back Rezensionen Deutschland


LIEDERJAN
Spielen Sie auch Gitarre?

(Pläne 88927/BMG ARIS)
14 Titel, 56:40, mit Texten und Infos

Liederjan in der siebten Inkarnation. 30 Bühnenjahre und der 16. [!!] Longplayer (Sampler nicht mitgerechnet). Nach der CD Wir 3 von 2003, noch mit Anselm Noffke und Jürgen Leo, nun die neue Formation, in der die Tubistin Hanne Balzer (Flöten, Keyboards, Konzertina) an die Stelle Anselm Noffkes trat. Jürgen Leo wurde durch den Möllner Liedermacher Klaus Irmscher (akustische u. E-Gitarre, Mandola, Mandoline) abgelöst.

Motor Jörg Ermisch, der letzte der alten Garde und Hüter des Liederjan-Grals, spielt Gitarre, Mandoline, Sopransaxoophon, Singende Säge, Konzertina, Low Whistle, Akkuschrauber und singt. Und schreibt natürlich Lieder: wunderbar romantisch die Hommage an Irland („Insel“), aber auch grantig-komisch, sarkastisch und ungemein witzig. (Nach seinem Lied „Alaaf-Parade“ sollte sich der provokante Fischkopp allerdings nicht mehr über die Kölner Stadtgrenze trauen!)

Die beiden neuen Liederjan-„Kotflügel“ sorgen dafür, dass neben dem deutlich folkigeren, saitenlastigeren Gesamtsound zwei alte Liederjan-Stärken wieder mehr zum Vorschein kommen: der dreistimmige Satzgesang und plattdeusche Lieder. Geschrieben von Klaus Irmscher, der ebenso gefühlvoll-poetische Lieder wie witzige Reißer à la „Spaxschrauben“ zu schreiben weiß.

Liederjan tuckert zuverlässig wie ein 30 Jahre alter VW-Käfer, an dem schon so ziemlich alle Teile ausgetauscht wurden und der trotzdem, so lange der alte Motor noch nicht schlappmacht, läuft und läuft und läuft und immer noch glänzt und funkelt wie nach den ersten 1.000 Kilometern.

Gut, dass es Euch gibt - bitte lange noch!

Ulrich Joosten

 

LIEDERJAN - Spielen Sie auch Gitarre?


CHRIS JONES & STEVE BAKER
Gotta Look Up

(Acoustic Music Records 319.1348.2/Rough Trade)

Gefühlvoll und die leiseren Töne anschlagend, gleichzeitig dennoch druckvoll und energiegeladen kommen die Songs des Duos Chris Jones und Steve Baker rüber. Der kürzlich viel zu früh verstorbene Chris Jones ist Gitarrist und Leadsänger, Steve Baker bedient die Harmonika und den Backgroundgesang. Ergänzt wird das Duo durch den Percussion- und Cajon-Player Martin Röttger, der für perkussive Akzente sorgt. Anzusiedeln ist das Album irgendwo zwischen Singer-/Songwritermaterial und reinem Blues. Gotta Look Up ist dabei bereits das vierte Album der Musikerveteranen und das hört man auch: wohleingespielt, herzerwärmend und sehr harmonisch singen und spielen sich die beiden Protagonisten in unsere Herzen. Groove, Speed und Powerblues sind ihr Rüstzeug. Sehr schön!

Carina Prange

 

