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RICCARDO TESI & BANDITALIANA
Lune
(Dunya Felmay/Just records Babelsberg)
12 Tracks, 52:11, mit ital. Texten
Auf ihren ersten beiden Alben räumte die Gruppe um den toskanischen
Meister-Knopfakkordeonisten jegliche stilistischen Grenzen mit Kreativität,
Virtuosität und Gefühl aus dem Weg. Einsprengsel aus toskana-fernen
Musikwelten passten wie selbstverständlich in Riccardo Tesis Musik. Auch
Lune, die dritte Produktion der Gruppe erfüllt die hohen Erwartungen.
Schon die ersten Töne der CD fesseln: Maurizio Geri eröffnet mit wuchtigen
Akkorden auf der Saz, dann setzen das Saxophon von Claudio Carboni und die
Tablas von Ettore Bonafé ein, und schließlich die Stimme von Maurizio Geri
mit ihrem warmen Timbre. Dank diesen hochkarätigen Musikern kann sich
Riccardo Tesi manchmal das Privileg leisten, nur Akzente zu setzen. Wie auf
den ersten Banditaliana-Alben wechseln auch auf Lune schnelle, meist
instrumentale Stücke mit Balladen. Diese sind so intensiv und gefühlvoll wie
kaum zuvor, allen voran das Titelstück mit der orientalischen
Streichereinlage des Araea String Quartetts, aber auch das wunderschöne
„Ninna Nanna“ mit der Frauenstimme von Ginevra di Marco. Wie glücklich muss
ein Kind wohl sein, wenn es mit einer solchen Musik einschlafen darf. Ein
wenig enttäuscht bin ich nur vom Schluss der CD. Der mit sterilem
Maschinenbeat unterlegte Remix der auf den früheren Alben erschienen Stücke
„Maggio“ und „Tevakh“ sorgt für eine Antiklimax. Dieser Schluss soll aber
nicht darüber hinwegtäuschen, dass Riccardo Tesi und seine Compagneri zuvor
zehn Stücke lang eine wunderbare Musik zelebriert haben.
Martin Steiner
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EITRE
The Coming of Spring
(Sjelvar Records HB SJECD 18)
11 Tracks, 50:20, mit kurzer Info
Eitre ist die erweiterte Version des skandinavischen Irish-Trad-Trios Quilty -
bestehend aus Dag Westling (vocals, guitar, 5-str.-banjo), Esbjörn Hazelius
(fiddle, voc.) und Frederik Bengtsson (double bass). Nun zum Quintett
angewachsen bietet Eitre ein furioses Spektrum an Klängen klassischer
Irish-Trad-Bands - ein oberflächlicher Höreindruck lässt sofort an Lunasa
denken, die hier deutlich konzeptionell Pate gestanden haben! (Hörtipp: Track
5).
Mit Kevin Ryan (Manchester, UK) an der Flute und Marco Pollier (Frankreich) an
den Uillean Pipes sind zwei ausgesprochen virtuose Musiker im Boot, die
wesentlich zum High-End-Profil dieser europäischen Fusion beitragen. Marco
Polliers polyrhythmisches Regulatorspiel, das bisweilen nach einer barocken
Fuge klingt, sucht in der Welt der Uilleann Pipes seinesgleichen.
Abstriche gibt es beim Sound, die Produktion wird dem Potential der Musiker
nicht ganz gerecht (ein häufiges Phänomen nicht nur in Folkkreisen) und bei
der Songauswahl: Hat Eitre gegenüber Lunasa sogar den theoretischen Vorteil,
Songs im Gepäck zu haben, gibt es trotz durchaus akzeptabler Singstimmen nur
einige schon recht strapazierte Songs zu hören. Das Konzept der Band
zugrundelegend hätte man hier sehr viel mehr Innovation erwartet! Fazit: Eitre
muss sich dem Vergleich mit hochkarätigen Modern Irish Bands stellen und
schneidet dabei instrumental insgesamt sehr gut ab!
