DIE BESONDERE - AFRIKA
MIKIDACHE
Mikidache
(World Connection/Qrious)
12 Tracks, 46:34; Texte und Infos in Französisch und Englisch
In Sachen Popmusik sind die Komoren mit Mikidache auf das Feinste vertreten.
Seine musikalischen Aquarelle sind von einer spielerischen Leichtigkeit, die
darüber hinwegtäuscht, dass hier feinstes Kunsthandwerk die Basis bildet. Die
Inselgruppe zeigt musikalische Einflüsse von der großen Nachbarinsel
Madagaskar, dem nahegelegenen afrikanischen Kontinent (insbesondere der
Swahili-Kultur des islamisch geprägten Ostens), und, aus alter Zeit, aus der
arabischen Welt. Via Madagaskar sind auch indonesische Färbungen zu erkennen.
Mikidache ist es gelungen, aus dieser Vielfalt zu einem stringenten Programm
mit sehr persönlicher Note zu finden, gefällig, aber nie seicht, der Popmusik
zugewandt, aber fest in der heimischen Kultur verankert - auch wenn er längst
in Paris lebt. Dort fand er auch zwei hochkarätige Zulieferer: Akkordeonist
Regis Gizavo aus Madagaskar sowie den umtriebigen Kameruner Schlagzeuger Brice
Wassy, der sich in Mikidaches Musik einfühlt, als hätte er nie woanders gelebt
als auf den Komoren. Nicht zu vergessen den betörenden Flötisten Magic Malik
aus Elfenbeinküste, der das "Magic" im Namen völlig zurecht führt. Für sein
erstes Album erhielt Mikidache in Frankreich den Prix Decouvertes als beste
Neuentdeckung. Mit dem neuen Album räumt er jeden Zweifel aus, dass es sich um
Anfängerglück gehandelt haben könnte. Die Arrangements sind durchdacht, die
Instrumente ergänzen sich vorzüglich und stehen sich an keiner Stelle im Weg.
Die Musik kann atmen und ist doch tragfähig genug, für Tanzlaune zu sorgen.
Der Chorgesang könnte ein Gemeinschaftswerk von Lokua Kanza und Richard Bona
sein (ein Prädikat für sich!), er ist sehr unterschiedlich gesetzt und sorgt
für einen großen Farbenreichtum. Und dann ist da noch Mikidaches Stimme, sie
erinnert an den Südafrikaner Vusi Mahlasela: immer eindringlich, nie
aufdringlich. Nicht vergessen: Es ist ein Popmusik-Album. Schade nur, dass
Popmusik nicht immer so schön ist. Ein durch und durch wunderbares Album.
Luigi Lauer
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DIE BESONDERE - GITARRE
JUAN CARLOS ROMERO
Romero
(harmonia mundi ibérica)
8 Tracks, 39:53, mit Infos
Das zweite Soloalbum des 1964 in Huelva geborenen Flamencogitarristen Juan
Carlos Romero. Im Alter von acht Jahren erhielt er seinen ersten Unterricht
vom Vater und bereits mit 10 Jahren geriet er an einen echten Meister des
Instruments: Miguel "El Tomate de Almería". Im Laufe seiner Karriere arbeitet
er mit den großen Künstlern seines Landes zusammen. Er machte sich einen Namen
als Begleiter der ersten Garde von Flamencosängern: José Mercé, Turronero,
Chano Lobato, Paco Toronjo ... Es folgten Orchesterarbeiten, Filmprojekte
(u.a. in Sauras "Sevillanas" und "Flamenco") und 1997 sein erstes von der
Kritik hochgeschätztes Soloalbum "Azulejo".
