Und 2006 sollen die ersten vier Alben auf zwei CDs erscheinen - die Fangemeinde darf sich freuen. Ein kurzes Wort für die jüngeren Leser: Ougenweide ist der Klassiker aller Mittelalterrockbands, verband zwischen 1973 und 1985 erstmals mittelhochdeutsche Texte mit rockigen Sounds. Den hohen Standard und den rauen Charme dieser Musik belegen die jetzt erschienenen, bisher unveröffentlichten Liveaufnahmen. Verschiedene ihrer Hits sind in ausufernden Varianten zu hören: „Totus Florio“, „How Can I Help The Maiden Heart“ mit heulender Drehleier, „Gerhard Atze“ oder „Ouwe wie jämmerliche“ mit wunderbarem Querflöten- und Geigensolo. „Dem Stacheldraht die Stacheln klaun“ von 1982 ist für mich musikalisch der Höhepunkt dieser Zusammenstellung - mit schönem Wechselspiel zwischen Synthesizergitarre und Leier. Die „Merseburger Zaubersprüche“ sind etwas technoangehaucht, wirken sehr modern. Die Tonqualität ist für so alte Liveaufnahmen ausgesprochen gut. Diese CD sollte man keinesfalls versäumen!

Piet Pollack

 

OUGENWEIDE - Ouwe War


JENS-PAUL WOLLENBERG & EX.CES
Zahn um Zahn

(Raumer Records RR 16605)
11 Tracks, 54:02, mit einigen Texten und Infos

Man könnte glauben, Francois Villon hat sich leibhaftig in unsere Zeit verirrt, wenn man Meister Wollenberg sieht und singen hört. Wie sein großes Vorbild aus dem 15. Jahrhundert ist der Leipziger Chansonbarde ein Außenseiter der Gesellschaft. Auf seiner neuen CD präsentiert er mit neuer Band Texte von Villon und Aragon, Eigenes oder Nachempfundenes als Hommage an den alten Dichter. Dabei geht es oft düster und apokalyptisch zu: „Wenn in der Nacht die Eule dreimal schreit, ist schon der Satan nicht mehr weit.“ Das Ganze wird aber nicht von den mittelaltertypischen Gothic-Metal-Klängen begleitet, sondern leicht und locker, funky und swingend. „Zahn um Zahn“ und „Dejavillon“ kommen jazzig daher, auch Polka, Tango, bretonische Folklore und ein paar Anleihen bei den Doors sind zu hören. Birgit Fleischfresser (acc), Daniel Wolf (dr), Mike Meyer (b/Tuba) und Michael Glucharen (key/Trompete) überzeugen durch Vielseitigkeit und haben das Feeling für Wollenbergs Liedkunst. In der Ballade „Rendezvous in Einzelhaft“ zieht der Meister des morbiden Wortes alle Register seines Könnens. Die erotische Beziehung zu einer Mäusefamilie ist beklemmend und rührend zugleich: „Es ist kein Tier zu klein, dass ich ein Bruder könnte sein.“ Leider gehört dieser Liedtext nicht zu den abgedruckten. Dafür findet man im Booklet eine Liste von IM’s, die Wollenberg einst bespitzelt haben. Es waren mit Sicherheit noch viel mehr.

Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 

JENS-PAUL WOLLENBERG & EX.CES - Zahn um Zahn


AN RINN
Coal. Songs Of The Working Man

(Eigenverlag 2005, www.anrinn.de)
18 Tracks, 51:27, mit engl. Infos und Texten (einer dt.) und Photos.

Das südniedersächsische Quintett aus Bramsche, dessen Anzeigen auch im Folker! immer wieder auffallen (das sind die fünf Burschen mit den Schlägerkappen) hat seine fünfte CD veröffentlicht. Dabei handelt es sich um ein Themenalbum, an dem Franz Müntefering seine Freude hätte, denn es sind 18 Arbeiterlieder darauf versammelt, zumeist englischsprachige aus Irland, Großbritannien und Nordamerika, aber auch ein deutsches, nämlich Müntes offizielles Lieblingslied, das Steigerlied. Neben der Stammbesetzung Martin Czech (Vocals, Fiddle, Banjo, Guitar, Hammer Dulcimer), Alexander Maßbaum (Vocals, Accordeon, Flute, Bodhrán, Low & Tin Whistle), Brian McSheffrey (Vocals, Bodhrán and other things), Matthias Malcher (Vocals, Guitar, Banjo, Dobro) und Helmut Henke-Tiede (Vocals Bass, Guitar, Bouzouki, Madolin) sind als Gastmusiker auch Otto Groote, der das Steigerlied vorträgt, und Ulli Sieker (Fiddle, Mandolin) beteiligt. Da es bei den ernsten Themen um harte Arbeit unter und über Tage, Unfälle und Krankheiten, Ausbeutung und Ungerechtigkeiten sehr auf die Texte ankommt, ist es sehr zu begrüßen, dass alle Texte im Büchlein abgedruckt sind. So wird die Scheibe nicht nur zum Träger musikalischen Hochgenusses, sondern einer politischen Parteinahme für die Arbeiter dieser Welt. Man sollte Münte wirklich mal eine zuschicken! Mein Exemplar kriegt er aber nicht!

