back Rezensionen Nordamerika


DIVERSE
Stranded

(Trikont US-0326)
26 Tracks; 74:47; mit Infos

Auf der Suche nach Schellackplatten stieß Folker!-Autor Christoph Wagner im Jahr 2002 in Illinois auf eine „Goldmine“ mit schätzungsweise 100.000 alten Scheiben. Sie enthielten sizilianische Volksmusik mit Klarinette und Mandoline, irische Jigs mit Banjo und Akkordeon, deutsche Weihnachtslieder und böhmische Blasmusik, karibischen Calypso, jüdische Kantorgesänge sowie skandinavische, chinesische, polnische, griechische sowie arabische Musik. Gleich daneben stieß Wagner auf Kisten mit Platten früher Dancebands, Jazz, Hillbilly, Bluegrass, Cajun, Gospel und Blues. Vor ihm eröffnete sich der ganze „ethnische Untergrund der USA“. Beispielhaft sind auf „Stranded“ 26 Lieder von Auswanderern aus allen Ecken der Welt vertreten, die ihre Musik mit über den großen Teich genommen haben. Und, so Wagners These, den Ausgangspunkt für die US-Popmusik bildeten. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1922 bis 1959. Der Sampler ist gleich mit zwei Booklets versehen. In einem geht es ganz allgemein um die Ein- bzw. Auswanderungsgeschichte sowie um die Entwicklung der ethnischen Schallplattenindustrie in den USA. Im zweiten Beiheft werden die Hintergründe der einzelnen Lieder und ihrer Interpreten erläutert. Wieder einmal haben Christoph Wagner und Trikont ein Juwel vorgelegt.

Michael Kleff

 

DIVERSE - Stranded


CARL WEATHERSBY
In The House

(CrossCutRecords ccd11081)
12 Tracks; 54:15; mit Infos

Vom „kleinen feinen“ zum „bedeutenden feinen“ Festival hat sich das jährlich stattfindende „Lucerne Blues Festival“ in den letzten Jahren gemausert. Volume 5 der von „CrossCutRecords“ mitgeschnittenen Reihe zeigt Carl Weathersby, einen Sänger und Gitarristen der „traditionellen Chicagoer Schule“, der gemeinsam mit Paul Hendricks (Gitarre), Calvin „Skip“ Gaskin (Bass) und Leon Smith (Drums) ein mitreißendes Konzert bietet. Neben Blues, Shuffles und Stomps gibt es als Bonbon noch ein (..und leider nur ein...) Stück mit dem Soulsänger Otis Clay und dem Harp-Spieler Billy Branch. Viele der Stücke haben auch in der Länge „Live-Format“ und bieten mit über acht Minuten Spielzeit genug Raum für Soli und immer wiederkehrende feurige „Duelle“ der beiden Gitarristen. Etwas verhaltener und „näher an den Wurzeln“, aber mit mindestens genauso viel Spielfreude geht das Down Home Super Trio in Volume 6 an den Start. Der besondere Reiz geht hier von der Instrumentierung aus: R.J. Mischo an der Harp, Frank Goldwasser spielt Gitarre und Richard Innes trommelt. Die Gesangparts teilen sich R.J. Mischo und Frank Goldwasser. Bei zwei Stücken werden sie von Alex Schulz und bei einem von Billy Flynn an der Gitarre unterstützt. Besonders angetan haben es mir die Stücke „Grand Casino“, ohne Gesang zwar, aber mit zwei fantastischen Gitarren und einer tollen Harp, und „Homesick Blues“, nur mit Gitarre (Goldwasser) und Drums. Ohne Einschränkung und wärmstens zu empfehlen.

Achim Hennes

 

