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DIRTY DOZEN BRASS BAND
Funeral for a friend
(Ryko/RTD 384.6050.2)
10 Tracks; 40:14
Der Titel dieser CD ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn das dreckige Dutzend ehrt
mit "Funeral ..." seinen Tubaspieler Anthony Lacen, der Anfang dieses Jahres verstarb.
Antony Lacen, bekannt als Tuba Fats, war Gründungsmitglied der Dirty Dozen und
maßgeblich an deren Erfolg beteiligt. Durch ihn verließ diese einzigartige New Orleans
Brass Band die angestammten Gefilde und öffnete sich für Bebob, Funk oder auch
R&B. Nach der vierstündigen Funeralparty nun das Album zum Begräbnis, denn
ironischerweise ist "Funeral for a friend" kurz vor dem Tode von Tuba Fats fertig
gestellt worden. Das zehnte Album stellt nach den gewagten Popausflügen u. a. mit
David Bowie oder den Alternatehelden Modest Mouse eine Rückkehr zu den Wurzeln dar.
Das Dirty Dozen spielt New Orleans Jazz in Reinform. Der Atem steht einem still und
man scheint zu hören, dass die Musiker genau wussten, was sie spielten und zu welchem
Anlass sie das letzte Mal zusammen auftreten würden. So wird "Funeral for a friend"
zum eigenen Abschied, und ich bin sicher, dass es noch manche Musiker geben wird, die
zu ihren Freunden sagen "Wenn ich einmal gehen muss, spiel Funeral for a friend zu
meinem Andenken" und man überdenkt das alte Sprichwort: New Orleans Jazz gehört
genauso zum Leben wie zum Tod.
Chris Elstrodt
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JANETTE CARTER
Deliverance Will Come
(Bear Family Records BCD 16335 AH)
31 Tracks, 78:10, mit Infos
ANITA CARTER
Appalachian Angel
(Bear Family Records BCD 16414 GL)
7 CDs, 163 Tracks, 470:27, 76-seitiges gebundenes Begleitbuch im LP-Format
Die Lücken in der Discographie der Carter Family schließen sich - dank Bear Family
- weiter. Auf "Deliverance Will Come" sind zwischen 1968 und 1973 entstandene
Aufnahmen von A.P. Carters Tochter Janette zusammengestellt - darunter auch einige
Live-Stücke vom "Folk Festival of the Smokies" (ohne Angabe des Jahres). Bei den
meisten Titeln - mehrheitlich aus der Feder von A.P. Carter - begleitet sich Janette
auf der Autoharp.
Anita Carter war die erste Künstlerin, die den Hit "Ring Of Fire" einspielte. Das
7-CD-Box-Set enthält sämtliche Songs der Jahre 1950 bis 1972 sowie u.a. ihre letzten
Aufnahmen von 1996. Unter den Gastsängern sind Hank Williams, Hank Snow, Johnny Cash
und Waylon Jennings. Als Leadgitarrist ist Chet Atkins bei vielen Titeln zu hören. Das
großformatige Begleitbuch enthält u.a. nie zuvor gezeigte Fotos sowie Interviews und
eine detailliert Biografie. Wer die Carter Family eher traditionell mag, dem sei
Janette empfohlen. Anita klingt mehr nach Folk und Countrypop. Bei den Aufnahmen als
Nita, Rita und Ruby (1955-1957) swingt es sogar.
