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SCHNAPPSACK
Schnappschuss
(Rillenschlange RL 001/78)
10 Tracks, 31:01
Das Duo Schnappsack gehört zu den legendären Vertretern der deutschen
Folkszene, die in den 70er Jahren neben Gruppen wie Zupfgeigenhansel,
Liederjan oder Fiedel Michel einen neuen Zugang zu deutschen Volksliedern
suchten und diese um eigenes, sozialkritisches Material anreicherten. Im Juli
1978 spielten Peter Braukmann (Gesang, Gitarre, Concertina, Akkordeon) und
Bernd Goymann (Gesang, Geige, Bouzouki, Mandoline, Gitarre) das erste und
leider einzige Album ein. Es enthielt neben erfrischend neu arrangierten
traditionellen Liedern wie „Der Schinderhannes“ oder „Des Schneiders
Höllenfahrt“ und Tänzen („Hansis Quadrille/Viel Glück und viel Segen“; „Der
Schab ab/Ein Rheinländer“) auch den Braukmann-Klassiker „Wir sahen nicht die
Raben in der Nacht“ oder seine Übersetzung von „The Great Iron Ship“ über die
1968er Arbeitskämpfe am Clyde in Glasgow, als die britische Regierung die
Werften stilllegen wollte („Das eiserne Schiff“). Ein weiterer Song des Albums
ist inzwischen ebenfalls zum Klassiker geworden, das Seefischereilied „Und
morgen kommt ein neuer Tag!“, inspiriert durch eine Kurzgeschichte des
irischen Dichters Liam O’Flaherty („Der rote Schal“). Aus heutiger Sicht wirkt
das Album sparsam, um nicht zu sagen, spartanisch instrumentiert, doch damals
war es ein wegbereitendes Album, das ganze Generationen deutscher Folkies zum
Nachahmen anregte. Gut, dass dieses Zeitdokument nun als CD-Veröffentlichung
vorliegt.
Ulrich Joosten
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WOLFGANG HERZBERG
Ich bin eine Kiefer im märkischen Sand
(Eigenverlag)
4 CDs, 71 Tracks, 220:58
Ein Liedermacher im üblichen Sinne ist Herzberg nicht. Bekannt wurde der 1944
als Sohn jüdisch-deutscher Emigranten im britischen Leicester geborene Autor
und Publizist in erster Linie als Rocktexter und Bruder des Sängers der
DDR-Kultband PANKOW. Unter dem Pseudonym Frauke Klauke schrieb er die
Rockspektakel Paule Panke und Hans im Glück, die als
Meilensteine einer DDR-Jugendkultur der 80er gelten. Das ungewöhnliche
Vierfachalbum - seine ersten CDs überhaupt - enthalten quasi Herzbergs
bisheriges Lebenswerk, die ersten beiden CDs Lieder und Lyrik vor 1989, die
anderen beiden der Zeit danach. Dabei setzt er sich mit beiden politischen
Systemen gleichermaßen auf kritische Weise auseinander, etwa im Titelsong:
„Und ich kann nicht abhaun aus diesem Land“. Oder im Gedicht „Ankunft im
westlichen Alltag“, einer bitterscharfen Anklage an die Konsumgesellschaft.
In seiner Direktheit erinnert er an den frühen Biermann oder Krawczyk. Sein
Gesang und die hart geschlagene Gitarre sind für feine Ohren
gewöhnungsbedürftig, die eigenwillige Berliner Poesie oft im
Großstadt-Jargon gehalten. Er ergreift Position für die Schwachen der
Gesellschaft, schaut dabei dem Volk aufs Maul wie in „Mahle, Mühle, mahle“,
weiß aber auch sehr gefühlvolle Liebeslyrik und -lieder vorzutragen. Ein
Manko: die fehlende Titelauflistung, die man sich wohl selbst anfertigen
muss. Für mich ein beeindruckendes Dokument eines Unangepassten,
vordergründig aber für Insider der Liedszene gedacht. Das Album ist nur über
den Autor persönlich zu beziehen.
