DIE BESONDERE - DEUTSCHLAND
CATHRIN PFEIFER & BAND
Waiting For Valentin
(FMS/VarisOne 402456930382)
12 Tracks, 59:33, mit Infos
In diesem Jahr sollte man sich verlieben. Es muss ja keine neue Liebe sein,
man kann ja auch den alten Partner neu entdecken. Warum gerade 2005? Weil in
diesem Jahr Waiting For Valentine herausgekommen ist, das neue Album
von Cathrin Pfeifer. Ein Album zum Verlieben und für Verliebte. Cathrin
Pfeifer hat uns drei lange Jahre warten lassen seit ihrem Soloalbum
Lonely Tramp, und sie hat es wirklich geschafft, noch einmal
zuzulegen. Waiting for Valentine erzeugt mit seinen treibenden
Kompositionen Bilder und Emotionen, die fast zu stark sind, um sie
assoziationsfrei genießen zu können. Cathrin Pfeifer schreibt den Soundtrack
zu einem imaginären Film, den man dringend mit seinem engsten Vertrauten
sehen möchte. Die Ausnahmeakkordeonspielerin verzaubert und schafft Räume,
die spürbar und berührbar scheinen. Bei jedem einzelnen Stück möchte man die
Künstlerin bitten, „Erzähle mir dazu die Geschichte“, und mit seiner eigenen
Geschichte antworten. Waiting for Valentin ist eine lebensbejahende,
vor Energie berstende Liebeserklärung, die ohne Wehmut mitreißt, die
Menschen in Blumengeschäfte treibt, um endlich den Strauß für den längst
fälligen Heiratsantrag zu bestellen. Heute ist Valentinstag, ganz gleich,
welchen Monat wir schreiben. Hört diese CD und sagt eurem Schatz, was ihr
empfindet.
Chris Elstrodt
|
|
DIE BESONDERE - GRIECHENLAND
SAVINA YANNATOU & PRIMAVERA EN SALONICO
Sumiglia
(ECM 1903)
14 Tracks, 53:24, mit englischen Textübersetzungen
Die griechische Sängerin singt 14 Lieder aus dem Mittelmeerraum und
Osteuropa. Ein Lied aus Nordgriechenland in slawischer Sprache wechselt ab
mit Liedern aus Süditalien, Sizilien, Korsika, Bulgarien, Armenien, Galicien
oder der Ukraine. Die Lieder stammen aus Ländern und Gegenden an der Grenze
unserer geographischen und musikalischen Wahrnehmung. Sumiglia heißt
im lombardischen Dialekt „Ähnlichkeit“ (somigliarsi - „sich ähneln“).
In der Tat! Die Texte aller Lieder sprechen von Liebe, Leid und
Leidenschaft, die Melodien sind voller Melancholie und weisen oft auch
Einflüsse arabischer Musik auf. Es ist, als würde Savina Yannatou bei jedem
Lied das Kostüm wechseln. Mit jedem Ton trifft sie die regionale Ausdrucks-
und Singweise. Sie ist wahrlich eine Stimmartistin, eine Akrobatin auf dem
Hochseil, die, auch wenn sie noch so experimentell singt, nie abstürzt. Auch
nach einem Salto Mortale, wie mit dem albanischen Lied „Smarte Moj“, wo sie
mit ergreifendem Wehklagen den Tod eines Soldaten beweint, landet sie sicher
auf dem Seil, wo sie im griechischen Wiegenlied „Ela Ipne Ke Pare To“ mit
ihrem Kindchen turtelt.
Auf Sumiglia nehmen ihre Begleiter, das Sextett Primavera en Salonico,
gleichwertige Rollen ein. Ihr breites Instrumentarium, bestehend aus
Akkordeon, Qanun, Kalimba, Tamboura, Oud, Gitarre, Violine, Viola, Nayflöte,
Bass und Perkussion, erlaubt ihnen, eine experimentelle Zwiesprache mit der
Sängerin einzugehen. Die Gruppe, die anfänglich sephardische Lieder neu
interpretierte, versteht es, Spannungsbögen aufzubauen, Motive aufzunehmen
und diese auf ungewöhnlichste Weise wieder aufzulösen. Sumiglia ist
keine CD, die man einmal gehört und voll verstanden hat. Jedes erneute
Abspielen bringt neue Klangdetails zum Vorschein. Die fast ätherische,
ECM-typische, auf Ästhetik bedachte Aufnahmeweise trägt das Ihre dazu bei,
dass bei genauem Hinhören jeder Ton seine Wichtigkeit bekommt.
Sumiglia ist ein Klanggemälde im Einklang mit den Kulturen, ein Album
mit einer unvergleichlichen Stimme und einer großartigen Begleitgruppe.