Johannes Schiefner
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BATTLEFIELD BAND
Out For The Night
(Temple Records COMD2094/Sunny Moon)
15 Tracks, 70:40, mit engl. Texten und Infos
MIKE KATZ
A Month Of Sundays
(Temple Records COMD2095/Sunny Moon)
15 Tracks, 57:02, mit engl. Infos
Die Battlefield Band zählt zu jenem exklusiven Kreis von Gruppen, die den
„Goldenen VW“ tragen dürfen: Sie laufen und laufen und laufen! Auch nach 36
Jahren kennen die Schotten keine Müdigkeit, im Gegenteil, die BBC Scotland
zeichnete sie kürzlich als „Best Live Act“ aus. Passend sind daher die letzten
drei Tracks der CD eine Live-Zugabe.
Trotz oder wegen der häufigen Umbesetzungen (lediglich Keyboarder Reid ist
seit Anfang dabei) bleibt die Mischung des Quartetts aus intelligenten Songs
und fetzigen Instrumentals im Sound unverkennbar und frisch. Hier dominieren
Pipes und Fiddle, letztere gespielt vom Fast-noch-Teenager Alasdair White, ein
würdiger Nachfolger von BB-Fiddlern Brian McNeill und John McCusker.
Interessant auch, dass mit dem irischen Sänger und Gitarristen Pat Kilbride
erstmals ein ehemaliges Mitglied nach über 20 Jahren zurückkehrt. Und immer
wieder ist die BB für Überraschungen gut. So klingt ein Track verdächtig nach
Klezmer. Wann hat es das in der schottischen Folkmusik gegeben?
Der amerikanische BB-Piper Katz hatte wohl so viele Eigenkompositionen auf
Lager, dass ein Soloalbum fast unausweichlich war. Also packte er Freunde wie
Tannies-Fiddler John Martin oder Concertina-Zauberer Simon Thoumire ins
Studio. Das Resultat ist eine feine Instrumental-CD, auf der Katz neben den
Highland- auch die Boder-Pipes sowie Bass und Gitarre spielt.
Mike Kamp
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FRANCO MORONE
Italian Fingerstyle Guitar
(Acoustic Music Records/Rough Trade 319.1345.2)
16 Tracks, 48:15, mit ital./engl.. Texten und Infos
Der italienische Fingerstylist hat sich mit seinem neuen Album wieder einem
speziellen Thema zugewandt: italienischer Musik, die so oft in direkter
Beziehung zu bestimmten Momenten, Anlässen, Situationen des Alltags oder des
geistigen Lebens früherer Generationen steht. In 16 populären Liedern und
traditionellen Tänzen präsentiert er so Melodien und Rhythmen, die
gewissermaßen lebendige Traditionen in Italien sind. In Hymnen und Balladen,
in Gesängen, Arbeitsliedern, Seemannsliedern, Melodien der Operntradition,
verbunden durch Saltarella und Tarantellas, durchwandert und durchtanzt er
mühelos die Jahrhunderte bis in die 60er des letzten. Er entwirft ein
Sittengemälde des Lebens sowie der Bedeutung von Gesang und Tanz im Italien
der Zeiten. Da stehen neben der uralten Ballade „Donna Lombarda“ etwa Lieder
aus den 20ern oder ein lombardischer Song aus den 60ern. Morone
interpretiert, adaptiert und arrangiert sehr respektvoll. Der Gitarrist
zeigt einmal mehr nicht nur sein gitarristisches Können, sondern auch sein
Sensibilität für Traditionen. Im sehr liebevoll gestalteten, ansprechenden
Booklet gibt es zudem Hintergrundinformationen zu allen Titeln, Texte und,
für die Gitarreros, die verwendeten Tabulaturen. Italian Fingerstyle
Guitar ist ein leiser, rücksichtsvoller Einblick in die Geschichte
italienischer Lebensart.
