backRezensionen Nordamerika


JIMMY DAWKINS
Tell Me Baby

(Fedora FCD5032)
10 Tracks; 56:09

Diese CD einlegen, die Augen schließen - und schon ist man in einer der Spelunken in Chicagos West Side, und dass auch noch um 30 oder 40 Jahre in der Zeit zurück. Nichts besonderes steht heute Abend auf dem Programm, lediglich Jimmy "Fast Fingers" Dawkins (Gitarre/Gesang) und ein paar Kumpels hier aus der Gegend (Frank Goldwasser und Rich Kirch/Gitarre, John Suhr/Orgel, Danny Camarena/Bass, Chris Miller/Drums) treten auf und tun, was sie am besten können : Sie spielen den Blues.

Und dieser Blues springt einen an ("Kotten Field Jump"), reißt einen mit ("Mid Nite Boogie"), er rollt und stampft ("Rumping'N'Stomping") und erzählt in Zeilen wie "walking the floor all night, can't get you off my mind" mit wenigen Worten ganze Geschichten.
(Anmerkung : Die Schreibweise der Songtitel entspricht der dortigen Sprechweise, es handelt sich nicht um Schreibfehler...)

Voneinander gelernt (oder abgeschrieben ?) hat man auch, nämlich von Luther Allison : Das Hauptriff in "Tired of Krying" entspricht dem in "Life is a Bitch", und "Falling Tears" ist "Bad Love" zum Verwechseln ähnlich.

Was bleibt, ist jedoch unverfälschter, urbaner Blues aus der "Windy City".

Achim Hennes

 

JIMMY DAWKINS - Tell Me Baby


THE BEATON FAMILY
The Beaton Family Of Mabou. Fiddle And Piano Music

(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 40507/Sunny Moon)
16 Tracks; 74:22, mit Infos

Natürlich ist eine 74-minütige CD, die allein aus den Instrumenten Fiddle und Piano besteht, eine Herausforderung für normal sterbliche Ohren, für die Spezialisten der jeweiligen Künste dürfte sie hingegen ein ganz besonderes Schmankerl sein. Denn die seit über 200 Jahren in Nordamerika ansässige Beaton Family von Mabou beherrscht ihre Tradition. Die auf dieser CD präsentierte Generation besteht aus acht Mitgliedern, in deren Gesichtern sich drei Generationen widerspiegeln. Während die Herren alle fiddeln, beherrschen die Damen darüber hinaus auch das Klavier und die Steppkunst. Den mitreißenden und stark synkopisierten Dance-Sets hört man ihre schottischen Wurzeln an. Bert Feintuch, aus dessen Feder die Einleitung im liebevoll gestalteten Booklet stammt, mutmaßt, dass auf der Insel Cape Breton (Nova Scotia) wie in einer Zeitkapsel das Vermächtnis der gälisch-schottischen Tanzkultur überlebt hat, während im Mutterland längst ein anderer Wind wehte.

Eine wunderschönes Stück Musikgeschichte ist hier eingefangen, dessen ruhige Momente einen ohne die lästige Unterstützung von Möwengekreische oder Wellengeräuschen träumen lassen, und deren Uptempo-Stücke einen ebenso träumen lassen - von einer ungehemmten, ursprünglichen Pärchen-Ausgelassenheit.

Elise Schirrmacher

 

