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ROGER MATURA
Time Traveller
(Ozella OZ 008)
17 Tracks, 52:00, mit engl. und dt. Infos
Es könnte manisch-depressives Irresein sein, ein gerüttelt Maß an Wachsamkeit,
ein simples Versehen. Sicher ist, Roger Matura hat einen Mordsarsch in der
Hose: Mit dem Ruf des wortstarken Ruhrpottpoeten ein Album fast ganz ohne
Worte einzuspielen - das muss ihm erst einmal einer nachmachen! Und dann noch
von einer solchen poetischen musikalischen Kraft: Einmal rund um die Welt in
17 prächtigen Stücken wie zu Groß- oder Urgroßvaters Folkrockband-Zeiten - was
inzwischen neben den Zwanzigern und Dreißigern auch schon die Fünfziger,
Sechziger, Siebziger sind, ja, ja, so schnell vergeht die Zeit - nimmt hier
einer sein Publikum mit, der die Musik ganz offenbar ebenso heiß wie
sentimental liebt. Wagt ein Tänzchen in den „Radio Nights“, so fern schon,
dass man kaum noch unterscheiden kann, ob sie nun eher nach Woody Allens
geliebten Vorkriegsjahrzehnten oder den 50ern oder am Ende gar schon deren
Götz-Alsmann-Kopie in den oberflächenbesoffenen 90ern klingen. Schwelgt durch
Rock’n’Roll-Balladen. Hat den Blues. Viel Atmosphäre wie aus dem Kino. Und
gönnt sich, gut gelaunt wie das Album offenbar nicht nur sein Publikum
zurücklässt, am Ende einen der leisesten Schläge auf die Kacke aller Zeiten:
„Will You Still Love Me Tomorrow“ röchelt unser Poet dann, begleitet nur von
sich selbst am Harmonium, einen Goffin/King-Hit der Güteklasse A? Tomorrow,
Matura, den Tag nach tomorrow and den Tag danach auch ...
Christian Beck
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COCHISE
Wie die Maus zum Adler wurde
(Jump Up 009/Conträr)
18 Tracks, 46:03
Trail’s End
(Jump Up 008/Conträr)
11 Tracks, 41:19, mit dt. Texten
Es gab wohl kaum eine linke WG in den 80ern, wo die Platten von Cochise nicht
zu finden waren. Und mit den vorliegenden zwei CDs hat es Matthias Henk von
Jump Up Records geschafft: Das Gesamtwerk von Cochise ist nun auf CD
erhältlich. Die Maus-CD, wie alle Cochise-Wiederveröffentlichungen
neu gemastert, ist zumindest musikalisch völlig ungewöhnlich. Die Kernmann-
und Frauschaft von Cochise untermalt „eine spirituelle Geschichte aus der
Überlieferung der nordamerikanischen Indianer“ musikalisch, während Luise
Sievers die Geschichte erzählt. „Trail’s End“ ist um und während der
Abschiedstour 1988 entstanden. Das ist der typische Cochise-Folkrock mit den
typischen Texten zwischen persönlichen Beziehungen, linker Politik und dem
Spaß an Visionen. Viel zu gut und häufig noch viel zu aktuell, als sie
lediglich Kindern oder Kindeskindern als Beispiel der eigenen Vergangenheit
zu präsentieren.
