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McCALMAN SINGULAR
Songs by Ian, sung by friends
(Greentrax Recordings CDTRAX269/FMS)
15 Tracks, 59:55, mit engl. Texten und Infos
Er ist das einzige übrig gebliebene Gründungsmitglied der Gruppe, die seinen
Namen trägt. Egal, ob auf der Bühne oder privat, immer zeigt Ian McCalman vor
allem Humor und Selbstironie. So auch in dem einen oder anderen Lied, das er
in den letzten 40 Jahren geschrieben hat. Dennoch kommt Ian nicht unbedingt
als Songschreiber rüber und so war wahrscheinlich seine Überraschung echt, als
Labelchef und Vornamensvetter Green ihm eröffnete, dass über 50 seiner Songs
auf Tonträgern im Umlauf seien und wenn er schon kein Soloalbum machen wollte,
wie es dann mit Interpretationen anderer Künstler wäre. Nach einiger für ihn
typischen Gegenwehr willigte Ian M. ein und das war eine weise Entscheidung.
Sonst wäre ein wunderbares Album nie entstanden. Nicht irgendwelche Künstler,
sondern Ians Freunde wie Allan Taylor, Dick Gaughan, Jim Malcolm oder Aly Bain
& Phil Cunningham interpretieren seine Stücke. Alles integre Künstler, die
sich auch für einen Freund nicht mit niveaulosen Songs abgeben würden. Und so
hören wir neben der bekannten Mischung aus Humor und Selbstironie auch
deutliche politische und sehr private Töne. Wenn z.B. Ian selbst über seinen
2001 verstorbenen Bandkollegen und Freund Derek Moffat singt ("Strange Dawn"),
dann ist das sehr emotional und offenbart eine öffentlich unbekannte, aber
sehr sympathische Seite des Ian McCalman. Fans der "Macs" werden viele Lieder
wiedererkennen oder wegen der Fremdinterpretationen neu entdecken.
Mike Kamp
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CLAUDIA BOMBARDELLA ENSEMBLE
Paesaggi Lontani
(Radici Music RMR 109)
16 Tracks, 76:27, mit Texten und Infos
Claudia Bombardella ist im positiven Sinne ein musikalisches Chamäleon. Sie
wechselt die Klangfarben mit viel Gespür und einer gewaltigen Energie. Einmal
schwelgt sie verträumt in französischer Sprache auf den Spuren ihrer
Vergangenheit (sie verbrachte ihre ersten Jahre in Luxemburg); dann singt sie
akzentfrei Deutsch, Ungarisch, Romanes, in sefardischem Spanisch und natürlich
Italienisch. Zuweilen steigert sich ihr Gesang zu einem ekstatischen Stakkato
in unglaublicher Geschwindigkeit. Doch Claudia Bombardella kann noch mehr als
das. Sie spielt Akkordeon, Baritonsaxophon und Klarinette. Die Geige, ihr
angestammtes Instrument, überlässt sie ihren Mitmusikern, die sie zusätzlich
auf Cello, Gitarre, Mandoline und Kontrabass unterstützen. Das Ergebnis ist
eine Musik mit Einflüssen der italienischen Volksmusik, Klezmer, Balkanfolk
und Kammermusik, Jazz und Arnold Schönberg. Zentrales Stück der Klangreise ist
die fünfteilige Suite „Paesaggi Lontani“, die eindrücklich die geballte Ladung
Energie einer Performance des Ensembles hörbar macht. „Live“ steht auf dem
Klappdeckel des Albums geschrieben. Publikum ist allerdings keines zu hören.
Dass die CD live eingespielt wurde, ist selbstverständlich. Anders kann solche
Musik nicht glaubwürdig vermittelt werden. Mit „Paessaggi Lontani“ ist Claudia
Bombardella eine spannende, nicht immer einfache und manchmal betörend schöne
Reise in eine musikalische Welt am Rande des Folker!-Universums gelungen.
