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ALE MÖLLER BAND
"Bodjal"
(Amigo/ Q-rious Music)
13 Tracks, 60:32, mit kurzen Infos
Zugegeben, bei dem Namen vermutet man nicht gerade griechische Musik, aber das
ist in diesem Falle ja auch nur eine Facette der reichen Klangwelt, in die uns
die schwedische Gruppe um den Multiinstrumentalisten Ale Möller entführt.
Möller, der seine Wurzeln ursprünglich im Jazz hat, tauschte, inspiriert durch
die Zusammenarbeit mit dem griechischen Musiker Christos Mitrencis, seine
Trompete inzwischen gegen eine Bouzouki ein. Die spielt er mit Begeisterung
und gar so gut, dass er mit Mikis Theodoriakis zusammenarbeiten durfte. Nach
seinem Ausflug in die griechische Musik zog ihn die schwedische Folktradition
an, die er ebenso intensiv studierte. Wen wundert es also, das "Bodjal" eine
schillernde Mischung aus Jazzelementen, griechisch-mediterraner Musik und
schwedischem Folk ist. Kraftvoll und mit vielen Überraschungseffekten ist die
Scheibe eine echte Reise durch die Klänge dieser Welt....mal hören wir
afrikanisch anmutende Klänge, die sich mit nordischem Folk vermengen, mal
Orientalisches, mit Jazz verbunden. Letztlich endet der musikalische
Weltenbummler in Bangladesch - puh. Einfach schön!
Claudia Frenzel
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QUATRO VENTOS
Barco de papel
(Bones Records BNS 3007)
13 Tracks; 49:12; mit port./engl. Texten
Wenn Matrosen in einer dunklen portugiesischen Hafenkneipe mit einer Frau im
Arm von ihrer großen Liebe im kalten Norden träumen, geben Quatro Ventos den
idealen Soundtrack ab. Die Lieder des Sängers, Gitarristen und Komponisten
Emanuel Pessanha verströmen mit jeder Note die Saudade, die Sehnsucht nach
Schmerz und Glück. Dass Pessanha und seine drei holländischen Mitmusiker
fernab der Wiege des Fado musizieren, mag für Quatro Ventos Zündstoff für das
Fernweh und die Melancholie sein. Reizvoll ist auch die Instrumentierung von
"Barco de Papel". Der Akkordeonist Servais Haanen und der Geiger Roland van
Abel lassen Tango- und Volksmusik-Einflüsse in die Stücke einfließen. Dazu
setzt der Gitarrist Wout Pennings (Fado-Gitarre und klassische Gitarre)
Akzente mit großem Gefühl. Wenn dann noch Fernando Lameirinhas und Emanuel
Pessanha zum Harmoniegesang ansetzen, wie beim Stück "Olhas de mar", bringen
sie Eisberge zum Schmelzen. Jedes der Lieder hat Ohrwurmqualitäten und steckt
voller Poesie. Quatro Ventos treten 2005 in Deutschland auf. Anker lichten,
hinfahren und CD kaufen!
Martin Steiner
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MAHALA RAI BANDA
Mahala Rai Banda
(Crammed Discs CRAW 31/ZYX)
12 Tracks; 53:21; mit engl. Infos
Mahala Rai Banda legen ihr Debütalbum vor und sie werden damit voll und ganz
ihrem Ruf gerecht, in Sachen Balkan-Speed-Brass-Bands das nächste heiße Ding
zu sein. Auf dem deutschen Markt waren die Rumänen bereits mit einem Titel auf
dem von Folker!-Mitarbeiterin Grit Friedrich für das Trikont-Label
kompilierten Sampler "Suburban Bucharest" (siehe Folker! 05/04) vertreten. Die
Smash-Nummer "Esti sexy" ("Du bist sexy") findet sich auch auf dem von DJ
Shantel aka Stefan Hantel, Zeremonienmeister des Frankfurter Bucovina-Clubs,
mitproduzierten Erstling. Die Produktion ist eher "naturbelassen", außer
einigen wenigen Halleffekten gibt es keine technischen Sperenzien.
Experimentierfelder tun sich dafür in puncto Spielfreude auf. Mahala Rai Banda
(zu Deutsch etwa: "adelige Band aus dem Ghetto") ziehen das Tempo ganz gerne
mal an und toben sich über aberwitzigen Arrangements aus. Dezent mixen sie
ihren osteuropäischen Sounds Westindian Styles bei, die Schluckaufrhythmen des
Ska oder wie in Smash-Song Nummer zwei "Red Bula" ("Red Bull"), das Toasting,
die jamaikanische Art des Rappens.