CARL WEATHERSBY - In The House


CHULRUA
Down the Back Lane

(Shanachie Records 22001/Just Records Babelsberg)
13 Tracks; 55:21, mit Infos

Chulrua, das sind Tim Britton - Uilleann Pipes, Paddy O'Brien - Button Accordeon und Pat Egan - Guitar, Vocals. Nach einem mit dem Naturhall einer Kirche aufgenommenen Erstling ist dies die zweite CD der in den USA ansässigen Band. Auch wenn ich betonen muss, dass die beiden erstgenannten Musiker für mich als Einzelpersönlichkeit künstlerisch eine Menge zu sagen haben, hinterlässt die hier vorliegende Aufnahme sehr gemischte Gefühle. Tim Brittons Uilleann Pipes Sound ist sehr nasal und durchaus gewöhungsbedürftig. Die Kombination Uilleann Pipes/Accordeon ist ohnehin für mich mit das kritischste, was im Bereich der traditionellen irischen Musik möglich ist. Leider schaffen es auch Tim und Paddy nicht, einen wirklich homogenen Klangfluss und Groove zu erzeugen, im Gegenteil, Tim Britton frönt ohnehin einer stark stakkatierten Spieltechnik und wird hierin von Paddy O'Brien fast noch überboten. So resultiert für den Hörer ein sprödes, nur wenig mitreißendes Klangbild. Neben den dominierenden Instrumentals wirken die wenigen Lieder recht hausbacken und treffen stimmlich/interpretatorisch meinen Geschmack zumindest überhaupt nicht. Vom Repertoire her betrachtet bietet die Aufnahme dem Kenner und Sammler trotzdem einige interessante Raritäten und ist für diese Zielgruppe sicher wertvoll. Für Irish Folk Freunde ohne tiefergehende Fachkenntnisse empfehle ich eine Hörprobe vor dem Kauf!

Johannes Schiefner

 

CHULRUA - Down the Back Lane


DIVERSE
Dirty Laundry

(Trikont US-0333)
24 Tracks; 73:28; mit Infos

Von einer schwierigen und oft verleugneten Liebe handeln die von dem Münchner Journalisten Jonathan Fischer auf „Dirty Laundry“ zusammengestellten Stücke. Die auf den ersten Blick so ungewöhnliche Verbindung von schwarzem Soul und weißem Country hat eine lange Tradition. Country-Urvater A.P. Carter hatte viele Songs im Repertoire der Carter Family von dem Bluessänger Lesley Riddle übernommen. Und auch Bluegrass-Erfinder Bill Monroe hatte sein Handwerk u.a. von schwarzen Musikern gelernt. Fischer zitiert den Folkloristen Norm Cohen, nach dem erst die afrikanische Beimischung Country im Unterschied zu anderer ländlicher Musik aus den USA seinen weltweiten Appeal verschafft habe. Soul-Größen wie James Brown oder Curtis Mayfield, von dem der Titelsong des Samplers stammt, haben sich den Cowboyhut ebenso aufgesetzt wie weitere prominente Namen, die hier die Seele der schwarzen Countrymusik präsentieren - „The Soul Of Black Country“, so der Untertitel der CD. Darunter Bobby Womack, Etta James, Johnny Adams, Solomon Burke und die Pointers Sisters, die 1974 sogar einen Country Grammy gewannen und nach Nashville eingeladen wurden. Dirty Laundry bietet jedoch nicht nur akustisches Anschauungsmaterial zum Thema weiße und schwarze Musik. Das umfangreiche Booklet untersucht auch seine gesellschaftlichen und politischen Aspekte. „Mehr gut klingende Schmutzwäsche, bitte!“ kann ich da nur mit dem Kritiker der Frankfurter Rundschau sagen.

Michael Kleff

 

DIVERSE - Dirty Laundry


PAUL RISHELL & ANNIE RAINES
Goin’ Home

Artemis Records/Rykodisc/Rough Trade RCD17306
13 Tracks, 51:26, mit engl. Infos

Der Sänger und Gitarrist Paul Rishell ist mit seiner Frau Annie Raines sowohl im akustischen wie auch im elektrischen Blues zu Hause. Zusammen sind sie seit vielen Jahren ein außergewöhnliches Paar zwischen Country-, Pre-War- und Rock-Blues. Ein Schubladendenken ist bei diesen Musikern ausgeschlossen. Sie verstehen es, in beiden Genres zu überzeugen. Annie Raines spielt gefühlvoll verschiedene Mundharmonikas und steht auch als Sängerin nicht im Schatten ihres Mannes. Paul Rishell beweist mit 54 Jahren und kontinuierlicher Arbeit in Sachen Blues auch die nötige Reife für alle Blue Notes. Begleitet werden sie bei einigen Titeln von sieben verschiedenen Musikern und zwei Background-Sängern für den Gospelpart. Eine davon ist die Tochter Vanessa. Neben neu arrangierten akustischen Charley-Patton-Nummern mit Resonator-Gitarre sind auch Songs mit elektrischer Gitarre und fettem Band-Sound zu hören. Stilistisch ist die CD, die eine Live-Aufnahme und zwei Eigenkompositionen umfasst, zwischen Blind Boy Fuller und Ma Rainey angesiedelt. Unterschiedliche Blasinstrumente bringen Schwung und Lebendigkeit in die gelungene Produktion des Duos mit überdurchschnittlichem Talent und Engagement.

