back Rezensionen Nordamerika


DEVENDRA BANHART
Nino Rojo

(XL Recordings XLCD185 / Indigo)
Promo-CD 16 Tracks; 45:15

Über weite Strecken klingt auch das zweite Devendra-Banhart-Album innerhalb eines halben Jahres nicht weniger skizzenhaft als der Vorgänger, doch haben alle Beteiligten deutliche Fortschritte bezüglich Dynamik und Produktion gemacht. Das völlig Abgedreht-Verhuschte seiner Singer/Songwriter-Autorenmusik, mit dem der gerade mal 23-jährige Jesus- Lookalike es über die Indie-Mundpropaganda in die internationalen Mainstream-Kanäle schaffte, scheint deutlich auf dem Wege nach draußen zu sein: Prompt geht es, kaum dass erstaunliche Kritikererfolge dem ehemaligen Obdachlosen mit ihren Elogen auf seine Schrägheit die Türen in die Mainstreammedien geöffnet haben, rundum kraftvoller, pointierter und damit auch herkömmlicher zur Sache. Was ganz gewiss kein Nachteil sein muss: Songs, die sich vor allem anderen durch besondere Flachheit und Stumpfheit und Unfertigkeit auszeichnen wie die von Banharts letztem Album, können auf Dauer keine guten Songs sein. Dieser Außenseiter von den Rändern des Geschäfts mit dem schönen Popmusikschein scheint sehr schnell zu lernen, wie es nach drinnen geht. Es wird interessant sein, wie dies den Enigmatikern in den Medien, die den gebürtigen Texaner aus New York dahin gebracht haben, wo er nun steht, schmecken wird ...

Christian Beck

 

DEVENDRA BANHART - Nino Rojo


SUE FOLEY
Change

(Guitar Woman Productions / Ruf Records RUF 1096)
12 Tracks, 50:06, Digipack mit Infotext (kein Booklet)

Einen Wandel hielt Sue Foley, die Bluesgitarrenlady mit der Saloonstimme, den blondierten Haaren und dem extravagant roten Lippenstift, wohl für notwendig: Und so ist ihr neues Album eine Live-CD und obendrein noch ihre erste Akustikgitarrenplatte. George Harrisons Klassiker "Here comes the Sun" oder das Traditional "Hard Working Woman" gelangten ebenso in das spontan zusammengestellte Konzertrepertoire, wie Sue Foleys eigene Songs "Shake the thing" - oder eben der Titelsong "Change". Stärkend zur Seite stehen der Gitarristin für dieses Album Mike Turenne (b), Tom Bona (dr) und Graham Guest (keys). Das Ergebnis kann sich hören lassen: Krachende, vehement gespielte Bluessongs mit Foleys gekonnten, mit ihrer speziellen Note versehenen,Vocals sorgen für stimmungsvolle Unterhaltung und überzeugten nicht nur das vor Ort anwesende Publikum, sondern fesseln auch den Hörer am heimischen CD-Player. Und wenn Sue Foley bei Change zu der Zeile "Change is the only thing that ever stays the same" gelangt, wer möchte da nicht aus vollem Herzen mitsingen?

Carina Prange

 

SUE FOLEY - Change


DAVID MUNYON
Seven Leaves in a Blue Bowl of Water

(Stockfisch/in-akustik SFR 357.6033.2)
13 Tracks, 67:54, mit Texten und Infos

More Songs for Planet Earth

(Stockfisch/in-akustik SFR 357.6032.2)
13 Tracks, 66:58, mit Texten und Infos

Zwei neue Produktionen aus dem Hause Stockfisch-Records legt der Experte für akustische Musik, Günter Pauler, vor. Es handelt sich um bislang unveröffentlichte Songs von David Munyon, dem amerikanischen "Poeten der leisen Töne". Die Aufnahmesessions der Jahre 1996 und 1997 zeigen das ganze Können des wunderbaren Sängers und Gitarristen. Durch Begleitmusiker wie Steve Baker, Mundharmonika, Hans-Jörg Maucksch, Bass, Chris Jones, Gitarre, und Beo Brockhausen, Perkussion, wird die Scheibe zu einem audiophilen Kleinod geschliffen. Die Texte sind in der Liedermacher- Tradition eines Townes Van Zandt anzusiedeln, wobei Munyon keinen Vergleich scheuen muss, hat er doch seit Jahren seine eigene unverkennbare Handschrift. Die Modulation seines Gesangs und die Texte seiner Lieder sind in der ganzen Schönheit bei "Maureen O'Hara" und "Words of Love" zu hören. Melancholische Momente von Liebe und Verlust, Größe und Schmerz geben dem Hörer einen Einblick in das Reise-Leben des großen Singer- Songwriters. Munyon versteht es wie kaum ein anderer Musiker, mit seiner intensiven und fast traurigen Stimme die Lebensberichte in richtige Verse und Melodien zu verwandeln. Auch live ist seine Musik immer wieder fesselnd.

