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AFRICAN CHASE EXPERIENCE
Adouna
(Bolibana BIP 406)
13 Tracks, 68:14
Die Mischung von Jazz und westafrikanischen Musikstilen ist bei African Chase
Experience zu einer ganz eigenständigen Kunstform gereift. Harmonisch ist "Adouna"
eine eher sparsame Angelegenheit, während die rhythmische Gestaltung opulent, aber nie
überfrachtet wirkt. Der Jazz verbeugt sich vor seinen schwarzen Wurzeln, aber er beugt
sich nicht: Die Improvisation findet in einem aufgeräumten, überschaubaren Umfeld
statt, bleibt aber wichtiges Identifikationsmerkmal, auch wenn von der Seitenlinie
immer wieder rockige und funkige Sturmspitzen oder ein Reggae-Verteidiger aufs
Spielfeld gelassen werden. Auch der Gesang proklamiert für sich Libero-Freiraum, denn
die westafrikanischen Griots pflegen die gesungene oder gesprochene Textimprovisation
seit Jahrhunderten. Ein solcher ist Abdourahmane Diop, der sich überraschend melodiös
gibt und deutlich von seinem sonst lautstark proklamativen Stil abweicht. Das hat der
Musik gut getan. Immer für eine Überraschung gut sind die Bläsersätze, ideenreich von
dem österreichischen Bandleader und Trompeter Paul Schwingenschlögl in Szene gesetzt.
Sie stammen weder aus dem euro-amerikanischen noch aus dem afrikanischem
Jazzverständnis und verleihen der African Chase Experience eine besondere Note mit
hohem Wiedererkennungswert. African Chase Experience passen in kein Format, sie
erfinden sich auf hohem Niveau immer wieder neu. Und das hat Format.
Luigi Lauer
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TATOUAGES
Kasaii
(Zimbraz/Music & Words 3024/Sunny Moon)
12 Tracks, 46:35; Infos Englisch und Französisch
Schon gleich der Opener zeigt, wo es lang geht: Afro-Pop der gehobenen
Unterhaltungskunst, fett arrangiert, abwechslungsreiche Bläser, mit vielen guten
Soukous-Gitarren-Schnipseln, ansonsten aber erfreulich weit von diesem ausgelatschten
kongolesischen Genre entfernt. Die luftigeren Nummern verleiten dazu, im Booklet nach
dem Namen Lokua Kanza als Arrangeur zu suchen, der sich aber nicht findet. Dessen
Arbeit ist indes von nicht weniger illustren Leuten erledigt worden, namentlich Ismail
und Tidiane Toure, sprich: Tourre Kunda. Sie haben für ein tanzbares, druckvolles
Ambiente gesorgt, haben traditionelle und westliche Instrumente geschickt kombiniert
und mit oft mächtigem Chorgesang die Hooklines so aufgerüstet, dass Angelique Kidjo
neidisch werden könnte. Vergessen wir nicht Tatouages selbst: Ihre kräftige Stimme
vermag zwar nicht in allen Lagen restlos zu überzeugen, ein eigenständigeres Timbre
ist noch herauszufeilen, geht manchmal auch in zu dichten Strickmustern verloren. Doch
sie hat es drauf, quer durch mehrere afrikanischen Genres, und in etlichen Passagen
sogar glänzend. Gewiss ist mit ihr in der Afro-Oberliga noch zu rechnen. "Kasaii" ist
schon mal ein bemerkenswertes Debüt, dem man eine Menge an guter Laune abgewinnen kann.
Luigi Lauer
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LURA
Di korpu ku alma
(Lusafrica 362912/Sunny Moon)
12 Tracks, 54:30; Texte in Portugiesisch-Kreolisch
Ist es eine Strafe, über eine so exzellente Salsa-Stimme zu verfügen, aber im
bleiernen Gemütsnebel portugiesischer Fados und kapverdischer Mornas aufgewachsen zu
sein? Beileibe nicht, im Gegenteil: Lura, in Lissabon geborene Kapverdin,
transportiert eine bemerkenswerte Lebendigkeit, ja Fröhlichkeit selbst in solche
Lieder, die vom Ende der Welt in spätestens 15 Minuten künden. Sie macht aus
todtriefender Melancholie einen mit Girlanden und Lampions geschmückten Friedhof. Ihr
Wirkungsspektrum entfaltet sie am Besten da, wo die Post ab geht, im Opener "Batuku"
zum Beispiel, auch wenn der Gesang der 29-jährigen mittlerweile eine Reife erreicht
hat, die ihr auch in Balladen die nötige Tiefe verleiht. Das kommt vom R&B, in dem
sich die Dame früher tummelte und der auch auf "Di Korpu Ku Alma" ("Von Körper und
Seele") nicht fehlt. Ihr Aufstieg ist programmiert: Früher war sie Background-Sängerin
von Cesaria Evora, dann als Vorgruppe mit ihr unterwegs, und mit etwas Geduld wird sie
eine ausreichend große Fangemeinde um sich sammeln, um mit eigener Band loszureisen.
