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LE TRIO JOUBRAN
Randana - Oud Palestine

(Chateau du Pop/harmonia mundi)
5 Tracks, 45:10

Palästina. Ein Land, dem wir in den Nachrichten begegnen - schlechte Nachrichten zumeist. Gewalt und Tod beherrschen den Alltag. Aber auch ein Land mit einer vitalen musikalischen Kultur, die so leicht übersehen wird. Samir Joubran ist einer der bekanntesten palästinensischen Oudvirtuosen. Geboren wurde er 1973 in Nazareth als Sohn eines über die Landesgrenzen hinaus bekannten Lautenbauers. Den ersten Unterricht erhielt er vom Vater, vollendete sein Studium schließlich an der Abdul Wahab Akademie in Kairo. Sein einzigartiges, feinnerviges Spiel machte ihn schnell zum gefragten Solisten im Mittleren Osten und führte ihn 2003-2005 auch zu Festivals in Europa und Amerika. Mit seinen Brüdern Wissam und Adnan formierte er jüngst das Trio Joubran - Musik für drei Oud. Die Joubrans schöpfen aus dem reichen Fundus traditioneller Melodien. Der leichte Fluss und die scheinbare Mühelosigkeit täuschen über die hohe Komplexität des kunstvollen Stimmengeflechts hinweg. Kaum nachvollziehbar sind die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation oder die fast stufenlos ausgeführten Tempowechsel. Die CD endet mit der anrührenden Live-Aufnahme (in Ramallah) eines berühmten arabischen Liebesliedes. Schon nach der kurzen Andeutung des Themas singt das Publikum mit. Die Selbstvergessenheit und Beseeltheit dieses zarten Moments vermittelt für einige zeitlose Minuten eine Friedensbotschaft, wie sie intensiver kaum vorstellbar ist.

Rolf Beydemüller

 

LE TRIO JOUBAN - Randana - Oud Palestine


IAN BRUCE
The Demons Dance

(Ruglen Record Company LUMS CD 0110)
11 Tracks, 48:59

Ein eigenes Tonstudio kann hilfreich sein, aber auch sehr, sehr gefährlich! Man kann ausprobieren, der Fantasie freien Lauf lassen - und dabei über das Ziel hinausschießen oder die Übersicht verlieren. Neu-Studiobesitzer Ian Bruce sieht lt. Booklet die Gefahr sehr wohl, - und erliegt der Versuchung dennoch. Zumindest im Opener „Lonely Time“, der zusammengestoppelt und überladen wirkt sowie in ein, zwei weiteren Stücken ist das deutlich zu hören. Es geht doch nichts über einen vernünftigen, neutralen Produzenten, der Spielereien unterbindet. Aber das Können des Ian Bruce ist viel zu überdurchschnittlich, um eine schlechte CD abzuliefern. Seine außerordentliche Stimme und die ansprechende Liedauswahl mit einer Mischung aus Eigenem und Fremden plus einer Handvoll guter instrumenteller Gäste sorgen für einen insgesamt positiven Eindruck. Zwei Lieder ragen m. E. deutlich heraus. Stephen Clarks „Coming Home“, eine unaufdringliche Aufforderung, Asylanten das Land zur Heimat zu machen. Und Ians eigenes „Brown Eyed Baby“, ein unglaublich einfühlsames Lied vom Standpunkt einer Mutter, die ihren Sohn in eine Beziehung mit einem anderen Menschen (in diesem Falle Ian) abgibt. Und dann sind da noch die eindrucksvollen Bookletzeichnungen zweier 10 bzw. 12 Jahre alter Jungs, die das Fehlen der Texte fast vergessen machen. Er kann’s doch! Und spätestens bei der nächsten CD hat Ian Bruce das neugierige Spielen an den Knöpfen und Reglern des Mischpultes nicht mehr nötig.