Steffen Basho-Junghans
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MANFRED LEUCHTER
Nomade
(Luxaries Records LuxMM04)
13 Tracks, 64:06
Das Akkordeon hat in den letzten Jahren die pure Existenz als Quetschkommode
aufgegeben. Schuld daran sind Musiker wie Maria Kalaniemi, Kimmo Pohjonen,
Lydie Auvray oder Cathrin Pfeifer. Die meisten dieser Künstler sind auf dem
Kölner Label Westpark zu Hause. Manfred Leuchter hält mit seinem kleinen
Eigenverlag dagegen. Nomade nennt er seine CD, und so könnte er sich
guten Gewissens auch selbst nennen. Der Weltenbummler Leuchter sammelt
Klänge und Impressionen aus allen Kulturen der Welt und baut sie geschickt
in seine vom Akkordeon dominierten Arrangements ein. Das Ergebnis ist immer
klar Jazzmusik, aber jedes Mal auch eine Entdeckung für den Freund
gepflegter World Music. Ob seine Komposition „Fata Morgana“ die Lücke
zwischen Sarabande und Bolero schließt oder er mit „Squaw“ den Soundtrack zu
einem imaginären Film schreibt, Manfred Leuchter ist ein Unikat, die CD
voller Augenzwinkern und jeder Ton er selbst. Manfred Leuchter produziert
alles in Eigenregie und benötigt tatsächlich keine fremde Hilfe, von seinen
genialen Mitmusikern abgesehen. Konsequenterweise ist die CD nur über seine
Konzerte oder seine Homepage zu beziehen. Fälschlicherweise mit Tango
assoziiert, zaubert Manfred Leuchter eine ganz und gar untanzbare CD, die
zum Hin- und Wiederhören einlädt.
Chris Elstrodt
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SHUKAR
Bear Tamers Music
(Sub Rosa SR 221)
19 Tracks, 40:19, spärliche Infos
„Our fathers out of India come / and stopped when they found water /... /
across the deserts our fathers come / with dancing boy, and bear and drum.“
Ja, so wie in Ralph McTells Lied „Gypsies“ mögen sie nach Europa gekommen
sein, die Ahnen der Sinti und Roma, und wer offene Ohren hat, kann ihren
Wanderwegen von Rajasthan bis Irland anhand lokaler Volksmusiktraditionen
nachspüren. Zu offensichtlich sind die Gemeinsamkeiten, z. B. von
pakistanischem Qawwali- und spanischem Flamencogesang, von asiatischer und
irischer Pentatonik, von südindischen Rhythmen und denen der Balkan-Staaten.
In dieser Tradition steht auch die Musik des rumänischen Trios Shukar. Die
drei Herren, die auf die schönen Künstler(vor)namen Napoleon, Tamango und
Clasic hören, stammen aus dem alten Berufsstand der Ursarii, der
Bärenbändiger. Dass sie diesen Beruf nicht (mehr) ausüben, ist der gleichen
„political correctness“ geschuldet, welche uns gemahnt, ihre Ethnien nicht
mit der korrekten deutschen Übersetzung von gypsy zu benennen. Wie
auch immer, die drei Musiker machen mit einfachsten Mitteln (Stimmen,
Trommeln aus Holz- und Blecheimern, Löffeln und diversen Haushaltsgeräten)
eine hochenergetische Musik. Die durchweg kurzen Stücke wurden in einer
Nacht (!) live im Studio aufgenommen und beweisen einmal mehr, dass, wenn
der Inhalt stimmt, die Verpackung durchaus spartanisch sein darf. Ein
grandioses Album!
Walter Bast
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LINTON KWESI JOHNSON
Live In Paris
(Wrasse Records Wrass 140, auch als DVD)
13 Tracks, 59:00, mit engl. Infos
Im Jahr 2003 feierte Linton Kwesi Johnson ein Jubiläum: Vor 25 Jahren hatte
er seine erste LP aufgenommen und seitdem keine Ruhe mehr gegeben, um mit
Hilfe der Poesie und des Reggae den Finger auf die Wunden der englischen
Gesellschaft zu legen. Und auch anlässlich des Silberjubiläums mag er nicht
nachsichtig werden. Die Live-Aufnahme aus dem Zenith in Paris vom April 2003
zeigt einen LKJ, der immer noch wütend ist - wenn auch nicht mehr so
offensichtlich voller Zorn wie etwa 20 Jahre vorher, als die Doppel-LP In
Concert with the Dub Band schon einmal ein Konzert des sprechsingenden
Dichters dokumentierte. Einige Stücke standen bereits damals auf der Setlist
und haben sich bis heute als Klassiker des LKJ etabliert, etwa „Making
History“, „Reggae Fi Peach“ und „Dread Beat An Blood“. Auch unter den
Musikern der Dennis Bovell Dub Band finden wir viele bekannte Namen wieder,
wie den Bandleader am Bass, John Kpiaye (g) und Nick Straker (keys).