Reinhard "Pfeffi" Ständer
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STEPHAN BORMANN BAND
Songs From A Small Room
(Ozella Oz 009 CD)
9 Tracks, 42:37
Das kleine Label Ozella hat sich auf die Veröffentlichung von musikalischen
Perlen spezialisiert, die man im weitesten Sinne als meditative Musik
bezeichnen könnte. Damit ist aber nicht esoterisch verbrämte Langeweile
gemeint, sondern hoch spannende musikalische Projekte von Ausnahmekünstlern
wie dem norwegischen Karl Seglem. Das neue Album des Gitarristen Stephan
Bormann hätte nirgendwo besser gepasst als zu Ozella. Stephan Bormann, der
unter anderem mit dem wundervollen Thomas Fellow das Gitarrenduo „Hands on
Strings“ bildete, hat sein Albumtitel perfekt gewählt. Songs From A Small
Room lässt Räume im Kopf entstehen. So schmal kann ein Raum gar nicht
sein, dass er die Freiheit in deinem Kopf einschränken kann, und so führen
die Lieder auf Songs From A Small Room auch in einem kargen Zimmer
zur Unendlichkeit. Dieser philosophische Ansatz zieht sich wie ein roter
Faden durch die Scheibe und macht es beinah zu einem Konzeptalbum. Volker
Schlott am Saxophon ergänzt Bormanns virtuose Gitarre. Volker Dohles
Schlagzeug und Mohi Buschendorfs Bass ergänzen das Quartett und setzen
eigene farbenprächtige Akzente, wie es wohl nur im Jazz üblich ist. Die
filigranen Details erschließen sich dabei nicht beim ersten Hören, denn
zuerst wird der Hörer von den eigenen Bildern gefangen genommen, die durch
die Sicherheit des eigenen kleinen Raumes erst möglich werden.
Chris Elstroth
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WAXMAN
Rising Tide
(Eigenverlag)
13 Tracks, 45:21, mit wenigen Infos
Maritime Musik aus Franken? Das Ansbacher Trio Waxman, bestehend aus Robert
Wachsmann (Gesang, Chöre, Akustische Pickinggitarre, Mandoline, Geige), Stefan
„Kugi“ Kugler (Gesang, Chöre, Bass, Konzertgitarre, Claps) und Marcus
Waloschik (Chöre, Akustische & Elektrische Gitarre, Percussion,
Programming, Keyboards), verstärkt durch die Gastmusiker Armin W. Bach
(Akkordeon) und Mike Kuhn (Orgel, Piano) bietet auf seiner neuen CD
(anscheinend die erste unter diesem Bandnamen, aber nicht generell) eine
hauptsächlich englischsprachige Folkmusik mit maritimen Texten. Neben ein paar
schnelleren Songs, singen sie Balladen in einem zwar oft langsamen, aber unter
anderem durch Mehrstimmigkeit spannenden Stil, bei dem als Besonderheit
auffällt, dass ihre Stimmen am Ende eines Verses oft nicht runter, sondern
hoch gehen, so wie es bei manchen schottischen Liedern der Fall ist, und
manche erinnern an englische Renaissancemusik. Ihre Lieder begleiten sie mit
einem sehr filigranen Gitarrenspiel, das auch schon mal in einen Flamenco
übergeht. Sie legen in ihrer Selbstdarstellung darauf wert, dass Folk nicht
unbedingt Irish Folk sein muss. Hat denn jemand so was behauptet? Ein
deutscher Folkklassiker ist auch auf der Scheibe: „Heute hier morgen dort“.
Aus der Vielzahl deutscher Gruppen mit englischsprachigen Balladen ragen die
Waxmänner sehr positiv heraus.