Mike Kamp

 

IAN BRUCE - The Demons Dance


EPIFANI BARBERS
Marannui

(Forrest Hill Records FHME 36/Galileo)
11 Tracks, 39:08, mit Texten (lokaler Dialekt, italienische und engl. Übersetzung)

„Tecnica alla barbiere“, Haarschneidertechnik, nennt man im süditalienischen Brindisi den Mandolinenstil der Maestri Costantino Vita und Peppu D’Augusta. Sie schnitten in ihrem Salon nicht nur flink Haare, sondern ließen in ihren Pizzica-Pizzica-Orchestern ihre Finger ebenso flink über die Saiten gleiten. Im Friseursalon von Costantino Vita hat auch Mimmo Epifani sein Handwerk gelernt - und wie! „Marannui“, Auftakt der CD und Titelstück weist den Weg. Die Band versprüht eine unglaubliche Energie, die Mandoline sirrt, das Akkordeon setzt Akzente und die Perkussion treibt und stampft diese typisch süditalienische, tief traditionelle Musik an. Doch schon beim zweiten Stück fragt man sich, ob eine Schnellstrasse von Brindisi nach Dhakka führt. Kurz darauf biegt Mimmo wieder Richtung Dublin ab. Während er mit seiner Mandoline auf der Überholspur einen irischen Jig intoniert, jagen seine Kollegen der Tarantella hinterher. Aber wie immer auf der Autobahn kommt es zum Stau. Zu alledem hat einer noch den guten Wein aus dem Wagen gestohlen. In „Amsterdam“ finden die Barbers Zeit, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Doch Kairo liegt nah. Und irgendwo auf der Strecke von Kiew nach Budapest steigt mit dem Cymbalon-Spieler Marian Serban ein Gleichgesinnter ein. Wer, außer den Epifani Barbers, füllt soviel Kraft, Gefühl und Humor in 11 hervorragende Ohrwürmer von leider nur 39 Minuten?

Martin Steiner

 

EPIFANI BARBERS - Marannui


LIZ MEYER
The Storm

(Strictly Country Records SCR-59)
12 Tracks, 46:30, mit engl. Texten

Der Titel von Liz Meyers neuer CD könnte nicht persönlicher sein. Hat eine Krebserkrankung die Sängerin und Gitarristin in den letzten Jahren doch auf eine harte Probe gestellt. Daher hat sie „The Storm“ auch all den Menschen gewidmet, die ihr geholfen haben, als der „Sturm“ am heftigsten wütete. Und in Songs wie „Save Me From Myself“ und „Running Out Of Time“ werden Liz Meyers Gefühle und Gedanken deutlich, die mit ihrem Kampf gegen die Krankheit verbunden sind. Musikalisch dokumentiert das Album die Liebe der Künstlerin sowohl für die Traditionen als auch für progressive Entwicklungen in Bluegrass und Folkmusik. Wobei sich reine Bluegrasstitel sowie Singer/Songwriter-Stücke und Folk- bzw. Countrymelodien auf der CD fast die Waage halten. Die in Deutschland geborene und n Holland lebende Amerikanerin hat für The Storm aus der ersten Liga kommende Gruppe von Begleitmusikern gewinnen können: Dazu gehören u. a. Béla Fleck (Banjo) und Sam Bush (Fiddle, Mandoline), denen sie das programmatische Stück „Pulled In Two Directions“ gewidmet hat, Jerry Douglas (Dobro) und Ron Block (Banjo) von Union Station, der Begleitband von Alison Krauss, sowie Glen Duncan (Fiddle), Rob Ickes (Banjo), Kenny Malone (Drums) und Emmylou Harris, die als Begleitsängerin bei „The Only Wind That Blows“ zu hören ist. The Storm ist ein kleines akustisches Juwel.

Michael Kleff

 

 


