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McCALMAN SINGULAR
Songs by Ian, sung by friends

(Greentrax Recordings CDTRAX269/FMS)
15 Tracks, 59:55, mit engl. Texten und Infos

Er ist das einzige übrig gebliebene Gründungsmitglied der Gruppe, die seinen Namen trägt. Egal, ob auf der Bühne oder privat, immer zeigt Ian McCalman vor allem Humor und Selbstironie. So auch in dem einen oder anderen Lied, das er in den letzten 40 Jahren geschrieben hat. Dennoch kommt Ian nicht unbedingt als Songschreiber rüber und so war wahrscheinlich seine Überraschung echt, als Labelchef und Vornamensvetter Green ihm eröffnete, dass über 50 seiner Songs auf Tonträgern im Umlauf seien und wenn er schon kein Soloalbum machen wollte, wie es dann mit Interpretationen anderer Künstler wäre. Nach einiger für ihn typischen Gegenwehr willigte Ian M. ein und das war eine weise Entscheidung. Sonst wäre ein wunderbares Album nie entstanden. Nicht irgendwelche Künstler, sondern Ians Freunde wie Allan Taylor, Dick Gaughan, Jim Malcolm oder Aly Bain & Phil Cunningham interpretieren seine Stücke. Alles integre Künstler, die sich auch für einen Freund nicht mit niveaulosen Songs abgeben würden. Und so hören wir neben der bekannten Mischung aus Humor und Selbstironie auch deutliche politische und sehr private Töne. Wenn z.B. Ian selbst über seinen 2001 verstorbenen Bandkollegen und Freund Derek Moffat singt ("Strange Dawn"), dann ist das sehr emotional und offenbart eine öffentlich unbekannte, aber sehr sympathische Seite des Ian McCalman. Fans der "Macs" werden viele Lieder wiedererkennen oder wegen der Fremdinterpretationen neu entdecken.

Mike Kamp

 

McCALMAN SINGULAR - Songs by Ian, sung by friends


CLAUDIA BOMBARDELLA ENSEMBLE
Paesaggi Lontani

(Radici Music RMR 109)
16 Tracks, 76:27, mit Texten und Infos

Claudia Bombardella ist im positiven Sinne ein musikalisches Chamäleon. Sie wechselt die Klangfarben mit viel Gespür und einer gewaltigen Energie. Einmal schwelgt sie verträumt in französischer Sprache auf den Spuren ihrer Vergangenheit (sie verbrachte ihre ersten Jahre in Luxemburg); dann singt sie akzentfrei Deutsch, Ungarisch, Romanes, in sefardischem Spanisch und natürlich Italienisch. Zuweilen steigert sich ihr Gesang zu einem ekstatischen Stakkato in unglaublicher Geschwindigkeit. Doch Claudia Bombardella kann noch mehr als das. Sie spielt Akkordeon, Baritonsaxophon und Klarinette. Die Geige, ihr angestammtes Instrument, überlässt sie ihren Mitmusikern, die sie zusätzlich auf Cello, Gitarre, Mandoline und Kontrabass unterstützen. Das Ergebnis ist eine Musik mit Einflüssen der italienischen Volksmusik, Klezmer, Balkanfolk und Kammermusik, Jazz und Arnold Schönberg. Zentrales Stück der Klangreise ist die fünfteilige Suite „Paesaggi Lontani“, die eindrücklich die geballte Ladung Energie einer Performance des Ensembles hörbar macht. „Live“ steht auf dem Klappdeckel des Albums geschrieben. Publikum ist allerdings keines zu hören. Dass die CD live eingespielt wurde, ist selbstverständlich. Anders kann solche Musik nicht glaubwürdig vermittelt werden. Mit „Paessaggi Lontani“ ist Claudia Bombardella eine spannende, nicht immer einfache und manchmal betörend schöne Reise in eine musikalische Welt am Rande des Folker!-Universums gelungen.