Martin Steiner
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BEEFOLK
Place dramatique
(material records mre 009-2
10 Tracks, 67:32
Auch wenn es mir schwer fällt, ich muss zugeben, dass die Österreicher uns in
Sachen Bal-Folk abgehängt haben. Nach den letzten hochkarätigen
Veröffentlichungen gibt uns Beefolk nun den Todesstoß. Auf zehn
Eigenkompositionen beweist uns diese junge Band aus Graz, wie zeitgemäss,
atemberaubend und wild tanzbare Folklore klingen kann. Mit dem Isländer Helgi
Hrafn Jonsson hat Beefolk einen Posaunisten von Weltklasse an Bord, der sich
perfekt in das Saxophonspiel des Bandleaders Georg Gratzer einfügt. Der zweite
Mann am Hammer, pardon, an der Violine, Klemens Bittmann komplettiert mit
Akkorderonist Christian Bakanic das Quartett der Melodie-Instrumente.
Kontrabass und Drums spielen wie aus einem Guss. Man merkt der Rhythmussektion
ihre Herkunft aus der Jazz- und Rockkultur an. Vermutlich ist die vielfältige
musikalische Vergangenheit der Musiker eines der Erfolgsgeheimnisse der Band,
die von der Presse bereits als „beste Festivalband“ gefeiert wird. Für mich
sind Beefolk mit ihrem Bal-Folk-Mix aus Rock, Tango Nuevo, Jazz und Klassik
heiße Anwärter auf den Thron, den Blowzabella verwaist hinterlassen haben.
Chris Elstrodt
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PATRICK MOLARD / ALAIN GENTY
To the Bobs
(Keltia Musique KMCD 156)
12 Tracks 49:10; mit Infos
Wenn sich zwei Cracks, wie es Patrick Molard an diversen Dudelsäcken (hier
hauptsächlich dem schottischen) und Alain Genty (fretless E-Bass, perc, g,
claviers) zusammen tun, kann da kaum etwas schlechtes herauskommen. Dabei sind
sie sehr unterschiedliche Musikertypen: Alain als der wohl innovativste und
originellste Bassist auf der bretonischen Szene, mit immer wieder
überraschenden Ideen unkonventioneller und sehr melodiöser Begleitung, die
ihm, so ließ ich mir berichten, relativ spontan einfallen; Patrick ein an der
hohen Schule des Piobaireachd geschulter Piper, der zu den Großen seines
Metiers gehört und nicht nur in der Bretagne, sondern auch in Schottland hohes
Ansehen genießt. Er hat dieses Album seinen Lehrern Bob Brown und Bob Nicol
gewidmet. Die Tunes sind eine Mischung aus Traditionellem und Komponiertem.
Eine ganz exzellente Scheibe, die ich auch jenen empfehle, die sich bislang
mit den klassischen Highland-Pipes schwer tun. Eine Kopfhörerscheibe.
Mit gleichem Titel erschien ein opulentes Notenheft (mit Grace-Notes) von
Patrick Molard, das aber nicht identisch ist mit den Tunes dieser CD (73 S.,
46 Tracks). Es hat keine ISBN-Nummer und ist erhältlich über
info@keltiamusique.com. Erläuterungen in Französisch und Englisch.
Andel Bollé
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McDERMOTT'S 2 HOURS V LEVELLERS
Disorder
(Hag011/Alive)
12 Tracks, 59:16
McDermott's 2 Hours waren Brightons Top-Folkrocker, als sich die Levellers
1988 in jenem englischen Südküstenbadeort gründeten. Mit über sechs Millionen
verkaufter CDs waren die Levellers als unabhängige Band abseits des
Mainstreams extrem erfolgreich, beriefen sich aber immer wieder auf
McDermott's als Anstoß für ihr Projekt. Kein Wunder also, purer
Lokalpatriotismus, dass die Levellers nicht nur das Studio, sondern auch 1/3
ihres Personals für die vorliegende CD zur Verfügung stellten.