Unverwechselbar geblieben ist das Gefühl für melodiöse Phrasierungen der
Gedichtzeilen. Da bleiben Sätze wie Melodien im Kopf hängen, was außer ihm
nur wenige HipHopper schaffen. Hier prasseln keine Sprachsalven auf die
Hörer ein und kein rhythmischer Einheitsbrei ergießt sich von der Bühne,
sondern Musikalität und Aufrichtigkeit in der Haltung dominieren. Gut zu
wissen, dass es diese Leute noch gibt. Gut zu wissen, dass sie wach sind.
Volker Dick
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STEELEYE SPAN
They Called Her Babylon
(Park Records PRKCD70)
11 Tracks, 55:54, mit engl. Infos und Texten
Keine Frage, das ist ein klassisches Steeleye-Album: traditionelle Themen und
Melodien, deren musikalische Umsetzung aber im Hier und Jetzt stattfindet. Nun
ja, nicht so ganz, denn der klassische Steeleye-Folkrock wurzelt nun mal in
den 60ern und 70ern des letzten Jahrhunderts. Genau jenes Genre beherrschen
sie nach über 35 Jahren noch oder wieder perfekt, speziell, wo mit Maddy Prior
seit einiger Zeit die Orginalstimme wieder dabei ist. Gatte Rick Kemp bedient
weiterhin den Bass, Peter Knight fiddelt, Liam Genocky sorgt für den Rhythmus,
Ken Nicol zupft die Saiten und gemeinsam erzeugen sie einen sehr überzeugenden
Chorgesang. Nichts wirklich Neues von den Veteranen, britischer
Qualitäts-Folkrock eben, der auch heute noch ziemlich knackig klingt. Einzige
Kritik: Die urheberrechtlichen Angaben sind so ungenau, dass sich ein
Radioeinsatz fast verbietet.
Mike Kamp
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BESH O DROM
Gyi!
(Eigenverlag/Just Records Babelsberg)
10 Tracks, 48:17, mit ungar. Infos u. Texten
Das dritte Album des ungarischen „Highspeed Balkan Folk“-Achtköpfers ist
zwar, verglichen mit dem Vorgänger Can’t Make Me! (s. Folker!
03/2003), nicht ganz so das große Ding. Aber dennoch legt das Oktett wieder
einen unglaublich schweißtreibenden Mix aus Balkanmusik, Gypsy-Swing, Jazz
und Funk hin. Die Bläser sitzen ob all der turboschnellen
Höchstgeschwindigkeit punktgenau, Unisonoläufe haben gehörig Pfeffer, Soli
höllisch Feuer, der E-Bass groovt dick und fett, das Schlagzeug swingt
lässig, die Perkussion wild-orientalisch und die E-Gitarre könnte sich mal
glatt in James Browns Begleitband, mal beim Wettlauf mit Django Reinhardt
bewähren. Gyi! setzt fast vollständig auf Uptempo-Nummern im
Brass-Band-Format. Und genau hier liegt die Schwäche gegenüber dem
Vorgänger: Der bot in puncto Tempowechsel, Experimentierfreude und
Stilvielfalt einfach mehr. Dennoch wird die Band mit ihrem pfeffrigen
Balkanmix auch in diesem Sommer wieder ein gern gehörter und extrem zum
Tanzen animierender Dauergast bei den wichtigsten Festivals in Europa sein.
Garantiert.