Martin Steiner

 

BEEFOLK
Place dramatique

(material records mre 009-2
10 Tracks, 67:32

Auch wenn es mir schwer fällt, ich muss zugeben, dass die Österreicher uns in Sachen Bal-Folk abgehängt haben. Nach den letzten hochkarätigen Veröffentlichungen gibt uns Beefolk nun den Todesstoß. Auf zehn Eigenkompositionen beweist uns diese junge Band aus Graz, wie zeitgemäss, atemberaubend und wild tanzbare Folklore klingen kann. Mit dem Isländer Helgi Hrafn Jonsson hat Beefolk einen Posaunisten von Weltklasse an Bord, der sich perfekt in das Saxophonspiel des Bandleaders Georg Gratzer einfügt. Der zweite Mann am Hammer, pardon, an der Violine, Klemens Bittmann komplettiert mit Akkorderonist Christian Bakanic das Quartett der Melodie-Instrumente. Kontrabass und Drums spielen wie aus einem Guss. Man merkt der Rhythmussektion ihre Herkunft aus der Jazz- und Rockkultur an. Vermutlich ist die vielfältige musikalische Vergangenheit der Musiker eines der Erfolgsgeheimnisse der Band, die von der Presse bereits als „beste Festivalband“ gefeiert wird. Für mich sind Beefolk mit ihrem Bal-Folk-Mix aus Rock, Tango Nuevo, Jazz und Klassik heiße Anwärter auf den Thron, den Blowzabella verwaist hinterlassen haben.

Chris Elstrodt

 

BEEFOLK - Place dramatique


PATRICK MOLARD / ALAIN GENTY
To the Bobs

(Keltia Musique KMCD 156)
12 Tracks 49:10; mit Infos

Wenn sich zwei Cracks, wie es Patrick Molard an diversen Dudelsäcken (hier hauptsächlich dem schottischen) und Alain Genty (fretless E-Bass, perc, g, claviers) zusammen tun, kann da kaum etwas schlechtes herauskommen. Dabei sind sie sehr unterschiedliche Musikertypen: Alain als der wohl innovativste und originellste Bassist auf der bretonischen Szene, mit immer wieder überraschenden Ideen unkonventioneller und sehr melodiöser Begleitung, die ihm, so ließ ich mir berichten, relativ spontan einfallen; Patrick ein an der hohen Schule des Piobaireachd geschulter Piper, der zu den Großen seines Metiers gehört und nicht nur in der Bretagne, sondern auch in Schottland hohes Ansehen genießt. Er hat dieses Album seinen Lehrern Bob Brown und Bob Nicol gewidmet. Die Tunes sind eine Mischung aus Traditionellem und Komponiertem. Eine ganz exzellente Scheibe, die ich auch jenen empfehle, die sich bislang mit den klassischen Highland-Pipes schwer tun. Eine Kopfhörerscheibe.

Mit gleichem Titel erschien ein opulentes Notenheft (mit Grace-Notes) von Patrick Molard, das aber nicht identisch ist mit den Tunes dieser CD (73 S., 46 Tracks). Es hat keine ISBN-Nummer und ist erhältlich über info@keltiamusique.com. Erläuterungen in Französisch und Englisch.

Andel Bollé

 

PATRICK MOLARD / ALAIN GENTY - To the Bobs


McDERMOTT'S 2 HOURS V LEVELLERS
Disorder

(Hag011/Alive)
12 Tracks, 59:16

McDermott's 2 Hours waren Brightons Top-Folkrocker, als sich die Levellers 1988 in jenem englischen Südküstenbadeort gründeten. Mit über sechs Millionen verkaufter CDs waren die Levellers als unabhängige Band abseits des Mainstreams extrem erfolgreich, beriefen sich aber immer wieder auf McDermott's als Anstoß für ihr Projekt. Kein Wunder also, purer Lokalpatriotismus, dass die Levellers nicht nur das Studio, sondern auch 1/3 ihres Personals für die vorliegende CD zur Verfügung stellten.