Michael A. Schmiedel
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CHRISTIAN WILLISOHN
Hold On
(Stockfisch/inakustik SFR 357.4038.2)
11 Tracks, 47:40, mit engl. Texten und dt. Infos
Der unermüdliche Pianist und Sänger Christian Willisohn hat seit Jahren einen
guten Namen in der aktiven Bluesszene. Mittlerweile tritt der aus München
stammende Musiker in ganz Europa auf und präsentiert neben seinen grandiosen
eigenen Stücken auch Coverversionen. Seine Live-Bühnenpräsenz als Entertainer
wird von nahezu allen Veranstaltern und Kollegen geschätzt. Nun erschien bei
dem renommierten Akustiklabel Stockfisch eine Super-Audio-CD. Zwar spielt auch
jeder normale Player diese Hybrid-Scheibe, aber in einem DSD-Recorder klingt
der 5.1-Surroundsound noch feiner und gewaltiger. Für Klangpuristen gibt es
auf der Direct-Cut-Super-Audio-CD einen Stereo- und einen Multichannel-Layer
in DSD-Qualität. Entstanden ist das neue Album des Tastengurus in einem Studio
an der schottischen Atlantikküste. Die außergewöhnliche Umgebung war auch eine
Inspiration für seine bemerkenswerte Arbeit. Ihm gelangen zum Teil romantische
und zarte Songs voller Leidenschaft und Hingabe. Ein musikalisch gereifter
Mann, von gerade mal 43 Jahren hat hier mit seinem Instrument - einem
Steinway-Flügel - Titel aufgenommen, die geradezu als Lehrstücke gelten können
und darum auch von jüngeren Musikerkollegen gehört werden sollten. Zurück im
Northeimer Studio, traf sich Willisohn mit sechs Gastmusikern, um die Arbeit
zu ergänzen und zu vollenden. Matthias Engelhardt, Bass, Richard Hollander,
Schlagzeug, Thilo Kreitmeier, Saxofon, Hans-Jörg Mauksch, Bass, Christian
Struck, Englischhorn, und Titus Vollmer, Gitarre, zaubern eine unaufdringliche
Stimmung zu Willisohns Gesang- und Tastenklängen. Schade nur, dass dieses
Meisterwerk ein wenig zu kurz geraten ist; gern hörte man noch mehr.
Annie Sauerwein
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INGO BARZ
... und manchmal möcht’ ich traurig sein
(Schnitterhof Verlag / ISBN 3-931964-11-6)
Do-CD, 51 Tracks, 146:00
„Man kann - und muss wohl auch - ihm politische Standpunkte und auch Angriffe
unterstellen, nachweisen kann man sie an diesen Liedern nicht“, schrieb der
Experte „Thilo“ in die Akte der Staatssicherheit über Ingo Barz. Gleichwohl
witterte sie Aufruhr und bespitzelte und verfolgte den Liedermacher und
Jugendwart der evangelischen Kirche in Mecklenburg. Seine Lieder waren keine
Protestlieder gegen die DDR, sondern allgemein menschlich, nachdenklich,
fragend (und übrigens gut!). Sein „Vergehen“ lag im „anders sein“, im nicht
gebrauchen der gängigen Codes und Termini, im ignorieren der Karrierechancen,
im Verbleiben in der Nische (Kirche). Die Partei wurde nicht angegriffen,
nicht kritisiert, (auch nicht gelobt), sondern gar nicht erwähnt, umgangen,
ignoriert. Dennoch sind seine gesellschaftskritischen Aussagen klar und
deutlich, nur er entzog sich den unmittelbaren politischen Direktheiten. Den
Preis den Ingo Barz für sein Nischendasein zahlte, war der Verzicht auf
Prominenz sowie die Nachstellungen durch die staatlichen Organe, sein Gewinn
war die Unabhängigkeit, die geistige Freiheit. 51 „unerwünschte“ Lieder von
1979-1990 enthält die CD-Box, im Begleitbuch können die Spitzelberichte (und
Misshörungen) nachgelesen werden. Interessante, anregende, anspruchsvolle und
gut gemachte Lieder, die oft auch heute noch/wieder aktuell sind.
Rainer Katlewski
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NU
dto.
(Eigenverlag)
22 Tracks, 47:05; mit dt. Infos und jidd. Texten
Nachdem sich Georg Brinkmann (Klarinette, Gesang) von der Nürnberger Gruppe
Huljet getrennt hatte, bildet er seitdem mit Florian Stadler (Akkordeon,
vielleicht bekannter als Mitglied von Colalaila) ein Duo namens Nu (keine
Verwandtschaft zur Münchener Klezmercombo NuNu). Mit Aufnahmen aus der
Lutherkirche in Brinkmanns Geburtsstadt Bonn im Mai 2004 präsentiert das Duo
sein erstes Album. Natürlich galt es, auch hier fröhliche Tanzlieder wie auch
traurige Weisen in den weitläufigen Rahmen eines typischen Klezmerpotpourri
wiederzugeben. So fehlen weder die Musik zum Gang in den Festsaal der
Hochzeitsfeier, noch ein passendes Lied zum jüdischen Lichterfest (Chanukka).
