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OTTO
Sem Gravidade
(Trama T004/752-2)
14 Tracks; 67:32; mit portugiesischen Texten
Das Album "Sem Gravidade" - "Schwerelos" ist das letzte Werk einer Trilogie, in der
der brasilianische Percussionist und Komponist Otto seine Gedanken über die Kultur
seiner Heimat und den Sinn des Lebens musikalisch aufarbeitet. Während "Samba pra
Burro" noch sehr elektronisch daherkam, benutzt er den Synthesizer auf dem aktuellen
Album nicht mehr als Fundament, sondern als immer präsenten Farbtupfer für seine
Werke. Funk, Reggae, HipHop, Drum'n'Bass und immer wieder die traditionellen Rhythmen
des brasilianischen Nordostens von Forró bis Maracatu - Otto kennt keine musikalischen
Grenzen. Die rebellische Musikszene aus São Paulo steht ihm dabei hilfreich zur Seite:
Elektronik-Virtuose Apollo 9, Schlagzeuger Pupilo, Bassist und Geiger Dadi, aber auch
die bekannte Sängerin Rita Lee, die gleich ihren Sohn, den Gitarristen Beto,
mitgebracht hat. Ottos Stimme ist nicht überragend, aber sie schmeichelt sich ein und
irgendwann kann man ihr nicht mehr widerstehen. In Liedern wie "Tento entender" (Ich
versuche zu verstehen) oder "Dedo de Deus" (Finger Gottes) appelliert er an die Welt,
ohne menschliche Zerstörungswut auszukommen und sich auf Werte wie Liebe und Frieden
zu besinnen. Auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet er dabei, und musikalisch hört
sich das Ganze alles andere als pathetisch an. Ein echter Geheimtipp.
Suzanne Cords
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LILA DOWNS
Una Sangre - One Blood
(Narada/Peregrina Music PM 50382)
13 Tracks; 50:18; mit Texten (span./engl.)
"La Bamba" von Lila Downs? Für die Tochter einer indianischen Sängerin aus Mexiko
und eines schottisch-amerikanischen Filmemachers und Malers passt dieses von Ritchie
Valens und später von Los Lobos berühmt gewordene Stück perfekt ins musikalische
Konzept. Ist der hundert Jahre in die Son-Tradition von Veracruz zurückreichende Song
doch nicht nur Ausdruck von Lebensfreude. Es ist auch ein Lied über einen Krieg, der
in Veracruz stattfand: "Werde ich ein Marine sein? Ich möchte niemals ein Marine
sein!" heißt es in einer Textzeile. Politische und soziale Themen ziehen sich wie ein
roter Faden durch das neue Album von Lila Downs - u.a. bei "Dignificada", wo es um
eine ermordete Menschenrechtsanwältin geht oder bei "Mother Jones", wo sie die
Arbeiteraktivistin Mary Harris "Mother" Jones aus dem 19. Jahrhundert besingt.
Musikalisch präsentiert die Sängerin und Gitarristin ihre Songs in einem von
Latino-Rhythmen betonten, aber zugleich jazzig klingendem musikalischen Gewand.
Überzeugend klingt auch das Bemühen von Lila Downs, mit ihrer Musik der mexikanischen
Kultur eine Plattform zu geben, wie beispielsweise bei "Malinche", einem Song, mit dem
Downs den Hörer in die Zeit der Azteken zurückführt oder bei dem ihre Spiritualität
zum Ausdruck bringenden Traditional "Tirinei Tsīsīki". Für die passende musikalische
Begleitung sorgt eine multinationale Band mit Musikern aus den USA, Mexiko, Paraguay,
Kuba, Chile, Brasilien und Japan. Eine weltmusikalische Empfehlung!
Michael Kleff
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DIVERSE
Nuevo Latino
(Putumayo/ Exil 3360-2/ Indigo)
11 Tracks, 42:31, mit ausführlichen frz., engl., span. Infos
Neue Latino-Klänge aus dem Hause Putumayo, das klingt vielversprechend - und die
Erwartungen werden voll und ganz erfüllt. Über alle geographischen Grenzen hinweg
tummeln sich hier Musiker jeglicher Couleur, die ihre ganz spezielle Latin-Variante
einbringen. Da trifft die Bossa auf Ska, Remix und Groove, während HipHop- und
Clubszene den Wiegeschritt mit dem Tango wagen. Der Spanier Javier Álvarez erweckt den
Schmachtklassiker "Porque te vas" aus dem Jahre 1977 zu neuem puristischen Leben, der
Mann mit spanisch-französischen Wurzeln, Sergent Garcia, steuert in "Mi última
Voluntad" seinen bewährten Salsamuffin bei, Aterciopelados aus Kolumbien und Los de
Abajo aus Mexiko zeigen, wo es in der Undergroundszene ihrer Heimatländer langgeht.
Der multikulturelle Kad Achouri bringt bei dem Stück "Mi Negra"das nötige Quentchen
Jazz mit ein, für das er sich extra in Griechenland inspirierte, und der junge
Exil-Kubaner Raul Paz mit der sexy Stimme, der in Paris zu den angesagtesten Acts
gehört, überzeugt mit "Mulata". Die New Yorker Mosquitos umwerben die Bossa Nova und
die Argentinier Acida und Federico Aubele toben sich in der Loungeszene aus. Hab' ich
noch wen vergessen? Egal, die Scheibe ist auf jeden Fall ein Volltreffer für jeden
Latino-Fan.
Suzanne Cords
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GILLES PETERSON
Gilles Peterson in Brazil
(Ether Records ETHD003)
Promo-Doppel-CD, 23 Tracks, 97:07
Nein, Gilles Peterson ist kein Musiker, aber in England gilt er als einer der
angesagtesten Kult-DJs und Radiomoderatoren der BBC. So mancher Brite würde blind ein
völlig unbekanntes Debütalbum kaufen, wenn der Musikexperte ihm nur zuvor seinen Segen
gegeben hätte. Die Musiker auf dieser von ihm zusammengestellten Compilation sind
allerdings keineswegs Unbekannte. Da treffen das Brasilien der Vergangenheit und
Gegenwart aufeinander und reflektieren die ganz Bandbreite brasilianischer Klänge. In
der Klassikabteilung tauchen wir ein in die 60er und 70er Jahre und treffen auf Sergio
Mendes mit Zanibar, den kürzlich verstorbenen Tim Maia mit "No caminho do bem", die
Golden Boys mit "Berimbau" oder Djavan mit "Serrado" - alle Stücke zwar bekannt, aber
zeitlos und keineswegs abgenudelt. Die zweite CD mit dem Untertitel "Da Hora" begibt
sich auf einen Streifzug durch die Welt des zeitgenössischen Jazz, Drum'n Bass, Funk
und House - immer mit der gewissen brasilianischen Note versehen, versteht sich und
u.a. interpretiert von angesagten Newcomern wie Otto, Patricia Marx oder Bruno E. Wer
einen Einblick in die Entwicklung brasilianischer Musik bekommen möchte, ist mit
diesem Sampler bestens versorgt.
Suzanne Cords
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