Annie Sauerwein

 

PAUL RISHELL & ANNIE RAINES - Goin’ Home


THE KLEZMATICS with Joshua Nelson & Kathryn Farmer
Brother Moses Smote the Water (live in Berlin)

(Piranha CD-PIR 1896/Indigo)
10 Tracks, 57:33, mit Infos

Seit fast zwanzig Jahren sind die Klezmatics einer der weltweit führenden Gruppen ihres Genres und in hohem Maße mitverantwortlich für das immer noch anhaltende Klezmerrevival. So spielen sie nicht nur mit Größen anderer Musiksparten wie Arlo Guthrie (vgl. die Rubrik „Szene“ dieses Heftes), sondern etwa auch als Hochzeitskapelle in einer Folge von „Sex and the City“. Für ihr erstes, am 31. Juli 2004 in Berlin aufgenommene Live-Album hat sich die Gruppe nun mit folgenden zwei beachtenswerten Musikern zusammengetan: Mit dem farbigen, zum Judentum konvertierten, hebräisch und englisch singenden Gospelsänger Joshua Nelson sowie mit Kathryn Farmer (beide Gesang, Piano). Es sollte ein Dialog der Kulturen und verschiedener Musikrichtungen entstehen, indem Elemente aus dem jüdischen wie dem afroamerikanischen Erbe gemeinsam „erarbeitet“ werden. So wechseln sich ganz konsequent eher traditionell jüdische Lieder (etwa „Eyliyohu Hanovi“) mit kräftigen Gospelweisen (wie z.B. „Elijah Rock“) ab. Nicht fehlen durfte außerdem das populärste Stück der Klezmatics, nämlich „Shnirele Perele“, neuerdings mit leicht geändertem Text gegenüber der Urfassung von 1990 (u.a. sollen nun „alle Völker“ friedlich in Israel zusammenleben). Vermisst werden die Texte zu den Liedern, wenngleich das Beiheft ansonsten jedes einzelne Lied umfassend mit anderweitigen Infos belegt.

Matti Goldschmidt

 

THE KLEZMATICS with Joshua Nelson & Kathryn Farmer - Brother Moses Smote the Water (live in Berlin)


JIM CROCE
The Way We Used To Be/The Anthology

(Sanctuary Records SMETD117)
Dreifach-CD, 65 Tracks, 195:00, mit Infos

Als Jim Croce am 20. September 1973 bei einem Flugzeugabsturz im Alter von 30 Jahren ums Leben kam, hatte er mit „Bad, Bad Leroy Brown“ gerade seinen ersten Nummer-1-Hit gehabt. Zwar hatte sich der in Philadelphia geborene Italo-Amerikaner mit der an Gordon Lightfoot erinnernden Stimme in den zwei Jahren vor seinem Tod bereits einen Namen in der Szene gemacht. Doch der Ruhm kam erst posthum. Als Jugendlicher hatte Croce 50er-Jahre-Hits sowie Stücke von Bessie Smith, Jimmy Rodgers oder Cisco Houston vorgetragen. Mit dem College-Folk-Quartett The Spires nahm er 1963 seine erste Platte auf. Versuche, Mitte der sechziger Jahre mit seiner schwedischen Frau Ingrid Jacobsen in der Folk-Metropole New York als Duo Fuß zu fassen, scheiterten. Der Erfolg stellte sich erst ein, als er einen eigenen Stil fand, der sich von seinen Vorbildern Lightfoot, Tom Rush oder Ian & Sylvia unterschied. 1971 entstand mit dem Gitarristen Maury Muehleisen die LP „You Don´t Mess Around With Jim“. Zwei Jahre später erschien das Nachfolgealbum „Life & Times“. Beide zeugen von Croces Öffnung für neue Stilrichtungen und seiner Fähigkeit, humorvolle wie trockene Geschichten und Charakterstudien zu präsentieren. Die Anthologie enthält die beiden LPs ebenso wie das posthum erschienene Album „I Got A Name“ mit dem gleichnamigen Single-Hit sowie Live-Aufnahmen („Live - The Final Tour“) und die 1975 veröffentlichte Doppel-LP „The Faces I´ve Been“ mit unveröffentlichten Songs und Demos für Fernsehprojekte.