Frank Schuster
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CROFT NO FIVE
Talk of the Future
(Planet Five Records PFRCD001)
9 Tracks, 45:23, mit engl. Infos
Früher war alles einfacher. Manche spielten Folk und die meisten spielten Rock
und einige mischten beides und heraus kam Folkrock. Von solch simplen Mustern
sind die sechs jungen Schotten auf ihrem Zweitling meilenweit entfernt. Gemein
sind allen Stücken ein sattes Schlagzeug und ein fetter Bass, auf deren Basis
sich Akkordeon, Gitarre, Whistles, Saxofon und Synthis sowie Programming &
Sampling austoben. Natürlich sind Folk- und Rockelemente zu hören, aber eben
auch deutliche Einflüsse von Pop, Grunge-Gitarren und moderne Dancesounds.
Schließlich geht es in erster Linie darum, ausgiebig abzutanzen. Bis auf einen
Martyn Bennett-Remix liegt die Musik in der Verantwortung der Band. Das klingt
alles viel stimmiger als auf dem Erstling und auch die nervigen Vergleiche mit
Shooglenifty dürften weniger werden. Würde ich gerne mal live hören.
Mike Kamp
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GARRY WALSH
Uncovered
(Ossian Publications OSSCD 134)
12 Tracks, 37:13, mit Infos
Die Melodien dieses wundervollen Debüt-Albums sind bisher noch unbekannt und
dennoch traditionell irisch. Sie stammen aus dem Repertoire der beiden
Großväter von Garry Walsh, einem in Englands Manchester aufgewachsenen
Emigranten-Sohn. Als Walsh mit seiner eigenen Familie wieder nach Cork
zurückkehrte, um "den Kreis zu schließen", wie er sagt, horchten die
Session-Spierlerinnen und Spieler um ihn herum auf, denn sie hatten die Tunes
dieses brillanten Flötisten noch nie gehört oder konnten sich nur schwach an
sie erinnern. Gespielt vor fast einem Jahrhundert in den Counties Cork und
Louth haben die Jigs, Reels und Airs über eine Generation in Manchester
überlebt und kehren nun in ihre Heimat zurück.
Den Anstoß zu "Uncovered" gab einer der Aufhorchenden, Dave Hennessy. Er ließ
die Melodien dem Marcel Reich-Ranitzki des Irish Folk, Nicholas Carolan vom
Irish Music Archive, zukommen, und der gab auf der Stelle grünes Licht für die
Aufnahmen. Nun ist die irische Musik wieder um einen südwestlichen Schatz
reicher. Bei der rein akustischen Produktion sind außerdem dabei: ein Melodeon
(Hennessy), zwei Gitarren (Johnny Neville), eine Bodhrán (Colm Murphy), eine
Fiddle (Clare Fitzpatrick) sowie ein Cello (Ilsa De Ziah).
Elise Schirrmacher
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HENRIK JANSBERG
Signatur
(Danish Folk Music Production GO0604)
12 Tracks, 50:22, CD mit Infos dän./engl.
Henrik Jansberg ist ein dänischer Geiger, der sich vor allem der Tanzmusik
verschrieben hat, und bei dem die Kritiker sich nicht einig sind, ob er nun
ein traditioneller Musiker ist, ein untraditioneller Musiker, ein
experimenteller Musiker oder ein volksmusikalischer Interpret. Er selbst
beruft sich auf eine Vielzahl von Einflüssen, von unbestreitbar traditionellen
Spielleuten bis zu Dänemarks größtem klassischen Komponisten, Carl Nielsen.
Aus diesen vielen Inspirationsquellen entstehen oft neue Melodien, und die,
zusammen mit alt vertrauten, hören wir auf dieser CD. Eingespielt hat er sie
mit guten Freunden und einer Freundin. Das erste Stück klingt shetlandisch,
trotz des dänischen Titels "Contradans", und so geht es weiter, durch Polkas,
Reels, Polskas und Hopsas, eine CD voller Überraschungen, die die Tanzlust
schürt. Einzige Klage: die viel zu kurzen Infos, denn alle, die z.B. mit dem
Liederbuch der Gebrüder Bast zufällig nicht vertraut sind, werden kaum klüger
von der Auskunft, dass manche Stücke daraus stammen.
Gabriele Haefs
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LOU DALFIN
L'Òste del Diau
(Felmay fy 8085/Just Records Babelsberg)
12 Tracks, 1 hidden Track, 59:50, mit okzitanischen, franz. und engl. Texten
Partyrezept Nr. 1: Okzitanische Flagge an die Wand hängen, Gesangsmikrophone,
Drehleier, Geige, Gitarren, Dudelsäcke und Flöten an den Verstärker
anschließen, Lou Dalfin aus der Garderobe holen, Biergläser auf den Tisch
stellen und das Tanzbein schwingen. In der "Teufelskneipe" (L'Òste del Diau)
geht die Post ab. Gesungen wird ausschließlich in okzitanischer Sprache. Zwar
haben die Folk-Punk-Rocker aus dem äußersten Westen des Piemonts ein fein
elaboriertes Studioalbum eingespielt, doch hört man aus jedem Ton, dass hier
Musiker am Werk sind, die auch live zur Sache gehen können. Lou Dalfin sind
keine Party-Folker, die mit Lautstärke ihr fehlendes Können verdecken müssen.