Michael Kleff
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MIKE KINDRED
Handstand
(Loudhouse Records 2005)
14 Tracks, 52:36, ohne Texte, mit Infos
Der Texaner Mike Kindred lebt den Boogie-Woogie mit ganzem Herzen und ist in diesem
Genre als Pianist nahezu eine lebende Legende. Ausflügen in die Gefilde des Rocks ist
er dabei nicht abgeneigt, und rundet diese mit rauchig-trashiger Stimme und stets
druckvollem Klavierspiel ab. Letzteres hat dabei Leichtigkeit und Power zugleich,
seine Kompositionen sind individuell und ausdrucksvoll. Denjenigen, die Boogie-Woogie
in die Schublade "langweilig, verstaubt und edel-schnedel" abgelegt haben, sei gesagt:
es geht auch anders! Kindred kommt jahrzehntelange Erfahrung durch die Zusammenarbeit
mit Blueslegenden wie Stevie Ray Vaughan, James Cotton oder Johnny 'Clyde' Copeland zu
Gute - und an Spielfreude eingebüßt hat er keineswegs. Für "Handstand", seinem vierten
Soloalbum, hat er sich mit dem Schlagzeuger Dexter Walker einen Partner hinzugeholt,
der aus dem Hintergrund den notwendigen "Rumms" hinzufügt. Einen Bassisten hielt man
hingegen für überflüssig; Kindred übernimmt auch diese Funktion "mit links" und
vereint Jazz, Rock, Gospel und Blues, als wären diese schon immer die besten Freunde
gewesen. Diesem Mann wird eine "swing sensibility" bescheinigt - zu Recht. Eine prima
Scheibe!
Carina Prange
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DAYNA KURTZ
Beautiful Yesterday
(Munich Records/Sunny Moon MRCD 254)
12 Tracks; 46:40; mit Texten (engl.) u. Infos
Norah Jones - die bei einem Song - "I Got It Bad" - als Gastsängerin und Pianistin
mit von der Partie ist - steht bekanntlich in den Schlagzeilen der Musikpresse. Doch
Dayna Kurtz ist für mich "the real deal", wie man in den USA sagen würde. Die Sängerin
und Gitarristin präsentiert mit beeindruckend variationsreicher Stimme auf ihrer neuen
CD neben einigen Eigenkompositionen die eine oder andere Coverversion von Klassikern
aus der Vergangenheit. Daher wohl auch der Titel "Beautiful Yesterday". Ob Blues -
"Lost And Looking" - Pop - "Joy In Repetition" von Prince - oder Songwriter-Material -
bei Leonard Cohens "Everybody Knows" - Dayna Kurtz verleiht in ihren Interpretationen
allen Songs eine ganz unverkannbar eigene Note. Selbst ein Stück wie der einstige
Siegertitel vom Grand Prix D'Eurovision - "Those Were The Days" - strahlt in der
Fassung von Kurtz eine unvermutet interessante Faszination aus. Zum herausragenden
Gesamteindruck tragen die Mitspieler bei: am Schlagzeug Randy Crafton, am Bass Dave
Richards und an den Tasteninstrumenten Peter Vitalone. Wer tiefe und intensive Töne
ohne Schnörkel mag, dem sei diese CD empfohlen.
Michael Kleff
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WILLIE DUNN
Son of the Sun
(Trikont US-0320)
16 Tracks, 60:03, mit Infos und Texten (engl.)
Von Willie Dunn, dem halbindianischen Singer/Songwriter aus Kanada, gab es in den
80er Jahren bei Trikont/München drei LPs - von denen zwei auch auf CD erschienen, die
3. allerdings nie: Fünf Titel von "The Vanity of Human Wishes" (ein Wahnsinnsgedicht
von Samuel Johnson, 1749, congenial vertont von Willie Dunn) und acht ganz
hervorragende neue Lieder sind nun doch noch mal auf einer Trikont-CD versammelt, die
diesen - neben Floyd Westerman und John Trudell - Pionier der native-amerik. Szene,
geb. 1941, zu späten Ehren kommen lässt. Der Vater ein britischer Hafenarbeiter in den
Docks von Montreal, die Mutter ein Mik'Mak-Mädchen von der Ostküste - so vereint
Willie zwei Kulturen in sich, aus denen er schöpft und seine besondere Inspiration
bezieht: Von den Shakespeare-Sonnetten bis zu den neuen/alten Umweltliedern, Balladen
und Kinderreimen der Stämme am St.Lorenz-Strom. Er greift die Art Talking-Blues von
Woody Guthrie (in "Old Crow's Great Idea") ebenso auf wie die feinsinnige Art, Gitarre
zu spielen, die sein Partner Ron Bankley hier mit einbringt ("Honey on Fire"); auch
bei "Yellowhead's Song" & "Son of the Sun", live in Berlin (10/2000).
