SIGRID DOBERENZ
Das Federbett : Ein Tanzkurs mit deutschen Volkstänzen / Musik v.
Folkländers Bierfiedler, Leipzig, und JAMS, Berlin (Einspielungen 1981-84)
Leipzig : Löwenzahn, 2003
1 DVD-Video u. 1 Audio-CD; mit Begleitbuch
ISBN 3-9804766-7-7
Ein Tanzkurs mit deutschen Volkstänzen - Rückkehr zu den Wurzeln der
(ost)deutschen Folktanzbewegung in high-tech-Form! Tatsächlich waren es
die deutschen Tänze, die aus dem Folk-Revival der 70er Jahre heraus eine
richtige Tanzmanie entfachten. Eine Manie, die zu übervollen Hallen und zu
vielen zum Tanz aufspielenden Folkgruppen führte. Und zu einer Leipziger
Besonderheit, zu einer richtigen "Volkstanzschule", die gerade ihr 20.
Jubiläum gefeiert hat. Wer den begeisterten Schilderungen von der
Masseneuphorie, die Volkstanz vor 20 Jahren auslöste, heute keinen Glauben
schenken mag, kann sich vom Tanzbüchlein erst einmal eines Besseren
belehren lassen. Denn einige Seiten lang wird dieser Erinnerung gefrönt,
Fotos aus der Kongresshalle "beweisen" es: Volkstanz war plötzlich eine
Massenveranstaltung.
Das Jubiläum ist Anlass für eine Neuauflage alter Aufnahmen der Tanz-
Anfangszeit. 20 altbekannte Tänze liegen nun auf zwei Silberlingen und im
Begleitbuch vor. Die Auswahl entspricht im Wesentlichen der zweier MCs aus DDR-
Zeiten. Zusammengestellt vom damaligen Folkklub, in dem niemand Bezug zu
regionalen Traditionen, jeder aber Zutritt zum Tanzarchiv hatte. Es finden sich
alle Grundtanzarten (Polka, Schottisch, Walzer etc.) in wenigstens einer Form
wieder, dazu ein paar besondere Tänze wie der Purzelbaumtanz oder der
Massentanz Tampet. Doch heute zieht man alle technischen Register, von denen
man vor 20 Jahren nur träumen konnte.
Das Büchlein hat zu jedem Tanz etwas Tanzgeschichte und Begriffsbestimmung
parat, bevor der Tanz in leicht verständlicher Tanzsprache beschrieben
wird. Die verwendeten Fassungen und Aufstellungen sind alle im Voraus
erklärt und skizziert.
Passend zur Tanzauswahl gab es Tanzeinspielungen aus den Jahren 1981-84 der
beiden bekanntesten Tanzbands: Folkländers Bierfiedler und JAMS. Diese
wurden einst im staatlichen Studio eingespielt und waren nur auf Kassette
erhältlich. Beide Gruppen gaben den Tanzmelodien einigen Schwung, was bei
der kargen Quellenlage sicher nicht ganz einfach war. Die Tänze wurden
damals in echter Tanzzeit eingespielt, so dass einige Aufnahmen ewig lange
währten. Aus dem damaligen Fundus wurde jetzt wieder geschöpft,
remastert und leider auch gekürzt. Sicher werden mit diesen alten
Aufnahmen nostalgische Wünsche erfüllt; sie sind aber als
Tanzaufnahmen unverändert attraktiv.
Das ganz Neue ist jedoch die DVD, deren technische Möglichkeiten wunderbar
genutzt wurden. Jetzt kann man in jeden Tanz, in jeden einzelnen Tanzschritt
hineinklicken und ihn sich so oft ansehen, wie nur gewünscht. Während
man wählt, wird durch Einspielung der Musik und schöner
Detailansichten eine wunderbare Stimmung erzeugt. Dass die Tanzpaare nicht
fernseh-professionell sind, was man nur an Details sieht, macht alles
szenemäßig liebenswert.
Ja, da tauche ich selber ab in Erinnerungen. Wieder aufgetaucht, behaupte ich,
dass diese Tanzsammlung auch neue Impulse geben wird, zumal sie erstaunlich
preiswert angeboten wird. Also ran die deutschen Tänze!
Jürgen Brehme
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MARC ROBINE
Il était une fois la chanson francaise (des trouvères à
nos jours)
Paris: Fayard / Chorus, 2004
264 S.
ISBN 2-213-61910-7
Musik aus Frankreich - in all ihren Facetten - hat mal wieder Konjunktur, gilt
als hip und trendy. Auch das nicht ganz so leicht ein- und abzugrenzende Genre
"Französisches Chanson", schon öfters als "überlebt" eingestuft,
regeneriert sich immer wieder. Die Alten geben keine Ruhe (s. Beitrag von St.
Göritz in Folker! 4/04), und junge Talente wachsen weiter nach
(jüngstes Beispiel: Coralie Clément).