Immer wieder wechseln die Musiker mit gelungenen Breaks die Stimmung. Als
Anspieltipp sei das Instrumental "La pitabelhas/vila nova" empfohlen, bei dem
sanfte Harfenklänge von einem sägenden Elektrogitarrenriff zerschnitten
werden. Partyrezept Nr. 2: Okzitanische Flagge an die Wand hängen, "L'Òste del
Diau" in den CD-Spieler schieben, Lautstärkeregler aufdrehen, Party abgehen
lassen. Das Rezept sei auch nach harten Arbeitstagen und an regnerischen
Wintertagen wärmstens empfohlen. Das Teufelsgebräu wärmt sofort und der Himmel
kann wieder lachen.
Martin Steiner
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MICK HANLY
Wish Me Well
(Townsend Records DHCD 03)
11 Tracks, 55:45
Rar hat er sich hierzulande in den letzten 20 Jahren gemacht, dabei zeigte
seine internationale Solokarriere stetig nach oben. Bekannt wurde Hanly in den
1970er Jahren als feinfühliger Sänger und Gitarrist, z. B. bei den
"Irish-Festival"-Tourneen 1977/78 (mit Andy Irvine und Liam O'Flynn). Nach dem
Ausstieg Christy Moores 1982 bei den Moving Hearts nahm Hanly dessen Platz
ein. Es folgte ein schleichender Wandel vom Irish (Folk) Balladier zum
Singer/Songwriter. Hanly bewegte sich in Richtung C & W, doch überzeugt er bis
heute als Urheber eingängiger Songs mit starken Texten. Etliche "Stars"
bedienten sich aus seinem Fundus: Mary Black, Christy Moore, Hal Ketchum. Und
auch das jüngste Album wird gewiss für weitere Coverversionen sorgen. Beim
erstmaligen Hören bleiben die Songs nicht gleich haften, dafür erweisen sich
die meisten auf Dauer als Ohrwürmer, so der Opener "Dust In The Storm", das
tiefgründige "Damaged Halo" oder das aufmunternde "I Am, I Am". Im Studio half
ihm Declan Sinnott, sein alter Kumpel aus Moving-Hearts-Zeiten. Der spielt
alle übrigen Instrumente (u. a. keyboards, drums) und hat das Ganze auch
produziert. Die Musik bewegt sich zwischen Country (-Rock) und "Americana".
Von seiner Trad-Folk-Vergangenheit spürt man wenig. Die lässt Hanly allerdings
in "Trying To Get To St Nazaire", einer Ballade mit (englisch-französischem!)
Sprechgesang, aufleben, in der er sich an seine Zeit in der Bretagne
erinnert.
Roland Schmitt
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FLEUR
Magic
(Galileo MC 2004, LC 12661)
13 Lieder, 58:01
Alles schmeichelt sich ein. Die Stimmen der beiden Sängerinnen fließen
geradezu ins Ohr, eine Mischung aus Folk und sanftem Pop. Die überwiegend
weibliche Begleitgruppe (zu Klavier und Gitarre kommen noch Flöten, Cello,
Didgeridoo) schafft entsprechend ätherische Stimmung. Alles klingt etwas
geheimnisvoll, etwas melancholisch. Eigentlich sind diese Songs schon
gefährlich nah an naivem Folklied und softigem Schlager gespielt. Es ist vor
allem die ukrainische Sprache (ist ganz ähnlich der russischen), welche das
immer wieder interessant macht, da hört man doch wieder und wieder hin. Mit
dieser zweiten CD, alles Eigenkompositionen und eigene Texte, die leider nicht
mitgeliefert, geschweige denn übersetzt werden, schwingen sich Olga Putova und
Elena Voynarovskaza perfekt auf eine weibliche, gefühlvolle Welle. Leichte
Magie, sehr angenehm.
Jürgen Brehme
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ENGLISH ACOUSTIC COLLECTIVE
Ghosts
(RUF Records RUF CD09)
11 Tracks, 52:37, mit engl. Infos
Interessante Theorie! Hinter jedem Musiker steht der Geist jener, von denen er
gelernt hat. Wird der Musiker zu übermütig, dann kriegt er von selbigem einen
in die Rippen. Spielt er jedoch jeden Abend nur seinen Stiefel runter, dann
schnarcht der Geist laut und gelangweilt. Dazwischen liegt des Musikers
Spielraum und das im Sinne des Wortes. Anders formuliert: Fortschritt, ohne
die Wurzeln zu vergessen.