Michael A. Schmiedel

 

AN RINN - Coal. Songs Of The Working Man


DIVERSE
Internationales Hackbrettfestival Vol. 1 und 2

(Pantaleon Records PTR 102918 + PTR 102925)
2 CDs, 18 + 19 Tracks, 77:27 + 71:07, mit vielen Infos

Es wurde im „Ortstermin“ der letzten Ausgabe erwähnt; zwei Live-CDs der letzten acht Münchener Hackbrettfestivals sind erschienen. Wenn es eines überzeugenden Dokumentes bedürfte, um zu beweisen, welch ernorme Leistung Rudi Zapf als Musiker (immer aktiv dabei), besonders jedoch als Organisator sowie als nimmermüder Promoter in Sachen Hackbrett in den letzten 20 Jahren vorgelegt hat, hier ist es.

Der BR hat mitgeschnitten, die Qualität ist somit garantiert und man kann sich auf die den meisten von uns unbekannte Vielfalt des Hackbretts konzentrieren. Die Künstler kommen vor allem aus Europa, aber auch aus Asien und Nord- und Mittelamerika. Egal, ob das trapezförmige Ding nun Hammered Ducimer, Santur oder Cymbalon genannt wird, egal, ob es von uns bekannteren Könnern wie Heidi Zink, Töbi Tobler oder Meister Zapf persönlich gespielt wird oder von uns nicht geläufigen, aber ebenso großartigen Interpreten - wirklich interessant ist die ungeahnte stilistische Bandbreite eines Instrumentes mit allgemein nur tümlichem Image. Wer in seiner Sammlung nur eine oder zwei CDs mit dem Schwerpunkt Hackbrett haben möchte, der/die kann hier beim Kauf nicht falsch liegen.

Mike Kamp

 

DIVERSE - Internationales Hackbrettfestival Vol. 1

DIVERSE - Internationales Hackbrettfestival Vol. 2


NATURAL FREQUENCIES
Ornamental Journey

(Ozella Music OZL 22002CD/inakustik)
12 Tracks, 64:35

Wie würde wohl eine Folk-CD von Tangerine Dream klingen? Vielleicht wie Natural Frequencies aka Andreas Leifeld. Das Multitalent hat mit Ornamental Journey ein Elektronikalbum erster Güte am Start. Dabei sind große Teile des Albums akustisch entstanden. Zuerst wurden Gitarre, Bass oder Percussion eingespielt, danach elektronisch bearbeitet. Das klingt noch nicht sehr nach Weltmusik. Wenn man dann der Namensgebung von Künstler und Album folgt und begreift, wie sehr die Kompositionstechnik und Klangerzeugung natürlichen Gesetzen und Strukturen folgt, so erkennt man diese CD als Weltmusik in einem ursprünglichen Sinne. Nicht als Ethno-Sound-Teppich für TV-Reisespots, sondern als Abbildung natürlicher Hierarchien, beinahe als naturwissenschaftliche Arbeit, an der Hans Joachim Behrendt seine Freude hätte. Minimalistische Klassik à la Steve Reich findet hier ebenso ihren Platz wie die Ambient-Pattern moderner DJs. Ornamental Journey enthält eine eigene Spiritualität, auf die man sich bewusst einlassen muss. Natural Frequencies gehört definitiv auf die Ars Elektronica und definitiv nicht in das New-Age-Regal des örtlichen Kaufhauses.