THE BEATON FAMILY - The Beaton Family Of Mabou. Fiddle And Piano Music


BRIGHT EYES / NEVA DINOVA
One Jug of Wine, two Vessels

(Saddle Creek Europe SCE-60 / Indigo)
6 Tracks; 21:55, mit Infos u. Texten

Die allerorten gezogenen Vergleiche mit Bob Dylan, Neil Young, gar Bruce Springsteen oder Morrissey sind ein Lacher: Bright-Eyes-Chef Conor Oberst mag zwar gern mal einen Dylan-Song covern, aber damit hat sich's. Weder ist seine Stimme komplett im Eimer, noch muss er sich autistisch ständig neu erfinden, von muskelstudiogestähltem Stadionrock oder Dandytum mit eingebautem Streit mit allen und jedem ganz zu schweigen. Aber der Ruhm, zu dem er mit seiner Kapelle Bright Eyes schnell kam, scheint berechtigt, denn: Er hat viele Ideen! So viele, dass er sich neben seiner Band auch mal mit anderen zusammentut wie nun mit Neva Dinova, wie Bright Eyes aus Omaha/Nebraska, und in Insiderkreisen angeblich auch schon ebenso hoch geschätzt. Der Sixpack, den sie eingespielt haben, macht Lust auf mehr: verspielte kleine Songentwürfe, die mal an Marianne Faithful erinnern, mal an Ron Sexsmith, mal an die Sixties des letzten Jahrhunderts, mal an die ersten Jahre des neuen Jahrtausends. Sparsam folkig, dann wieder ganz schwelgerisch opulent. - fast wie der große Bruder im Geiste von jenseits des Teichs: Conor Oberst, seine Bright Eyes und in diesem Falle auch die Mitstreiter von Neva Dinova sind Badly Drawn Boy!

Christian Beck

 

BRIGHT EYES / NEVA DINOVA - One Jug of Wine, two Vessels


DIVERSE
Roll And Tumble Blues - a history of slide guitar

(Indigo Records/Sanctuary Records IGOTCD 2548)
3CDs; 78 Tracks; 233:26, mit Booklet)

Die 3-CD-Box erstreckt sich über 70 Jahre Slide-Gitarre, 1926-1999. Die teilweise seltenen Aufnahmen von Sylvester Weaver, Blind Lemmon Jefferson, Blind Willie McTell, Nellie Florence, Frank Hutchinson, Willie Baker, Willie Harris, Cliff Carlisle, u.a. sind eine Reise in die Geschichte der Blues Slide Guitar in ihrer ganzen vielfältigen Breite, aber man sieht der Gestaltung eben jenen typischen "low price" Charakter schon irgendwie an. Bei der Masse der Musiker sind eben auch nicht die ausfühlichen, fundierten Informationen zu erwarten - so wartet das Booklet mit einem eher geschichtlichen Schnelldurchlauf auf. Man muss sich den Aufnahmen hingeben. Allerdings hat so eine marktorientierte Zusammenstellung immer wieder einige Haken: CD 3 kommt, wie üblich, zu jener Generation von weißen E-Bluesern wie Clapton, Peter Green, Fleetwood Mac, Brian Knight...,die das Erbe der "Vorväter" aufnahmen, doch wie üblich fehlt der Blick auf jene akustischen Picker, die, ebenfalls seit den 60er/70ern das Erbe weiterbewegten und selbst zu Innovatoren wurden, wie etwa Fahey, Kottke, Lang, Auldridge, Grossman, Cooder und Co. Ganz zu schweigen, dass sich die "history of slide guitar" auch außerhalb des Blueskreises (Indische Musik, Jazz, bis hin in zeitgenössische Gefilde) bewegt. So gesehen birgt der Titel eigentlich einen Anachronismus in sich selbst. Bezogen auf den Blues jedoch ist die Box ein durchaus respektabler Querschnitt und kann auch dem Nichteingeweihten eine Ahnung über die stilistische Bandbreite speziell von den Mitt-20ern bis in die 60er geben.

Steffen Basho-Junghans

 

DIVERSE - Roll And Tumble Blues - a history of slide guitar


SUSAN McKEOWN
Sweet Liberty

(World Village 468029/Harmonia Mundi)
10 Tracks; 48:20, mit Texten und Infos

Sie nutzt das aktuelle keltische Revival wie kaum eine andere: Susan McKeown hebt auf ihrer neuen CD "Sweet Liberty" Schätze des irischen und englischen Liedguts und haucht ihnen frisches, globalisiertes Leben ein. So singt und trommelt bei "Oro Mhile Grá! (Tausend Meilen, Liebchen)" das Ensemble Tartit mit, eine Gruppe von Tuareg-Musikern aus dem Norden Malis. Dieser Versuch einer Verschmelzung zweier Sprach- und Musikkulturen gelingt so lässig und selbstverständlich, als hätte es wirklich keltische Tanzabende in der Wüste gegeben. Auch die sehnsüchtigen Bläser der "Mariachi Real de Mexico" beweisen, dass das englische "Eggs In Her Basket" auch in einem südamerikanisches Nest musikalisch ausgebrütet werden kann - einziger soundtechnischer Minuspunkt hier: Im Chorus zerrt es hin und wieder etwas in den glasklaren Höhen der Sängerin.