An diese Vorgabe hält sich das englische Trio Chris Wood (Fiddle, Gitarre,
Gesang), John Dipper (Fiddle) und Robert Harborn (Concertina, Bassoon) mit
einer ziemlich ausgewogenen Mischung aus traditionellen und eigenen Stücken,
davon vier Liedern. Das ist meist ziemlich sparsam instrumentiert, manchmal
etwas sperrig, häufig typisch englisch und immer sehr durchdacht. Ab und zu
meint man: "Klingt irgendwie bekannt.", nie jedoch hat man das Gefühl: Alles
schon mal gehört. Das EAC wird dem eigenen Anspruch gerecht, denn die drei
Herren entwickeln englische traditionelle Musik auf spannende Art und Weise
weiter. Der Geist wird sehr zufrieden sein.
Mike Kamp
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STIMMHORN & KOLD ELECTRONICS
Igloo
(make up your world/Indigo makew16)
12 Tracks, 47:46, mit Infos
Bei welcher Band ärgert man sich am meisten, wenn man einen Auftritt verpasst
hat? Bei mir ist es definitiv Stimmhorn. Das Duo Christian Zehnder und
Balthasar Streiff klingt moderner als es die Einstürzenden Neubauten je waren,
werden an Einfallsreichtum maximal von finnischen Extremisten a la Kimmo
Pohjonen geschlagen und sind doch unverkennbar Volksmusiker aus der Schweiz.
Was man mit Alphorn und Obertongesang erzeugen kann, haben Stimmhorn schon
früher bewiesen. Auf "Igloo" holten sie noch das Eletronik-Genie Kold
Electronics aka Tomek Kolczynski an Bord und schufen damit ein Meisterwerk.
"Igloo" ist ein Blick aus der Sicherheit des geschützten Raumes in die weite,
unbekannte Landschaft. Mit Selbstironie und musikalischen Bildern erzeugt
Stimmhorn einmal mehr einen Film ohne Bilder. "Igloo" ist durchaus
vergleichbar mit den Remixalben der Avantgard-Legende Residents, die mit
"Eskimo" vor Jahren selbst einen Meilenstein kalter Klänge erzeugt haben.
"Igloo" lässt Menschen mit offenen Ohren verstummen, von leisem "Hör doch
mal"-Geraune abgesehen. Wer auch nur ein bisschen offen für Experimente ist,
darf an Stimmhorn nicht vorbeigehen.
Chris Elstrodt
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IVO PAPASOV
Fairground
(Kuker Music KM R 07/Choice Music)
10 Tracks; 70:27; mit Infos (bulg./engl.)
Mit Superlativen muss man ja bekanntlich geizen. Aber Ivo Papasov ist ganz
sicher einer der besten Klarinettisten der Welt. Schon Musiker wie Frank Zappa
oder David Sanborn haben das bemerkt. Bereits vor 30 Jahren, also lange bevor
Balkanmusik im Westen entdeckt wurde, startete Papasov seine Karriere, zwei
seiner Alben produzierte Joe Boyd (Pink Floyd, R.E.M.). Auf seinem neuen Album
spielt er mit seinen alten Freunden von der Trakija Band, Nesho Neshev am
Akkordeon, Vasil Denev am Keyboard und Salif Ali an den Drums. In einigen
Stücken ist Papasovs Ehefrau Maria Karafizieva mit ihrer ausdrucksvollen wie
melismatischen Stimme zu hören. Der in Gypsy und Jazz gleichermaßen bewanderte
Ausnahmeklarinettist aus Bulgarien ist kein Freund des bloßen Schneller,
Höher, Länger, Mehr. Klar, er beherrscht alle Finessen, die man als Virtuose
so draufhaben muss. Aber das wirklich Betörende an seinem Spiel ist die
Ausdrucksstärke, die er in jeden einzelnen Ton legt. Da kann er auch einmal
eine sehr, sehr langsame getragene Melodie blasen - es lässt dem Zuhörer
schier den Atem stocken.
Frank Schuster
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KARL RITTER
Atmen
(Windhund Records/ Extraplatte EX-SP 027-2/Sunny Moon)
12 Tracks, 55:49, Kurzinfo
KLAUS TRABITSCH
Zeit
(Extraplatte EX 660 003-2/Sunny Moon)
14 Tracks, 44:50, Kurzinfo
Zwei scheinbar so gegensätzliche CDs, die zwei sehr verschiedene
Herangehensweisen zeigen, die dennoch etwas Wesentliches verbindet: Beide
entziehen sich dem Tempo, der Hektik der modernen Zeit, haben "Zeit" und
"atmen" unverkrampft und sie zeigen zwei Facetten im musikalischen Verständnis
unseres Nachbarlandes.