Mike Kamp
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CHRIS SIMMANCE
Nomad
(Eigenverlag)
12 Tracks, 40:50, mit Fotos, engl. Texten u. Infos
Ich würde ja gerne mal über den Parkplatz gehen, auf dem das Fire Mobile
Studio gerade steht, Chris Simmances Wohnmobil, in dem er wohnt und reist,
aber eben auch seine CDs aufnimmt, sei es am Neckar oder am Genfer See oder wo
immer es ihn gerade hin verschlagen hat. Der gebürtige Engländer ist ein
wahrhafter Straßenmusiker, wenn auch seine Wohnwagenstudioaufnahmen anders
arrangiert sind als seine Livegigs in den Fußgängerzonen, denn zu seinem
Gesang, der seine wunderbar poetischen selbst geschriebenen englischen
Folksongs transportiert, und dem Akkordeon, setzt er dann auch Gitarre,
Keyboard und diverse Computereffekte ein, die der Musik zwar ein wenig ihrer
Urtümlichkeit nehmen, ihrer Poesie aber keinen Abbruch tun. Wie immer handelt
auch diese CD u. a. vom Unterwegssein („For We Are Travelling People/For Ever
On The Move“), allerdings klingen die meisten Songs nicht so fröhlich wie
sonst, sondern recht melancholisch, da der Produktion der CD eine Trennung von
seiner Lebensgefährtin vorausging, so dass die Sehnsucht nach der verlorenen
Liebe die Muse auf ihre Weise beflügelte: „There was something with our love /
A present from the powers above / And now these days have come to pass / I’ll
hold you always in my heart“. Die Lieder haben trotz der Computereffekte
nichts Gekünsteltes, sondern sind echte aus dem Herzen kommende Folkkunst,
sehr empfehlenswert für Hörer, die Authentisches mögen.
Michael A. Schmiedel
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STELLA MARIS
To The Promised Land
(BSC/Prudence 398.6717.2)
Promo-CD, 12 Tracks, 56:41
Dirk Schlömer wird wohl bis zum Rest seines Lebens als Gitarrist von Ton,
Steine, Scherben Erwähnung finden. Wichtiger, zumindest für den Bereich der
Worldmusic, sind aber seine Projekte „Das Zeichen“, das wundervolle „Ornah
Mental“ oder eben Stella Maris. Mit Stella Maris betrat Schlömer 1998 das
Ambient-Parkett und legte ein Album vor, welches ECM zur Ehre gereicht
hätte. Sieben Jahre später erscheint der Nachfolger. Musikalisch nähert sich
To The Promised Land dem Erstlingswerk. Deswegen mag der Rückgriff
auf den Namen des alten Projektes gerechtfertigt sein. Schlömer arbeitet
hier aber mit völlig anderen Musikern, und jeden einzelnen kann man nur als
Glücksgriff bezeichnen. Kerstin Blodig, die nicht nur mit Touchwood
Referenzklasse bewiesen hat, oder Brita Adler, die Abräumerin beim
Wave-Gothic-Treffen 2004, sind zwei von fünf verschiedenen Sängerinnen, die
sich harmonisch in das Gesamtgefüge der CD einpassen. Percussionist Carsten
Agthe darf natürlich auf keinem Schlömeralbum fehlen und rundet die
Kompositionen ab. Stella Maris gehört zu den seltenen hörenswerten Ausnahmen
im New-Age-Dschungel und schafft dabei mühelos den Spagat zwischen Pop, Folk
und Ambient.
Chris Elstrodt
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VOLKWIN & CO
Deutschland
(Vielmehr Musikverlag)
Maxi-CD, 4 Tracks, 19:03
Da hat Volkwin Müller dem Zeitgeist gelauscht oder auch nur ganz tief in sich
hineingehört und hat das dringende Bedürfnis verspürt, über Deutschland zu
singen. Nun lässt sich leicht die Gegend preisen, in der man lebt, seien es
die bayerischen Berge, der Ostseestrand, Köln oder eben auch der Kreis Lippe,
aber nein, das ganze Deutschland sollte es sein. Ein schwerer Brocken! Eine
Sehnsucht, die man sich angeblich hierzulande nicht zu haben traut, zu dem,
was man „die Heimat“ nennt, wollte Herr Müller besingen; über das was diesem
Land fehlt: Seele, Verlangen, Identität, Bindung, natürlich ohne ideologischen
Beigeschmack, die Überwindung der Einsamkeit im Deutschsein. Gerade in
schwierigen Zeiten wie diesen braucht Deutschland Tanz und Freude, um Kraft
für einen Neuanfang zu schöpfen. (Zusammenstellung aus dem Pressetext). Darum
gibt es auf der Maxi-CD auch ein Radioedit, einen Lagerfeuermix (!) und eine
Tanzversion. Nach so viel Krampf und Unsinn ist man nun aufs Lied gespannt.