LISE WESTZYNTHIUS
Rock, You Can Fly

(One little Indian TPLP472CD / Rough Trade)
Promo-CD, 12 Tracks, 51:46

Sanftheit ist die Grundidee. Eine Rückkehr zur Unschuld wie in Abrahams Schoß das daraus destillierte Angebot. Und am Anfang war - allen stimmlichen wie instrumentalen Echos von Julee Cruise bis Cowboy Junkies zum Trotz - die Klassik. Wie sollte ein junger Mensch etwas derart ätherisch Entrücktes auch noch aus dem grell-schrillen Pop oder brachial-rüden Rock unserer Tage entwickeln können? Lise Westzynthius, 30-jährige Tochter eines Dänen und einer Finnin, verbrachte in frühen Jahren lange Sommer bei der Großmutter mütterlicherseits, einer Konzertpianistin in Helsingfors, die sie auf eine Chopin- und Brahms-Diät setzte. Die ist Lise bestens bekommen und muss ihr darüber hinaus auch gefallen haben - die Erinnerungen jedenfalls fallen ausnahmslos positiv aus: die Einladung, noch einmal „Cowboys And Indians“ zu spielen wie damals - förmlich unwiderstehlich; die allgegenwärtigen Etüden-Begleitungen - in der Klarheit ihrer Reduktion aufs Wesentliche wie Balsam auf dem gereizten Ohr; die Wiederholung alter Tauchgänge zu leicht verstimmtem Kinderklavier in „The Wreck“ - trotz aller Bedrohlichkeit ein hoch verführerisches Bild des Friedens, ja der Freiheit. Einer Freiheit, welche sich die Sängerin, die all ihr Material selbst schreibt, auch persönlich ganz natürlich zu nehmen scheint - von einzelnen Klaviertropfen wie von Chopin bis zu Fuzzgitarren weit im Hintergrund ist alles erlaubt. Welch ein Segen ...

Christian Beck

 

LISE WESTZYNTHIUS - Rock, You Can Fly


L’HAM DE FOC
Cor De Porc

(Galileo GMC010)
12 Tracks, 63:15, mit katalanischen, span., engl., franz. und dt. Texten

Die Idee für den eigenwilligen Namen ihrer neuen CD („Schweineherz“) kam der valencianischen Folkband, als sie in einer Kathedrale das Bild eines harfespielenden Schweins sahen. „Genau wie der Mensch, der gleich wie er sich auch anstrengt, und studiert doch nicht mehr ist als dieses arme Schwein“, erzählt Mara Aranda schmunzelnd. Von Schweinspfoten kann allerdings weder bei Maras virtuosem Gefährten Efren López, noch bei den 15 weiteren hervorragenden Musikern, die an Cor de Porc mitwirken, die Rede sein. Und auch Mara Arandas zeitlose Lieder von unerwiderter Liebe oder magischer Vereinigung, von Abschied und Rückkehr sind alles andere als Grunzer. Neben traditioneller valencianischer Musik aus verschiedenen Epochen, hört man bei ihrer dritten CD die langen Studienaufenthalte Arandas und López in Griechenland und der Türkei, sowie den fruchtbaren Austausch mit dem auf Kreta lebenden Musiker Ross Daly heraus. Eine Vielzahl türkischer Instrumente wie die Baglamat und die virtuose Ney-Flöte des Griechen Hristos Barbas geben den valencianischen Wurzeln eine neue Wendung. Die Töne wirbeln mittelalterlich, mittelmeerlich durcheinander, knüpfen ein federleichtes Gewebe und betören die Sinne mit einem Hauch Indien, einer Prise Orient und einem Quäntchen Nordafrika. Eine Reise vom Mittelalter in die Gegenwart - reine Ekstase!

Angela Isphording

 

L’HAM DE FOC - Cor De Porc


RICHARD THOMPSON
Front Parlour Ballads

(Cooking Vinyl/Indigo)
13 Tracks, 46:53, mit engl. Texten

Der Altmeister des britischen Folkrock hat seit Strict Tempo von 1981 erstmals wieder ein Werk vorgelegt, das als solo und akustisch durchgehen kann, auch wenn er nicht völlig von der E-Gitarre lassen kann und Debra Dobkin ab und an etwas Percussion einstreut. Und es ist Thompson, wie ihn seine Fans lieben: Die Songs erzählen kleine, oftmals skurrile Geschichten. Die Musik schwankt zwischen folkbeeinflussten Melodien über kinderliedartigen Mitsummer („Mutton Street“) bis hin zu Weill-ähnlichen Einflüssen („Should I Betray?“), dennoch Thompson-typisch immer irgendwie „very British, indeed“, obwohl der Mann seit längerem in Los Angeles lebt. Aufgenommen hat er die CD im Tonstudio in der eigenen Garage, aber die Aufnahmen sind dennoch karg und auf das Wesentliche beschränkt geblieben (Ian Bruce, s. o., kann hier eine Lektion in Sachen Aufnahmedisziplin lernen). Seine Fans werden das Album lieben, etliche Künstler werden einige der Songs begierig covern, aber in eine andere Bekanntheits- oder Verkaufsdimension wird Richard Thompson auch durch Front Parlour Ballads nicht befördert. Warum auch!?