Außergewöhnlich die Vertonung eines Theaterstückes („Zirnsdorf-Suite“), das
auf einem Roman des Schriftstellers und „Simplicissimus“-Redakteurs Jakob
Wassermann (1873 - 1934) mit Titel „Die Juden von Zirnsdorf“ basiert, in dem
der moralische und psychische Verfall der Gesellschaft angeklagt wird.
Brinkmann, der seit 2002 in Köln lebt, arbeitet heute freiberuflich als
Musiker, Musiktherapeut und -lehrer. U.a. war er Solist der Jungen
Philharmonie Erlangen und ist weiterhin für die Durchführung div.
Klezmerworkshops verantwortlich (etwa beim Internationalen Klezmerfestival
Fürth). Eine ideale Basis, Geschichten von Liebe, Sehnsucht, Schmerz und Glück
in einem Album zu vereinen.
Matti Goldschmidt
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HELMUT DEBUS
Steern un Stroom
(Thein DE 6-2005)
11 Tracks, 63:59, mit Texten
Seit nahezu 30 Jahren schreibt und singt Helmut Debus Lieder in plattdeutscher
Sprache, und seine künstlerische Integrität war ihm immer wichtiger war als
der kommerzielle Erfolg. Dabei ist er einer der ganz großen deutschen
Liedermacher, und es ist unerträglich, dass ihm bisher der ganz große Erfolg
verwehrt blieb. Seine 15. CD zeigt Debus stimmlich von seiner besten Seite,
zwischen Flüstern und Säuseln bis hin zum heiseren Shouting. Liebe, Hoffnung,
Lebensfreunde und Melancholie sind seine Themen, die tief im Innersten
anrühren. Die Lieder sind, jedes einzelne, Kunstwerke von großer Poesie und
musikalischer Schönheit. Seine zartbittersüßen Chansons öffnen ein Fenster
direkt in die Seele des Sängers, doch wer hineinblickt, schaut stattdessen
direkt in einen Spiegel.
Dazu sind ihm zeitlos schöne Melodien eingefallen, die von vier großartigen
Musikern die mit traumhaft schönen, sparsamen, aber sehr effektiven
Arrangements begleitet werden. Helmut Voß verleiht den melancholischen Liedern
mit dezent klagendem Slidespiel auf der Dobro emotionale Tiefe und ergänzt das
geschmackvolle Fingerpicking des Sängers kongenial. Eine weitere Bereicherung
sind Christine Schmidt (Backing Vocals), Ellen Bövers (Akkordeon) und Katja
Steffen (Violoncello).
Ein großartiger Schlusspunkt der über eine Stunde langen CD ist der
Livemitschnitt des Liedes „in’t wille gras“, das Debus gemeinsam mit seinem
Freund, dem englischen Singer/Songwriter Allan Taylor eingespielt hat.
Ulrich Joosten
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BARTSCH & BAND
stechen in See
(cäsar music CM 2009)
17 +1 (hidden) Tracks, 73:55, mit Texten
Nach dem (Bruch-)Pilotenschein nun das Kapitänspatent: Der Hallenser
Liedermacher Paul Bartsch führt seine bewährte Bordkapelle auf der aktuellen
CD (stil)sicher mit Tiefgang und auf bewegter See hin zu neuen Ufern. Doch
Vorsicht - schunkelselige Seemannsromantik wird nicht geboten, dafür jede
Menge gekonnt „verdichtete“ und ins Maritime verlegte Bestands- und
Momentaufnahmen eigener und fremder Befindlichkeiten. Es ist ein Album der
Überraschungen, der Verwandlungen und der kontrastierenden Vielfalt.
Stilistisch baut sich ein kraftvoller Spannungsbogen von Liedrock über Reggae,
Swing und Bluesanklängen bis Tango auf, der durch drei Gastmusiker an Geige,
Klarinette, Mandoline und Saxophon wirkungsvoll unterstützt wird. Textlich
schlüpft Paul Bartsch als Meister des Wort- und Bildspiels in viele Häute.