Frank Schuster
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DIVERSE
Seo seinn 2004 - Best Of Contemporary And Traditional Gaelic Singing
(Western Isles Tourist Board)
20 Tracks mit engl. Infos und schott.-gäl. Texten
Die CD Seo seinn vereint die Teilnehmer eines Gesangswettbewerbs auf
der Insel Lewis. Gesungen werden hauptsächlich gälische Standards, aber auch
sechs Neukompositionen kommen zum Zuge. Runrig-Fans werden bei „Chí mi’n
geamhradh“ aufhorchen und Capercaillie-Fans können eine neue Version von
„Breisleach“ entdecken. Erstaunt und anerkennend muss man den Hut
ziehen vor den jungen Talenten auf dieser CD. Wenn Kirsteen MacDonald,
Kirsty MacKenzie und Norrie MacIver erst am Anfang ihrer Karriere stehen,
dann können wir uns noch auf viele wunderbar gesungene Lieder freuen.
Anderes hört sich ein wenig auswendig gelernt an. Darren MacLean hat sich an
„Breisleach“ eindeutig verhoben. Fiona MacKenzie und Brian Ó h-Eadhra sind
gestandene Profimusiker, die die CD stützen und deren Stücke eindeutig zu
den besten zählen. Ebenfalls hörenswert: „An iolaire“. Ann Martin singt die
Geschichte dieses Schiffunglücks mit wunderbar klarer Stimme so
eindrucksvoll, dass man sie nachfühlen kann, auch wenn man kein Wort
Schottisch-Gälisch versteht. Seo seinn erfüllt seinen Anspruch, eine
Bandbreite gälischer Lieder in aktuellen Fassungen zu präsentieren. Manchmal
klappt’s nicht so richtig und klingt nach Zwangsmodernisierung. Insofern
stimmt der Untertitel der CD „Best of ...“ nur bedingt. Das sollte aber vom
Kauf nicht abhalten, man kann hier auf jeden Fall den einen oder anderen
Schatz entdecken. Cumaibh a’dol - Macht weiter so!
Michael Klevenhaus
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JARMILA XYMENA GORNA
Hashgachah
(33 Records)
12 Tracks, 59:33
Hashgachah ist eine unglaublich spannende CD, bei der sich auf mehrfache
Weise Vergleiche mit anderen Künstlern aufdrängen. Die Kompositionen
erinnern oft an den Minimalismus eines Phillip Glass. Die in London lebende
polnische Sängerin sampelt ihre Stimme selbst und vervielfältigt sie, bis
sie als Begleitung und Keyboardersatz verwendet werden kann, eine Technik,
die Adiemus populär gemacht hat. Darüber legt sich die glasklare
ausgebildete Stimme von Jarmila Xymena Gorna, mal improvisationsfreudig wie
eine brasilianische Jazzclubsängerin, mal zärtlich verhalten. Neben einer
großen Anzahl an Begleitinstrumenten und orchestralem Einsatz von Keyboards
klingt immer wieder ein filigran gespieltes Piano durch die Soundwälle.
Erinnerungen an die Frauenchöre des Balkan treffen auf Mike Oldfields
Kompositionen, die Warsaw Village Band trifft auf Stillhorn.
Hashgachah klingt zu glatt für ein Jazzalbum, ist zu klassisch für
die Weltmusik und viel zu verspielt für ein Popalbum. Jarmila Xymena Gorna
sitzt zwischen den Stühlen, ohne die üblichen Verbindungen zwischen den
Musikfarben zu erlauben. So bleibt ein Album einer einmaligen Künstlerin,
die sich ihren eigenen musikalischen Kosmos aufgebaut hat.
Chris Elstrodt
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FANFARE CIOCARLIA
Gili Garabdi - Ancient Secrets Of Gypsy Brass
(Asphalt Tango Records/Indigo)
16 Tracks, 56:43, mit engl. Infos
Mit Album Nummer vier hat die Fanfare Ciocarlia so etwas wie ihr „Sgt.
