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PAUL WESTERBERG
Folker
(Vagrant VRUK 003CD; 3rd Floor, 1A Adpar Street, London W2 1DE)
13 Tracks (+ 1 hidden track); 58:19
Folker ist kein Folkalbum, sondern eher Rock’n’Roll oder Pop. Aber bei
einem solchen Titel muss diese CD natürlich dennoch im Folker!
besprochen und im August auf der Homepage verlost werden. Schließlich hat
der ehemalige Kopf der Replacements die Idee für den Namen seiner CD ja wohl
nur nach der Lektüre unserer Zeitschrift bekommen können, oder? „I’m a folk
star, with a plastic red guitar.” Mit diesen Textzeilen aus „Folk Star“
macht der Mittvierziger aus Minneapolis klar, was er (meist) mit der
akustischen Gitarre spielt: „Fucked up folk“, wie er es bezeichnet. Nach
seinem Misserfolg mit Suicaine Gratification beim Major Capitol hatte
Westerberg eine mehrjährige Schaffenspause eingelegt, bevor er sich mit dem
in Eigenregie in seinem Heimstudio aufgenommenen Doppelalbum
Stereo/Mono zurückmeldete. Auf seinem neuen Americana-Album erinnert
Westerbergs Stimme hier und da an Bob Dylan oder an Tom Petty. In seinen
Geschichten erzählt der „Folker-Sänger“ mit viel Humor von seinem Vater, der
die Baseballtabelle neben der Bibel vor sich auf dem Boden liegen hat („My
Dad“), von einem Ausflug in den Himmel („Lookin’ Up In Heaven“), über
diverse menschliche Irrungen und Wirrungen und liefert mit „Gun Shy“ auch
noch den laut zu hörenden Soundtrack für eine sommerliche Autofahrt in den
Sonnenuntergang.
Michael Kleff
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WASHINGTON PHILLIPS
The Key To The Kingdom
(Yazoo Records 2073/Just Records Babelsberg)
20 Tracks, 60:23, mit ausführlichen engl. Infos
Heiliger Bimbam! Was für ein Moment, wenn das Celestaphon einsetzt - und einen
gebürtigen Bayern wie Ihren ergebenen Autor trifft wie ein Hammer: War es
nicht genau das, was man sich als weißer Bluesfan in den 60ern jenseits der
Weißwurstlinie gewünscht hatte? Ein Klang von Heimat - aber mit einem Schuss
Wahrheit und Coolness und Utopie! George Washington Phillips (geb. 1880) war
ein Farmer afroamerikanischer Abstammung in Texas. Das Celestaphon ist eine
Art Zither. Wenn beide zusammentreffen, entsteht nicht weniger als das
Unaussprechliche: Aufregender Countryblues mit einem Anflug von Bauernstube,
heimelige Alpenfolklore mit Kick. Frappierend sodann, wie nahezu
deckungsgleich beide Sphären in ihrer thematischen Fokussierung waren: Gott
und die Bibel, die Bibel und Gott - wobei wir zu Gunsten beider Angeklagter
einmal davon ausgehen wollen, dass dies nur die Fassade war und natürlich auch
das wahre Leben dahinter hie wie da gleichermaßen tobte. Und einen, den noch
immer entscheidenden, Unterschied gibt es doch: Es ist die jederzeit spürbare
Weltzugewandheit der afroamerikanischen Kultur, die sie für Blues- und Jazz-
und Rock’n’Roll-Freunde so meilenweit über die abgedrehte Jenseitsgläubigkeit
der Kultur ihrer Brüder und Schwestern aus den europäischen Hinterwäldern
erhebt. Hoffentlich noch lange - speziell in Zeiten, in denen die Welt auf 180
die Religionen wiederentdeckt ...
Christian Beck
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JOEL RAFAEL BAND
Woodyboye - Songs Of Woody Guthrie (And Tales Worth Telling), Volume II
(Appleseed/FMS APR CD 1086)
12 Tracks, 45:48, mit engl. Texten und Infos
Mit Billy Bragg und Wilcos zwei Mermaid Avenue-CDs begann vor einigen
Jahren ein unerwartetes Revival für Woody Guthries Werk. 2003
veröffentlichte auch der Kalifornier Joel Rafael mit Woodeye „seine“
Guthrie-CD. Auf seinem Nachfolgealbum versetzt Rafael u. a. mit Jackson
Browne, Van Dyke Parks Jimmy LaFave und Jennifer Warnes sowie Arlo Guthrie
als Gästen Guthrie und seine Musik erneut eindrucksvoll in die heutige Zeit.
Zu vier der elf Guthrie-Stücke hat Rafael die Musik geschrieben. Der zwölfte
Titel ist eine Eigenkomposition. „Sierra Blanca Massacre“ erinnert an eine
Tragödie, die sich 1987 mit illegalen mexikanischen Einwanderern ereignete.