Manches hinterlässt ambivalente Gefühle, ist geradezu (gewollt?) irritierend
und verführt zu (gewollt!) differenzierter Selbstreflexion. Kontinuität und
Verlässlichkeit sind ein Markenzeichen von Bartsch & Band: Während der
Überfahrt treffen wir auf die Bruchpiloten, ein Blatt von der Linne und
(natürlich) ... Gundermanns Spuren. Der Musikergemeinschaft um Paul Bartsch
gelang mit dieser Produktion ein weiterer Qualitäts- und Quantitätssprung.
Meine Empfehlung: ein Fall für die Liederbestenliste!
Christian Henke
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RON WILLIAMS & THE BLUESNIGHT BAND
Gotta Do The Right Thing
(Acoustic Music Records 319.1348-2/Rough Trade)
10 Tracks, 55:05, mit Infos
Das Konzept, welches bisher bei vielen Liveqauftritten bestens funktionierte,
geht auch auf dieser CD auf: Greg’s Bluesnight Band ist eine
„Spielgemeinschaft“ einiger der besten deutschen Bluesmusiker, die sich
regelmäßig im Großraum Münster/Osnabrück an festen Veranstaltungsorten zu
Konzerten treffen, bei denen sie mit wechselnden geladenen Gästen die
Spielarten des Blues ausloten. Der Sänger Ron Williams steht dabei für Rhythm
& Blues, doch zum Luftholen gibt es erst einmal mit „Greg’s Bop“ ein vom
Gitarristen Gregor Hilden komponiertes Instrumentalstück, bei dem die
solistischen Fähigkeiten von Tommy Schneller (Saxophon), Horst Bergmeyer
(Keyboard) und Gregor Hilden die Meßlatte für den Rest der CD sehr hoch legen.
Was dann folgt ist ein äußerst geschmackvolles Album, bei dem ein immer sattes
Fundament von Bass (Olli Gee) und Schlagzeug (Frank Boestfleisch) und
punktgenau eingesetzte Bläsersätze den perfekten Rahmen für Ron Williams’
Rhythm & Blues-Stimme mit dem leichten Gospeltimbre setzen. Ein Genuss,
wie zum Beispiel Tommy Schnellers Saxophon Ron Williams’ Stimme bei „Diggin
For Diamonds“ umschmeichelt. Und überhaupt die Solisten Hilden, Schneller und
Bergmeyer: Bei ihren wechselnden Einsätzen meint man fast zu sehen, mit
welchem Spaß sie dem jeweils Nächsten zuhören - ein Spaß, den man beim Zuhören
zu Hause gerne teilt.
Achim Hennes
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YANKELE KAPELLE
Live aus dem Schalom!
(auris subtilis as 5002-2000)
16 Tracks, 69:27, mit Infos
Seit einigen Jahren gibt es in Chemnitz ein Lokal namens „Schalom!“ - für die
Yankele Kapelle ebenso lang eine feste Adresse für Aufführungen
(normalerweise Montags) - und zu den Liveaufnahmen des vorliegenden Albums.
Dass bei dieser Musik ein paar Tische vor der Bühne zur Seite geschoben
werden, ist längst ungeschriebene Regel: Viele der Zuhörer bleiben nicht
lange sitzen, sondern genießen den Klezmer tanzend oder zumindest
mitschwingend. Gleich vier Musiker des Quintetts spielen in der
Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz: Der aus Bulgarien stammende
Konstantin Zahariev (Violine), der durch seine südländische Unbeschwertheit
und einzigartige Moderation als eigentliche Galionsfigur der Band gilt, die
„sprechende Klarinette" Arnim Kosensky (stellvertretender Soloklarinettist
in der Philharmonie), Holger Schultchen (Bass, Solokontrabassist der
Philharmonie) sowie Jens Gagelmann (Perkussion). Einzig Steffan Claußner
(Akkordeon) fällt hier etwas aus der Rolle, aber dafür ist der studierte
Komponist hauptsächliche für die Arrangements und Kompositionen des „kleinen
Jakobs“ (dt. für jidd. yankele) zuständig. Mit berechtigtem Stolz
können die Gruppenmitglieder zur Kenntnis nehmen, dass sie als nichtjüdische
Gruppe mit ihrer Musik dazu beitragen, die jüdische Gemeinde der Stadt
Chemnitz zu neuem Leben zu erwecken.