McDermott's 2 Hours ist in erster Linie Nick Burbridge, der als Sänger und Gitarrist alle Songs schreibt. Die Musik geht runter wie Guinness, moderner, keltisch orientierter Folk mit Fiddle, Flöte, Banjo etc. Die Texte sind bemerkenswert. Sprachlich anspruchsvoll und inhaltlich radikal. Egal ob z.B. "Bloody Sunday" (der irische) oder "Black Sun" (die Genua-Proteste, wo ein Demonstrant von der Polizei getötet wurde), hier singt jemand deutlich, was Sache ist. Politik und Musik auf hohem künstlerischen (Folk-) Niveau.

Mike Kamp

 

McDERMOTT'S 2 HOURS V LEVELLERS - Disorder


AMIRA
Rosa

(Connecting Cultures/Choice Music)
Promo-CD; 12 Songs; 63:14

Mitten auf dem jüngsten Album der Mostar Sevdah Reunion, mit dem die großen alten Männer der traurigen bosnischen Sevdah-Klänge im vergangenen Jahr ihr Comeback feierten (siehe Rezension in Folker! 01/04), passierte es: Da erklang diese glockenhelle, glasklare Stimme in einer wunderschönen Interpretation von „Mujo Djogu po mejdanu voda“. Nicht nur CD-Hörer waren über den Einstand von Amira (Medunjanin) begeistert, auch die Musiker der Mostar Sevdah Reunion. So sehr, dass sie mit der jungen Sängerin ins Studio gingen. Ergebnis der Zusammenarbeit: Amiras Debütalbum „Rosa“. Dieses offenbart zwölf zerbrechlich-zarte Songs, die in ihren besten Momenten so atemberaubend schön sind, dass man beim Hören herbeisehnt, die Zeit möge stehen bleiben. Eine dezent gehaltene, niemals aufdringliche Instrumentierung mit Akkordeon, Klarinette und Fidel verleihen den Stücken melancholisches Balkanflair. Vor allem aber bei den wie hingetupft wirkenden Pianosongs wünscht man sich, dass sie nie, niemals enden würden.

Frank Schuster

 

SIIRI SISASK/KRISTJAN RANDALU
Jälg

(Kultur in der Landschaft TZ 001)
6 Tracks, 50.48, mit Texten (estnisch) bzw. Textfragmenten (engl./deutsch)

Die CD der Estin Siiri Sisask beginnt wie Wagners „Rheingold“ und endet wie „Soldiers who wanna be heroes“ von Rod McKuen, und dazwischen singt, jammert, lacht, weint, säuselt und joikt sie. Sie kann alles (steht im Beiheft) und schöpft aus der estnischen traditionellen Musik. Das hören wir, das Beiheft erzählt, dass ihre Lieder „eher Poeme als Balladen“ seien, wo der Unterschied liegt, sagt es nicht. Das Heft ist teuer und graphisch toll gemacht und ansonsten ziemlich unbrauchbar. Die Texte sind vollständig nur auf Estnisch wiedergegeben, bei einem deutschen Textfragment stolpern wir über das Wort „Squaw“, das von indianischen Bürgerrechtsgruppen seit Jahren scharf kritisiert wird, ist es doch eine überaus negative Bezeichnung für ein weibliches Wesen, (im englischen und estnischen Text ist selbstverständlich von einer Indianerin die Rede), wir lesen, dass sie auf „Joigus der S?mi“ (echt! mit Fragezeichen!) zurückgreift, kurzum, die Infos sind ein solcher Skandal, dass die Rezensentin die CD am liebsten in die Ecke feuern und vom Erwerb abraten möchte. Aber Siiri Sisasks Lieder sind einfach so wunderbar und vielseitig, das rettet die Sache dann doch wieder. Also hoffen wir auf weitere Tonträger dieser großartigen Künstlerin, deren Ausstattung sie dann hoffentlich kompetenteren Leuten anvertrauen wird.

Gabriele Haefs

 

SIIRI SISASK/KRISTJAN RANDALU - Jälg


BILWESZ
Hardigatti!