Pepper’s“ geschaffen. So viel Innovation war nie. Wer die Blaskappelle bloß
als „Speed Demons of Gypsy Brass“ kennt - als solche apostrophieren
Veranstalter und PR-Leute sie gerne - wird überrascht aufhorchen. Das fängt
schon mit dem Opener an, einer gelungen-witzigen, balkanisch-hüpfenden
Interpretation des „James Bond Theme“. Auch abseits dieses
Krimimusikklassikers bewegen sich die Rumänen noch tiefer als sonst in den
blauen Noten, haben gar eine riesengroße Jazzlegende an der Angel: „Caravan“
von keinem geringeren als Duke Ellington. Klarinettist Ioan Ivancea,
ältestes Bandmitglied, erklärt in den Linernotes: „Haben unsere Cousins
nicht bei der Entstehung des Jazz in Amerikas Südstaaten mitgewirkt?“
Hintergrund: 1864 endete die Sklaverei der rumänischen Tzigani; Tausende
flohen in die USA. Das Soundspektrum erweitert sich auch bei der
Zusammenarbeit mit Jony Iliev. Der Sänger aus Bulgarien legte vor zwei
Jahren ein grandioses Debüt hin (s. Folker! 03/2003). Zwei seiner
besten Songs, „Ma maren ma“ und „Godzilla“, singt er auf dieser CD,
begleitet von der Fanfare, die locker beweist, dass sie nicht nur
turboschnell, sondern auch tieftraurig blasen kann.
Frank Schuster
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EMILY SMITH
A Different Life
(White Fall Records WFRCD01)
12 Tracks, 52:57, mit engl. Infos
JULIE FOWLIS
Mar a tha mo chridhe - As My Heart Is
(Macmeanmna SKYECD 33)
12 Tracks, 44:10, mit engl. Infos und engl./gäl. Texten
HEATHER MACLEOD
Crossing Tides
(Leod Music LEODCD001)
10 Tracks, 46:11, mit engl. Texten
Die drei Damen haben diverse Gemeinsamkeiten. Sie sind jung, schottisch,
überaus talentiert und präsentierten ihr neues bzw. erstes Solowerk anlässlich
der Celtic Connections in Glasgow.
Emily Smith ist trotz ihrer Jugend bereits erfahren. Die “Young Scottish
Traditional Musician of the Year 2002”-Gewinnerin hat als Nachfolger ihres
Erstlings A Day Like Today (s. Folker! 02/2003) erneut ein
qualitativ hochstehendes, traditionelles Album mit definitiv modernem Touch
vorgelegt. Dafür sorgen neben ihren vier Eigenkompositionen auch die anderen
Mitglieder ihres Trios, nämlich Malinky-Saitenspezi und Sänger Steve Byrne
sowie der neuseeländische Fiddler Jamie McClennan und acht weitere
Mitmusikanten. Die Sängerin und Tastenfrau ist eine zierliche Person mit
großer Stimme und ebenso großer Bühnenpräsenz.
Die CD endet mit einem A-capella-Song, ebenso wie Julie Fowlis’ Solodebüt. Die
Sängerin der wunderbaren gälischen Damenband Dòchas spielt ebenfalls brillant
Whistle und Pipes, wie drei schmissige Instrumentals beweisen. Instrumentell
ist eh alles in trockenen Tüchern, wie die Unterstützung von Größen wie den
Henderson-Geschwistern, Kris Drever von Fine Friday, ex-BB-Piper Iain
MacDonald oder der mittlerweile überall auftauchende ex-BB-Fiddler John
McCusker vermuten lassen. Und die Interpretationen der gälischen Lieder ihrer
Heimat North Uist brauchen sich hinter denen erfahrenerer Künstler nicht zu
verstecken.
Heather MacLeod ist anders! Sie schreibt und produziert selber, veröffentlicht
auf eigenem Label und sichert dennoch u. a. die Unterstützung von Größen wie
der Basslegende Danny Thompson (Martin Carthy zog ein paar Fäden) oder dem
zweifachen Grammy-Gewinner mit der Mundharmonika, Sugar Blue. Bislang sang sie
vornehmlich in Bands wie der von Eliza Carthy oder von Jim Condie. Erst solo
jedoch kann sie ihrer ausdrucksstarken, faszinierenden Stimme freien Lauf
lassen. Heather MacLeod hasst Schubladen und Schablonen, Begrifffe wie Blues,
Jazz, Folk, in der Reihenfolge, können nur als Orientierung für ihre ganz
spezielle Musik dienen. Ein Debüt, das auf eine Karriere der ungewöhnlichen
Art hoffen lässt.