McDermott's 2 Hours ist in erster Linie Nick Burbridge, der als Sänger und
Gitarrist alle Songs schreibt. Die Musik geht runter wie Guinness, moderner,
keltisch orientierter Folk mit Fiddle, Flöte, Banjo etc. Die Texte sind
bemerkenswert. Sprachlich anspruchsvoll und inhaltlich radikal. Egal ob z.B.
"Bloody Sunday" (der irische) oder "Black Sun" (die Genua-Proteste, wo ein
Demonstrant von der Polizei getötet wurde), hier singt jemand deutlich, was
Sache ist. Politik und Musik auf hohem künstlerischen (Folk-) Niveau.
Mike Kamp
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AMIRA
Rosa
(Connecting Cultures/Choice Music)
Promo-CD; 12 Songs; 63:14
Mitten auf dem jüngsten Album der Mostar Sevdah Reunion, mit dem die großen
alten Männer der traurigen bosnischen Sevdah-Klänge im vergangenen Jahr ihr
Comeback feierten (siehe Rezension in Folker! 01/04), passierte es: Da erklang
diese glockenhelle, glasklare Stimme in einer wunderschönen Interpretation von
„Mujo Djogu po mejdanu voda“. Nicht nur CD-Hörer waren über den Einstand von
Amira (Medunjanin) begeistert, auch die Musiker der Mostar Sevdah Reunion. So
sehr, dass sie mit der jungen Sängerin ins Studio gingen. Ergebnis der
Zusammenarbeit: Amiras Debütalbum „Rosa“. Dieses offenbart zwölf
zerbrechlich-zarte Songs, die in ihren besten Momenten so atemberaubend schön
sind, dass man beim Hören herbeisehnt, die Zeit möge stehen bleiben. Eine
dezent gehaltene, niemals aufdringliche Instrumentierung mit Akkordeon,
Klarinette und Fidel verleihen den Stücken melancholisches Balkanflair. Vor
allem aber bei den wie hingetupft wirkenden Pianosongs wünscht man sich, dass
sie nie, niemals enden würden.
Frank Schuster
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SIIRI SISASK/KRISTJAN RANDALU
Jälg
(Kultur in der Landschaft TZ 001)
6 Tracks, 50.48, mit Texten (estnisch) bzw. Textfragmenten (engl./deutsch)
Die CD der Estin Siiri Sisask beginnt wie Wagners „Rheingold“ und endet wie
„Soldiers who wanna be heroes“ von Rod McKuen, und dazwischen singt, jammert,
lacht, weint, säuselt und joikt sie. Sie kann alles (steht im Beiheft) und
schöpft aus der estnischen traditionellen Musik. Das hören wir, das Beiheft
erzählt, dass ihre Lieder „eher Poeme als Balladen“ seien, wo der Unterschied
liegt, sagt es nicht. Das Heft ist teuer und graphisch toll gemacht und
ansonsten ziemlich unbrauchbar. Die Texte sind vollständig nur auf Estnisch
wiedergegeben, bei einem deutschen Textfragment stolpern wir über das Wort
„Squaw“, das von indianischen Bürgerrechtsgruppen seit Jahren scharf
kritisiert wird, ist es doch eine überaus negative Bezeichnung für ein
weibliches Wesen, (im englischen und estnischen Text ist selbstverständlich
von einer Indianerin die Rede), wir lesen, dass sie auf „Joigus der S?mi“
(echt! mit Fragezeichen!) zurückgreift, kurzum, die Infos sind ein solcher
Skandal, dass die Rezensentin die CD am liebsten in die Ecke feuern und vom
Erwerb abraten möchte. Aber Siiri Sisasks Lieder sind einfach so wunderbar und
vielseitig, das rettet die Sache dann doch wieder. Also hoffen wir auf weitere
Tonträger dieser großartigen Künstlerin, deren Ausstattung sie dann
hoffentlich kompetenteren Leuten anvertrauen wird.
Gabriele Haefs
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BILWESZ
Hardigatti!