Ritters solistische Exkursionen sind kein Folk, liebe Puristen, aber es ist
Weltmusik, das Abenteuer unentdeckter Klänge abseits jeglicher Kategorien, in
die Ritter in den Exkursionen auf seiner Gitarre mitnimmt. Da ist Bluesgefühl,
ja, doch da öffnet sich vertrautes Terrain plötzlich in unbekannte Welten, die
er aus seinem Instrument erlauscht. Doch Ritter betritt einfach die vertraute
Welt durch verborgene Tore, entdeckt, erforscht, schwelgt, lauscht...Hier
lässt sich die ganz persönliche Welt des Individualisten erleben, der sich
nicht um Kategorien schert.
Trabitsch zelebriert regelrecht alpenländisches Lebens- ja und auch
Heimatgefühl ohne Hast. Diese CD hat wahrlich "Zeit". Sie durchfließt in
nahezu liebenswürdiger Gelassenheit einfach dieses andere "Tempo" im
Lebensgefühl des Alpenraums. Dabei bleibt er an Gitarren, Ukelele, Maultrommel
und diversen weiteren Instrumenten mit seinen Kollegen der
Heimatstubenseeligkeit auf eine leichte Art und Weise fern und bekennt sich
dennoch. Hier wirkt nichts bemüht "modernisiert". Es wird gar karibisches
Flair oder Bluesgefühl eingemeindet und wirkt, als sei es schon immer dort
gewesen. So verbinden sich Trabitschs eigene Kompositionen, wie etwa der
"Alpin-Blues" auf der Dobro und vier traditionelle Stücke, wie eine
wunderschöne Version des "Edelweiß" auf der Gitarre zu einer Scheibe, die
Heimatklänge auf eine sinnliche und sehr frische Weise anbietet. Hier bedeutet
"Zeit" wirklich etwas anderes. Mit Ritter unvoreingenommen ins Abenteuer und
dann mit Trabitsch erinnern, das ist es...
Steffen Basho-Junghans
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TOM POISSON
Fait des chansons
(LQCG 405802-2)
Promo-CD, 11 Tracks, 39:49
Schau' an, es gibt es noch: das "klassisch" strukturierte französische
Chanson! Jean-Marie Couegnas aka Tom Poisson, gerade mal 30 Jahre alt, legt
sein Debütalbum vor, und es ist richtig gut geworden. Der Sänger, Gitarrist
und Comédien, der einst mit der Troupe du Phénix durch die Lande tingelte, hat
die Gabe, pfiffige Chansons zu schreiben, mit hübschen Melodien und skurrilen,
bisweilen verstörenden Texten. Das passt nicht zusammen? Und wie das passt!
Seine Geschichten drehen sich meist um Amouren mit sehr unterschiedlichen
Frauen; in "Elisabeth Martin" erinnert sich - unterlegt zu fröhlich-swingender
Musik - ein Selbstmörder (!) an den Kuss seiner ersten Liebe, in "La véritable
histoire de la femme-abeille" verzaubert eine Fee die Angebetete in die Biene
Maja! Das Ganze klingt überhaupt nicht altbacken, sondern zeitgemäß - mal
sanft, mal härter. Die Arrangements sind abwechslungsreich, transparent und
nie überladen - mit ein Verdienst des kongenialen Begleittrios um Keyboarder
Jean-Marc Pelatan (auch verantwortlich für die Produktion). Ein charmantes
Opus mit viel Witz und Ironie, das vollkommen zu Recht in Frankreich große
Beachtung fand.
Roland Schmitt
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DIVERSE
The Diaspora of Rembetiko
(network 27.418/LC 06759 /2001 Versand)
Do-CD, 33 Tracks, 149:09, mit engl./deut./franz. Infos
Wer sich für neuere Entwicklungen im Rembetiko interessiert und hören will,
wie sich Rembetiko in anderen Kulturen integriert, der ist bei diesem Album
richtig. Ein fein zusammen gestellter Sampler mit folgenden Merkmalen:
- Der Rembetiko in der Diaspora. Wie gestaltet er sich bei Auslandsgriechen zum
Beispiel in Amerika oder Australien? Immerhin ist Melbourne von der
griechischen Einwohnerzahl her die drittgrößte griechische Stadt.
- Die internationale Verbreitung des Genres durch Musiker und Filme.
- Die ästhetischen Verbindungen von Rembetiko mit anderen Musikstilen. Wie fühlt
und hört er sich in der Verbindung zum Beispiel mit einem Didgeridoo an?
31 Gruppen aus 13 Nationen sind vertreten, darunter neun Neuaufnahmen, ebenso
neuere Bewegungen in der Rembetikoszene, in der Auseinandersetzung mit neuen
Musikstilen oder elektronischen Elementen genauso wie Weltmusik mit
entsprechenden Elementen.