Matti Goldschmidt
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WINE
Love Songs Revisited
(Silberblick Musik 006)
12 Tracks, 50:51, mit dt. Infos
Live ist eine andere Geschichte, aber die Grundvoraussetzung dafür, dass
Aufnahmen von Coverversionen eine Berechtigung haben, ist, dass sie
vorhandenen Versionen etwas hinzufügen. „Love Songs Revisited” mit Songs von
den Beatles („Rain“, „I’ve Got A Feeling“), John Lennon („Love“), Madonna,
Prince („When Doves Cry“), Paul Simon („50 Ways To Leave Your Lover“), Elvis
Costello, Tom Waits („Innocent when you Dream“), Billy Bragg, Ann Peebles und
anderen erfüllt die Bedingung mit Bravour! Ausnahmslos haben Ute Bertelsmann
und Marco Ponce Kärgel ihren Lieblingsliebesliedern neue Stimmungen und
Grooves abgewonnen, oder besser: abgeschmust - denn schwer gefallen scheint es
ihnen nicht zu sein, so friedlich entspannt und souverän rund das gesamte
Album ausfiel. Ein Großteil des Erfolgs dürfte in der Intimität in Charakter
wie Herangehensweise liegen: Ponce Kärgel, vielen wohl als famoses Mitglied
verschiedener Begleitformationen Manfred Maurenbrechers bekannt, klampft seine
Saiten bei aller Virtuosität so behutsam als säße er einem quasi auf dem
Schoß, Sängerin Bertelsmann haucht einem dermaßen nah, persönlich und direkt
ins Ohr, dass man sich zwischen „schon manchmal ein bisschen daneben“ und
„total echt“ leichten Herzens für letzteres entscheidet. Und gern darüber
hinweg sieht, dass Costellos großer dunkler Spiegel angeblich „truceful“ sei,
Waits von „Mammaries“ rede und so weiter ...
Christian Beck
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LEOPOLD & WADOWSKI UND DIE ZARTBESAITETEN
28 ½
(Paper Music PM 429001)
22 Tracks, 59:12 min
So, so, in Ostwestfalen (!) sollen die beiden Herren Leopold Altenburg und
Thorsten Wadowski schon Kultcharakter besitzen, belehrt uns das Anschreiben,
nun das beeindruckt. Womit die beiden die spröden Menschen dieses Landstrichs
dermaßen ins Verzücken versetzen? Sie machen Musikkabarett und singen
schwarze, makabre, alberne, pubertäre und witzige Liedchen. Nehmen wir z. B.
den Titelsong: „28 ½“. Das ist also das Alter, in dem Frauen angeblich in
ihrem besten sind. Davor sind sie noch zu jung und naiv, danach werden sie
spießig und denken nur noch an Kinder. Oder Sascha, der Kampfhund, der schon
mal zubeißt: ganz sensibel ist das Hündchen und ist das Schmusetier und der
beste Freund seines Herrchens. Die Ilse aus Bilse ist dagegen ein typisches
Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Lied. Im Switchlied wird der Gedanke
durchgespielt, man könnte im Theater mit der Fernbedienung ebenso in andere
Stücke switchen, wenn man sich langweilt, wie beim Fernsehen. Der Witz der
Herren ist leider ein wenig vordergründig, es fehlen mindestens zwei gewagte,
schräge Umdrehungen, so dass die Lieder auf mehreren Ebenen ihre Wirkung haben
könnten. Dann könnte der Kultstatus auch über Ostwestfalen hinaus erreicht
werden.
Rainer Katlewski
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SANDY WOLFRUM & FREUNDE
Wir bauen ein Haus
(intraton/Bruno Records LC03431)
16 Tracks, 55:35
Die Gründung eines Kinderhauses wird mit dieser CD unterstützt, nicht nur
durch den Verkauf. Die Lieder zum Thema Kind (einiges in Englisch) richten
sich mit sehr sozialem Engagement, teilweise mit Appellcharakter, an unser
Gewissen, sollen uns berühren und aufrütteln. Besonders die Lieder von Wolfrum
selber sind entsprechend getextet und arrangiert in Richtung Gänsehaut und
Begeisterung. Da muss man schon eine Portion „moralischen Zeigefinger“
aushalten können. Ein paar richtig gute, poetische Songs sind dabei (Colin
Wilkie, Waxman). Doch einige schwächere, etwas kindliche Lieder dazwischen
machen den Hörgenuss zu einem recht durchmischten.
Jürgen Brehme
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