Wunderbar-zeitlose Lieder. Ein feines Booklet mit den kompletten Lyrics und Kommentar
von Claus Biegert. Sonderklasse!
Walter Liederschmitt "Woltähr"
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THE CREEKDIPPERS
Political Manifest
(Glitterhouse Records GRCD 610)
11 Tracks; 31:53
In den USA ist diese CD nur über die Homepage der Creekdippers zu bekommen.
Offensichtlich wollte kein Label sich die eindeutige Kritik von Mark Olson und
Victoria Williams an der Bush-Administration zu eigen machen - eben "Land of the free,
home of the brave ...." Dank dem Glitterhouse-Team in Beverungen kann sich jedoch das
deutsche Publikum an elf bissigen Tiraden gegen George W. Bush und das herrschende
Establishment erfreuen. Bedauerlich ist nur, dass auch in der deutschen Edition vom
"Political Manifest" der Creekdippers die Texte fehlen. Und in der zur Rezension
vorliegenden Fassung der CD noch nicht einmal die Homepage angegeben ist, wo der
Wortlaut des Manifests nachzulesen ist: www.politicalmanifest.com. Dabei lohnt es
sich. Die elf Songs stellen eine Art gesungene Momentaufnahme der aktuellen
politischen und gesellschaftlichen Situation in den USA dar. Für die manchmal leicht
rockig angehauchte musikalische Folk-Verpackung sorgen neben Olson (u.a. Gesang,
Piano, Dulcimer, Bass), Williams (u.a. Gesang, E-Gitarre) am Schlagzeug Ray Woods, Don
Heffington (u.a. Mundharmonika), Tom Freund (Bass, Orgel) und Greg Leisz (Dobro).
Warum Mark Olson mit seiner Partnerin Victoria Williams das "Political Manifest"
geschrieben und aufgenommen hat? Angesicht der "gefährlichen Richtung", in der das
Land sich entwickelt habe, habe er nicht mehr schlafen können, sagt Olson und fügt
hinzu: "Ich bin ein Autor, also habe ich geschrieben." Trotz der Kürze der CD ein
absolutes Muss für alle Freunde politischer Musik.
Michael Kleff
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EDDIE PENNINGTON
Walks the strings - and even sings
(Smithsonian Folkways Recordings/Sunny Moon - SFW CD 40146)
20 Tracks, 56:24, mit ausführlichem Booklet
Ein stattlicher Bursche mit Cowboyhut namens Eddie Pennington lächelt gewinnend in
die Kamera. Was da optisch ein wenig schwerfällig daherkommt, entpuppt sich bereits
mit den ersten Tönen als rasantes und präzieses gitarristisches Highlight. Pennington
wurde 2001 für seine Arbeit die höchstehrenvolle "National Heritage Fellowship"
verliehen. Er ist Bewahrer und quicklebendiger Interpret des Kentucky "Thumbpicking"
Styles. Als langjähriger Schüler von Mose Rager bewegt sich Eddie in dieser Tradition.
Mose Rager gilt neben Kennedy Jones als einer der Pioniere dieser Daumenschlagtechnik.
Bedeutende Vertreter sind u.a. Merle Travis und Chet Atkins. Technisch auf mindestens
ebenso hohem Niveau bietet Pennington in dieser Einspielung Klassiker wie "Wabash
Cannonball" und "Nine Pound Hammer" sowie Songs wie "Sweet Georgia Brown" oder Arlens
"Over the rainbow". Er wechselt zwischen akustischer, elektro-akustischer und
Resophonic-Gitarre (einer Art Dobro). Ab und an singt er "sogar" wie im Albumtitel
bereits augenzwinkernd angekündigt. Mit einer guten Portion Humor und scheinbar von
leichter Hand hingestreuten Virtuositäten macht Pennington klar, dass Tradition nicht
schnarchige Vergangenheitsbewältigung, sondern äußerst lebendige Gegenwart sein kann.
Im Booklet wird von kompetenter Seite ein interessantes Kapitel amerikanischer
Gitarrengeschichte erzählt.
Rolf Beydemüller
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