Mike Kamp

 

RICHARD THOMPSON - Front Parlour Ballads


PEDRO SOLER
Luna Negra

(NordSud)
8 Tracks , 43:46, mit Infos

Der Name Pedro Soler weckt bei mir persönlich musikalische Jugenderinnerungen. Meine allererste LP mit Flamencogitarrenmusik, erschienen Ende der 70er Jahre bei Le Chant du Monde, stammte von ihm. Der 1938 geborene Soler gehörte nie zu den spektakulären Highspeedtechnikern des Genres und wird doch von Kennern als Meister des Instruments verehrt. Er ist Zeit seines Lebens weniger Solist als aufmerksamer und leidenschaftlicher Begleiter gewesen. So hat er z.B. seinen Entdecker und Mentor, den Sänger Jacinto Almadén, bis zu dessen Tod im Jahre 1968 auf Konzerttourneen um die ganze Welt begleitet. Mit dem Zapateado „Carmen Joselito“ verneigt sich Soler vor einer der Grandes Dames des Flamenco, der Tänzerin „La Joselito“. Mehr als 40 Jahre hat er für sie gespielt, ebenso lange wie Soler als Gitarrist auf der Bühne steht. Er selbst nennt Luna Negra ein Album der Reife und des Wohlgefühls. Er verabscheut „hektischen“ Flamenco. Soler gehört zu der aussterbenden Spezies von Künstlern, die den flamenco puro in meditativer Gelassenheit und nüchterner Klarheit und Strenge vortragen. Pedro Solers hat reinigenden Charakter. Hier leuchtet die Seele des Flamenco in stiller Tiefe auf.

Rolf Beydemüller

 

PEDRO SOLER - Luna Negra


KIRSTEN BRÅTEN BERG, MARILYN MAZUR, LENA WILLEMARK
Stemmenes Skygge

(Heilo HCD 7185 / Galileo)
10 Tracks, 50:27, mit norweg., schwed. und dän. Infos und Texten

„Tradisjonell musikk, gammel og ny fra Norge, Sverige, Danmark og Færøyene“ verheißt der Untertitel dieser CD und führt den geneigten Zuhörer gleich schon in die Irre. Sicher, die Herkunftsländer von Norwegen bis zu den Färöern sind korrekt gelistet, und auch die musikalische Abstammung der 10 Stücke ist überwiegend eine traditionelle. Dennoch ist dies kein traditionelles Folk-Album. Wir haben es hier vielmehr mit jener Spielart des Jazz zu tun, die seit den 1980er-Jahren unter dem griffigen Signum folklore imaginaire firmiert. Hierbei kann es sich sowohl um traditionelle Musik als Ausgangspunkt für zeitgenössische Spielformen handeln, als auch um neukomponiertes Material, das wie traditionelle Musik klingt, weil sich der Komponist ebensolcher Parameter bedient hat.

Auf Stemmenes Skygge (Im Schatten der Stimmen) finden wir beide Ansätze: Die wunderschönen traditionellen A-capella-Gesänge der Norwegerin Bråten Berg und der Schwedin Willemark lösen sich immer wieder in freiem Spiel auf, werden von geheimnisvoll flüsternden Stimmen unterbrochen, durch Viola (LW) oder Maultrommel (KBB) ergänzt, oder vom ebenso energischen wie sensiblen Spiel der in Dänemark lebenden amerikanischen Jazzschlagzeugerin Marilyn Mazur konterkariert. Die wenigen Eigenkompositionen (meist von MM) hingegen klingen so, als entstammen sie samischen oder zumindest schamanischen Traditionen.

