backDie besondere CD

Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder CDs, die aus der Masse herausragen:

Klezmer WILLY SCHWARZ --> Jewish Music around the World
Portugal GAITEIROS DE LISBOA --> Macaréu
USA THE CREEKDIPPERS --> Mystic Theatre


DIE BESONDERE - Klezmer

WILLY SCHWARZ
Jewish Music around the World

(WS2003)
14 Tracks; 45:18; mit Infos (engl.)

Willy Schwarz galt in Chicagoer Studiokreisen lange als "der merkwürdige Multiinstrumententyp", der immer greifbar war, sobald man ein etwas exotischeres Instrument suchte. Als Akkordeonist bzw. Keyboarder spielte er mit Tom Waits oder den Brave Old World. Geboren in Michigan (USA) als Sohn jüdischer deutsch-italienischer Eltern, die gerade noch "den Sprung" schafften, lernt er ausgerechnet dort eine Deutsche kennen und lebt heute verheiratet in Bremen. Mehr über Willy Schwarz in Folker! 1/2000.

Sein nunmehr viertes Soloalbum ist ganz auf seine jüdischen Wurzeln bezogen, zu denen er erst relativ spät in den 70er Jahren zurückfand. Welches Land auf der Weltreise durch die jüdische Musik ist hier nicht vertreten, möchte man fragen. Natürlich können es bei 14 Titeln nicht mehr als 14 Ländern sein und trotzdem ist es Schwarz gelungen, einen äußerst breiten Bogen zu schlagen. Was aber nun ist das Gemeinsame dieser Lieder, was verbindet sie? Die Musik selbst kann es gewiss nicht sein - zu unterschiedlich sind die einzelnen berücksichtigten Länder. Es ist vielmehr das (jüdisch) religiöse Element in den Liedtexten, das das Album zu einer Einheit wachsen lässt. Begonnen etwa mit "Lekha Dodi", einem auf Hebräisch gesungenen traditionellen Schabbathlied, ausgewählt zu einer Musik aus Bukhara (Usbekistan), dem geistigen Zentrum der zentralasiatischen Juden. "Hineh Ma Tov", direkt der Bibel entnommen (Psalm 133,1), wird musikalisch Syrien zugeordnet. Die USA werden durch ein Lied in jiddischer Sprache berücksichtigt, und selbst Irland wurde eingeschlossen: Ein in jiddisch singender Straßenmusikant wird verhaftet, da ein übereifriger Polizist die Sprache für das verbotene Gälisch hält. Neben Äthiopien und Persien ist auch der Yemen mit "Oda Leili" vertreten, einem Lied aus dem 17. Jahrhundert, entnommen dem "Diwan" des jüdischen, von manchen als Messias erkannten Mystikers Schalom Schabazi.

Wann nun ist ein Album "besonders"? Das ist sicher nicht nur ein Frage des Geschmacks des Rezensenten. Denn das vorliegende Album ist wahrlich "jüdische Musik in der Welt" - es ist in seinem Facettenreichtum gewissermaßen ein Spiegelbild des Judentums bzw. der ethnischen Zusammensetzung der jüdischen Bevölkerung in Israel. Schwarz spielt die meisten der verwendeten Instrumente selbst, singt fehlerfrei in mehreren Sprachen. Das alles verdient das Prädikat "besonders", ganz abgesehen davon, dass die Musik trotz der manchmal enormen Stilsprünge (etwa von orientalisch auf westlich) äußerst gefällig anzuhören ist.