Mit bedeutsamem Timbre in der Stimme bringt er nebulös (sicherlich kritisch
gemeint) die Sorgen und die Vergangenheit des Vaterlandes zur Sprache und
erklärt einem dessen ungeachtet, dass sein Herz für Deutschland schlägt.
Warum, wofür genau - Fehlanzeige. Er wünscht sich Liebe und Verständnis
zwischen allen seinen Menschen - ach, wie gut gemeint, aber es ist alles
leider nur eintöniger, abgegriffener Kitsch. In Deutschland fehlt es offenbar
vor allem an Verstand!
Rainer Katlewski
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PIT BUDDE & JOSEPHINE KRONFLI
Hano Hanoqitho
(Ökotopia Verlag, 3-936286-57-4)
29 Tracks, 55:08, mit Texten
Eine Frühlings-CD mit Liedern und Tänzen aus aller Welt, die für den Einsatz
für Kinder, aber auch zum Vergnügen eines jeden Hörers entstanden ist. Pit
Budde (bekannt mit seiner Gruppe Karibuni) hat wieder Quellen aus der ganzen
Welt gesammelt und sie passend instrumentiert. Für das Lied aus Irland
natürlich die Tin Whistle; die Andenflöte Quena, die arabische Ud für die
entsprechenden Stücke. In einigen Liedern werden originalsprachige Verse
eingebaut. So entsteht auf einfache Art jeweils ein schöner Hauch der
jeweiligen Kultur. Vorherrschend sind freilich eingängige Oster- und
Frühlingslieder, durchaus mitsingbar. Dazwischen gibt es ein paar Texte mit
hübschen Geschichten - denn Ostersitten sind vielfältiger als wir
Hasengewöhnten es denken. Nicht vorgelegen hat das dazugehörige Buch gleichen
Namens, das die Lieder und Tänze ausführlich beschrieben enthält, dazu
Spielideen und noch mehr Geschichten. Ich fand die Frühlings-CD zwar
unspektakulär, aber wie immer ökotopia-mäßig ausgezeichnet.
Jürgen Brehme
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QNTAL
Qntal IV - Ozymandias
(Drakkar)
Promo-CD, 13 Tracks; 63:03
Qntal, das elektronische Projekt um den Kern der Musiker der Münchener
Mittelalterfolkrock-Formation Estampie, ist nicht gerade dafür bekannt, dass
sich ihre Plattenveröffentlichungen übermäßig häufen. Umso mehr lohnt sich das
Warten auf diese Veröffentlichungen. Klassische Musik, sphärische und teils
spartanische Computersamples treffen auf klassisch anmutenden
mittelalterlichen Gesang in zahlreichen alten Sprachen wie Altspanisch oder
Latein, und eine Mischung aus ganz unterschiedlichen mittelalterlichen
Instrumentierungen. Dabei haben Qntal keinerlei Berührungsängste auch wie mit
„Amor Volat“ weit in den Popbereich vorzubringen, sondern spielen gekonnt mit
dessen Elementen, was ihnen vor allem in der Wave- und Gothicszene eine große
und treue Fangemeinde beschert. Der rote Faden, der sich immer durch die Werke
von Qntal zieht, ist dieses Mal das romantische Gedicht „Ozymandias“ von Percy
Bysshe Shelley aus dem 18. Jahrhundert. Der ständige Fluss von Kommen und
Gehen, von Liebe und Leid, Freude und Trauer ist Spannungsbogen der Platte. An
diesem Gedicht, das sie auch vertont haben, orientieren sich Qntal textlich
ebenso wie musikalisch auf der gesamten Platte. Mal mystisch verzaubernd, mal
energetisch betörend treten Michael Popp, Keyboarder Philipp Groth und
Sängerin Syrah erneut den Beweis an, dass mittelalterliche Musik nicht
antiquiert und staubig klingen muss und sie zu Recht bis heute die Vorbilder
für eine Vielzahl von Neofolk- und Mittelalterrockbands sind.