Martin Steiner
|
|
DIE BESONDERE - KANADA
KATE & ANNA MCGARRIGLE
La Vache Qui Pleure
(Munich Records MRCD 260/Indigo)
12 Tracks, 46:40, mit frz. Infos und frz. und engl. Texten
Weinen kann man aus allen Arten von Gründen. Der Kuh, von der im Titelsong
von Kate & Anna McGarrigles siebten Album ebenso ergreifend erzählt wird
wie von den anderen Dingen im Rest der makellosen Songs, die dort im Namen
eben dieses Titelsongs versammelt sind, fließen die Zähren vor Schmerz über
ein verlorenes Kalb. Sollten dieser Tage auch die Schwestern McGarrigle ein
Tränchen verlieren, so wohl eher vor Freude und Glück! Mit La Vache Qui
Pleure ist ihnen am Vorabend ihrer Karriere ein weiterer Meilenstein des
zeitgenössischen Folksongs gelungen - makellos komponiert und getextet,
himmlisch gesungen, perfekt produziert. Und dank des Rückenwinds, den der
nicht nachlassende Hype um Kates Sohnemann Rufus Wainwright dem Album
beschert, sogar mit einer Aufmerksamkeit seitens der angloamerikanisch
dominierten westlichen Öffentlichkeit, die man dem Album gar nicht zugetraut
hätte - französisch durch und durch wie es ist: Aufgewachsen mit
französischen und englischen Wurzeln in Quebec, leben beide Sprachen und
Kulturen bei den McGarrigles gleichberechtigt nebeneinander, und so war es
nur eine Frage der Zeit, bis das berühmte French Album von 1981 einen
Nachfolger bekommen würde. Es war zu entsprechenden Anlässen in der Heimat
immer mal wieder ein französischer Song entstanden, gern in Zusammenarbeit
mit Texter Philippe Tatartcheff. So beim Titelsong für das Theaterstück
The Drawer Boy, das auf einer Farm spielt und für den gelegentlichen
Milchbauer also geradezu prädestiniert war: Warum könnte ein Kuh weinen?
Weil man ihr das Kalb genommen hat, so Tatartcheff! Ein für seine
melancholische Weltsicht, und damit auch für die kleinen Geschichten, die er
in seinen Texten auf den allgemeinverständlichen Punkt bringt, typisch
trüber Gedanke - die Spannung, die sich daraus im Zusammenspiel mit den
lieblichen Melodien und Harmoniegesängen ihrer Interpretinnen ergibt, ist
bereits die halbe Miete auf dem Weg zu Songs, die in die Herzen ihrer Hörer
treffen. Dass man im Leben nicht auf schlechte Gedanken käme bei all der
ungetrübten Sicht auf die weltliche Ambivalenz der Dinge, von denen gesungen
wird, ist Kate & Anna McGarrigles unvergleichliche Qualität. Es gibt
alle Arten zu lachen - und sei es mit einer Träne im Knopfloch. Oder zwei.
Selbst mit drei. Warum nicht mit vier? Fünf ... sechs ... sieben ...
Christian Beck
|
|
DIE BESONDERE - AFRIKA
LURA
Di Korpu Ku Alma
(Lusafrica 462352/Sunny Moon)
13 Tracks, 56:52 + DVD, Texte Portugiesisch-Kreolisch
So richtig neu ist die CD eigentlich nicht, bereits im letzten Jahr wurde sie
veröffentlicht, allerdings ohne nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit. Die
liegt jetzt in professionellen Händen, und siehe: Geht doch! Das Album wurde
mit drei zusätzlichen Liedern bestückt und ist im Doppelpack mit einer DVD
erhältlich - und beides ist erstklassig. Luras höhlentiefe Altstimme ist wie
geschaffen für die wehleidigen Mornas der Kapverden, und wenn es fröhlicher
werden soll, erhöht sie die Oktanzahl und dreht einfach zweieinhalb Oktaven
höher. Am 31. Juli ist sie 30 Jahre jung, hat in einer Theaterkompagnie
gespielt, sich zur Schwimmlehrerin ausbilden lassen und tanzen gelernt. Ihre
kapverdische Seite hat sie, geboren in Portugal und weiterhin dort
beheimatet, spät entdeckt, dafür aber umso intensiver, und bald landete sie
im Chor der barfüßigen Generalmusikbotschafterin der Kapverden, Cesaria
Evora. Und wer für die ein modisch beschuhtes Nachfolgemodell sucht, findet
in Lura alle nötigen Qualitäten. Und mehr: Sie ist spritzig, kokett,
selbstbewusst und schön, sie weiß sich zu bewegen und auf der Bühne zu
agieren, spielt singend noch das eine oder andere Percussioninstrument, sie
schreibt eigene Lieder, und so gut wie Cesaria Evora singt sie allemal. Die
Arrangements sind schlüssig, die backing vocals sorgen an den
richtigen Stellen für Druckausgleich, die reichhaltige Percussion klingt
komprimiert, aber unaufdringlich, die Musiker verstehen alle ihr Handwerk,
und gut tanzbar ist die leicht poppige Mischung auch noch. Lura - was will
man mehr. Die DVD zeigt zwei Musikvideos zu Liedern des Albums, einen
Konzertausschnitt, ein kurzes Porträt sowie eine Fotogalerie. Mit Lura tritt
eine neue Generation an, deren musikalische Grundausstattung unüberhörbar
kapverdischen Ursprungs ist, die der Welt aber auch andere, frische Facetten
der kapverdischen Musik zeigen will und kann. Und ein paar frische Töne
haben die Kapverden nach 15 Jahren Quasi-Alleinherrschaft von Cesaria Evora
auf internationalem Parkett auch nötig. Di Korpu Ku Alma ist der
warme Regen, der auf den trockenen Kapverden auf fruchtbaren Tanzboden fällt.
Luigi Lauer
|
|