Alle Interpreten hier aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, stellvertretend
seien genannt Stelios Vamvarakis; Ross Daly und die deutsch/griechische Gruppe
Zotos Kompania.
Absolut empfehlenswert für Freunde des Rembetiko und solche, die es werden wollen.
Wolfgang Schmid
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YANN-FANCH KEMENER & ALDO RIPOCHE
An dorn
(Buda musique 3016971)
15 Tracks; 53:56; mit bret. und frz. Texten sowie engl. Infos
Yann-Fanch Kemener, einer der wichtigsten Sänger der Bretagne, hat einen neuen
musikalischen Partner gefunden: den Cellisten Aldo Ripoche. Dass dieser nicht
einfach Begleiter ist, macht schon das Cover deutlich: in warmen
Rot-schwarz-Tönen ist dort allein Cello und Hand von Ripoche zu sehen. "An
Dorn" (die Hand) ist auch der bretonische Titel der CD, die Hand als Symbol
der Offenheit, der Zusammenarbeit, der Zärtlichkeit. Ripoche zupft und
streicht das Cello, spielt Läufe, Akkorde und Melodien. Oft werden mehrere
Cello-Spuren übereinander gelegt, so dass der Sound eines Kammer-Ensembles
entsteht. Mit Aldo Ripoche hat sich Kemener also eine neue Klangwelt
erschlossen, so wie einst beim Zusammengehen mit dem Pianisten Didier Squiban.
Kemener selbst ist gut wie immer, die Stimme warm und kehlig, die Artikulation
exakt und federnd. Das Material der CD ist überwiegend traditionell, einige
Stücke hat Kemener sogar selbst bei alten Leuten oder in Archiven "entdeckt".
Gesungen wird ausschließlich auf bretonisch, einmal sogar a capella, dafür hat
auch Ripoche ein Cello-Solo, wie es sich für Partner gehört. Ein rundum
geschmackvolles Album.
Christian Rath
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LASAIRFHIONA NI CHONAOLA
An Raicín Alainn
(LNC 001)
14 Tracks, 43:10, mit Texten und Übersetzungen
Lasah-riina Ni Hunniil-ah wird sie ausgesprochen, die junge, von den Aran
Islands stammende Sängerin mit der erdigen, warmen Stimme. Ihr Debütalbum, das
sich in den tiefen Ackerfurchen der Sean-Nós-Gesangs-Tradition von Inishere
bewegt, hat in der irischen und amerikanischen Presse einen wahrhaftigen
Jubelsturm ausgelöst. Von "The Irish Times" über "RTE Radio 1" bis zu "Dirty
Linen" werden ihr beiläufige Eleganz, selbstverständliche Stilsicherheit und
Experimentierfreudigkeit bescheinigt - Lorbeeren, mit denen sich nicht zuletzt
das Trinity College Dublin schmücken darf, denn hier bekam die Aufsteigerin
ihren letzten Schliff in Celtic Studies.
Es stimmt: besonders im Solo-Stück "Fair Una" changiert LNCs Stimme auf
überraschende Weise zwischen mädchenhaften Höhen und einer reifen,
beruhigenden Tiefe. Und mit Kompositionen ihres Vaters Dara O Conaola sowie
eigenen, moderneren Arrangements schlägt die Sängerin selbstbewusst eine
Brücke von den Wurzeln ihrer Inselheimat zu ihrer Gegenwart. Eingebettet ist
ihr Gesang in Akkordeon, Geige, Bratsche, Bodhrán, Harfe, Klavier und
Whistles.
Elise Schirrmacher
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JEZ LOWE AND THE BAD PENNIES
Doolally
(Tantobie Records TTRCD 105)
12 Tracks, 55:13, mit Texten und Infos
Mit "Doolally", seinem 14. (!) Album, legt der aus dem nordwestenglischen
Durham stammende Sänger mit der Samtstimme zwölf neue, herausragende Lieder
vor. Die Begleitband Bad Pennies besteht in der aktuellen Besetzung aus
einigen der gefragtesten, jungen Musikern Northumberlands. Die exquisite
Fiddlerin und Vokalistin Kate Bramley, gehört dazu. Andy May, ein junger,
einfühlsamer Dudelsackspieler, der vor allem auf (selbstgebauten) Northumbrian
Pipes brilliert, aber auch Uilleann Pipes und nebenbei Whistle, Piano und
Akkordeon spielt. Er verpasst dem nordenglischen Sound der Band einen leicht
keltischen Charakter, dem Sean Taylor mit Percussions und vor allem mit einem
agil, doch einfühlsam gespielten Fretless-Bass die nötige Tiefe verleiht. Die
Band unterstützt mit großer Spielfreude und traumhaft schönen Arrangements
Lowes Gesang, der das Line-Up mit Gitarre und Cittern, gelegentlich auch mit
Dulcimer und Mandoline vervollständigt.
