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BLACK MUSIC

Mainz: Ventil Verlag, 2004
304 S. (Testcard: Beiträge zur Popgeschichte; 13)
ISBN 3-9315555-12-7

Ich gehöre ja zu den Zeitgenossen, die das Theoriedefizit in unserer Gesellschaft im Allgemeinen und im Musikbereich im Besonderen beklagen. Daher kommt Testcard, der halbjährlich erscheinenden „Anthologie zur Popgeschichte und -theorie in deutscher Sprache“ eine besondere Bedeutung zu. In ihrer 13. Ausgabe widmen sich die „Testcardler“ einem umstrittenen Begriff: „Black Music“. Seine Fragwürdigkeit verdeutlicht die Redaktion schon mit dem Hinweis darauf, dass es keine entsprechend analoge Bezeichnung „White Music“ gibt. In mehr als zwei Dutzend Aufsätzen wird vor diesem Hintergrund die Geschichte dieses Begriffs und seiner Bedeutung für Politik, Gesellschaft und Musik aufgearbeitet. Dabei geht es um die Jazz-Rezeption in Nazid-Deutschland ebenso wie um aktuelle HipHop-Entwicklungen in den USA - betrachtet unter dem Blickwinkel einer linken Pop- und Kulturkritik. Die richtige politische Grundeinstellung schützt jedoch nicht vor Fehlern. So wird im Artikel „Mama Africa“ unter dem Motto „Da, wo der Groove herkommt, fließt das Geld nicht hin“ beklagt, dass Afrika musikalisch bis heute ein ausgebeuteter Erdteil ist. Als Beleg wird Solomon Lindas Song „Mbube“ angeführt, den Gruppen wie The Tokens und auch Pete Seeger unter dem Titel „Wimoweh - The Lion Sleeps Tonight“ weltberühmt machten. Unter Verweis auf einen Artikel im Rolling Stone wird indirekt auch Pete Seeger unterstellt, mit „dubiosen Vertragspraktiken“ dafür gesorgt zu haben, dass Linda dafür „kaum einen Cent gesehen hat“. Zur Ehrenrettung von Seeger sei an dieser Stelle gesagt, dass er sehr wohl Tantiemen gezahlt hat.

Grundsätzlich sei noch kritisch angemerkt, dass der Sprachstil von Testcard über weite Strecken hin nicht dazu geeignet sein dürfte, das Interesse einer breiteren Leserschaft zu wecken. So zieht sich beispielsweise auf Seite 6 des Editorials ein einziger Satz über 30 Zeilen hin - das entspricht einem Drittel der Seite. Bei aller Liebe zur Theoriedebatte - da verliere ich die Lust am Lesen.

Michael Kleff

 

BLACK MUSIC


TORSTEN EßER/PATRICK FRÖLICHER [HRSG.]
„Alles in meinem Dasein ist Musik ...“: Kubanische Musik von Rumba bis Techno

Frankfurt: Vervuert Verlagsgesellschaft, 2004
638 S. (mit s/w-Fotos). [Bibliotheca Ibero-Americana; 100]
ISBN 3-86527-164-2

Ein großartiges Werk, das jeder verschlingen wird, der sich für kubanische Musik interessiert, und das sich äußerst spannend liest. Fangen wir mit dem Fehler an: Nick Gold und Ry Cooder seien es gewesen, die den Buena Vista Social Club entdeckt hätten. Falsch. Cooder kam hinzu, als die meiste Arbeit erledigt war, Vorschlag und Umsetzung lagen bei Juan de Marcos Gonzalez. Und der Kuba-Boom, schreiben Eßer und Frölicher im Vorwort weiter, sei „allen Unkenrufen der Weltmusikexperten zum Trotz immer noch nicht vorbei“. Abgesagte Konzerte und ein heute immenser Werbeetat sprechen eine andere Sprache, und Eßer selbst ist es, dem später die Formulierung „... als zu Zeiten des BVSC-Booms“ herausrutscht.

Da ist der Leser aber längst in einer fesselnden Lektüre gefangen, die die kubanische Musik im sozialen, ökonomischen, politisch-ideologischen Zusammenhang darstellt, die akribisch beschreibt, wie es vor und nach der Revolution um sie bestellt war und ist. Die Programme Castros werden erläutert, Zensur ist ein Thema, Exil-Kubaner auch. Vor allem aber: Es sind meist kubanische Autoren. Und nichts ist prickelnder, als die politischen Meinungen zwischen den Zeilen zu lesen, vom musikalischen Nationalismus bis zur unverhohlenen Kritik an Fidels Kulturpolitik. Die Entwicklung der kubanischen Musikwissenschaft ist ebenso Thema wie Religion und Musik oder der Karneval. Stilrichtungen wie Rumba, Son, Guaracha, Bolero, Timba und andere werden beleuchtet, Lieder der Revolution ebenso wie Rap und HipHop, House und Techno oder kubanische Kunstmusik. Interviews gibt es u. a. mit Tata Güines, Celina Gonzalez, Adalberto Alvarez, Issac Delagado, Orishas und Edesio. Auch afrokubanischer Jazz, Rockmusik und die amerikanische Blockade kommen zur Sprache.