Da trifft es sich gut, dass ein profunder Kenner der französischen Musik
im Allgemeinen, des französischen Chansons im Speziellen, ein Buch
geschrieben hat, das dem interessierten Leser die praktisch 1000-jährige
Geschichte, von den okzitanischen Troubadouren bis zum zeitgenössischen
Franco-Pop, kurzweilig und komprimiert nahebringt. Es basiert einerseits auf
einer Serie, die Marc Robine (1952-2003) für die Zeitschrift
"Paroles & Musique" (fortgesetzt im Musikmagazin "Chorus") aufbereitete,
andererseits auf Robines Standardwerk
"Anthologie de la chanson francaise. Des trouvères aux grands auteurs du XIXe siècle"
(1994 in Paris bei Albin Michel erschienen).
Robine beleuchtet sehr anschaulich die Entwicklung des populären
Kunstlieds in Frankreich, unterschlägt dabei nicht regionale Eigenheiten,
belegt, wie eben "das Chanson" als Spiegelbild der Zeit und der Gesellschaft zu
betrachten ist. Einflüsse von außen - vom (fremdsprachigen!) Ausland
-, also Jazz, American Folksong, Beat, Rock, Reggae und HipHop, mögen beim
"klassischen" Chanson ihre Spuren hinterlassen, es bisweilen "durchdrungen"
haben, doch seine Eigenständigkeit konnte es stets bewahren.
"Il était une fois ..." ist leider Robines letzte literarische
Veröffentlichung (s. a. Folker! 05/04). Es bleibt zu wünschen, dass
sich ein Verlag findet, der diese spannende Abhandlung auch in deutscher
Übersetzung auf den Büchermarkt bringt.
Roland Schmitt
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Außerdem "Vor"gelesen:
JENNI ZYLKA
Beat Baby, beat! : Roman
Originalausg. - Reinbek : Rowohlt Taschenbuch-Verl., 2004
222 S. - (rororo) (Rowohlt Paperback)
ISBN 3-499-23619-2
Der locker zu lesende Roman beschreibt die zeitlich kurze (fiktive) Biografie
der Berliner Beat Bande, einer reinen Frauenband. Die Protagonistin Brenda
Böhm versammelt vier weitere Musikerinnen um sich, die eines mit ihr
gemeinsam haben: Keine von ihnen möchte singen, alle möchten nur
Instrumentalmusik machen.
Schnell finden sie zueinander und spielen das, was Spaß macht:
Coverversionen und ein paar eigene Songs. Und es kommt, wie es kommen muss,
bald möchten sie nicht mehr nur im Probenraum spielen, sondern Konzerte
geben.
Bandleaderin Brenda bringt dann auch noch Kneipenwirt Michael ins Spiel. Dieser
wird zum Bandmanager und verschafft, während er Brendas Herz erobert, der
Beat Bande die ersten deutschlandweiten Auftritte. Als die Beat Bande mit ihrer
Coverversion des The-Champs-Hits "Tequila" (den sie kurzerhand in "Mascara!"
umtaufen, man ist ja schließlich Frau) ziemlich großen Erfolg hat,
kommt es wieder, wie es kommen muss: Die Vorstellungen über die Zukunft
der Band, ihrer Musik und der Art des Managements unter den fünf Damen
gehen plötzlich weit auseinander. Die einen wollen noch mehr Karriere
machen, die anderen "ihr Ding" weiterverfolgen. Schließlich einigen sie
sich trotz des Karrierehöhepunktes, auf dem sie sich befinden, auf eine
Trennung.
Jenny Zylka erzählt diese Erfolgsstory gewürzt mit vielen kleinen
Details; dadurch wird das Buch zu einem richtig schönen, witzigen Roman,
der beschreibt, warum Erfolg manchmal nicht alles ist.
Doris Joosten
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ROCKO SCHAMONI
Dorfpunks : Roman
Originalausg. - Reinbek : Rowohlt Taschenbuch-Verl., 2004
201 S. - (rororo) (Rowohlt Paperback)
ISBN 3-499-23618-4
Der zweite Roman der Paperback-Reihe mit musikalischem Hintergrund erzählt
darvon, wie Anfang der 80er der Punk in einem kleinen Dorf in Schleswig-
Holstein Einzug hält, weil die Jugend des Dorfes plötzlich die bis
dahin gekannte Langeweile gegen neue Verhaltensmuster eintauscht. Man stiehlt
nicht nur oder handelt mit Schwarzpulver, sondern ist mit zwölf erstmals
stockbesoffen, läuft in Punkklamotten rum, färbt sich die Haare
feuerrot, hängt einfach ab.
Die Dorfbewohner sind schockiert darüber, was da so alles abgeht, aber die
Jugendlichen, die beschließen, Punks zu sein mit allem, was dazu
gehört (nämlich Zündapp-Mofa, Irokesenfrisur, Hardrockkonzerte
und viel Cola mit Rum), die haben es viel schwerer auf ihrem Weg ins
Erwachsenenleben. Denn oft können sie nur darüber reden, was sie
alles gerne machen würden, statt es zu machen. Und das sich dann
einstellende Gefühl der Leere konnte nur durch gemeinsames Abhängen
erträglich gemacht werden.
Das Buch von Rocko Schamoni über den Punk Rocko Schamoni wirkt
autobiografisch, ist aber doch "nur" ein Roman. Aber da der Autor selbst Punk
aus einem Dorf in Deutschlands Norden war, weiß er, worüber er
schreibt, und hat wohl auch eigene Erinnerungen und Erfahrungen verarbeitet.
Doris Joosten
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