DIE BESONDERE - Afrika
MORY KANTE
Sabou
(Riverboat TUGCD 1034/Edel Contraire)
10 Tracks, 55:07, Infos in Englisch und Französisch
Na, endlich! Warum musste man eigentlich 17 Jahre auf dieses Album warten?
"Weil ich Jahre damit verbracht habe, alle Instrumente zu studieren, sie
aufeinander abzustimmen und Musik zu schreiben, die zwar traditionell ist,
aber nicht aus traditionellen Stücken besteht." Soweit der Chef selbst,
der in der Tat ein Dutzend Instrumente auf "Sabou" persönlich bedient, was
endlos Studiozeit gekostet haben muss. Und egal, wie viel Zeit er seit seinem
Disco-Kracher Akwaba Beach von 1987 (inklusive dem Charts-Stürmer "Ye Ke Ye Ke")
und dem beeindruckenden Album "10 Kola Nuts" (ebenfalls 1987) mit weitgehend
überflüssigen CDs zugebracht hat, mit "Sabou" übertrifft er sich selbst. Zehn
rein akustisch eingespielte Lieder, denen an keiner Ecke der Strom ausgeht.
Kante zeigt eindrucksvoll, dass man Hits auch ohne Keyboards, E-Gitarre und
einem Schlagzeug machen kann, das musikalischen Analphabeten die 2 und die 4
ins Hirn hämmert. Die ganze Schönheit der Musik Guineas tritt hier als
Konzentrat auf, und Mory Kantes nach wie vor atemberaubende Stimme steht in
perfektem Wechsel mit dem exzellenten Chorgesang. Kora, Balafon, Bolon und
Ngoni gleichzeitig einzusetzen ist eine Kunst für sich, und es war schon für
Rokia Traore eine Herausforderung, nur drei der vier Instrumente
zusammenzubringen. Das alles gelingt auf "Sabou" fast spielerisch, Kongas und
die afrikanische Flöte sind neben weiteren traditionellen Instrumenten eine
wohltuende Bereicherung. Die Lieder "Désolé" und "Mama" sind Pop-Sternchen,
die "Ye Ke Ye Ke" in nichts nachstehen, auch wenn sie sehr wahrscheinlich
nicht annähernd so erfolgreich werden, weil stromfrei. Für alle, die genau dies
zu schätzen wissen und Mandingo-Swing aus der Rail-Band-Zeit lieben, sei
gesagt, dass "Sabou" einen neuen Superlativ verdient hat: morykantös!
Luigi Lauer
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DIE BESONDERE - Nordamerika
STEVE EARLE
The Revolution Starts Now
(Artemis/Ryko/Rough Trade ATM-CD 51565)
11 Tracks, 39:26, mit Infos und Texten
Auf dieser Scheibe rockt Steve Earle wie schon lange nicht mehr.
Seine Dukes besorgen mit ihren treibenden Rhythmen den musikalischen
Teppich für einen sich politisch aggressiv gebenden Songwriter. "Ich
schreibe, was ich fühle", sagt er. Und sein Gefühl sagt ihm, dass
Bush aus dem Amt gejagt werden muss. "Ich schreibe keine Songs, wenn
ich nichts zu sagen habe." Was Earle zu sagen hat, fasst er im Titelsong
zusammen: "The Revolution Starts Now": Die Menschen dürfen den Gang der Dinge
nicht länger den Politikern überlassen. Dazu müssen sie informiert sein. Deshalb
findet der Musiker in "F The CC" deutliche Worte gegen die Monopolisierung und
Kommerzialisierung der Medien in den USA. (FCC ist die staatliche
Medienkontrollkommission, die jedoch, statt Monopole zu verhindern, eine weitere
Deregulierung der Medien fördert.
Steve Earle ist einengagierter Gegner der Todesstrafe, er singt u.a. mit Emmylou
Harris (auf der CD mit ihm im Duett zu hören bei dem wunderbaren Liebeslied: "Comin'
Around") gegen Landminen und unterstützt die Kensington Welfare Rights Union, eine
Organisation, die gegen Armut und Obdachlosigkeit und ihre Kriminalisierung kämpft. Dennoch
versteht sich der Künstler nicht als politischer Songwriter per se.