Claudia Frenzel
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AISLENG
Down At Dunbar
(Rough Trade)
16 Tracks, 46:18, mit Fotos und wenigen engl. Infos
Die schwäbische Gruppe aus Braunsbach bietet mit dieser Scheibe eine
abwechslungsreiche Mischung irischer und schottischer Folkmusik. Eventuell ist
das von Achim Lang gespielte Schlagzeug in einigen Stücken etwas zu
aufdringlich, aber in vielen anderen Stücken kommt eine lustige Art der
Percussion und des Keyboardeinsatzes zum Tragen, die der Musik etwas
Traumhaftes, Fröhliches, Zirkushaftes gibt. Verantwortlich für diese
ungewöhnlichen Arrangements ist Wolfgang Bauer, der erst 1990 mir
iroschottischer Musik in Berührung kam. So wirken die vor allem von Hey
Mühleck auf Blockflöten gespielten Tunes, obgleich traditionellen Ursprungs,
zumindest teilweise sehr originell, teilweise aber auch auf eine Weise
modernisiert, wie sie auch die deutsche Volksmusik oder eben so manche
schottische Ceilíband heimgesucht hat. Stony Waters aber gibt mit seiner
typisch schottischen Art, Lieder zu singen, einen urigen Touch hinein, wie wir
ihn auch von den Tannahill Weavers kaum besser hören könnten, und gleiches
gilt für Hardy the Piper mit seinen Highland Pipes, mit denen er typisch
schottische Soli spielt. Conny Schuller dagegen bringt mit ihrem Gesang
wiederum eine neue, etwas kelten-mystische Stimmung in die Musik. Diese CD ist
also keinesfalls etwas für Puristen, sondern eher für Freunde von Experimenten
auf traditionellem Boden. Und dabei groovt sie ganz gut.
Michael A. Schmiedel
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DIVERSE
Miroque, Vol. XI
(Kom4 Medien/ Soulfood)
CD + DVD, CD: 19 Tracks, 75:23, mit dt. Infos
Miroque ist seit 1996 eine bekannte und beliebte Reihe von
Mittelaltermusik-Samplern. Da die Spannweite von Marktmusik über
konzertant-klassische Tracks bis zu Gothic äußerst breit ist, liegen Vor-
und Nachteile dicht beieinander. Einerseits erhält man einen aktuellen
Überblick über das Genre und wird auf interessante Gruppen aufmerksam. Auf
dieser Zusammenstellung heißen meine Favoriten Sava, Cultus Ferox, Spielleyt
Early Music Freiburg und Kanunculus. Sie bieten wunderbare Songs, spannend
arrangiert und sehr druckvoll. Und man hat auf solchen CDs meist auch die
übrige Palette von langweilig über nervig bis überflüssig. Da wären Refrains
à la „Dschinghis Khan“ (Die Streuner), mehrfach unsauberer Gesang, die
Aneinanderreihungen von geschmacklosen Worthülsen bei Potentia Animi (nicht
lustig!) und viel uninspiriertes Trommelgeklopfe. Überhaupt - eine
scheußliche Idee, eine CD mit einem Trommelsolo zu beginnen.
Die ebenfalls jetzt erschienene Miroque-DVD gibt einen Überblick über
die 2004 erstmals durchgeführten Miroque-Festivals (Burg Rabenstein in
Franken und Burg Pyrmont bei Koblenz). Dabei sind die Konzertstücke versetzt
mit Interviews, was das Ganze sehr abwechslungsreich macht. Zu hören sind u.
a. Corvus Corax, Shelmish, Faun, Wolfenmond, Irrlichter. Sehenswert auf
jedem Fall das Instrumentenbau-Special zu Drehleier und Dudelsack in der
Werkstatt von Instrumentenbauer Jens Güntzel.
Piet Pollack
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