Mike Kamp
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KARL SEGLEM
Femstein
(Long Distance/Harmonia Mundi)
11 Tracks, 54:22, mit französischen Infos
Mari Boine hat einen würdigen Nachfolger gefunden. Karl Seglem stammt
ebenfalls aus Norwegen und zaubert die gleichen entrückten Mienen der
Zuhörer wie der samische Weltstar. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr,
denn Karl Seglem hat für Femstein die Rhythmus-Sektion von Mari Boine
verpflichtet, die ihre eigenen Akzente auf der CD setzen. Femstein,
das alte norwegische Spiel, ist das Symbol für die alten nordischen Riten.
Karl Seglem spielt das Bukkehorn, jenes Ziegenhorn, welches die nordischen
Schäfer verwendeten. Nach alten Abbildungen hat er das Instrument
rekonstruiert und seinen Bedürfnissen angepasst. Begleitet wird er von Hakon
Hegemo, einem der führenden Spieler der Hardanger Fiddle. Beide ergänzen
sich zu einem archaischen Reigen, der kraftvolle Gefühle wachruft. Dass
Femstein gleichzeitig modern klingt, liegt an den Kompositionen
Seglems und an dem Einsatz des Tenorsaxofons, an dem Jan Garbarek seine
Freude haben würde. Femstein lädt zur Meditation ein, trotz der zum
Teil unerträglichen Spannung, die Seglems Kompositionen aufbauen. Karl
Seglem lässt Bilder im Kopf entstehen, die den Zuhörer fesseln und Gespräche
verstummen lassen. Die CD wurde für den norwegischen Grammy nominiert.
Chris Elstrodt
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COEN WOLTERS BAND
Broken Glass
(Crying Tone Records CT 2097)
12 Tracks, 51:22
Bluesrock einer Drei-Mann-Band aus Belgien: Coen Wolters (Gitarre/Gesang),
Michel Mulder (Bass) und Nico Groen (Drums/Percussion) kommen mit „Don’t
Wanna Miss A Thing“ ziemlich direkt zur Sache. Dann jedoch öffnet sich der
Horizont: „King’s Cafe“ bringt mit Orgelbegleitung und der Horn-Section der
„Vicious Horns“ fast schon swingendes Big-Band-Feeling, „Ain’t No Way“ ist
eine langsame, sehr atmosphärische Ballade, „Spanish Castle Magic“ ist die
(für einen Bluesrock-Gitarristen fast schon obligatorische) Huldigung an
Jimi Hendrix, hier allerdings nicht in der x-ten Version von „Voodoo
Child“, sondern mit eher ausgefallenem Songmaterial. Das eingängige
„Blues On A Rainy Day schließlich hat Ohrwurm-Qualitäten und ist damit
„radiotauglich“, und mit dem rein instrumentalen „Suite 1210“ findet die CD
einen schön entspannten Ausklang.
Achim Hennes
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EMILIANA TORRINI
Fisherman’s Woman
(Rough Trade RTRADP185 / Sanctuary)
Promo-CD, 12 Tracks, 39:29
Zwischen dem internationalem Debütalbum der Isländerin von 1999 und ihrem
Zweitling Fisherman’s Woman liegen über fünf Jahre Bedenkzeit - und
die Aufsplitterung der Protagonistin in zwei komplementäre künstlerische
Personae! Der Popcharakter von damals mit seinem wirtschaftlichen Potenzial
ging auf die Komponistin Emiliana Torrini über, die mit der Thievery
Corporation arbeitet, den „Gollum Song“ für Der Herr der Ringe - Die zwei
Türme schrieb und Kylie Minogues Nummer-Eins-Hit „Slow“. Die Interpretin
Emiliana Torrini dagegen wand sich in der Zwischenzeit von der
Mainstreamoberfläche ab - ein Verzicht, dem auf der Habenseite ein
deutlicher Resonanzgewinn gegenübersteht: je zurückhaltender die
Singer/Songwriter-Produktion, desto eindringlicher die Interpretin, je
sanfter die Instrumentierung, desto nachhaltiger das poetische Repertoire.