Walter Bast

 

KIRSTEN BRÅTEN BERG, MARILYN MAZUR, LENA WILLEMARK - Stemmenes Skygge


HARRISON KENNEDY
Voice + Story

(Black Tan Records)
14 Tracks, 51:01, mit engl. Texten und Infos

„Voice + Story“ heißt das Album und dem Titel entsprechend dreht sich hier alles um Geschichten, die das Leben schrieb. Denn Harrison Kennedy ist Bluesmusiker mit Herz und Seele, Leib und Verstand. Ob er einen Moaning Blues intoniert, Spoken Word Poetry oder einen Talking Blues zum Besten gibt, das Ergebnis ist immer genial. Diese CD ist inhaltlich und musikalisch ein Schaufenster der unterschiedlichsten Facetten und Variationen der Möglichkeiten, die mit Gesang und Text möglich sind. Kennedy selbst ist zu hören an Gitarre, Perkussion, Harmonica, Kazoo und natürlich Gesang. Des weiteren sind als Begleitband Nico Heilijgers (b, perc), Roel Spanjers (acc, hammond) und Jan Mittedorp (g) dabei. Kaum jemand wird sich Kennedys dunkler Stimme, seinem eingängigen Gesang und seinen guten, oft tiefgründigen Texten entziehen können: Und wenn er singt „life is a mountain we must climb - let’s climb it together, baby put your hand in mine“ - wer würde ihm nicht glauben?

Carina Prange

 

HARRISON KENNEDY - Voice + Story


DAVID PASQUET GROUP
Breudeur Ar Stered

(Coop Breizh CD 969 DB 10)
10 Tracks, 44:40, mit einigen Infos

David Pasquet ist zurück. Bekanntgeworden war er als Bombarden-Spieler der epochalen bretonischen Gruppe Ar Re Yaouank. Jetzt hat er eine eigene Band, die David Pasquet Group, mit der er relativ bruchlos an die alten Stärken anknüpft. Wie Ar Re Yaouank spielt die Pasquet Band akustische Fest Noz-Tanzmusik mit groovigem Rockfeeling. Was also ist neu? Natürlich steht die Bombarde von Pasquet diesmal ganz im Vordergrund, er hat auch alle Stücke selbst geschrieben. Außerdem ist das neue Projekt noch einen deutlichen Tick rockiger, denn diesmal ist auch ein Schlagzeug dabei, während das Akkordeon fehlt. Ansonsten ist die Besetzung gleich: Bombarde, Biniou, Bass, Gitarre. Von den alten Ar Re Yaouank-Kollegen spielt aber nur Stephane De Vito am (äußerst funkigen) E-Bass mit. Schade, dass Pasquet sich für den neue Start so lange Zeit gelassen hat, aber er hatte einfach zu viele andere Projekte im Kopf. Nach der Auflösung von Ar Re Yaouank spielte er kurz bei der kabylisch-bretonischen Band Tayfa, dann macht er mit beim Folk-Jazz-Projekt Celtic Processions und tourte viel mit Sänger Denez Prigent. Jetzt also die vielversprechende neue eigene Band. Deren erste CD "Breudeur ar Stered" ist eines der bretonischen Highlights des Jahres und hält dem Vergleich mit Ar Re Youank-Zeiten durchaus stand. Wer allerdings vom schrillen Bombarden-Sound schnell zu viel bekommt, sollte dieses Album meiden.

Christian Rath

 

DAVID PASQUET GROUP - Breudeur Ar Stered


SONGDOG
The Time Of Summer Lightning

(One Little Indian TPLP473CD / Rough Trade)
Promo-CD 12 Tracks, 70:25

Wo Alternative-Hoffnung Lyndon Morgans sich und seine beiden Songdog-Kollegen im Singer/Songwriter-Schloss gern sieht, erschließt sich aus der Liste seiner Vorbilder: Baudelaire, Beatles, Beckett, Cioran, Cohen, Dylan, Joyce, Kafka, Mitchell, Orbison, Proust, Waits - es ist die Dichtermansarde, die es dem Ex-Dramatiker angetan hat! Und wenn er dort auch noch lange kein unbegrenztes Wohnrecht hat wie die Vorgenannten, so ist er doch auf gutem Weg, wie viel Kritiker- und Kollegenlob bis zu Bruce Springsteen bezeugt. Auch mangelt es dem Waliser nicht an Selbstbewusstsein - so coverten Songdog für eine Dylan-Cover-CD kürzlich keinen geringeren Song als „Desolation Row“. Und über Inspiration und Händchen verfügt er ebenfalls, wenn „The Time Of Summer Lightning“ nicht täuscht: Vornehm zurückhaltend flüstert sich Morgans durch Material, zu dem wegen ähnlicher Intimität und vergleichbar erotisch belegter Themenfelder unbedingt auch noch der Momus erwähnt sei - in den 90ern der beste Elfenbeintürmler von allen; es gelingen ihm dabei - wie einigen der Vorbilder vor Jahrzehnten - immer wieder wie nebenbei melodische Kleinode mit dem Zeug zum Bleiben; und schließlich können sich die aktuellen Mansardenbewohner darüber freuen, wie Morgans die Erinnerung an sie selbst belebt. Sollte einen wundern, wenn sie ihn da nicht gern in ihren Räumen um sich hätten - und schwupp wird ein Gewohnheitsrecht daraus ...