Ein Thema, das Woody Guthrie in vielen Songs angesprochen hat. Guthries „Two
Good Men“ erzählt die Geschichte von Sacco und Vanzetti. „Heaven My Home“
erinnert an die Sandstürme in Oklahoma. Starke Frauen haben das Sagen in
„Rangers Command“ und werden umworben in „Way Over Yonder In The Minor Key“
(Musik: Billy Bragg). Guthries „Dance Around The Fire“ (Musik: Joel Rafael)
begrüßt das Atomzeitalter als Chance, Brüderlichkeit statt eine Welt in
Trümmern zu schaffen. Mit seinem Trio - Tochter Jamaica, Geige, Gesang und
Carl Johnson, Gitarre - sowie weiteren Gästen erweist sich Joel Rafael als
beeindruckender Interpret der zeitlosen Musik und Texte von Woody Guthrie.
Als Rezensent mit familiären Bezügen zum Thema ist dieses Lob besonders wohl
überlegt.
Michael Kleff
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IMPERIAL CROWNS
Preachin The Blues - Live!
(RUF Records 1090)
11 Tracks, 73:57, mit Infos
Die vier Herren aus Los Angeles predigen den Blues - allerdings dessen düstere
und aggressive Seite. Und auch an Eindeutigkeit herrscht kein Mangel, wenn
Hohepriester Jimmie Wood (Gesang/Harp) beim Stück „Lil’ Death“ von seiner
bevorzugten Art zu sterben berichtet. Gemeinsam mit J. J. Holiday (Gitarre),
John Avila (Bass) und Billy „Champagne“ Sullivan (Drums) zeigen die Imperial
Crowns eine andere Art des „Southern Californian Way of Life“, nämlich „...
getting your Low Rider, driving low and slow and thinking about the good sex
you’ve got ...”. Das alles klingt nun nicht sehr schöngeistig und allenfalls
morbide, ist musikalisch jedoch äußerst gekonnt und zurzeit ziemlich
einzigartig. Wer sich auf die Musik der Imperial Crowns einlassen kann, der
wurde am 23.3.2004 vom WDR im Rahmen des Crossroads-Festivals in Bonn mit
einem hitzigen, verschwitzten und magischen Konzert belohnt, zu dem Dosenbier
oder Rotwein aus der Schraubverschlussflasche besser passt als Köstritzer
Schwarzbier oder ein Prosecco.
Achim Hennes
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KIM & REGGIE HARRIS & RABBI JONATHAN KLIGLER
Let My People Go! - A Jewish & African American Celebration Of Freedom
(Appleseed APR CD 1084/FMS)
18 Tracks, 72:14, mit Texten und Infos
Das Streben nach Freiheit steht im Mittelpunkt dieser CD - vor dem Hintergrund
der Geschichte des Überlebenskampfes der Juden und der Afroamerikaner. Wie in
einem Radiofeature führen Kim und Reggie Harris gemeinsam mit Rabbi Jonathan
Kligler durch ein Programm von Songs und Geschichten. Sonny Ochs erzählt über
das Engagement ihres Bruders Phil in der Bürgerrechtsbewegung. Rabbi Arthur
Waskow erinnert sich an seine Begegnung mit Martin Luther King Jr. Pete Seeger
beschreibt die Wandlung des Spirituals „We Shall Overcome“ zu einem Song der
Gewerkschaftsbewegung Ende des 19. Jahrhunderts und später zur Hymne der
Bürgerrechtsbewegung. Gesungen wird auf Englisch und auf Hebräisch. Für die
entsprechende musikalische Begleitung sorgen neben den Hauptakteuren Bill und
Livia Vanaver, Keyboarder David Sancious (ex-E Street Band), Bassist Tony
Levin (King Crimson, Peter Gabriel) und Leadgitarrist John Platania (Van
Morrison, Don McLean). Klarinettist Peter Davis steuert den Klezmersound bei
einigen Stücken bei. Ein Höhepunkt der CD ist das von Rabbi Kliglers
elfjähriger Tochter Timna gesungene jüdische Glaubensbekenntnis „Ani Ma’amin“,
das in eine Gospelversion von „We Shall Overcome“ übergeht - mit einer
Rapeinlage von LeVonn Brown, einem Neffen von Kim und Regie Harris. Eine
unterhaltsame und informative CD zugleich.
Michael Kleff
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RORY BLOCK
From The Dust
(Telarc/inakustik)
14 Tracks, 58:11, mit engl. Infos
Endlich ist es soweit. Das 19. Album der begnadeten Akustikgitarristin und
Sängerin aus Amerika liegt vor. Die zierliche Frau komponiert ihre meisten
Songs selbst und ist eindeutig im traditionellen Blues und Gospel zu Hause.
Sie hat die erfrischende Gabe, im Studio, auf Platte und auch live eine gute
Stimmung zu erzeugen. An der Akustikgitarre macht ihr keiner mehr etwas vor.