(Extraplatte EX 589-2)
13 Tracks, 51:14, mit Infos

Die Harfenistin Merit Zloch aus Greifswald in Mecklenburg ist eine innovative und groovende Harfenistin. Drehleierspieler Simon Wascher aus Wien ist der zweite im Bunde. Sein Hauptanliegen ist es, die Musiktraditionen des Alpenraumes nicht den Trachtenvereinen und Musikantenstadln zu überlassen. Als Duo gewannen Zloch und Wascher mit Hakenharfe und Leier bereits den Duowettbewerb 2003 in St. Chartier. Jetzt legen sie ihre erste CD vor. „Hardigatti“ enthält Instrumentalmusik aus Mecklenburg, Thüringen und dem Alpenland. Die aus meist unbekannten Quellen des 19. Jahrhunderts stammenden Schleinige, Mazurkas, Schottische (u.a.) haben wundervolle Melodien, die in mitreißenden Arrangements selbst eingefleischte Couchpotatoes aufs Tanzparkett treiben. Drei Gastmusiker vervollständigen den Gesamtsound: Der Folkförderpreisgewinner Matthias Branschke mit Schäferpfeife und Säckpipa verleiht den Stücken gelegentlich melancholische Farbtupfer, Laurenz Schiffmüller akzentuiert mit Darbouka und Rahmentrommel den eh schon treibenden Rhythmus. Und Stefan Straubinger setzt mit seiner chromatischen Concertina Glanzlichter auf.

Eine geniale CD mit modern gespielter, traditioneller Bordunmusik!

Ulrich Joosten

 

BILWESZ - Hardigatti!


JIM MALCOLM
Live in Glenfarg

(Beltane Records BELCD 103)
15 Tracks, 69:46, mit engl. Texten und Infos

Um die Relationen gleich offen zu legen: Glenfarg ist ein Dörfchen nahe der M90 kurz vor Perth und wie die meisten kleinen Orte in Schottland hat man eine Village Hall. Außergewöhnlich ist jedoch der sehr rege und bei Bedarf sangesfreudige Folkclub, den der Old Blind Dogs-Sänger und Solist Jim Malcolm seit seiner Jugend kennt. Hier herrscht genau die intime Atmosphäre, die Malcolm für seine Eigenkompositionen oder seine unverkennbaren Interpretationen von Traditionals braucht. Hier wird in herzlicher Umgebung die ungekünstelte Präsentation der Lieder mit Gitarre und Mundharmonika geschätzt, alles ohne Netz und doppelten Boden bzw. Begleitmusiker oder technische Overdubs. Malcolm überzeugt souverän (auch wenn er nach eigenen Aussagen teuflisch nervös war) und beweist nicht zum ersten Mal, dass Ohrwürmer nicht unbedingt simpel sein müssen. Jedenfalls klingen Songs wie "Battle Of Waterloo", "Loosin' Auld Reekie" oder "Lochs Of The Tay" noch nach Tagen nach. Dankenswerterweise hat Jim Malclom die Zwischenansagen rausgeschnitten und das resultiert in ca. 70 Min. reinem Musikgenuss. Und überhaupt muss klargestellt werden: Wer aus dem eigenwilligen Namen eines anderen schottischen Dorfes mit dem Timbre eines Archie Fisher eine ausgewachsene Swingnummer macht ("Achiltibuie"), der ist sowieso nicht weit vom Genie entfernt.