CHRIS JONES & STEVE BAKER - Gotta Look Up


PETER KERLIN with JENS KOMMNICK
Dancing Days

(Eigenverlag 2005)
11 Tracks, 50:03, mit Fotos, engl. Texten und dt. Infos

Peter Kerlin aus Göttingen blickt auf 28 Jahre Musikerleben zurück, woran er die Hörer dieser CD teilnehmen lässt. Etwas wehmütig klingt das eine oder andere ja schon, und seine Beteuerung „but if you’d ask me I’d say ‚Yes, I would do it again’“ klingt ein wenig wie eine Selbstaufmunterung. Ein Musikerleben mit seinen vielen Aufs und Abs, Erfolgen und Enttäuschungen, Plänen und Realitäten muss ganz schön schwer sein. Umso verspielter wirkt sein Mandolinen und Gitarrenspiel, in dessen Filigranität kein Geringerer als Jens Kommnick (Friel’s Kitchen, Iontach, ...) mit Gitarre, Whistles, Uilleann Pipes, Cello, Bass, Keyboard, Fiddle, Mandoline, Banjo, Bouzouki und Hintergrundgesang meisterhaft einsteigt, und dann spielt auch noch Siobhán Kennedy auf der Flöte und singt im Hintergrund mit. Und so sind nicht nur die sieben gut verstehbaren Lieder aus Kerlins Feder, sondern auch die vier Instrumentals ein Hörgenuss. Mir gefallen dabei besonders „Mind The Gap“ wegen seines balkanisch ungeraden Rhythmus (nein, es ist nicht das gleichnamige Stück von Kila) und das sehr norddeutsch klingende „Along Silver Lines“, das Kommnick und Kennedy ihrem Mitmusiker Kerlin zum Bühnenjubiläum komponierten. Irisch klingt alles eher entfernt, es ist vielmehr ein eigenes Genre englischsprachiger Liedermacherei deutscher Provenienz mit sehr poetischen Texten und zahlreichen musikalischen Einflüssen.

Michael A. Schmiedel

 

FRAUNHOFER SAITENMUSIK
Klangräume

(Trikont US-0344)
13 Tracks, 56:29

Wie schön! Die Fraunhofer Saitenmusik legt ihre zwölfte CD vor, mit dem äußerst zutreffenden Titel Klangräume. Man zieht sich unter den Kopfhörer zurück, schließt die Augen, öffnet Ohren und Seele und weiß spätestens nach 20 Takten: Die Fraunhofer Saitenmusik ist keine Band, sie ist ein musikalischer Glückszustand. Ätherisch auf- und abschäumende Hackbrettklänge veredeln sogar die (Alb-)Träume vieler angehender Klassikgitarristen, Johann Anton Logys Partita in a-Moll ist ein musikalisches Hochgefühl. Daran anschließend eine Nachtmusik aus der Sammlung von Rasmus Storm, eines dänischen Volksmusikers, auf den wiederum Pachebels Kanon folgt, ehe irische Klänge von O’Carolan zurück zu Rasmus Storm führen. Weitere Klassiker wie François-Joseph Gossec und Georg-Friedrich Händel gehen eine friedliche Koexistenz mit volkstümlichen Klängen ein, und es gibt in Deutschland keine zweite Band, die so leichtfüßig, virtuos und homogen Volkslied und Klassik miteinander zu paaren weiß. Es entsteht eine zeitlos-schöne Musik mit therapeutischer Wirkung, die von Tonmeister Friedrich Thein auf gewohnt höchstem Niveau akustisch konserviert wurde.

Richard Kurländer (Harfe, Appenzeller Hackbrett, Streichspalter), Heidi Zink (Hackbrett, Blockflöte), Gerhard Zink (Kontrabass) und der Gast Michael Klein (Gitarre) haben in den Kanon musikalischer Kleinode ein weiteres, virtuoses Kronjuwel eingefügt.

Ulrich Joosten

 