Einmal mehr erweist sich Lowe als Geschichte- und Geschichtenerzähler der
Extraklasse. Seine Lieder haben oft regionalen oder historischen Bezug oder
beschäftigen sich mit der politischen und wirtschaftlichen Situation in Lowes
Heimatregion. Neben melancholischen, emotional tief berührenden Songs kommt
jedoch auch der Humor nicht zu kurz. Jez Lowe könnte das Londoner Telefonbuch
singen, es klänge immer noch wie eine mittlere Offenbarung.
Ulrich Joosten
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ANNBJØRG LIEN
Aliens alive
(Grappa GRCD 4178)
12 Tracks, 70:32
Annbjørg Lien erweist sich auf dieser vielseitigen CD als wahre
Teufelsgeigerin. Die mehrsprachigen Titel der Stücke sagen es schon, "The
Water Lily" muss einfach sanfter und romantischer klingen als "Loki". Loki war
der böse Intrigant in der nordischen Götterschar, und Joiker Ailo Gaup
gelingen hier auch wirklich teuflische Zwischentöne (schade, dass diese CD,
Norwegen-üblich, mal wieder ganz ohne Infos über Herkunft oder Bedeutung von
Titeln und Stücken ist). Neben Ailo Gaup wirken noch acht andere Herren auf
verschiedenen Instrumenten mit, besonders erwähnen müssen wir Bjørn Ole Rasch,
der auch als Komponist bzw. Arrangeur auftritt, immer zusammen mit Frau Lien.
Gemischt wie die Titel sind die Stile, neben Joik-inspiriertem gibt es Werke,
die gerade noch an der Grenze zum New Age-Klangteppich vorbeisäuseln, anderes
könnte eine Komposition ihres erfolgreichen Landsmanns Ketil Bjørnstad sein,
schriebe der denn für Geige, dann wird es wieder lebhaft und sogar leicht
schottisch angehaucht, "Larry goes a-driving" (abermals Lien/Rasch
zugeschrieben) klingt wie das bekanntere "The hen's march through the midden",
nur marschiert die Henne hier klangmäßig eben doch eher durch Norwegens
Obstanbaugebiet Hardanger. Großartige CD (allerdings live, bisweilen nervt das
rhythmisch klatschende Publikum), mit anderen Worten, großes Hörerlebnis, und
wie zumeist die Bitte nach Norwegen: Gebt uns Infos!
Gabriele Haefs
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RACHEL WALKER
Bràighe Loch lall
(Skipinnish Records SKIP 03)
14 Tracks, 53:34, mit engl. Infos und engl./gäl. Texten
Was macht ein Runrig-Mann, wenn er nicht gerade an einer neuen CD feilt oder
auf Tour ist? Generell ist diese Frage schwer zu beantworten, auf den
Gitarristen Malcolm Jones bezogen jedoch kann man feststellen: Er beschäftigt
sich auf diverse Art und Weise mit der traditionellen Musik seiner Heimat. So
z.B. als Musiker und Produzent der gälischen Sängerin Rachel Walker, die eine
dieser Stimmen hat, die für dieses Genre typisch sind: zart, aber dennoch
stark. Die CD ist in zweifacher Hinsicht ausgewogen: Das Material ist eine
gute Mischung aus alt und neu, Waulking Songs, Schlaf- oder Ruderliedern und
teils ergreifenden Balladen. Und die Arrangements reichen von a capella-Gesang
über schlichte Pianobegleitung (Allan Henderson) bis zu dezenten
Runrig-Anleihen ("Rathad Iéricho"). Hinzu kommt ausgiebige gesangliche und
instrumentelle Unterstützung diverser Größen der schottischen Szene, wobei
alleine Produzent Jones neben der Gitarre auch Bass, Akkordeon, Keyboards,
Percussion, Programming und Back Vocals beisteuert. Garantiert eine feine CD
für Freunde der gälischen Musik, vielleicht aber auch eine für undogmatische
Runrig-Fans.