Die Fußnoten untermalen den wissenschaftlichen Charakter der Zusammenstellung, doch keine Spur von trockenem Stoff. Sehr lesenswert auch die Beiträge zu den musikalischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba sowie über die Anfänge kubanischer Musik in Deutschland (mit Götz Alsmann im Interview) und im sozialistischen Bruderlager DDR (sehr eitel: Guido Bimberg). Außerdem erfahren wir, wie kubanische Musik in Finnland, Japan und Niederlande rezipiert wird, und etliche Songtexte sind ins Deutsche übersetzt.

Am Ende gibt es eine hochinteressante Diskussion über den BVSC, eine, die zeigt, dass auch in Kuba die Hintergründe keineswegs ausreichend bekannt sind. Ein Glossar, ein zusätzliches Literaturverzeichnis und eine Discographie runden die Sache ab. Man kann nur sagen: Hut ab vor diesem Werk. Es gehört zum Besten, was je über kubanische Musik veröffentlicht wurde.

Luigi Lauer

 

TORSTEN EßER/PATRICK FRÖLICHER [HRSG.] - „Alles in meinem Dasein ist Musik ...“: Kubanische Musik von Rumba bis Techno


RAINER POLAK
Festmusik als Arbeit, Trommeln als Beruf: Jenbe-Spieler in einer westafrikanischen Großstadt.
Mit 19 Musikbsp. auf 1 CD.

O. O.: Reimer Verlag, 2004
364 S. (mit s/w-Fotos u. Abb. + CD). Zugl.: Universität Bayreuth, Diss., 2002.
ISBN 3-496-02771-1

Kann man eine 370 Seiten starke Dissertation zum Thema Djembemusik wie einen Krimi verschlingen? Ja! Und hoffentlich werden sich bald noch viele weitere Djembespieler und -lehrer anschließen, die die „Zielgruppe“ dieser in 13-jähriger Forschung entstandenen Publikation sind. Was das Buch reizvoll und wertvoll macht, ist die präzise Beschreibung der Arbeits- und Lebenssituationen der Djembe spielenden Berufsmusiker in Malis Hauptstadt Bamako - und es ist das erste seiner Art. Der Autor nimmt uns mit in die heißen und staubigen Straßen, in Gehöfte und Plätze, auf denen diese Festmusik, meist Hochzeitsmusik, praktiziert wird. Die Frauen als Auftraggeberinnen wollen vor allem eines: beim Tanz „ordentlich“ begleitet und angeheizt werden.

Rainer Polak war als Mitglied des Ensembles von Jaraba Jakite in die berufliche Praxis integriert, was in der Ethnologie als Methode der „dichten Teilnahme“ bezeichnet wird. Für Lernende und Lehrende ergibt das jede Menge Stoff: Das „Wie und Was“ der Rhythmen, die sozialen Funktionen der Musik, die solistische Aktion in Bezug zur Ensemblegröße, der Wandel von Musik und Spieltechnik im Kontext der Urbanisierung, oder der Einfluss von Herkunft, Ausbildung und musikalischer Praxis auf den Spieler. Vor allem aber berührt uns die Beschreibung der Arbeitsbedingungen der Musiker, die hart um ihre Identität und Existenz kämpfen müssen.

Insgesamt schärft das Buch den Blick für die Vielschichtigkeit des Themas Djembemusik und die Notwendigkeit der differenzierten Betrachtung dessen, was innerhalb und außerhalb Afrikas damit passiert. Und dass Stilwandel, Kommerzialisierung und Globalisierung auf die Musik ein- und rückwirken.

Die Notenbeispiele verdeutlichen jeweils Gebrauch, Formen und Funktionen der Musik. Die Musikbeispiele auf der CD sind überwiegend Feldaufnahmen und in der vergleichenden Gegenüberstellung von Spielstilen der 30er bis 90er Jahre einzigartig. Der Autor ist für die Arbeit bereits mehrfach ausgezeichnet worden, und das zu Recht: Denn die internationale Djembeszene braucht dieses kompetent aufbereitete Wissen für die Spielpraxis, und das rund um den Globus. Für Schüler wie Lehrer also eine äußerst spannende, zum Nachdenken anregende Pflichtlektüre.