Chris Elstrodt

 

NATURAL FREQUENCIES - Ornamental Journey


JENNY WEISGERBER
When Worlds Collide

(SoulMaid Records SoMa 01/Fenn Music Services)
10 Tracks, 35:31, mit engl. Infos und Texten

Sich 30 Jahre nach Nina Hagen noch von Jim Rakete knipsen zu lassen und sein Debütalbum mit einem Stück namens „Grain Of Sand“ zu beginnen, bei dem die Assoziationen zu Bob Dylan und seinem „Every Grain Of Sand“ gar nicht zu vermeiden sind, kann zweierlei bedeuten: total hinterm Mond - oder ausgeprägter Sinn für Qualität und klar sortiert. Wenn nicht alles zusammen: Jenny Weisgerbers musikalische Wurzeln reichen mindestens bis zu Singer/Songwriter-Ikonen wie Carol King oder Carly Simon, für stilistische Ranschmeiße an geschmacklich fragwürdige Produktionsstandards zeitgenössischer Mainstream-Powerinterpretinnen steht sie offenbar nicht zur Verfügung. Und das ist auch gut so, scheint sie mit ihrer heutzutage unüblich hohen Stimmlage und ihren sanftmutig angejazzten Kompositionen doch gute Chancen zu haben, sich ihre ganz eigene Nische einrichten zu können. Um nicht zu sagen, ihre und die ihres Produzenten Colin Bass: Mit seinem seit Camel wohl dokumentierten Talent für geschmackliche Gratwanderungen bis hart an die Grenze zum Kitsch hat er der Pianistin und Gitarristin ein federleichtes musikalisches Gewand geschneidert, das zwischen müder Melancholie und aufgekratzter Schwärmerei in allen Schattierungen oszilliert. Und falls er es nicht selbst ist, der da auf „When I’m Loving You“ und anderen Stücken in bittersüßesten harmony vocals schwelgt, dann klingt es zumindest so - was das wohl bedeuten mag ...?

Christian Beck

 

JENNY WEISGERBER - When Worlds Collide


KARIM BAGGILI
Douar

(Acoustic Music Records 319.1356.2/Rough Trade)
11 Tracks, 58:44

Der ehemalige Nachwuchspreisträger beim Osnabrücker Open Strings Wettbewerb (2000) schlägt in seiner Musik auf Gitarre und Oud eine musikalische Brücke zwischen Tradition und Moderne, aber auch zwischen Ost und West. Baggili webt seine lebendigen Stimmungsbilder aus Techniken des Flamenco, klassisch spanischen Elementen, arabischen Melodien, aber auch südosteuropäischen Einflüssen und offenbart dabei ein sehr zeitgenössisches Musikverständnis. Durch die Eltern schon früh mit verschiedenen Kulturen konfrontiert, wird dieses nahezu selbstverständliche, lebendige Ineinandergehen verschiedenen kultureller und damit auch stilistischer Einflüsse fast schon sinnbildlich für das Verständnis der heutigen jungen Musikergeneration. Diese stimmungsvolle musikalische Welt wird virtuos, ausgesprochen lebendig und voller Energie präsentiert. Erscheint dabei die spieltechnische Virtuosität beim heute Endzwanziger gewissermaßen erwartungsgemäß, so ist doch die kompositorische Reife und Reichhaltigkeit in der Spanne dieser elf Stücke das wohl Bemerkenswerte. Baggili spielt die spanische Gitarre oder das Oud und versteht es durchaus, auch Eigenständigkeiten und Eigenheiten verschiedener Traditionen sowie seiner Instrumente deutlich werden zu lassen, hat aber dabei immer unverkennbar eine eigene musikalische Handschrift.

Steffen Basho-Junghans

 

