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CLAIRE PELLETIER
Ce Que Tu Donnes
(Octant OCCD 9301)
10 Tracks, 42:59, mit franz. Texten
In Kanada ist sie bereits ein Star, mit ihrem nunmehr vierten Album will sie
endlich auch international, vor allem in Frankreich, reüssieren. Mit
Produzent, Arrangeur und Co-Autor Pierre Duchesne könnte dieses Unterfangen in
der Tat gelingen, wenngleich der „orthodoxe“ Fan-Flügel eventuell irritiert
sein dürfte. Denn die von Pelletier/Duchesne komponierten Chansons sind zwar
nach wie vor eingängig, dabei alles andere als einfach „gestrickt“, aber eben
auch erfrischend „anders“ arrangiert. Bisweilen werden den oft betörenden
Melodien elektronische Drum ’n’ Bass-Töne unterlegt - sie stören nicht, peppen
diese vielmehr auf. Duchesne verschmelzt auf raffinierte Weise französisches
Chanson, Celtic Folk und Edel-Pop zu einer durchweg stimmigen Melange. Dabei
baut er hin und wieder ein Streicherensemble ein und setzt mit traditionellen
Instrumenten solistische Akzente. So erklingen z. B. in „La danse“ eine Kora,
in „Le cimetère des bateaux“ eine Tin Whistle und u. a. in „Souvenir“ eine
Drehleier. Auf dieser ausgeklügelten instrumentalen Basis kann Pelletier ihre
markante Stimme - beim Titelsong im Duett mit Stephan Eicher - adäquat
einbringen. Die mal verträumten, mal mystischen, aber keineswegs banalen Texte
steuerten Marc Chabot und die Dichterin Marceline Desbordes-Valmore bei.
Moderner Folkpop, der Assoziationen zu Enya weckt, und das ist nicht abwertend
gemeint!
Roland Schmitt
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M. WARD
Transistor Radio
(Matador OLE6422 / Zomba)
Promo-CD, 16 Tracks, 43:27
Achtung vor Menschen, die das Medium selbst zum Popanz machen!
Vinyl-Ayatollahs, die behaupten, digital könne per se keine Musik sein -
nein danke. Wie M. Ward auf seinem vierten Album das Medium Transistor
Radio als Symbol für bestimmte Inhalte nimmt, die es transportierte, ist
da schon eine andere Nummer. „In meiner Jugend war das Radioprogramm in
Südkalifornien einfach großartig“, sagt der 30-Jährige - und macht sich
daran, noch einmal so richtig in den verschiedenen Welten zu wandeln, die
sich ihm über den Äther damals auftaten: Songs von den Beach Boys („You
Still Believe In Me“), Louis Armstrong („Sweethearts On Parade“), der Carter
Family („Oh, Take Me Back“) und Johann Sebastian Bach („Well-tempered
Claiver V. 3“) mischt er so mit Eigenkompositionen, die von heftigem
Piano-Boogie (mit Vic Chesnutt) über Surf Punk à la Dick Dale bis zu
reinstem Country inklusive jaulender Pedal Steel reichen. Dass der
Originalsound all der Juwelen, die Matt Ward in besseren Radiozeiten in den
Spätsiebzigern und Achtzigern noch zu Gehör gekommen sind, dem deutlich
zeitgemäßeren Lo-Fi-Sound seines Matador-Labelumfelds weichen musste,
versteht sich von selbst - und ist auch gut so. Die Originale liegen auf CDs
und wie die Medien alle heißen überall nur so rum -inspiriert-inspirierende
zeitgemäße Variationen davon, wie die vorliegende, sind dagegen rar.
Christian Beck
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DON RENO & RED SMILEY
Sweethearts In Heaven
(Bear Family Records BCD 16728)
24 Tracks, 53:27, mit ausführlichsten engl. Infos
Ein Hoch auf Richard Weize! Was wüssten wir Nachgeborenen ohne den Grizzly der
Audio-Geschichtsschreibung und seine Familie aus Hambergen über die großen
Jahre amerikanischer Einflussnahme auf Welt und Zeit nach dem zweiten
Weltkrieg? Nix Genaues! Don Reno & Red Smiley, so wenig die meisten von
uns auch je etwas von ihnen gehört haben mögen, müssen der besten
Bluegrass-Artisten aller Zeiten zwei gewesen sein - absolut makellos
jedenfalls ein jeder der zwei Dutzend Tracks, die sie in Septett- bzw.
Quintett-Besetzungen in nur vier Sessions zwischen 1957 und 1964 für Dot
Records einspielten. Ausgereift rund und eingängig die Kompositionen, virtuos
die Instrumentierung und der Duett-Gesang - 24 Schuss, 24 Treffer! Ob
Traditionals („Cotton Eyed Joe“), bewährte Fremdkompositionen („Sweethearts In
Heaven“, Buck Owens, oder „Where Did Our Young Years Go“, Jack Rhodes) oder
eigene Werke - alle Aufnahmen fügen sich gleichermaßen zum Gesamtbild eines
Duos, dessen Klasse und Unfehlbarkeit gegenüber auch mehr als 40 Jahre später
noch jeder Widerstand zwecklos scheint. Dazu protzt das CD-Booklet einmal mehr
mit dem bei Bear Family vor Informationsfülle und Detailfreude nur so
strotzenden, unübertroffenen Historikerfuror. Man möchte - Achtung vor Richard
Weize! - mit Blick auf Stundenpläne und Budgets gar nicht an die Unmengen von
Schätzen denken, die es auf diesem Label noch zu heben gibt und geben wird ...