Mike Kamp

 

JIM MALCOLM - Live in Glenfarg


LA LIONETTA
Ballate 1978-1996; Antalogia Vol. 1

(FolkClub Ethnosuoni ES 5336/Old Songs New Songs)
13 Tracks, 1 Video-Clip; 56:24, mit Texten und ital./engl. Infos

Das Schaffen der Piemonteser Folkband umfasst zwei Phasen: Die erste Schaffensperiode beschränkt sich weitgehend auf zwei 1978 und 1981 herausgebrachte Alben, deren Arrangements sich an englischen und irischen Idealen anlehnen. Über den Geigen, Mandolinen, Gitarren und Drehleiern prägt die Stimme der Sängerin Laura Malaterra den Sound der Gruppe. Ab Mitte der 80er Jahre war nach einem kurzen Abstecher in den Folkrock mehr oder weniger Funkstille bei La Lionetta. 1995 formierte sich die Band neu. Die in den Jahren 2000 und 2003 veröffentlichten CDs werden von Bläsern und der Hinwendung zu mediterranen Klängen dominiert. Das vorliegende Album umfasst elf Stücke der beiden ersten Alben. Zwei weitere Stücke aus den Jahren 1984 und 1996 deuten den späteren Weg der Gruppe an. Wer den eher keltisch geprägten Ausdruck des norditalienischen Folkrevivals der 70er Jahre mag, entdeckt hier eine der besten piemontesischen Gruppen (wieder). Trotz oder gerade wegen der im Vergleich zu heutigen Aufnahmen etwas weniger professionellen Produktion versprühen die Stücke eine Frische und Spontaneität, die aktuellen CDs selten innewohnt. Erwähnenswert sind auch die ausführlichen Infos der Stücke sowie der CD-ROM-Teil des Albums mit der Geschichte von La Lionetta und einem witzigen Video-Clip.

Martin Steiner

 

LA LIONETTA - Ballate 1978-1996; Antalogia Vol. 1


TORE BRUVOLL/JON ANDERS HALVORSEN
Nattsang

(Grappa HCD 7194)
12 Tracks, 48:38, CD mit Texten

Zwei junge Norweger singen auf dieser CD Balladen, deren Ursprünge sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lassen und deren Themen überall in Europa zu finden sind. Es geht dramatisch zu, Mädchen geben sich als Männer aus, um Könige an der Nase rumzuführen, Jäger schleichen durch den Wald und erschießen um ein Haar die Liebenden, der Jüngling wird verflucht und ertrinkt dann auch prompt, ein Ring beweist die Identität des lange verschollenen Bruders, und meistens siegt nach entsetzlichen Verwicklungen dann doch die Liebe. Eine CD so richtig fürs Herz, die beiden Sänger (wär´ nett gewesen, zu erfahren, wer hier was singt, aber da Norwegens Plattenfirma Infos scheuen wie der Teufel das Weihwasser, wird diese Auskunft nicht mitgeliefert) instrumentieren sparsam, wichtig ist die Handlung im Lied, von der wir nicht abgelenkt werden sollen, Gitarre und Banjo dominieren, das Ganze kann historisch versierte Lauschende an die frühen Werke von Nic Jones erinnern, und wenn das kein hohes Lob ist, was wäre dann ein solches?

Gabriele Haefs

 

TORE BRUVOLL/JON ANDERS HALVORSEN - Nattsang


LOS DESTERRADOS
Tu

(Shock LD002)
12 Tracks, 49:18, mit Texten und Basisinfos

Nicht ganz zufällig nennt sich diese britische Gruppe (übersetzt) "Die Verbannten" - ist es doch eine Anspielung auf die endgültige Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahre 1492. Das damals gesprochene Kastillan wurde über Nordafrika bis in das Osmanische Reich mitgenommen, vermischte sich mit anderen Sprachen, bis es - ähnlich dem Jiddischen - unter dem Namen "Ladino" eine Eigenständigkeit erlangte. Arabische, griechische oder türkische Worte sind somit keine Seltenheit.