(Extraplatte EX 589-2)
13 Tracks, 51:14, mit Infos
Die Harfenistin Merit Zloch aus Greifswald in Mecklenburg ist eine innovative
und groovende Harfenistin. Drehleierspieler Simon Wascher aus Wien ist der
zweite im Bunde. Sein Hauptanliegen ist es, die Musiktraditionen des
Alpenraumes nicht den Trachtenvereinen und Musikantenstadln zu überlassen. Als
Duo gewannen Zloch und Wascher mit Hakenharfe und Leier bereits den
Duowettbewerb 2003 in St. Chartier. Jetzt legen sie ihre erste CD vor.
„Hardigatti“ enthält Instrumentalmusik aus Mecklenburg, Thüringen und dem
Alpenland. Die aus meist unbekannten Quellen des 19. Jahrhunderts stammenden
Schleinige, Mazurkas, Schottische (u.a.) haben wundervolle Melodien, die in
mitreißenden Arrangements selbst eingefleischte Couchpotatoes aufs Tanzparkett
treiben. Drei Gastmusiker vervollständigen den Gesamtsound: Der
Folkförderpreisgewinner Matthias Branschke mit Schäferpfeife und Säckpipa
verleiht den Stücken gelegentlich melancholische Farbtupfer, Laurenz
Schiffmüller akzentuiert mit Darbouka und Rahmentrommel den eh schon
treibenden Rhythmus. Und Stefan Straubinger setzt mit seiner chromatischen
Concertina Glanzlichter auf.
Eine geniale CD mit modern gespielter, traditioneller Bordunmusik!
Ulrich Joosten
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JIM MALCOLM
Live in Glenfarg
(Beltane Records BELCD 103)
15 Tracks, 69:46, mit engl. Texten und Infos
Um die Relationen gleich offen zu legen: Glenfarg ist ein Dörfchen nahe der
M90 kurz vor Perth und wie die meisten kleinen Orte in Schottland hat man eine
Village Hall. Außergewöhnlich ist jedoch der sehr rege und bei Bedarf
sangesfreudige Folkclub, den der Old Blind Dogs-Sänger und Solist Jim Malcolm
seit seiner Jugend kennt. Hier herrscht genau die intime Atmosphäre, die
Malcolm für seine Eigenkompositionen oder seine unverkennbaren
Interpretationen von Traditionals braucht. Hier wird in herzlicher Umgebung
die ungekünstelte Präsentation der Lieder mit Gitarre und Mundharmonika
geschätzt, alles ohne Netz und doppelten Boden bzw. Begleitmusiker oder
technische Overdubs. Malcolm überzeugt souverän (auch wenn er nach eigenen
Aussagen teuflisch nervös war) und beweist nicht zum ersten Mal, dass
Ohrwürmer nicht unbedingt simpel sein müssen. Jedenfalls klingen Songs wie
"Battle Of Waterloo", "Loosin' Auld Reekie" oder "Lochs Of The Tay" noch nach
Tagen nach. Dankenswerterweise hat Jim Malclom die Zwischenansagen
rausgeschnitten und das resultiert in ca. 70 Min. reinem Musikgenuss. Und
überhaupt muss klargestellt werden: Wer aus dem eigenwilligen Namen eines
anderen schottischen Dorfes mit dem Timbre eines Archie Fisher eine
ausgewachsene Swingnummer macht ("Achiltibuie"), der ist sowieso nicht weit
vom Genie entfernt.