FRAUNHOFER SAITENMUSIK - Klangräume


ATTWENGER
Dog

(Trikont/Indigo)
Promo-CD, 14 Tracks, 44:55

Zugegeben, die Alpenregion, zumal auf der Seite unserer österreichischen Nachbarn, ist musikalisch verschrien und liegt nicht gerade im zentralen Mittelfeld unseres Hörradius. Ausnahmen gibt es, wenn auch wenige, und eine davon heißt Attwenger. Kenner lieben die österreichische Anti-Schunkelattitüde, die Hard-Polka mit digitalen und analogen Samples, die groovenden minimalistischen und durchaus punkigen Sounds, die von Gitarre, Bläsern, Drums und vor allem der Harmonika erzeugt werden - kurz die totale Schräglage. Doch das eigentliche Schmankerl dieser Klänge bilden die bissigen Texte. Alltägliche Handicaps stehen hier genauso im Mittelpunkt, wie Beobachtungen aus Österreich oder einfach nur deftiger und spöttischer Wortwitz in Rapmanier und feinstem Slang. Nach bereits fünf erschienen Alben und ausgiebigen Konzertreisen der Band hat es sich auch dieses Mal wieder gelohnt, auf Attwengers neuesten Streich zu warten - und allen, die sich vor Slang scheuen sei gesagt, hier lohnt sich das Zuhören und vor allem macht es Spaß. Vielleicht kommt der wahre HipHop ja doch aus den Alpen ...

Claudia Frenzel

 

ATTWENGER - Dog


das blaue einhorn
Traum mit Schlangen

(unicornio records UR 34025)
16 Tracks, 62:00, Texte mit Übersetzung, Photos

Das Blaue Einhorn ist einer der Folkförderpreisträger, die noch immer erfolgreich unterwegs sind. Sie werden vorrangig mit Klezmer und jiddischem Lied in Verbindung gebracht, doch mit „Folklore und Chansons aus dem Dickicht der Städte“ beweisen sie viel größere Bandbreite. Neben einigen Romaliedern aus Osteuropa singen sie auch Chanson von Brel, Jara, Vyssozkij und spielen Fado und Rembetiko. Als wenn Das Blaue Einhorn jede musikalische Richtung, jeden Musikstil und jede menschliche Geschichte geradezu in sich aufsaugen und als eigenes Stück wieder hervorbringen will. Die Musiker, die seit fast 15 Jahren zusammen musizieren und reisen, und hier ihre siebte CD vorlegen, machen aus diesem weltweiten Mix ein homogenes Programm im Stile osteuropäischer Zigeunerbands. Jedes Stück wird in die musikalische Seele der Gruppe aufgenommen und für das - rein akustische - Instrumentarium arrangiert. Es entsteht ein immer hörbares, immer zeitloses Programm. Musik für jede Lebenszeit.

Jürgen Brehme

 

das blaue einhorn - Traum mit Schlangen


PALOSANTO
Urubamba

(Eigenverlag, palosanto.de)
8 Tracks, 51:24

Palosanto liefern mit Urubamba eine der wenigen CDs ab, in denen die singende Säge weder exotisches Begleitinstrument noch humoristisches Element ist. Alleine dafür hat das Quartett aus Herten einen Orden verdient. Einen weiteren Orden erhält es durch den Beweis, dass man auch im Eigenverlag eine CD produzieren kann, die sowohl kompositorisch als auch klanglich keinen Vergleich zu scheuen braucht. Acht Eigenkompositionen zwischen Meditationsmusik und Folklore präsentieren Palosanto auf ihrem Debütalbum. Dass die singende Säge als führendes Melodieinstrument für den Wiedererkennungsfaktor sorgt, soll aber die Leistungen der Mitmusiker nicht schmälern. Ob Tabla, Kalimba oder Saxophon, jedes Instrument ist sorgfältig und behutsam eingesetzt. Zweiter Höhepunkt der CD ist der Obertongesang von Washkar Schneider, der auch sämtliche Tracks komponierte. Die Stimme bildet mit der singenden Säge ein perfektes Duett, welches unweigerlich die Gedanken abschweifen lässt und spätestens bei dem Titeltrack „Urumbara“ für Gänsehaut sorgt.

Es gelingt Palosanto sogar, Anleihen aus Tuva zu verarbeiten oder ein Didgeridoo einzusetzen, ohne in nervige Pseudoesoterik zu verfallen. Palosanto sind definitiv ein Geheimtipp.

Chris Elstrodt

 

PALOSANTO - Urubamba

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