Matti Goldschmidt

 
WILLY SCHWARZ - Jewish Music around the World

DIE BESONDERE - Portugal

GAITEIROS DE LISBOA
Macaréu

(Galileo 02 A 001B)
14 Tracks; 44:27; mit Texten

Lissabon ist die Stadt des Fado. Mit Verlaub, Gaiteiros, Gruppen von Dudelsackbläsern, kannte man in Portugals Hauptstadt bis vor kurzem noch nicht. Dudelsackbläser spielen gewöhnlich in Volksfesten in der Region Tras-os-Montes und Nordspanien zum Tanz auf. Doch die Gaiteiros de Lisboa sind gar keine richtige Gruppe von Dudelsackbläsern - was wiederum auch nicht stimmt. Sie sind sehr wohl Dudelsackbläser, sehr innovative und gute sogar. Aber die Gaiteros de Lisboa sind noch viel mehr: herausstechend ist erst mal der hervorragende polyphone Gesang in der Tradition Nordportugals. Auf dem Stück "Terra de Niguém" befindet sich auch eine kurze effektvolle Rap-Einlage des Rappers Pacman. Dann setzen die Gaiteros auch eine Vielzahl atypischer Blas- und Perkussionsinstrumente ein. Darunter finden sich selbstgebaute Exoten wie das aus parallelen rot-, blau- und metallfarbigen, blasbaren Rohren zusammengesetzte "Túbaros de Orfeu". Das Tonwerkzeug ist nur schon optisch eine Augenweide. Auch wenn die Gaiteros zuweilen mächtig losblasen und singen, "Macaréu" ist keineswegs ein lautes Album geworden. Jedes der Instrumente findet seinen Platz in den Arrangements, und sei es so klein wie die Maultrommel. Alle vierzehn Stücke hören sich frisch und spannend an und knistern vor Experimentierfreude. Den sieben Musikern gelingt es mit Leichtigkeit, eine Brücke von der traditionellen portugiesischen Volksmusik zur experimentellen Musik zu schlagen. Und zum Schluss sei es noch einmal erwähnt. Kaum zuvor wurden solch spannende Arrangements für Dudelsack vom Alentejo bis zu den Hebriden gehört. Lissabon ist die Stadt der Dudelsackbläser!

Martin Steiner

 
GAITEIROS DE LISBOA - Macaréu

DIE BESONDERE - USA

THE CREEKDIPPERS
Mystic Theatre

(Glitterhouse GRCD 605)
13 Tracks; 39:14, mit Infos

Konzert des Jahres - Hörsturz des Jahres! Das Berliner Publikum beim ersten Creekdippers-Konzert vor drei Jahren hatte - wenn auch in beide Richtungen - durchweg so extrem reagiert wie das außergewöhnliche Kommunenhappening, dessen Zeuge es gerade geworden war, von der Bühne heruntergeschwappt war. Und wie es überhaupt das bestimmende Merkmal der Partnerschaft der beiden Creekdippers ist zwischen den Polen "Schiere Auflösung in hemmungsloser Improvisation" und "Totaler Zusammenhalt in persönlichen und spirituellen Dingen", künstlerisch wie menschlich: Victoria Williams bereits eine der amtierenden Queens der aufkommenden Americana, Mark Olson mit seinen Jayhawks einer ihrer Prinzen mit Regentenanspruch, als sie sich kennen lernten. Und lieben. So sehr, dass Olson, als er sich entscheiden musste, ob er seine Kräfte in den beginnenden Richtungskämpfen einer Band auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft aufreiben oder lieber seiner an Multipler Sklerose erkrankten Frau zugute kommen lassen wollte, nicht zwei mal überlegen musste. Er verließ die Band, die beiden zogen nach Joshua Tree/Kalifornien und machten sich daran Musik und Leben noch einmal zu verbinden, wie es in den Sechzigern Mode gewesen war: gemeinsam wohnen, gemeinsam musizieren, gemeinsam touren, ohne Kompromisse. Und der Einsatz lohnt - dass Williams und Olsen es tatsächlich geschafft haben, den alten Traum von Harmonie in Liebesbeziehung und Werk Wirklichkeit werden zu lassen, zeigt auch "Mystic Theatre" wieder: unspektakulär handgemachte Americana, die all ihrer stilistischen Zurückhaltung zum Trotz vom Inneren her leuchten wie wenig Musik im Zeitalter der globalen Massenschlachtung in Sachen Musikstile, -künstler und -werte. Kein noch so großkotzig produziertes Megaprodukt entwickelt eine Kraft wie sie zwischen Liebenden entstehen kann. Und in Musik immer möglich war, ist und bleibt, der es weniger darum geht, Profite zu akkumulieren als emotional zu befriedigen. Für Leute, die Gefühle teilen können: Platte des Jahres!

Christian Beck

 
THE CREEKDIPPERS - Mystic Theatre


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