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LUZMILA CARPIO
Le Chant De La Terre Et Des Étoiles
(Accords Croisés AC 101/harmonia mundi)
9 Tracks, 54:56, mit frz. und engl. Infos und Texten
„Der Gesang der Erde und der Sterne“, so der Titel des Albums, ist definitiv
gewöhnungsbedürftig. Lässt man sich allerdings auf die in Schwindel
erregenden Höhen balancierende Stimme der Bolivianerin Luzmila Carpio ein,
kann man ein fremdes Universum entdecken. Die Sängerin gehört zum Volk der
Quechua-Indios, einem Volk, das sich nie wieder von der Eroberung durch die
spanischen Conquistadores erholt hat und doch an dem Wissen der Ahnen
festhält. Für die Quechua sind Pachamama, „Mutter Erde“, und all ihre
Kreaturen heilig. In ihren Liedern bedankt sich Luzmila Carpio bei
Pachamama für den Regen und die Früchte der Erde und bittet um
Verzeihung dafür, dass der Mensch sie schindet und ausbeutet. Die
traditionsbewusste Sängerin dazu zu überreden, sich auf ein musikalisches
Experiment mit westlichen Musikern einzulassen, war nicht einfach. Fast zwei
Jahre lang tauchte der französische Arrangeur und Gitarrist Pierrick Hardy
in Carpios Welt der Naturgeräusche ein, lauschte Vogelgezwitscher,
Wasserfällen und Blätterrauschen. Dann engagierte er vier weitere Musiker,
die mit Gitarre, Percussion, Flöten, Bass und Kristallorgel versuchen, die
Gefühle der Pachamama musikalisch heraufzubeschwören. Leider klingt
das manchmal etwas akademisch, und so berührt das dann Album am stärksten,
wenn die westlichen Musiker fast verstummen und Pachamamas Tochter
Luzmila in den Vordergrund tritt.
Suzanne Cords
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MIGUEL ANGÁ DÍAZ
Echu Mingua
(World Circuit Records WCD071/Indigo)
13 Tracks, 46:31
Bei allem Respekt vor dem Son des Buena Vista Social Club: Hier kommt endlich
mal ein neuer Sound von Castros Insel. Percussionist Miguel Angá Díaz hat es
sich in den Kopf gesetzt, die Konga über ihre traditionelle Rolle als
Begleitinstrument hinaus im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens zu
etablieren. Diese Aufgabe meistern er und seine Kollegen mit Bravour, man
braucht sich nur die Neuinterpretation des Thelonious Monk-Klassikers „Round
Midnight“ für sieben Congas anzuhören. Der Titel des Albums Echu
Mingua ist eine Hommage an den Yoruba Gott Echu, den Hüter aller
(Lebens-)Wege und Straßenkreuzungen, und so haben die Titel auch eine
religiöse Komponente. Beim Opener „Rezos“ werden die Götter eingeladen, an
der musikalischen Party teilzuhaben, und beim letzten Track „Closing“ werden
sie standesgemäß wieder verabschiedet. Dazwischen gibt es hochexplosive
Musik zwischen Tradition und Moderne, die aber nie den kubanischen Faden
verliert. Für das gewisse afrikanische Etwas sorgt Sänger N’Goni-Spieler und
Percussionist Baba Sissoko aus Mali, während DJ Dee Nasty, unangefochtener
König des französischen HipHop, zeitgenössisches Flair verbreitet.
Flötenspieler Magic Malik macht seinem Namen alle Ehre und sorgt für
magische Momente, während Bassist Orlando Cachaíto López und vier Pianisten
die kubanische Note einfließen lassen. Wow!
Suzanne Cords
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DIVERSE
Best of Tango Argentino - Around 1950s
(Danza y Movimiento DZ 3009)
20 Tracks, 60:31 Min, mit engl. u. dt. Infos
Das Besondere jener Zeit war, dass die Titel eine bessere Klangqualität,
größere Intensität und auch Aggressivität aufweisen, eine größere Deutlichkeit
in der Phrasierung, Dynamik und Tempogestaltung als die Aufnahmen der
Gründerära der 40er: Ein Ergebnis des häufigen Spielens - „Abschleifens“ -,
konzentrierter Dichte und Tiefe, aber auch personeller Veränderungen einiger
Orchester - die Meister dieser Ära wie Troilo, Pugliese, Basso, Salgán und
andere. Piazolla ist mit vier Titeln als Interpret und Komponist vertreten.
Man könnte nun meinen, mit dieser CD den tausendsten Aufguss zu kaufen, aber
nein, hier können Titel und Interpreten neu entdeckt werden - die Milonga „Un
baila e beneficio“ habe ich selten so aufregend gehört, ansonsten allgemein
nicht so bekannte Titel. Für Anfänger des Tanzes: Es sind Titel aus der Epoche
des Tangos, in der die Melodien und Rhythmen gut rausgehört werden konnten.
Auch ist für Interessierte angegeben, um welche Interpreten, Autoren und
Komponisten und um welchen Tanz (15 Tangos, 3 Milongas, 1 Vals, 1 Nuevo Ritmo)
es sich handelt. Wie bei allen CDs dieser klassischen Tangoserie wurden alle
Aufnahmen sorgfältig klangbearbeitet, so dass sie vollendeten Tanz- und
Hörgenuss bieten.
Corina Oosterveen
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DJ DOLORES
Aparelhagem
(Crammed Discs / Ziriguiboom ZR19)
12 Tracks, 55:14
Während der Großteil der brasilianischen Avantgarde-Musikerszene in São Paulo
an neuen Klängen tüftelt, sucht DJ Dolores seine Inspiration in Pernambucos
Hauptstadt Recife. Und damit ist er (ja, er, den Frauennamen hat er
nur gewählt, um seine Macho-Landsleute zu provozieren) gut beraten, denn
kaum eine Region Brasiliens ist so reich an Rhythmen, Tänzen, Instrumenten
und überliefertem Liedgut wie der Nordosten des Landes. Deswegen will DJ
Dolores alias Helder Aragão de Melo auch nichts Neues erfinden, sondern die
alten Schätze seiner Heimat aufpolieren. Zusammen mit Posaunist Nilsinho,
Gitarrist Catatau, Rabeca-(„Fiedel“-)-Spieler Tiago, sowie einigen
Gastmusikern und der äußerst wandlungsreichen Sängerin Isaar katapultiert er
die alten Lieder mit Hilfe von Synthesizer und Jazztrompete ins 21.
Jahrhundert und würzt sie mit Aufnahmen von der Straße. Heraus kommt ein
genialer Mix aus Maracatú, Ciranda, Rave, Funk, Samba und Reggae, wobei nie
respektlos mit dem kulturellen Erbe umgegangen wird. Dieser Meinung war auch
die BBC, die DJ Dolores kürzlich mit dem Radio Music Award in der
Kategorie „Club Global“ auszeichnete. Mein Favorit auf der durchweg
tanzbaren Scheibe lautet übrigens „Ciranda de Madrugada“ („Ringeltanz im
Morgengrauen“).
Suzanne Cords
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