Christian Beck
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JOHN FOGERTY
Blue Moon Swamp
(Geffen Records B0003278-02)
14 Tracks, 49:34
Die Sonne geht auf. John Fogerty fährt mit seinem 63er Mustang vor, wirft die
Beifahrertür auf und lädt uns augenzwinkernd ein zu einem entspannten Trip
den Highway hinunter von Texas rüber nach Louisiana. Es macht Spaß, mit dem
alten Haudegen über die Nebenstraßen der Südstaaten von einem Klassesong zum
nächsten zu rollen. Fogerty beherrscht sein Handwerk perfekt, die Stücke
sind alle hervorragend komponiert und produziert und die alte
Creedence-Clearwater-Revival-Stimme klingt erstaunlicherweise jünger,
frischer und ein wenig höher als auf vielen seiner inzwischen zu Klassikern
gewordenen Aufnahmen. Die Band, in der Meister wie Bob Glaub, Chester
Thompson oder John Clayton ihren Dienst verrichten, groovt „wie Schwein“,
und was John Fogerty auf seiner Telecaster oder Dobro an
Texas-Gitarrensounds abliefert ist so ausgeschlafen, dass jeder
Birkenstock-Schlappen spontan zum Cowboy-Boot mutiert. Blue Moon
Swamp ist ein reifes Meisterwerk, für das John Fogerty zu Recht einen
Grammy eingefahren hat.
Johannes Epremian
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TIM ERIKSEN
TiEvery Sound Belowtel
(Apleseed Recordings APR CD 1080)
14 Tracks, 44:17, mit ausführlichen engl. Infos
Am Schönsten haben es vor Jahrzehnten The Residents ausgedrückt - aber die
Geisteswelt ist auch jenseits davon voll ähnlicher Apelle: „Ignorance of
your culture is not considered cool!“ Zu den Wurzeln dieser unserer Kultur
gehören nach dem weltweiten Siegeszug der angloamerikanischen Lebensart nach
dem Zweiten Weltkrieg sowohl die Kapuzenmänner des Ku-Klux-Klan vom
Residents-Plakat als auch das Repertoire, mit dem Tim Eriksen für Furore in
der Folkwelt sorgt. Every Sound Below versammelt 14 prächtige
Exemplare traditionellen amerikanischen Storytellings mit den Mitteln der
Musik: Bürgerkriegsberichte („The Cumberland and the Merrimac“),
Mörderballaden („Omie Wise“), Predigers Klagelied („John Colby’s Hymn“). So
sparsam sie in monophonen Livesessions zu Eriksens eigener Gitarren-,
Fiddle- oder Banjobegleitung eingespielt sind, so eindringlich ist ihre
Wirkung: Als säße der ehemalige Punkbassist von der Ostküste einem direkt im
Genick, rückt einem seine Musik auf die Pelle, kein überflüssiger Ton lenkt
vom Wesentlichen ab, keine Produktionsmätzchen von den Geschichten und
Stimmungen, keine komsumverliebte Nabelschau von den grundlegenden
Befindlichkeiten des Lebens. „The watchword is passion“, hat Martin Carthy
zu Tim Eriksens Arbeit angemerkt, neben T-Bone Burnetts Lobpreisungen
vielleicht die schönste Anerkennung für den vielversprechendsten
Traditionspfleger seit langem.
Christian Beck
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MICHAEL DE JONG
Imaginary Conversation
(CoraZong 255 077)
11 Tracks, 47:40
Michael De Jong, ein Amerikaner holländisch-französischer Herkunft, singt und
spielt auf diesem Album den Solo-Blues mit voller Wucht und viel Gefühl. Und
folgerichtig ist das Thema von Imaginary Conversation die Liebe - in
diesem Fall eine verzweifelte Liebe zu einer ihm seelenverwandten Frau aus
Texas. De Jong erzählt dieser seiner großen Liebe, was er „schon immer mal
loswerden“ wollte, offenbart ihr in seinen Songs offen alle Gefühle,
Gedanken und Ideen, die ihm durch den Kopf gehen. Und er tut dies mit
starker Überzeugungskraft, einer bluesig-dramatischen, leidend-sehnsüchtigen
Gesangsstimme und schönem, melodiösem Gitarrenspiel. Und wie es so mit
„imaginären Gesprächen“ ist, die Texte fragen nicht nach Antwort, sie sind
Monologe, die einer Entgegnung nicht bedürfen. Imaginary Conversation
ist das eindringliche, ehrliche Album eines Musikers, der auf der Suche nach
seinen Wurzeln im Amsterdamer Drogensumpf versackte, sich daraus freikämpfte
und für den Singen und Songschreiben eine Form legitimer Therapie sind. Und
Michael De Jongs Lieder sind überzeugend, berührend - einfach großartig.
Carina Prange
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