Ob ländlicher Mississippi-Blues, Pre-War-Blues, Gospel oder traditioneller
Country-Blues, sämtliche Stile sind ihr genauestens vertraut. „Mein bester
Freund ist die Gitarre“, sagt sie, doch bei Konzerten und Festivals verlässt
sie sich auch mal nur auf ihre Stimme. Gekonnt locker zupft die
sympathische, bildschöne Rory Block so manchen männlichen Kollegen mit ihrem
Fingerpicking, Slide und Groove spielend an die Wand, und mit ihrer Stimme
schafft sie es mühelos, einen ganzen Saal in einen Gospel-Gottesdienst zu
verwandeln. Im internationalen Blueszirkus längst anerkannt und ständig auf
Tour, zeigt sie mit 55 Jahren nicht die Spur einer Ermüdungserscheinung. Zur
Freude ihrer großen Fangemeinde kommt sie bald wieder nach Europa,
hoffentlich auch nach Deutschland. Nur wenige Vertreter ihres Genres
verstehen es so gut wie sie, kompakten traditionellen Blues in
emotionsgeladene Songs zu verpacken. Zu den Highlights des neuen Albums
gehört neben dem Titelsong das Sechs-Minuten-Stück „Remember“. Insgesamt:
Ein absolutes Hörerlebnis - nicht nur für Gitarristen, sondern auch für
Liebhaber akustischer Musik. From The Dust ist hervorragend und
uneingeschränkt zu empfehlen.
Annie Sauerwein
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PETER ROWAN & TONY RICE
You Were There For Me
(Rounder/Inakustik 11661-0441-2)
10 Tracks, 43:39, mit engl. Infos
Das Urteil vorweg: ein großartiges Album! Bei den Namen Rowan und Rice und
ihrer langen Karriere in diesem Feld mag man zunächst an Bluegrass denken.
Doch die vorliegende CD ist eher ein klassisches Singer/Songwriterwerk. Obwohl
sich die Wege der beiden Musiker in der Vergangenheit schon des Öfteren
gekreuzt haben, ist die vorliegende CD die erste vollständige
Gemeinschaftsproduktion. Alle zehn Songs stammen aus der Feder von Peter
Rowan, wobei bei „Cowboys And Indians“ Tochter Amanda und Bruder Lorin als
Co-Autoren fungieren. Musikalisch ist die CD geprägt sowohl von Rowans innigem
und zugleich kräftigem Gesang als auch von Tony Rices virtuosem und
ausdrucksstarkem Gitarrenspiel. Rowan selbst steuert weitere Gitarrenakkorde
und Mandolaläufe bei. Als Bassisten sind mit von der Partie Bryn Bright und
Tony Garnier. Billy Bright spielt Mandoline und am Schlagzeug sitzt bei zwei
Titeln - „Tin Roof Shack“ und „Ahmed The Beggar Boy“ - Larry Atamanuik, der
schon Anfang der 70er Jahre gemeinsam mit Rowan Mitglied der Gruppe Seatrain
war. Rowans Texte handeln von Kinderspielen und -reimen („Cowboys And
Indians“), den schmerzenden Erinnerungen eines verlassenen Liebhabers („Angel
Island“), der Suche nach Wahrheit („Miss Liberty“) und einer Ode an die
Freiheit („Wild Mustang“). Aber auch der Krieg im Irak ist ein Thema: „Ahmed
The Beggar Boy“ erzählt vom Schicksal der „einfachen Menschen“ in Bagdad.
Michael Kleff
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TISH HINOJOSA
A Heart Wide Open
(CoraZong/CMM 255083)
13 Tracks (+ Videoclips), 44:34, mit Texten
1955 wurde Tish Hinojosa als Tochter einer mexikanischen Einwandererfamilie
geboren. Nach einem Zwischenstopp in den 80er Jahren in Nashville fand sie ihr
neues Zuhause in Austin. Auf ihrem ersten Studioalbum nach fünf Jahren erweist
sich Hinojosa erneut als erfrischende Songwriterin, die hier zweisprachig
(Englisch/Spanisch) kleine akustische Klangperlen zusammengestellt hat. Ihre
Folk- und Countryballaden sind getränkt von Tex-Mex-Flair, für das u. a. als
Gast bei zwei Titeln am Akkordeon Flaco Jimenez sorgt. Herausragend unter den
Begleitmusikern ist ihr langjähriger Gitarrist Marvin Dykhuis. In ihren Texten
erzählt die Musikerin kleine poetische Geschichten, in denen es um das
Schicksal von Veteranen („Blue Eyed Billy“) ebenso geht wie um die Liebe („The
Poet, The Painter“) oder um schwindendes Gemeinschaftsgefühl in unserer
Gesellschaft („Whatever Happened To Everyone Wanting To Care“). In den Songs
der Sängerin und Gitarristin sind die vielschichtigen kulturellen Einflüsse
der Grenzregion zwischen Rio Bravo und dem Colorado River spürbar. Wobei es
Hinojosa gelingt, ihre Gefühle im Unterschied zu vielen anderen Interpreten
völlig natürlich und unverkitscht zu präsentieren. Eine Besonderheit dieser
CoraZong-CD: Ein Livetrack („Volveras Amarme A Mi“) und zwei ebenfalls im
vergangenen Januar auf einer Europatournee aufgenommene Videoclips finden sich
nur auf dieser europäischen Ausgabe von Hinojosas neuem Werk.
Michael Kleff
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