Richtig irisch geht es in den übrigen Songs zu, besonders im Opener, bei dem das Instrumentalquartett "Flook" den Ton angibt. Auch hier erweist sich das geschmackvolle Händchen Susan McKeowns in der Auswahl ihrer Gäste.

"Sweet Liberty" ist Album voller Überraschungen, die aufgehen wie die Äste einer Rose von Jericho im Wasser.

Elise Schirrmacher

 

SUSAN McKEOWN - Sweet Liberty


TERRY LEE HALE
Celebration what for

(Blue Rose Records BLU CD0326 / www.bluerose-records.de)
10 Tracks; 45:04, mit Infos u. Texten

Weltoffenheit hat noch keinem Künstler geschadet. Auch Terry Lee Hale nicht: Sieht man vom Grunge ab, dem er damals in Seattle wohl kaum entgangen sein kann, so scheint in seiner Musik noch jede Station seines Vagabundenlebens eindrucksvolle Spuren hinterlassen zu haben: Das knochentrockene Singer/Songwriter-Fundament das er noch in der alten Heimat Texas mit anderen Schwergewichten wie Townes Van Zandt, Calvin Russell oder Jimmie Dale Gilmore entwickelte, ist noch gegenwärtig - aber nicht mehr allmächtig. Stattdessen delegiert Hale lange schon die Macht. Als weite sich sein alter Chronistenblick gleichsam auf Cinemascope-Format, diversifiziert er seine Vision: greift südliche Melodien auf, amerikanische wie europäische, spielt mit meditativen Soundlandschaften, erweitert seine Arrangements mit barock-europäischen Harfen, zapfenstreichartigen Trompeten oder gestrichenen Doppel-Bässen um Zeiten, Kontinente, Welten. Das Ergebnis sind kraftvolle Songs, ebenso eingängig wie assoziationsstark - mal klein, konkret und fein, dann wieder weit, vage und raumgreifend ins Endlose. Und ein Ende der Entwicklung ist, da Hale nun in Frankreich lebt und das Album in Zagreb einspielte, nicht abzusehen...

Christian Beck

 

TERRY LEE HALE - Celebration what for


WARNER WILLIAMS WITH JAY SUMMEROUR
Blues Highway

(Smithsonian Folkways SFWCD40120/Sunny Moon)
14 Tracks; 43:16; mit Infos

Piedmont Blues ist ein ländlicher Blues-Stil, der geographisch an der Ostküste der USA zwischen Maryland und Georgia beheimatet ist. Meist im Duo gespielt, gehört sehr oft neben der Gitarre das Klavier, die Geige, das Banjo oder die Mundharmonika als zweites Instrument dazu. Im Gegensatz zum "Deep Blues" aus dem Süden ist der Piedmont Blues in der Regel fröhlicher, die Texte stecken oft voller lustiger Wendungen oder handeln von "leichten" Alltagsthemen.

Diese CD ist ein typischer Vertreter dieses Stils. Warner Williams (Gitarre / Gesang) und Jay Summerour (Harp / Gesang) wurden an 3 Terminen live aufgenommen. Nie nervös oder aufdringlich ist ihre Musik und eignet sich hervorragend zum "einfach spielen lassen". Aber auch beim genaueren Zuhören hat sie Bestand : Mit dem Daumen gespielte Basslinie, die Melodie dazu mit den Fingern gezupft, perfekt begleitet von der Mundharmonika. Immer wieder gibt es Zwischenapplaus oder Lacher des Publikums, so zum Beispiel wenn Warner Williams in "Hey Bartender, There's A Big Bug In My Beer" vom Störenfried in seinem Bierglas singt - schön einfach und einfach schön.

Achim Hennes

 

WARNER WILLIAMS WITH JAY SUMMEROUR - Blues Highway

Valid HTML 4.01!

Home