ABED AZRIÉ
Suerte Live
(Nocturne NTCD 801/Broken Silence)
26 Tracks, 63:34, mit franz., engl. arab. und span. Infos + Texte
Ein grandioses Werk am Kreuzweg von Orient und Okzident, Moderne und
Mittelalter, Klassik und Aktualität. Abed Azrié aus Syrien hat Literatur
studiert, die Texte basieren auf andalusischen Gedichten aus dem 11.
Jahrhundert. Ein orientalisches, ein französisches und ein spanisches
Ensemble hat Azrié zusammen gebracht, 15 Mann insgesamt, die Stücke sind
durchkomponiert und exzellent einstudiert. Wie eine Blume dreht sich der
Klang mal in die eine, mal in die andere Richtung, und immer steht er im
Glanz der Sonne. Und obwohl sie für sich steht, ließe sich mit dieser Musik
ebenso gut ein Film schmücken, ganz von selbst stellen sich Bilder ein. Als
Georg Capellen 1906 die musikalische Vermählung von Orient und Okzident
„Weltmusik“ nannte, muss er wohl so etwas gehört haben. Der Gesang von Azrié
und Serge Guirao ist großartig, und doch: Dhafer Youssef hätte, entsprechend
instruiert, noch einen draufgesetzt. Dass dieses Geniestück auch noch live
mit einem gelegentlich mitklatschenden Publikum gelang, ist umso
bemerkenswerter, der Preis der deutschen Schallplattenkritik darf, nicht
zuletzt wegen der Klangqualität, als sicher gelten. Nur ganz wenige Alben
haben die Kraft, die Phantasie zu beflügeln, Bilder entstehen zu lassen, den
Gedanken freien Flug zu verschaffen, Sehnsucht zu wecken, Psyche und Physis
anzurühren. Suerte Live ist eines davon.
Luigi Lauer
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KADERO
Perdu
(Atlas Music 05-1)
Promo-CD, 12 Tracks, 56:40
Das geht ab. Mächtig ab! Wer sich Bassist Linley Marthe für ein Debüt-Album
holen kann, der muss schon vorher auf sich aufmerksam gemacht haben, in diesem
Fall durch die Zusammenarbeit mit Joe Zawinul. Kadero stammt aus Marokko, lebt
in Wien und ist ein beeindruckender Sänger. Sämtliche Tracks sind
Eigenkompositionen, und alle haben es in sich. In einem Funk-Rai geht es zu
wie in der Einflugschneise Frankfurts, ein Orient-Reggae weckt die Vermutung,
Jamaika läge in Nordafrika, dann überrascht ein chansonhaftes Lied mit
spanischer Rhythmik und ebensolchen Gitarrenklängen, oder eine Pop-Nummer
besitzt eine Anziehungskraft wie Khaleds beste Lieder (die regelmäßig nicht
von ihm geschrieben wurden). Einige Songs wiederum sind stark ägyptisch
beeinflusst. Neben Marthe glänzen auch Otto Lechner am Akkordeon und Gitarrist
Karl Ritter, aber es ist nicht ganz fair, sie herauszustellen, denn alle
Musiker sind erstklassig. Clever arrangiert, sehr druckvoll, dabei nicht
überladen - so macht man es, wenn man es richtig machen will.
Luigi Lauer
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