Wenn es die Musiker des aktuellen Albums sind: nichts wie hin, und die sollte man sich
auch als Konserve nicht entgehen lassen. Extraklasse.
Luigi Lauer
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SHIYANI NGCOBO
Introducing Shiyani Ngcobo
(World Music Network/Edel)
14 Tracks, 60:07, mit engl. Infos
Maskanda ist Musik südafrikanischer Zulu-Arbeitsmigranten, in der die Probleme der
Job-Mobilität besungen werden. Außerhalb Südafrikas ist diese Herrenmusik
ausgerechnet durch die Sängerin Busi Mhlongo bekannt geworden. Die führende Stimme
mündet meist in exzellentem Satzgesang, der auch im call-and-response-Stil agiert. Mit
filigraner Gitarre (Shiyani Ngcobo vom Feinsten!) und etwas Percussion unterlegt,
gelegentlich auch Fiddle und Concertina, entsteht eine kaum beschreibbare Atmosphäre,
die zu gleichen Teilen Melancholie und Lebensfreude wiedergibt. Schaltet sich noch ein
E-Bass ein (könnte etwas lauter sein), kriegt das Ganze Muskeln wie Arnold. Bei dem
51-jährigen "Veteran" Shiyani Ngcobo klingt das gleichermaßen archaisch und aktuell,
er haftet nicht an einer lokalen Maskanda-Variante, sondern mixt die unterschiedlichen
Ausprägungen nach Belieben. Ein Leckerbissen ist Sevelina, das Lied wird mit einer
Igogogo gespielt, eine Arme-Leute-Gitarre aus Speiseölkanister und Fahrradbremskabeln,
mit unvergleichlichem, hell-perkussivem Sound. Produzent Ben Mandelson hat viele gute
Afrika-Produktionen abgeliefert dies ist eine seiner schönsten. Die Aufnahme klingt
wunderbar natürlich, gute Mikros, kein Schnickschnack. Der Preis der deutschen
Schallplattenkritik sollte sicher sein, denn die CD ist die neue Referenz in Sachen
Maskanda, musikalisch wie technisch.
Luigi Lauer
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TINARIWEN
Amassakoul
(Wrasse 125/Harmonia Mundi)
11 Tracks, 45:17; Infos und Texte (engl./franz.)
Wenn die Wüste rockt, tanzen die Kamele: Tinariwen sind das Beste, was progressive
Tuareg-Musik derzeit zu bieten hat und bislang zu bieten hatte. Geboren aus dem
Widerstand gegen die repressive Politik der Regierung Malis, schufen Tinariwen den
Soundtrack zur Revolution: repetitive Muster gegen den Wiederholungszwang
unterdrückender Gewalt. Solo- und Satzgesang im call-and-response-Verfahren und
Handclaps zeigen die Verbundenheit mit der uralten Tradition, während Bass und
E-Gitarre mächtig aufmischen wie einst die Tuareg die Regierungstruppen, denen sie
inzwischen angehören. Man möchte glauben, dass die politisch-sozialen Bedingungen
diese Musik erzwangen und Tinariwen ihre Vollstrecker sind: Umstands-Musik, mit der
die Band so lange schwanger ging, bis sie unter dem Druck der Schmerzen hervorbrach
und sich mit dem Ur-Schrei der Empörung der Welt mitteilte. Die kann nun hören,
wieviel Seele dem Blues der kleinen Dinge innewohnt, wieviel Opulenz im musikalischen
Zölibat steckt. So, wie Tinariwen ihren kargen R & B spielen, muss man es als
Addition lesen: Rhythm + Blues, und die Gleichung abschließen mit: = Soul.
"Amassakoul" definiert die Entfernung zwischen zwei Tönen neu, und auf dem Weg liegen
Stille, Weite, Entbehrung, Zuversicht. Und Schönheit, sehr viel Schönheit.
Luigi Lauer
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