Die Ambitionen dieses Fisherman’s Woman zielen im Gegensatz zum
bekannten Märchen offenbar auf immer mehr Verinnerlichung statt immer
effektvollere Äußerlichkeiten - mit ebenfalls umgekehrtem Effekt: Je weniger
Brimborium und Trara, desto größer der emotionale Reichtum! Möge der Lohn an
künstlerischer Befriedigung und medialem Feedback entsprechend reichhaltig
und immer reichhaltiger ausfallen - bevor am Ende womöglich noch - BUMM! -
die Blase platzt und zur Strafe für so viel lüsternes Sehnen allen
Beteiligten das Geld aus den Ohren kommt ...
Christian Beck
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BRASS’N’WOOD
The Best Of Klezmer
(Phono PCD 13002)
10 Tracks, 31:40, mit Infos
Klezmermusik für sinfonisches Blasorchester - wahrscheinlich wirklich eine
„Weltneuheit“, wie die Eigenwerbung dieses Albums ankündigt. Über
Generationen wurden nämlich die erhaltenen Klezmerthemen bis heute meist in
kleineren Formationen von drei bis acht Musikern gespielt, wobei es sich um
improvisierte Musik handelt; je nach Region (vom Litauischen bis hinunter
zum Schwarzen Meer) kamen auch verschiedene lokale Einflüsse hinzu, sei es
im Melodienschatz oder in der Auswahl der Instrumente. Der Schweizer Jack
Säuberli hat nun erstmals zehn der seiner Meinung nach interessantesten,
meist traditionellen Klezmerthemen für den großen Klangkörper eines
Blasorchesters arrangiert. Dafür gab es bislang nur vereinzelt und weltweit
sehr wenig Literatur. Deshalb wurden die verschiedenen (auch käuflich
erwerbbaren) Partituren von ihm niedergeschrieben und gleich die Bläser der
Russischen Kammerphilharmonie Sankt Petersburg unter der Leitung des
Dirigenten Juri Gilbo verpflichtet. Hinzu kamen Hackbrett, Akkordeon, Vibro-
und Xylophone - womit den Akteuren sicher eine interessante und vor allem
neue Klangfarbe dieses populären Musikgenres geglückt ist. Selbst wenn durch
die (gewollte) Berechenbarkeit das Ganze etwas „brav“ klingen mag, die
Dynamik der Improvisation vielleicht doch ein bisschen fehlt.
Matti Goldschmidt
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SNOWY WHITE & THE WHITE FLAMES
The Way It Is
(White Flames Music WFM0104)
12 Tracks, 50:44
Snowy White - das ist einmal der Tourgitarrist von Pink Floyd, eine
Zusammenarbeit, die bis heute Bestand hat und ihn zuletzt 2002 mit Roger
Waters auf Welttournee führte. Mit seiner Band The White Flames frönt er
jedoch seiner eigentlichen Liebe, und das ist der „traditionelle“,
melodische britische Bluesrock. Folgerichtig beginnt es dann auch mit „No
Stranger To The Blues“, einem zunächst ganz entspannt auf der Akustikgitarre
gespielten Slow-Blues, dann Wechsel zur Slidegitarre mit etwas Percussion,
und mit Einsatz der E-Gitarre und dem Rest der Band kommt es zum furiosen
Finale. Snowy White war es, der 1979 seinen Freund Peter Green auf dem
legendären Album In The Skies als Gitarrist begleitete, und genau
dieser Sound, diese fast zarten, versteckten Licks und Phrasierungen,
begegnen einem hier immer wieder. „Black Magic Woman“, die Komposition von
Peter Green (... jawohl, nicht von Carlos Santana ...) erinnert in der
vorliegenden Fassung sehr an das Original von Fleetwood Mac, direkt gefolgt
von „What I’m Searching For“. Im Latino-Rhythmus, mit Bongos und Percussion
begleitet, wirkt es wie die musikalische Herausforderung an eben jenen C. S.
Weitere Höhepunkte sind das ruhige, in sich gekehrte „Falling“, und
natürlich „Angel Inside You“, ein Meisterwerk in zwei Akten, dessen Text
jedem Musiker (und Musikliebhaber) aus tiefster Seele sprechen dürfte.
Achim Hennes
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