Michael Kleff

 

JIM CROCE - The Way We Used To Be/The Anthology


DAVE VAN RONK
... And The Tin Pan Bended, And The Story Ended ...

(Smithsonian/Folkways/Sunny Moon SFW CD 40156)
24 Tracks, 78:59, mit Infos

Man hat ihn einen Folkmusiker genannt, dabei wollte er immer ein Jazzsänger sein: Dave Van Ronk. Vor fast genau zwei Jahren starb Van Ronk an Krebs. Die vorliegende CD dokumentiert sein letztes Konzert im Oktober 2001. Dem Gitarristen und Sänger ist nicht anzuhören, dass er wenige Tage vorher eine tödliche Diagnose bekommen hatte. Dave Van Ronk steckte seine ganze Kraft in seinen Auftritt, wie der Konzertmitschnitt mit Blues-, Jazz- und Folkstücken u.a. von Jelly Roll Morton, Mississippi John Hurt, Bob Dylan und Joni Mitchell eindrucksvoll belegt. Erfreulicherweise wurden auch Van Ronks Ansagen zwischen den Songs nicht herausgeschnitten. Es war eine Show wie jede andere, schreibt Van Ronks langjährige Lebenspartnerin Andrea Vuocolo im CD-Booklet: „And, as usual, only one encore. Because, as Dave used to say, you should always leave them wanting more.“ Zu einem weiteren Konzert ist es nicht mehr gekommen. Tom Paxton beschreibt im Booklet ausführlich Leben und Karriere von Dave Van Ronk, der eine Art Vaterrolle für die vor 40 Jahren in die Stadt strömenden jungen Singer/Songwriter spielte und dafür den Ehrennamen „Bürgermeister der MacDougal Street“ bekam. Im vergangenen Sommer wurde die Straße, in der er gewohnt hatte, in „Dave Van Ronk Street“ umbenannt. Die einzelnen Songs werden von dem Journalisten Elijah Wald in ihrer Geschichte und Bedeutung für den Musiker kommentiert. Für Van Ronk-Freunde ein Muss, für alle, die ihn nicht kennen, ein hervorragender Einstieg.

Michael Kleff

 

DAVE VAN RONK - ... And The Tin Pan Bended, And The Story Ended ...


ERIC ANDERSEN
The Street Was Always There/Great American Song Series Vol. 1

(Appleseed RecordingsAPR CD 1082)
14 Tracks, 63:29, mit Infos

„There was rebel music in the air.“ Mit dieser Zeile führt der Journalist Glenn O´Brien in das Booklet der CD ein. Im Dezember 2003 aufgenommen, enthält „The Street Was Always There“ eine von Robert Aaron produzierte Sammlung von Songs, die Anfang der 60er Jahre in New Yorks Künstlerviertel geschrieben wurden. Von Fred Neil, Tim Hardin, David Blue, Phil Ochs, Peter La Farge, Paul Siebel, Patrick Sky, Buffy Sainte-Marie und Bob Dylan. Eric Andersen selbst hat zwei Songs beigesteuert, darunter den Titelsong. Darin macht er, selbst ein Village-Veteran, deutlich, dass die Straße den Menschen gehört, die dort für ihre Rechte kämpfen. Mit Gastmusikern wie John Sebastian, Patrick Sky, Happy Traum und dem HipHop-Star Wyclef Jean spielt Eric Andersen die alten Songs nicht einfach nach, sondern verleiht ihnen ein eigenes musikalisches Gewand. „The Street Was Always There“ ist nicht nur ein musikalisches Dokument, das an die Jahre erinnert, in denen in Straßen wie MacDougal und Bleecker eine neue amerikanische Musik geboren wurde: die Singer/Songwriterszene. Die Texte der Songs belegen auch ihre zeitlose Bedeutung im politischen Kampf für die Bürgerrechte, gegen Rassismus und gegen den Krieg. Daran erinnern auch Andersen selbst und Produzent Aaron in ihren informativen Bookletbeiträgen.

Michael Kleff

 

ERIC ANDERSEN - The Street Was Always There/Great American Song Series Vol. 1

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