Die Gruppe mit Jean-Marc Barsam (Bass, Gitarre, Vokal), Hayley Blitz (Vokal), Mark Greenfield (Perkusssion), Daniel Jonas (Gitarre, Ud, Vokal), Andrew Salida (Gitarre, Flöte, Vokal) und Ariane Todes (Violine) präsentiert mit "Tu" bereits ihr zweites Album; das erste erschien 2001 unter dem Titel "Por dos Levanim". Es mag diskutabel sein, sich mit "neuem sfardischen Flamenco" (Vertriebsinfo) verkaufen zu wollen: Das Album bietet dagegen echte sfardische Volksmusik in Ladino, darunter die weit bekannten "Avraham Avinu", "Avre Tu" oder "Ki Eshmerah". Es bietet Lieder über Liebe und Sehnsüchte, Tragödien und Feierlichkeiten, gespielt auf exzellente Weise mit exotischen Harmonien und traditionellen orientalischen wie westlichen Instrumenten.

Matti Goldschmidt

 

LOS DESTERRADOS - Tu


PETE COE
In Paper Houses

(Backshift Music BASH CD53)
15 Tracks, 61:32 mit engl. Infos

Ende der 70er Jahre tourte das englische Duo Pete & Chris Coe auch die Bundesrepublik und ein Vierteljahrhundert später kann ich feststellen: Die markante Stimme von Pete Coe ist keinen einzigen Tag gealtert. Meist ist er heute mit Bouzouki, Banjo, Melodeon und Dulcimer solo unterwegs, spielt aber auch mit Chris Coe (Concertina, Hammered Dulcimer) und Johnny Adams (Fiddle) als Ryburn 3 und diese CD dokumentiert den Solisten ebenso wie die Gruppe auf das vortrefflichste. Schwer zu sagen, was mich mehr begeistert. Sind es die frischen Interpretationen der 10 traditionellen Lieder? Oder ist es das hörbar tiefe Verständnis für die Hintergründe und die Liebe zu den Songs? Oder aber die Tatsache, dass Pete Coe als Gründer von Red Shift auch heute politisch kein Blatt vor den Mund nimmt? Oder sind es die wunderbaren und kräftigen Stimmen der drei Protagonisten, die teilweise noch mit Sängern aus dem lokalen Folkclub ergänzt werden? Wahrscheinlich eine Mischung aus alledem, vor allem aber begeistert mich, dass Pete Coe eine bärenstarke Folk-CD gelungen ist, die gar nichts anderes sein will als genau das. Schade nur, dass man nach England fahren muss, um den Mann live zu erleben.

Mike Kamp

 

PETE COE - In Paper Houses


08001
Raval ta Joie

(Organic Records/Galileo LC-12661)
11 Tracks; 50:04

Eine der bislang besten Scheiben aus dem Bastard-Labor Barcelona kommt nun dank der Spanien-Spezialisten des Labels Galileo auch in unsere Plattenläden. Über sechs Monate lang trafen sich 23 Musiker verschiedenster Nationalitäten im Studio des barceloneser DJs Julian Urigoitia, um die verschiedenen Tracks für dieses Projekt einzuspielen. Das Abmischen der vielsprachigen Songs, Rhythmen und Klangkollagen nahm weitere 16 Monate in Anspruch. Die Arbeit hat sich gelohnt: herausgekommen ist eine hypnotische Mischung aus Reggae, Dub, Ra?, Flamenco, elektronischer Musik und Trip-Hop. Obwohl auf “Raval ta Joie” Musiker von “Ojos de Brujo”, “Radio Bemba” und “Color Humano” vertreten sind, fehlt hier die typische Barcelona Bastard-Ska-Rumba-Mischung. Stattdessen führen die Stimmen des constantinischen Ra?-Sängers Adlen Kloufi und des guineischen Reggae-TripHop-Virtuosen Bidji Lyricson den Hörer durch die schwarz-weiß verfremdete Welt des Altstadtviertels Raval. Mal verträumt, mal rockig, mal jazzig - eine Musik zum Fliegen. Dabei ist die Band eher ein Projekt und ihre Musik hat den Charakter eines Sound Systems. Wenn 01800 -übrigens die Postleitzahl des Multikulti-Viertes Raval - live auftritt, spielen einige Musiker auf der Bühne, andere werden mit Video an die Wand projektiert. Eine praktische Lösung für eine so große Band, von der das ein oder andere Mitglied dazu keine gültigen Papiere besitzt.