In dieser Grundeinstellung liegt wohl seine große Stärke: Steve
Earle erhebt in seinen Songs keinen moralischen Zeigefinger.
Stattdessen lässt er "average Joe", den Bürger von nebenan, zu Wort
kommen, beschreibt gesellschaftliche Missstände aus dessen
Perspektive. Ein vorherrschendes Thema seiner CD: die Opfer, die
einfache Menschen bringen, geblendet von den Lügen der Politik und
der Medien. Gleich mehrere Songs drehen sich um den Krieg im Nahen
Osten: "Home To Houston", "Warrior", "The Gringo's Tale" und "Rich Man's World".
Hier geht es um einen jungen US-Amerikaner, der als Soldat in Afghanistan kämpft,
und um einen jungen Palästinenser, der zum Selbstmordattentäter
wird: In beiden Fällen handelt es sich um Menschen aus den unteren
sozialen Schichten, die von den Herrschenden missbraucht werden und
deren schmutzige Arbeit erledigen. Steve Earle weiß seine beißende Kritik jedoch
auch in humorvolle Songs zu verpacken. So bei "Condi, Condi", einer
Attacke auf Condolezza Rice, die Sicherheitsberaterin von Bush.
Verpackt in einen Calypso-Groove vergeht der Sänger in sexueller
Lust auf eine Frau, die ja nun alles hat, aber keine sexuelle Ausstrahlung. Eine
besondere Scheibe zur richtigen Zeitpunkt, die allerdings einige
Minuten länger hätte ausfallen können!
Michael Kleff
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DIE BESONDERE - Deutschland/Irland
IONTACH
The Half Gate
(Eigenverlag)
13 Tracks, 55.58, mit Texten (gäl., engl., lat.) und Infos (eng., dt.)
Diese CD hat mir besonders gut gefallen, eine deutsch-irische
Co-Produktion, wo bei zwei Drittel der Band die irische Fremdsprache
einfach erstklassig gelernt haben, während das letzte Drittel zumindest
überwiegend in seiner Muttersprache musizieren kann, denn die meisten
Stücke sind irischen Ursprungs, mit dabei ist allerdings auch eine
galizische Muneira, ein englischer Song und auch ein selbstkomponierter
Jig. Sechs der dreizehn Stücke sind Lieder, gesungen auf Gälisch,
Englisch und (ja!) Latein, und - wie auch im sehr informativen Büchlein
bemerkt - auf die Songs haben sie besonders viele Proben verwendet, was
sich wirklich gelohnt hat, denn dabei kam eine Polyphonie heraus,
wie sie auch die Korsen nicht besser beherrschen. Eithne Ní
Uallacháin ist für drei der Songs als Autorin und/oder Komponistin
angegeben, Pete Morton und Jo Freya für den englischen. Auch die
Instrumentals sind vom Feinsten: Da wird zweistimmig gewhistlet,
filigran auf der Gitarre fingergepickt, mit dem Cello quasi ein
Bordunteppich unter eine gefiddelte Melodie gelegt ... Wer nun
neugierig ist, wer denn personell hinter diesem Meisterwerk steckt,
wird sich beim Erblicken der Namen eigentlich kaum noch wundern:
Angelika Berns (vocals, keyboards, bodhrán, shakers, whistle),
Siobhán Kennedy (vocals, flute, whistle, fiddle, stepp dancing (auch
letzteres kann man auf Track 3 hören)) und Jens Kommnick (vocals,
guitar, bouzouki, mandolin, uilleann pipes, whistle, cello, bass,
piano, rainstick). Das sind wirklich keine Unbekannten in der Irish
Folk Szene. Auf einem der Fotos ist auch Regina Elling von Friel's
Kitchen abgebildet, aber als Mitspielerin ist sie nicht erwähnt.
Multi-Instrumentalist Jens scheint auf Track 10 sogar Cello und
Ellbogensackpfeife gleichzeitig zu spielen. Alles in allem bietet
diese CD eine feine, filigrane, mal schnelle, mal langsame, tief ins
Herz eingehende, dabei aber nie schmalzige, sondern sehr verspielte
Musik. Besondere Irish Folk Musik muss genau so wenig aus Irland
kommen, wie guter Jazz aus USA, wie Tom Kannmacher zu sagen pflegt.
Recht hat er!
Michael A. Schmiedel
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