Mike Kamp
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MOTION TRIO
Pictures from the Street
(Asphalt Tango records 2004, Vertrieb Indigo ATR 0504)
11 Tracks, 43:27, mit engl. Infos
Das Akkordeon auszureizen, nie gehörte Klänge zu entlocken, dieses große Ziel
wollten die drei Krakower Akkordeonisten mit dieser CD erreichen. Das
musikalische Können dazu haben sie, die alle drei das Akkordeon seit ihrer
Kindheit spielen und es studiert haben. Zumindest ist ihnen eine der
dichtesten und ungewöhnlichsten Akkordeon-Produktionen bisher gelungen: drei
Akkordeons, die nicht langweilig werden. Sie spielen sich durch alle möglichen
Genres und Motive, eröffnen mit dem weltweit bekannten Kino-Akkord, klingen
wie eine Zugfahrt, nach Jazz oder Klassik, natürlich auch nach Tango und
Walzer. Ohne jede elektronische Hilfe schaffen sie ein weites und
interessantes Klangspektrum, welches diesem Instrument gemeinhin nicht
zugetraut wird. Besonders erwähnenswert erscheint, dass trotz der Vielfalt und
Grenzauslotung eine wunderbar geschlossene CD entstanden ist, die man auch
nach wiederholtem Hören richtig genießen kann. Ein guter Griff des noch
relativ jungen Labels Asphalt Tango.
Jürgen Brehme
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DIVERSE
The Lovers Rock Story
(Kickin music KICKCD128; Bezug: Jonas Woost/Kickin Music/Unit 8 Acklam Workspace/10 Acklam Road/London, W10 5QZ, UK)
15 Tracks; 52:06; mit Infos (engl.)
1977: Clash, Jam, Talking Heads, Ramones erscheinen auf der Bildfläche.
Gleichzeitig steht Bob Marley auf seinem Zenit. Die meisten New-Wave-Bands von
Police bis Fischer-Z integrieren Ende der Siebziger Reggae-Elemente in ihre
Musik. Außerdem erlebt in England der Ska sein Revival.
In eben jenem Jahr 1977 entstehen auch viele Aufnahmen auf dem "Lovers
Rock"-Label von Dennis Harris, einem Jamaikaner, der 1955 seine Heimat
verlassen hatte und nun in London Plattenladen und Studio betreibt. Das
Equipment ist mäßig, LoFi der Standard. Doch was der Sound nicht hergibt,
macht Lovers Rock durch kommerziellen Charme wett. Vor allem junge Frauen
stehen auf die Kuschelsongs, erliegen dem schmeichelnden warmen Groove - auch
weil sie sich mit den ebenfalls sehr jungen Künstlerinnen des Labels
identifizieren können.
Die weiße Kritik ließ diese eher banale Musik links liegen. Daran änderte auch
die Tatsache nichts, dass bekannte Größen der britischen Reggae-Szene wie John
Kpiaye und Dennis Bovell im Studio an den Reglern saßen. Die Künstler/innen
kennt dagegen heute kaum noch wer: Brown Sugar, Cassandra, TT. Ross
beispielsweise. Doch diese Stücke aus der frühen Lovers-Rock-Zeit wirken heute
durch ihre berückende Naivität und Herzenswärme; darunter auch Raritäten wie
die Off-Beat-Fassung von Peter Greens "Albatros" von John Kpiaye. Da wird
mancher Wintertag ein paar Grad wärmer.
Volker Dick
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THE DUBLINERS
with Luke Kelly
(Castle Music/Sanctuary Records CMRCD785)
24 Tracks, 62:12, mit engl. Infos
In Concert
(Castle Music/Sanctuary Records CMRCD789)
23 Tracks, 69:51, mit engl. Infos
Finnegan Wakes
(Castle Music/Sanctuary Records CMRCD787)
20 Tracks, 57:42, mit engl. Infos
Spirit Of The Irish
(Sanctuary Records TVSAN003X)
20 Tracks, 65:39, mit engl. Infos
So fing das alles an! Ehrlich, wer weiß, ob es ohne die ersten 3 LPs/CDs der
Dubliners ab 1963 heute überhaupt diese enorme Wertschätzung gäbe, die Irish
Folk weltweit genießt. Das beginnt mit dem damals noch unverbrauchten "Wild
Rover" und definiert in seiner Gänze im Prinzip einen Großteil des
Repertoires, mit dem die Dubliners bis heute regelmäßig touren. Nur waren
damals noch Ciarán Bourke und (nicht durchgehend) Luke Kelly dabei und alles
klang neu und richtig aufregend. Zu den drei
Orginal-Transatlantic-Veröffentlichungen gesellen sich, der erweiterten
Kapazität der CDs sei Dank, noch jeweils eine stattliche Anzahl von
Bonustracks, zwei davon sogar bislang unveröffentlicht.
Die CD "Spirit Of The Irish" hat man nicht ganz unbescheiden "The Ultimate
Collection" betitelt. So ganz falsch ist das jedoch nicht, wenn man die große
Menge an obskuren Samplern berücksichtigt, die von bzw. über die Dubliners
veröffentlicht wurden. Hier nämlich sind 20 Top-Titel von 1963 bis 2002 und
das sind tatsächlich die bekanntesten Songs der Gruppe.
Ja, so fing das alles an und es ist gut zu wissen, dass diese Musik zumindest
auf Konserve den Sprung ins nächste Jahrtausend geschafft hat.
Mike Kamp
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