Annie Sauerwein

 

DAVID MUNYON - Seven Leaves in a Blue Bowl of Water

DAVID MUNYON - More Songs for Planet Earth


BOBBY RUSH
Folk Funk

(Ruf Records 1099)
11 Tracks, 49:43

Wer diesen Sommer aus Martin Scorseses Filmreihe "The Blues" den Film "The Road to Memphis" gesehen hat, erinnert sich bestimmt noch an die Szenen mit Bobby Rush. Der Film zeigt ihn als "Hard Working Man" im Blues-Business, der mit seiner Band im Tourbus durch den Süden der USA tingelt und in (meist zweitklassigen) Clubs eine (oft anzügliche) Show vor (altersmäßig durchwachsenem) Publikum bietet. Zwischen den Auftritten dann private Momente, Szenen, Gespräche im Tourbus mit der dem Blues eigenen einfachen, aber aufrichtigen Sprache und Philosophie.

Einfach und ehrlich sind dann auch die Prädikate, die diese CD am besten beschreiben. Eingerahmt durch den treibenden Boogie der Stücke "Feeling Good - Part One" als erstes und "Feeling Good - Part Two" als letztes Stück kommt trotz Studioaufnahme viel "Live-Feeling" auf. Bewusst wurde gelegentliches Verstärkerbrummen nicht herausgefiltert, ebenso sind dann und wann kurze Zurufe der Musiker während der Stücke zu hören. Bobby Rush singt und spielt Mundharmonika (hervorragend z.B. auf "Ninety-Nine"), Charlie Jenkins (Drums) und Steve Johnson (Bass) sorgen für unerschütterlichen Groove und Alvin Youngblood Hart brilliert sowohl rhythmisch als auch solistisch an der Gitarre. Das absolute Highlight der CD ist dann auch "Voodoo Man", das mit seinem schleppenden Takt und dem Wechsel der beiden Gitarren zwischen Solo- und Melodielinie viel tiefen Süden atmet.

Achim Hennes

 

BOBBY RUSH - Folk Funk


ERNIE PAYNE
Coercion Street

(Black & Tan Records CD B&T 019 / New Music Distribution)
11 Tracks, 43:23, mit Infos u. Texten (engl.)

Der Sound ist bluesig, das Feeling rootsig, der musikalische Horizont weit, die Haltung entspannt und das Ergebnis erstklassig! Und das nicht nur wegen der geradezu fantastischen Folk-Teppiche, welche die Saiteninstrumente auf "Coercion Street" mitunter weben, sondern gerade auch wegen der Anklänge an, sagen wir, T. Rex' "Get it on" in "Nothing Wrong with Texas (That Leaving won't fix)" oder John Hiatt, immer dann, wenn auch nur ansatzweise gesungen wird. Anklänge, wohlgemerkt, wird doch in beiden Fällen die durchgehende angenehme Zurückgenommenheit zum besonderen Pluspunkt - wie auch auf dem Rest des formidablen Albums. Einfühlsamkeit geht dem afroamerikanischen Gitarristen und Sänger vor Knalleffekten, Souveränität vor Gimmicks. Bis ein regelrechtes Paradoxon von den Ohren her seine heilsame Wirkung entfaltet: Mag die grundsätzliche Disposition auch noch so elektrisch sein, so sind es doch die leisen Töne, die die nachhaltigste Wirkung entfalten. Je sanfter, mit desto mehr hypnotischem Sog. Je friedlicher, desto nachhaltiger. Und ohne jeglichen ungesunden Zorn - wer so gelassen in sich ruht, der kann auch entsprechend unaufgeregt seinen Blick schweifen lassen.