Angela Isphording

 

08001 - Raval ta Joie


ULRIKA BODÉN
Rätt nu är det på tiden

(Drone Music DROCD 024)
21 Tracks, 44:42, CD mit Texten (schwed.) und Infos (schwed./engl./franz.)

Gleich zu Anfang trällert die schwedische Nachtigal Ulrika Bodén los, als gälte es, einen Liebhaber zu heftigen Taten zu verlocken, doch wer verlockt werden soll, sind die Kühe, die nach dem Winter aus dem Stall dürfen. So voller Überraschungen ist die 2. CD der schwedischen Sängerin, auf der sie drei Landsleute auf Sackpfeifen, Weidenflöten, Bandoneon, Akkordeon und anderen in Ångermanland (einst) verbreiteten Instrumenten begleiten. Diese schwedische Provinz ist die Heimat der Sängerin, aber auch die ihrer Vorbilder Frans Bergvall (Liedersammler) und Karin Sikström (traditionelle Sängerin), aus deren Sammlungen bzw. Repertoire die CD bestückt ist. Es geht nicht immer so schmissig zu, das zeigen ein Choral im uralten Gesangsstil der Gegend (anderswo ausgestorben, als sich mit wachsendem Wohlstand die Kirchen sich Orgeln zulegen konnten) oder ein Lied, in dem die drei Nornen der altnordische Religion an ihrem Schicksalsgewebe sitzen und mal kurz drei Männer vernichten; es gibt Intrumentalstücke und Varianten von europaweit bekannten Liedern, z.B. über den Mann, der gern reiten wollte, aber kein Pferd hatte. In Ångermanland war er bescheidener, er wollte gern schnupfen, hatte aber keinen Tabak, doch auch dort wusste seine Frau gleich Rat, weshalb seine Wünsche immer kurioser werden. Ganz wunderbare CD, die zudem Lust macht, die Sängerin und ihre Begleiter live zu erleben.

Gabriele Haefs

 

ULRIKA BODÉN - Rätt nu är det på tiden


ADRIAN LEGG
Inheritance

(Favored nations FNA5100-2/Rough Trade)
11 Tracks, 44:33, mit Kurzinfos

Sein 1990er Album "Guitars and Other Cathedrals" brachte ihn auf die gitarristische Landkarte (und steht bis heute in meinem Regal) und seither ist der lebendige, atmosphärische Erzähler auf dem akustischen Instrument einer der wichtigen Gitarristen weltweit. Er ist jedoch kein Purist, gehört zu jenen, die nie Hemmungen vor elektronischen Klangmodifikationen der akustischen Gitarre hatten und arbeitet mit Gitarrensynthesizer und "live processing", um seine Klangpalette zu erweitern. Der im multikulturellen Schmelztiegel des Londoner Ostens aufgewachsene Brite entwirft hier nach eigenen Worten eine Chronik: Wo ich herkam, wo ich nun bin und was ich hinterlasse.

Uns begegnen energetische rockfusionsartige Improvisationen, bluesige Nummern ebenso wie alte englische Hymnen oder irische Traditionen. Glaubt man zu Beginn noch, sich auf ein kraftvolles Album mit viel Power einstellen zu können, stellt man mittendrin fest, dass man sich auf eine fantastische, nahezu sakrale Reise voller Atmosphäre, Erinnerung, Geschichten, aber auch voller Lebendigkeit begeben hat. Da Legg zudem daran interessiert war, den Klang wie bei seinen Live-Auftritten zu verwirklichen, da dies sein wirkliches Metier verdeutlicht, ist ein sehr geschlossenes, atmosphärisches Album entstanden. Die winzige Schrift jedoch, dazu ungünstige Kontraste im Layout sind eine Zumutung....für eine LP gedacht? ...Oder wurde nur vergessen, die Lupe mit zu liefern? Der Musik schadet es glücklicherweise nicht.

Steffen Basho-Junghans

 

ADRIAN LEGG - Inheritance

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