Mike Kamp
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LA LIONETTA
Ballate 1978-1996; Antalogia Vol. 1
(FolkClub Ethnosuoni ES 5336/Old Songs New Songs)
13 Tracks, 1 Video-Clip; 56:24, mit Texten und ital./engl. Infos
Das Schaffen der Piemonteser Folkband umfasst zwei Phasen: Die erste
Schaffensperiode beschränkt sich weitgehend auf zwei 1978 und 1981
herausgebrachte Alben, deren Arrangements sich an englischen und irischen
Idealen anlehnen. Über den Geigen, Mandolinen, Gitarren und Drehleiern prägt
die Stimme der Sängerin Laura Malaterra den Sound der Gruppe. Ab Mitte der
80er Jahre war nach einem kurzen Abstecher in den Folkrock mehr oder weniger
Funkstille bei La Lionetta. 1995 formierte sich die Band neu. Die in den
Jahren 2000 und 2003 veröffentlichten CDs werden von Bläsern und der
Hinwendung zu mediterranen Klängen dominiert. Das vorliegende Album umfasst
elf Stücke der beiden ersten Alben. Zwei weitere Stücke aus den Jahren 1984
und 1996 deuten den späteren Weg der Gruppe an. Wer den eher keltisch
geprägten Ausdruck des norditalienischen Folkrevivals der 70er Jahre mag,
entdeckt hier eine der besten piemontesischen Gruppen (wieder). Trotz oder
gerade wegen der im Vergleich zu heutigen Aufnahmen etwas weniger
professionellen Produktion versprühen die Stücke eine Frische und
Spontaneität, die aktuellen CDs selten innewohnt. Erwähnenswert sind auch die
ausführlichen Infos der Stücke sowie der CD-ROM-Teil des Albums mit der
Geschichte von La Lionetta und einem witzigen Video-Clip.
Martin Steiner
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TORE BRUVOLL/JON ANDERS HALVORSEN
Nattsang
(Grappa HCD 7194)
12 Tracks, 48:38, CD mit Texten
Zwei junge Norweger singen auf dieser CD Balladen, deren Ursprünge sich bis
ins Mittelalter zurückverfolgen lassen und deren Themen überall in Europa zu
finden sind. Es geht dramatisch zu, Mädchen geben sich als Männer aus, um
Könige an der Nase rumzuführen, Jäger schleichen durch den Wald und erschießen
um ein Haar die Liebenden, der Jüngling wird verflucht und ertrinkt dann auch
prompt, ein Ring beweist die Identität des lange verschollenen Bruders, und
meistens siegt nach entsetzlichen Verwicklungen dann doch die Liebe. Eine CD
so richtig fürs Herz, die beiden Sänger (wär´ nett gewesen, zu erfahren, wer
hier was singt, aber da Norwegens Plattenfirma Infos scheuen wie der Teufel
das Weihwasser, wird diese Auskunft nicht mitgeliefert) instrumentieren
sparsam, wichtig ist die Handlung im Lied, von der wir nicht abgelenkt werden
sollen, Gitarre und Banjo dominieren, das Ganze kann historisch versierte
Lauschende an die frühen Werke von Nic Jones erinnern, und wenn das kein hohes
Lob ist, was wäre dann ein solches?
Gabriele Haefs
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LOS DESTERRADOS
Tu
(Shock LD002)
12 Tracks, 49:18, mit Texten und Basisinfos
Nicht ganz zufällig nennt sich diese britische Gruppe (übersetzt) "Die
Verbannten" - ist es doch eine Anspielung auf die endgültige Vertreibung der
Juden aus Spanien im Jahre 1492. Das damals gesprochene Kastillan wurde über
Nordafrika bis in das Osmanische Reich mitgenommen, vermischte sich mit
anderen Sprachen, bis es - ähnlich dem Jiddischen - unter dem Namen "Ladino"
eine Eigenständigkeit erlangte. Arabische, griechische oder türkische Worte
sind somit keine Seltenheit.