Uschi Billmeier

Bezug: Dietrich Reimer Verlag GmbH, Neue Grünstraße 17, 10179 Berlin, go! www.dietrichreimerverlag.de

 

RAINER POLAK - Festmusik als Arbeit, Trommeln als Beruf


MÁIRE NIC DÓMHNAILL GAIRBHÍ
Cómhrá na dTonn - The Conversation of the Waves.

Dublin: Eigenverlag, 2004
128 S. (mit Noten, s/w-Bildern u. Abb. + CD)
ISBN 0-9545324-0-6

Der Rückentext erweckt bange Ahnungen - die Autorin wird als „ernsthafte Forscherin“ bezeichnet (im Vergleich zu wem eigentlich?) und ihr Buch ist denen gewidmet, die „das irische Erbe seit den Zeiten der Kelten“ erhalten haben (als ob die nicht-keltischen Bevölkerungen Irlands nicht auch ihre Spuren hinterlassen hätten, als ob man beides trennen könnte). Die bangen Ahnungen bestätigen sich nicht, das Buch ist eine Fundgrube für die Geschichte der irischen Musik und des irischen Revivals. Behandelte Themen sind u. a.: die Bedeutung der in den USA hergestellten 78er Schallplatten in den 30er Jahren für Irland (als im Rundfunk so gut wie nie traditionelle Musik gespielt wurde und die berüchtigte Dancehall Act den Ausübenden die Auftrittsorte nahm); die Hungersnot von 1820, die im kollektiven Gedächtnis hinter der großen der 40er Jahre zurücktritt, aber ungleich mehr an Liedern hinterlassen hat; die Wechselwirkung zwischen schottischer und irischer Tradition aufgrund von Arbeitsmigration, Siedlungspolitik und die Fahrten der blinden Harfner; die Bedeutung der irischen Sprache für die Überlieferung - eine heute fast verschollene Gesangsart, das crónán, eine Art improvisiertes Wiegenlied, starb aus, als die Mütter aufs Englische umstiegen und in der ungewohnten Sprache eben nicht mehr improvisieren konnten. Ganz wichtig im Buch ist die Arbeit der Liedersammlerin und Sängerin Eibhlín Mhic Coisdealbha, die in den 30er Jahren als Parlamentsmitglied energisch gegen Frauen diskriminierende Gesetzesvorhaben der irischen Regierung kämpfte, sich aber gegen die männliche Mehrheit nicht durchsetzen konnte. Ihren Bemühungen um den Erhalt der irischen Musik war ungleich mehr Erfolg beschieden, immerhin, und so ist das Buch auch ein Denkmal für sie. Leider scheint niemand das Buch gegengelesen zu haben, es wimmelt von Druckfehlern, Binsenweisheiten („jede Gegend in Irland hat ihre Geschichte, die für die Leute dort wichtig ist“) und Wiederholungen; manchmal sind irische Textstellen übersetzt, manchmal nicht. Fotos und Notenbeispiele dagegen sind nun wieder ein riesiger Pluspunkt, und die zum Buch mitgelieferte CD, eingespielt von Máire Nic Dómhnaill Gairbhís Gruppe Cómhrá na dTonn (bestimmt eine der besten irischen Produktionen der letzten Jahre) macht uns klar, wie sich die im Buch vorgestellten Lieder und Musikstücke anhören bzw. angehört haben.

Gabriele Haefs

Bezug: www.comhranadtonn.com

 

MÁIRE NIC DÓMHNAILL GAIRBHÍ - Cómhrá na dTonn - The Conversation of the Waves


ADAM GREEN
Magazine. Aus d. Amerikan. von Thomas Meinecke. Mit vier Collagen von Adam Green. Originalausg.

Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2005
122 S. (mit Abb.). [edition suhrkamp; 2405]
ISBN 3-518-12405-6