Christian Beck

 

ERNIE PAYNE - Coercion Street


BOHOLA
4

(Shanachie 78058/Just records Babelberg)
10 Tracks, 73:31, mit Infos

Jimmy Keane (Akkordeon, Gesang), Sean Cleland (Fiddle), Pat Broaders (Dordan, Gesang) und Kat Eggleston (Gesang) heißen die Mitglieder der in Chicago ansässigen Formation "Bohola". Auf ihrem vierten Album "4" (dem zweiten bei Shanachie veröffentlichten) kombinieren sie in ihrer fröhlichen Art Eigenes mit Traditionellem und beweisen tatsächlich, was sie im Booklet behaupten: dass Chicago aufgrund der stark ausgeprägten Irisch- Amerikanischen Community das 33. County Irlands ist. Im wuseligen Opener-Jig "Callipygian" proträtiert Keane seine Frau Susie - und diese musikalische Phantasie durchzieht das gesamte Album. Beeindruckend ist dabei, wie souverän diese Band sowohl das langsame wie auch das schnelle Tempo beherrscht.

Eine Eigenheit dieser Band ist die Liebe zur langen Form. Immer wieder umspannen zahlreiche Tunes die einzelnen Songs, wobei auch schon mal ein Reel- Rhythmus in einen Marsch übergeht und umgekehrt. Der Flirt mit der Marschmusik, den Bohola generell auf "4" eingeht, ist Geschmacksache.

Elise Schirrmacher

 

BOHOLA - 4


JULES SHEAR
Sayin' Hello to the Folks

(Valley Entertainment Inc. VLT-15182 / MP.Media)
12 Tracks; 38:43, mit Infos (engl.)

Aber hallo! Wenn ein gestandener Musiker ein Album mit seinen Lieblingssongs anderer Interpreten vorlegt, kann das zweierlei bedeuten: Seine Karriere ist in eine Sackgasse geraten - oder er hat über die Jahre genug Souveränität erworben, anzuerkennen, wo andere besseres Material liefern. Auf Jules Shear trifft wohl beides zu: Aller tollen Live- wie Studioarbeit zum Trotz weder mit seinen Polar Bears, noch solo irgendwohin gekommen, ist die Zeit des Egos vorbei. Gemeinsam - hie Autor, da Interpret - ist ja einfach auch alles viel schöner, es bitten zum Schwelgen in Erinnerungen: Woody Guthrie ("1913 Massacre"), Bob Dylan ("In the Summertime"), James Brown ("Ain't that a Groove"), Brian Wilson ("Guess I'm dumb"), Dusty Springfield, Todd Rundgren, Procol Harum, Dave Clark Five, Joe Tex, Roger Miller, Chris Kenner and the Cinderellas. Gemeinsam haben sie zu einem richtigen Team zusammengefunden, vom Interpreten ganz hervorragend eingestellt: instrumental stark traditionsverbunden arrangiert, ohne überflüssigen Schnickschnack produziert, mannschaftsdienlich voll auf den jeweiligen Punkt musiziert. Man ist unwillkürlich geneigt, anderen Talenten da draußen ähnliche Karriereverläufe an den Hals zu wünschen ...

Christian Beck

 

JULES SHEAR - Sayin' Hello to the Folks


BIG DADDY WILSON & DOC FOZZ
My Day Will Come

(Crossroads Records CRCD-060)
15 Tracks, 51:41, mit Infos und Texten

Fünfzehn Blues-Akustiker in Minimalbesetzung, und das bedeutet : Wolfgang Feld (alias Doc Fozz) spielt Gitarre und Wilson Blount (alias Big Daddy Wilson) singt. Je Stück kommt noch ein weiteres Instrument oder Background-Gesang dazu und fertig ist das Projekt "Back To The Roots".

Schon mit der Eigenkomposition "Talk To Myself" wird die relaxte Grundstimmung der CD vorgegeben, und im Wechsel mit Traditionals und "Klassikern" folgen teils atemberaubende Momente. So lässt die erste gesungene Strophe des altehrwürdigen Gershwin-Stücks "Summertime" schon fast das Abkippen in eine weitere schwülstige Version befürchten, wird dann aber durch Rhythmuswechsel, Congas und Rainer Gaffreys Gitarrenlicks und -fills in die (akustische) Umlaufbahn geschossen. Oder auch "Grandmas' Hands" : Neben dem Original von Bill Withers besteht (zumindest für mich) bisher eigentlich nur die Version von Gil Scott Heron - nun kommt eine weitere hinzu, eine akustische Fassung nämlich, und die ist so beseelt (im Sinne von Soul) wie die gesamte CD.

Achim Hennes

 

BIG DADDY WILSON & DOC FOZZ - My Day Will Come

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