Die Gruppe mit Jean-Marc Barsam (Bass, Gitarre, Vokal), Hayley Blitz (Vokal),
Mark Greenfield (Perkusssion), Daniel Jonas (Gitarre, Ud, Vokal), Andrew
Salida (Gitarre, Flöte, Vokal) und Ariane Todes (Violine) präsentiert mit "Tu"
bereits ihr zweites Album; das erste erschien 2001 unter dem Titel "Por dos
Levanim". Es mag diskutabel sein, sich mit "neuem sfardischen Flamenco"
(Vertriebsinfo) verkaufen zu wollen: Das Album bietet dagegen echte sfardische
Volksmusik in Ladino, darunter die weit bekannten "Avraham Avinu", "Avre Tu"
oder "Ki Eshmerah". Es bietet Lieder über Liebe und Sehnsüchte, Tragödien und
Feierlichkeiten, gespielt auf exzellente Weise mit exotischen Harmonien und
traditionellen orientalischen wie westlichen Instrumenten.
Matti Goldschmidt
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PETE COE
In Paper Houses
(Backshift Music BASH CD53)
15 Tracks, 61:32 mit engl. Infos
Ende der 70er Jahre tourte das englische Duo Pete & Chris Coe auch die
Bundesrepublik und ein Vierteljahrhundert später kann ich feststellen: Die
markante Stimme von Pete Coe ist keinen einzigen Tag gealtert. Meist ist er
heute mit Bouzouki, Banjo, Melodeon und Dulcimer solo unterwegs, spielt aber
auch mit Chris Coe (Concertina, Hammered Dulcimer) und Johnny Adams (Fiddle)
als Ryburn 3 und diese CD dokumentiert den Solisten ebenso wie die Gruppe auf
das vortrefflichste. Schwer zu sagen, was mich mehr begeistert. Sind es die
frischen Interpretationen der 10 traditionellen Lieder? Oder ist es das hörbar
tiefe Verständnis für die Hintergründe und die Liebe zu den Songs? Oder aber
die Tatsache, dass Pete Coe als Gründer von Red Shift auch heute politisch
kein Blatt vor den Mund nimmt? Oder sind es die wunderbaren und kräftigen
Stimmen der drei Protagonisten, die teilweise noch mit Sängern aus dem lokalen
Folkclub ergänzt werden? Wahrscheinlich eine Mischung aus alledem, vor allem
aber begeistert mich, dass Pete Coe eine bärenstarke Folk-CD gelungen ist, die
gar nichts anderes sein will als genau das. Schade nur, dass man nach England
fahren muss, um den Mann live zu erleben.
Mike Kamp
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08001
Raval ta Joie
(Organic Records/Galileo LC-12661)
11 Tracks; 50:04
Eine der bislang besten Scheiben aus dem Bastard-Labor Barcelona kommt nun
dank der Spanien-Spezialisten des Labels Galileo auch in unsere Plattenläden.
Über sechs Monate lang trafen sich 23 Musiker verschiedenster Nationalitäten
im Studio des barceloneser DJs Julian Urigoitia, um die verschiedenen Tracks
für dieses Projekt einzuspielen. Das Abmischen der vielsprachigen Songs,
Rhythmen und Klangkollagen nahm weitere 16 Monate in Anspruch. Die Arbeit hat
sich gelohnt: herausgekommen ist eine hypnotische Mischung aus Reggae, Dub,
Ra?, Flamenco, elektronischer Musik und Trip-Hop. Obwohl auf “Raval ta Joie”
Musiker von “Ojos de Brujo”, “Radio Bemba” und “Color Humano” vertreten sind,
fehlt hier die typische Barcelona Bastard-Ska-Rumba-Mischung. Stattdessen
führen die Stimmen des constantinischen Ra?-Sängers Adlen Kloufi und des
guineischen Reggae-TripHop-Virtuosen Bidji Lyricson den Hörer durch die
schwarz-weiß verfremdete Welt des Altstadtviertels Raval. Mal verträumt, mal
rockig, mal jazzig - eine Musik zum Fliegen. Dabei ist die Band eher ein
Projekt und ihre Musik hat den Charakter eines Sound Systems. Wenn 01800
-übrigens die Postleitzahl des Multikulti-Viertes Raval - live auftritt,
spielen einige Musiker auf der Bühne, andere werden mit Video an die Wand
projektiert. Eine praktische Lösung für eine so große Band, von der das ein
oder andere Mitglied dazu keine gültigen Papiere besitzt.