KARIM BAGGILI - Douar


ILONA GRANDKE
Leise wie ein Lächeln

(O.Skar Verlag; ISBN 3-938389-03-6)
17 Tracks, 42:03

Schauspielerinnen bieten Chansons oftmals besser als Sängerinnen dar, weil sie in der Interpretation aussagekräftiger sind. Das weniger ausgebildete stimmliche Vermögen wird wettgemacht durch stärkere inhaltliche Akzentuierung. Ilona Grandke, eine gelernte DDR-Schauspielerin, die 1982 nach München übersiedelte, spielt heute Theater, macht Synchronarbeiten und singt (seit vielen Jahren) Chansons. 1999 wurde ein Film über sie gesendet, der ihre Fremdheit im eigenen Land thematisierte. Darin präsentierte sie auch einige ihrer Lieder, so dass die Nachfrage danach stieg. Auf ihrer Debüt-CD versammelt sie Lieder von Heine, Hacks, Brel, Steineckert/Demmler, Okudschawa/Biermann und mehrere eigene Texte und Kompositionen. Es ist eine sparsame Produktion. Sie begleitet sich selbst auf der Gitarre, ihr Gesang erinnert z. T. an Biermann, aber technisch überzeugt sie, trotz eindrucksvoller Stimme, nicht immer. Es ist mehr die Tatsache zu bewundern, ein westdeutsches Publikum überhaupt mit diesen Autoren bekannt zu machen, als ihr Vortrag. Erwähnenswert sind auch ihre eigenen Lieder, die sich gut einfügen in diese Reihe mit Titeln bekannter Kollegen. So habe ich die CD trotz ihrer Schwächen gerne und oft gehört, es ist eben ein anderer Ton, den sie anschlägt. Übrigens hätten die Lieder und Ilona Grandke ein informativeres und liebvolleres Booklet verdient gehabt.

Rainer Katlewski

 

ILONA GRANDKE - Leise wie ein Lächeln


FARLUNDO
Tango Lunfardo

(Eigenverlag; www.lunfardo.de)
11 Tracks, 47:00, mit dt. Infos

Wer immer noch meint, Tango sei Seelenbalsam für Melancholiker, möge auf Farlundos Lunfardo hören, so vorhanden, schon mal die Tangoschuhe schnüren und diesem Klischee „Ade“ sagen. Das Aachener Quartett präsentiert Altbekanntes in aufgeweckten Arrangements und eigenwilliger Besetzung, nämlich außer Geige (Johanna Schmidt) und Kontrabass (Wolfgang Bartsch) auch Akkordeon (Alfred Krauss) und Schlagzeug (Stefan Kremer). Souveränes Handwerk ergänzt sich mit dem richtigen Händchen in der Auswahl der Dynamik. Durch die Instrumentierung wird das mögliche Klangspektrum erweitert und gut für assoziative Stilbrücken genutzt. „Tango“ spricht sich schon lange nicht mehr nur in einem Atemzug mit „Buenos Aires“. Kraftvolle Klänge lösen wie selbstverständlich filigrane Strukturen und schöne verspielte Dialoge zwischen den Instrumenten ab. Perkussive Ideen unterstützen die skizzierten Stimmungen, drängen sich aber nie auf. Die Band kann auch leise sein, hat den Mut zur Pause und transportiert dennoch oder gerade deshalb Temperament. Die Tänzer werden es zu schätzen wissen.

Cathrin Alisch

 

DANCE OF JOY
The Music Of Klezmer 3

(Eigenverlag)
14 Tracks, 53:23

Live, in „zahlreichen Mitschnitten“ (leider nicht näher beschriebenen) eingespielt wurde das nunmehr dritte Album des im Jahre 2000 gegründeten Quartetts „Freudentanz“. Wenngleich der Rezensent den Klappentext mit Kritik belegen muss (... der Gruppe sei es „gelungen, die [welche bitte?] einzigartige Atmosphäre in ihren Konzerten einzufangen und auf CD zu bannen“ [zu bannen??]), so hat das Eigenattribut „ein lebendiges Zusammenspiel der Gruppe“ durchaus seine Berechtigung, wie die Stücke „Hopke“ oder „Gankino Horo“, um nur zwei Beispiele zu nennen, bezeugen können. Johannes Flamm (Klarinette), von seinen Mitmusikern auch „Magic John“ genannt, schafft mit seinem Instrument mitunter ein flammendes Feuerwerk auf der Bühne. Johanna Schmidt (Violine, Klavier) entstammt einer Musikerfamilie und begeisterte sich schon als Kind für Klezmermusik; mit der Gründung der Gruppe setzte sie einen lang gehegten Plan in die Wirklichkeit um. Alfred Krauss (Akkordeon) sitzt inmitten der um ihn herum spielenden Musiker wie ein Fels in der Brandung. Manfred Hilgers (Bass) schließlich ist ein hervorragender Jazzmusiker und gibt mit seinem klangvollen Basssound der Band ein überzeugendes Klangfundament. Der Gruppenname Dance Of Joy steht, so das CD-Beiblatt, „für die Vitalität, die in dieser Musik spürbar ist und wie ein Funke auf unsere Zuhörer überspringt“. Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

Matti Goldschmidt

 

DANCE OF JOY - The Music Of Klezmer 3

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