Derzeit beschäftigt ein junger Musiker aus New York die Medien, der von vielen als neuer Jim Morrison gehandelt wird und dessen Schuhe einige für groß genug halten, um in die Fußstapfen eines Bob Dylan zu passen. Ob dem wirklich so ist oder ob sich hier nur eine PR-Maschine, bewusst oder unbewusst, verselbständigt hat, bleibt abzuwarten. Dieser junge Musiker namens Adam Green hat es nicht nur vermocht, die Musikwelt aufhorchen zu lassen, sondern er hat sich auch an die große Dichtkunst herangewagt. Vor kurzem ist ein zweisprachiges (engl./dt.) Büchlein mit dem Titel magazine beim - man höre und staune - Suhrkamp Verlag erschienen. Es besteht aus einem so genannten Langgedicht und einer Aneinanderreihung von Gedankengängen. Und das hört sich dann beispielsweise so an: „1. Ich habe vorhin gerade einen Schnapsladen ausgeraubt. 2. Tiere sprießen wie Speichen aus seiner Krone. 3. Verschütte die Bohnen, bis sie brechen. 4. Masturbation - mein eigener Bürgerkrieg (während du auf Zehenspitzen meinen Indianer umrundest).“ Das waren vier aufeinander folgende Zeilen, die nicht aus dem Zusammenhang gerissen wurden, denn ein Zusammenhang ist durchweg überhaupt nicht zu erkennen. Man hat den Eindruck, dass hier ein Mensch auf der Suche nach sich selbst, dem Sinn des Lebens oder was auch immer, seinen Gedanken freien Lauf gelassen hat. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber natürlich stellt sich die Frage, ob man diese geistigen Ergüsse gleich zwischen zwei Buchdeckel pressen muss. Wäre das Buch im Eigenverlag erschienen, dann würde man wohl nicht weiter darüber nachdenken. Aber die Tatsache, dass sich der Suhrkamp Verlag dem Schriftsteller Green angenommen hat, irritiert dann doch. Hat bei der Beurteilung der Zeilen vielleicht der Umstand eine Rolle gespielt, dass Greens Urgroßmutter mit Franz Kafka liiert war? Schwer zu sagen. Vielleicht ist das Ganze ja wirklich große Literatur, für die der Durchschnittsintellektuelle einfach nur zu blöd ist? Für 7,50 Euro kann jeder das Werk käuflich erwerben und sich seinen eigenen Reim auf diese Dichtkunst machen.

Markus Dehm

 

ADAM GREEN - Magazine


DAS GIG-BAG BUCH DER MANDOLIN-AKKORDE
Über 1.100 Akkorde, dargestellt in leicht verständlichen Griffbildern

O. O.: Bosworth, 2004
147 S. (nur Griffbilder). [BOE; 7203]
ISBN 3-86543-025-2, ISMN M-2016-5094-4

Es ist lang, es ist schmal, und es passt in jeden Mandolinenkoffer, das Gig-Bag Buch der Mandolinenakkorde. Die gute Nachricht zuerst: Wann immer man auf der Suche ist nach einem unbekannten Mandolinenakkord, so ist dieses Heft eine unschätzbare Hilfe. Doch Vorsicht, hier und da haben sich kleine Fehler eingeschlichen. Gleich auf Seite 4 findet man z. B. einen C-Dur-Akkord, bei dem der vierte Finger um einen Bund zu weit nach oben gerutscht ist. Doch davon einmal abgesehen bietet das Buch alle gängigen Akkorde an. Diese bewegen sich von einfachen Dur- und Moll-Harmonien bis hin zu komplexen Jazzakkorden. Alle Harmonien sind in verschiedenen Umkehrungen dargestellt, bei denen immer ein anderer Teilton des jeweiligen Akkordes auf der tiefsten Saite liegt. Es bietet sich dadurch die Möglichkeit, wie auf der Gitarre eine Art von Basslinie zu simulieren (erfordert aber ein wenig Routine). Doch wenn man das Buch erst mal durchgearbeitet hat, kann einen in Sachen Akkordbegleitung so schnell nichts mehr schrecken.

Wolfgang Meyering

Bezug: go! www.bosworth.de

 

DAS GIG-BAG BUCH DER MANDOLIN-AKKORDE - Über 1.100 Akkorde, dargestellt in leicht verständlichen Griffbildern


MORITZ WULF LANGE
Handbuch für Bodhránspieler. Mit Audio-CD

Hamburg: Schell Music, 2004
39 S. (mit s/w-Abb. + CD.) (SM; 6000)
ISMN M-700114-28-2

Vor ca. zwei Jahren kam ich in die Verlegenheit, etwas über die irische Rahmentrommel erzählen zu müssen und merkte sehr schnell, dass es zu der Zeit nicht leicht war deutschsprachige Literatur darüber zu finden. Mit dem vorliegenden Bodhrán-Handbuch ist man jetzt für solche Situationen gut gewappnet, denn man erfährt auf gut verständliche Weise viel Wissenswertes über die Geschichte, Bauweisen, Zubehör und Spieltechniken (inkl. CD mit Klangbeispielen) des Instruments. Auswahldiscographien namhafter Bodhránspieler, Literaturhinweise u. a. zu Lehrbüchern, sowie Knigge-Tipps zum Verhalten in Sessions runden das Werk ab. Alles in allem ist es ein umfangreiches Nachschlagewerk für alte Hasen auf diesem Instrument und solche die sich ihm von der theoretischen Seite her nähern möchten. Gewünscht hätte ich mir allerdings ein ansprechenderes Layout, vor allem eine größere Schrift, damit es noch mehr Spaß macht, in diesem Handbuch zu stöbern.

Christa Klose

Bezug: go! www.schell-music.de

 

MORITZ WULF LANGE - Handbuch für Bodhránspieler

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