Angela Isphording
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ULRIKA BODÉN
Rätt nu är det på tiden
(Drone Music DROCD 024)
21 Tracks, 44:42, CD mit Texten (schwed.) und Infos (schwed./engl./franz.)
Gleich zu Anfang trällert die schwedische Nachtigal Ulrika Bodén los, als
gälte es, einen Liebhaber zu heftigen Taten zu verlocken, doch wer verlockt
werden soll, sind die Kühe, die nach dem Winter aus dem Stall dürfen. So
voller Überraschungen ist die 2. CD der schwedischen Sängerin, auf der sie
drei Landsleute auf Sackpfeifen, Weidenflöten, Bandoneon, Akkordeon und
anderen in Ångermanland (einst) verbreiteten Instrumenten begleiten. Diese
schwedische Provinz ist die Heimat der Sängerin, aber auch die ihrer Vorbilder
Frans Bergvall (Liedersammler) und Karin Sikström (traditionelle Sängerin),
aus deren Sammlungen bzw. Repertoire die CD bestückt ist. Es geht nicht immer
so schmissig zu, das zeigen ein Choral im uralten Gesangsstil der Gegend
(anderswo ausgestorben, als sich mit wachsendem Wohlstand die Kirchen sich
Orgeln zulegen konnten) oder ein Lied, in dem die drei Nornen der altnordische
Religion an ihrem Schicksalsgewebe sitzen und mal kurz drei Männer vernichten;
es gibt Intrumentalstücke und Varianten von europaweit bekannten Liedern, z.B.
über den Mann, der gern reiten wollte, aber kein Pferd hatte. In Ångermanland
war er bescheidener, er wollte gern schnupfen, hatte aber keinen Tabak, doch
auch dort wusste seine Frau gleich Rat, weshalb seine Wünsche immer kurioser
werden. Ganz wunderbare CD, die zudem Lust macht, die Sängerin und ihre
Begleiter live zu erleben.
Gabriele Haefs
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ADRIAN LEGG
Inheritance
(Favored nations FNA5100-2/Rough Trade)
11 Tracks, 44:33, mit Kurzinfos
Sein 1990er Album "Guitars and Other Cathedrals" brachte ihn auf die
gitarristische Landkarte (und steht bis heute in meinem Regal) und seither ist
der lebendige, atmosphärische Erzähler auf dem akustischen Instrument einer
der wichtigen Gitarristen weltweit. Er ist jedoch kein Purist, gehört zu
jenen, die nie Hemmungen vor elektronischen Klangmodifikationen der
akustischen Gitarre hatten und arbeitet mit Gitarrensynthesizer und "live
processing", um seine Klangpalette zu erweitern. Der im multikulturellen
Schmelztiegel des Londoner Ostens aufgewachsene Brite entwirft hier nach
eigenen Worten eine Chronik: Wo ich herkam, wo ich nun bin und was ich
hinterlasse.
Uns begegnen energetische rockfusionsartige Improvisationen, bluesige Nummern
ebenso wie alte englische Hymnen oder irische Traditionen. Glaubt man zu
Beginn noch, sich auf ein kraftvolles Album mit viel Power einstellen zu
können, stellt man mittendrin fest, dass man sich auf eine fantastische,
nahezu sakrale Reise voller Atmosphäre, Erinnerung, Geschichten, aber auch
voller Lebendigkeit begeben hat. Da Legg zudem daran interessiert war, den
Klang wie bei seinen Live-Auftritten zu verwirklichen, da dies sein wirkliches
Metier verdeutlicht, ist ein sehr geschlossenes, atmosphärisches Album
entstanden. Die winzige Schrift jedoch, dazu ungünstige Kontraste im Layout
sind eine Zumutung....für eine LP gedacht? ...Oder wurde nur vergessen, die
Lupe mit zu liefern? Der Musik schadet es glücklicherweise nicht.
Steffen Basho-Junghans
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