Christian Beck

 

SONGDOG - The Time Of Summer Lightning


JACOPO MARTINI
I Nuvoli, Jazz Manouche

(Felmay Fy8095/Just Records Babelsberg)
12 Titel, 49:26, mit Infos

Dem Gitarristen aus Florenz ist hier schlichtweg eine musikalische Überraschung gelungen. I Nuvoli trägt zwar den Geist der Manouche-Musik speziell Django Reinhardts in sich, jedoch gelingt es Martini, diese Einflüsse in eine eigene, neue Welt zu tragen. Die Tradition wird sehr lebendig und um ein starkes mediterranes Gefühl bereichert zur swingenden zeitgenössichen Jazzwelt. Nicht zuletzt mit der Integration von weiteren Instrumenten wie Klarinette (Nico Gori) und Akkordeon (Antonello Salis) entstehen völlig neue, überraschende Arrangements und klangliche Möglichkeiten. Äußerst spannend wird es z. B. auch, wenn swingende Gesangschorusse eingefügt werden, die an die „old-fashioned love“ erinnern. I Nuvoli wird so nicht nur zu einer weiteren Django Reinhardt-Adaption, es ist ein Album mit lebendiger zeitgenössischer Musik, in der verschiedene Traditionen von Bebob, mediterranem Raum und musikalisches Können und Verständnis hervorragender Musiker zu einer Klangwelt verschmelzen. Die Musik, die entsteht, ist oft von einer wirklich sinnlichen Expressivität, atmosphärisch und nuancenreich. Konsequenterweise stammen die meisten Kompositionen aus Martinis eigener Feder, neben eigenwilligen Interpretationen von „Sweet Georgia Brown“ und einigen Reinhardtschen Kompositionen.

Steffen Basho-Junghans

 

JACOPO MARTINI - I Nuvoli, Jazz Manouche


PASCAL HÉNI
Pascal Of Bollywood

(Wrasse Records WRASS 149/harmonia mundi)
13 Tracks, 58:13, mit französ. und engl. Infos

Was treibt einen Menschen (Jhg. 1963) aus dem Mutterland des Chansons in die bonbonbunte Musikwelt indischer Kinofilme? Vermutlich dasselbe, das Holländer Blues spielen, Japaner jodeln, Chinesen Mozartopern singen, Italiener Sitar spielen oder deutsche Akademikerkinder gangsta-rappen lässt: die immer etwas irrational wirkende Liebe zu einer Musikform, die nicht der eigenen Kultur entstammt...! Und da man über Irrationalitäten weder diskutieren noch objektiv urteilen kann, so soll in dieser Rezension auch nicht das Warum?, sondern einzig das Wie? bewertet werden. - Tja und das Wie? ist allererste Sahne! Monsieur Héni hat sich 2004 drei Wochen lang ein Studio in Bombay samt komplettem Bollywood-Orchester gemietet und mit letzterem 13 Songs, meist aus indischen Filmen der 1950er bis 1990er Jahre, eingespielt und eingesungen, jawohl, original in Hindi und nicht in Französisch oder Englisch. Natürlich, zwei kleine französische Reminiszenzen konnte sich auch ein „Pascal of Bollywood“ nicht verkneifen: Mohammad Rafis Titelsong aus dem Film „An Evening in Paris“(1967) mit englisch gesungenem Refrain und Edith Piafs „La vie en rose“ mit Text in Hindi.

Fazit: Diese CD ist so authentisch wie Flamenco aus Sachsen-Anhalt, aber was soll’s... Es ist vor allem eine wundervolle CD mit großartigen Melodien, ausgefuchsten Arrangements und gnadenlos tanzbaren Rhythmen. Und mehr will ich ja gar nicht...

Walter Bast

 

PASCAL HÉNI - Pascal Of Bollywood

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