Für sein neues Projekt mit dem schlichten Titel "Romero" hat er sich in
besonderem Maße den jüngeren Sängern der Szene zugewandt: der mittlerweile
preisgekrönten Estrella Morente und El Vareta. Seine kongeniale Zusammenarbeit
mit der Tänzerin Eva Yerbabuena findet ihren Niederschlag in "El Tiempo",
einer "Farruca". In diesem Tanz, der aus Galizien und Asturien nach Andalusien
gelangte, ist das faszinierende Miteinander, wenn auch leider nicht optisch so
doch akustisch zu bewundern. Romero ist ein Künstler, der ein tiefes
Bekenntnis zur Tradition ablegt. Dem nahezu zwanghaften
"Immer-Neues-Schaffen-Müssen" vieler Gitarristen der Gegenwart setzt er
entgegen, dass ein Künstler nicht immer gleichzeitig auch Autor der Musik sein
muss, die er spielt. Dieses innige und gleichzeitig entspannte Verhältnis zur
Tradition erlaubt Romero einen offenen Blick für die aktuelle Situation des
Flamenco mit seinen Entwicklungsmöglichkeiten und Begrenzungen. Tief bewegend
der gesangliche Beitrag von Estrella Morente in "Campana del Alosno", einem
Fandango aus Huelva, der schließlich unvermittelt und mysteriös unerlöst
abbricht.. Eine echte Neuheit und Überraschung stellen chorische Passagen dar,
"voces gospel", aus dem Jazz besser als Stimmen in "close harmonies" bekannt.
So z.B. im abschließenden "Isla Canela", einer hinreißenden Rumba. Ein in
jeder Hinsicht herausragendes Album eines phantastischen Gitarristen, der die
Flamencogeschichte zwar nicht neu schreiben will, aber schon jetzt in einem
Atemzug mit den ganz Großen genannt werden darf.
Rolf Beydemüller
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DIE BESONDERE - POLEN
DIKANDA
usztijo
(Kultur in der Landschaft 2004, Vertrieb Jaro)
10 Tracks, 45:14, Text, Fotos im Pappcover
Die Welt, aus der diese junge Stettiner Band ihre Musik schöpft, reicht weit
über Osteuropa hinaus bis nach Asien und Afrika. "Es ist egal, ob eine Musik
von Zigeunern oder Indern gesungen wird." sagt Frontfrau Ania Witczak.
"Wichtig ist, dass sie das Herz von Dikanda erreicht, dann spielen wir sie."
Dass Dikanda mit dem Herzen spielt, strahlt jeder ihrer Auftritte aus, die
eine ungeahnte Intensität erreichen. Damit sind nicht nur solche Stücke wie
der Titelsong der CD "usztijo" gemeint, die ihre mitreißende Ausstrahlung
allein schon durch starken Rhythmus, treibendes Violinspiel und dem Gesang
einer großartigen Gesangslady erreichen. Oder ihre afrikanische Tanzeinlage,
die den Höhepunkt der meisten Konzerte bildet. Es gelingt Dikanda genauso gut,
mitten aus den heißesten Rhythmen heraus eine besinnliche Ballade voller
Sehnsucht und Gefühl anzustimmen - die Hörerschaft ist gebannt. Zur
musikalischen Reife wird die CD gerade durch diese gefühlvolleren Aufnahmen
gebracht. Besonders auffällig ist die fast zehnminütige Version der durch
Goran Bregovic berühmt gewordenen Zigeunerballade "Ederlezi". Durch dieses
Werk wird man hindurch getragen von Anias inniger Stimme, gekrönt von einem
wunderbaren Gitarrensolo. Dieses Lied hat das Herz von Dikanda berührt und
erreicht genauso unmittelbar das Herz der Hörer.
Dikanda erreichen auch auf dieser dritten CD ihr dichtes Klangbild und ihre
große Intensität noch immer unter Verzicht auf jegliche elektronische
Spielerei. Die Musik bleibt direkt und bodenverhaftet, nah an der jeweiligen
Tradition. Die intensive Ausstrahlung erreichen die Musiker durch ihre
Virtuosität, ihr gelungenes Zusammenspiel und das Arrangement. Man höre sich
nur die Stimmung an, die sie zum Beispiel bei "kin-chim" nur durch Violine und
Perkussion erreichen! Vor allem gewinnt Dikanda aber durch ihre Emotionalität.
Selbst auf der CD, die an einen Live-Auftritt der Gruppe nicht heranreicht,
strömt diese Begeisterung für die Musik der Welt, diese Freude und Sehnsucht
aus jedem Titel. Eine CD voller Ohrwürmer, die weder Herz noch Fuß ruhig
bleiben lässt.
Jürgen Brehme
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