backRezensionen Europa


TWM TWP
Twm Path - Dance music from Wales

(Kerig)
14 Tracks; 53:54; mit Infos und Texten walisisch, engl., frz.

Der Name der bretonisch-walisischen Gruppe bedeutet "Bal-Folk", dies ist Programm: Eine Tanzmusik von traditionell bis jazzig, entsprechend auch die Arrangements.

Wer GIG CB! kennt (Trevor Bennett spielt bei beiden Bands), weiß, dass dieser Stil jede müde Gruppe swingt. Der Kenner merkt auf, denn Tänze aus Wales sind in der lebendigen Tradition nicht bekannt; Twm Twp greift den hauchdünnen Faden auf und gibt ihr ein aktuelles, modernes Gewand. Ziel ist ein Revival der Tänze und traditionellen Tunes. Die Tänze dazu sind von alt bis bearbeitet, übermittelt durch Schriften ab dem 18 Jh., dem Projekt geht eine intensive Recherche voraus. Wichtig ist es, diese Tänze ins Heute zu bringen, die Tradition wird dicht an den Quellen interpretiert: Die Figurensprache der Country Dances mit einfachen Gehschritten ist Basis in Wales gewesen.

Die CD ist interessant für Leute, die auf diese Renaissance neugierig sind, für Tänzer und Anleiter von Countries auf der Suche nach witzig-tanzbarer Musik. Sehr gut hörbar sind die Einsätze und das Tempo variiert von langsam bis flott, ist also für verschiedene Gruppen einsetzbar. Die Anleitung speziell der walisischen Tänze gibt es um den 20.07. in Gennetines oder über ein engl./frz. Booklet bei der Gruppe selbst.

Corina Oosterveen

 

TWM TWP - Twm Path - Dance music from Wales


LA LIONETTA
Arzan

(FolkClub EthnoSuoni ES 5331/Old Songs New Songs)
11 Tracks; 46:57, mit piemontesischen/ital. Texten/Engl. Texte auf der CD als CD-Rom

Mit "Arzan" lassen die Piemontesen die Fete zu ihrem 25-jährigen Bestehen steigen. Auf ihrem fünften Album machen die keltisch piemontesischen Ursprünge der Gruppe vermehrt Einflüssen aus Nordafrika, Neapel oder der Musik der Roma Platz. Der Eindimensionalität norditalienischer Separatisten setzen sie ihre musikalische Vielseitigkeit entgegen. Unterstützt von einigen Gastbläsern steuert das Schiff Richtung Süden, wo die Fanfarenstöße der Brass Band ihr Publikum von Bord spülen. Doch keine Angst: Ein Netz aus Harfenklängen oder A-capella-Stimmen zieht die ZuhörerInnen wohlbehalten zurück ans Festland. Der Gesang der vier Multiinstrumentalisten (Blasinstrumente, Drehleier, Dudelsack, Gitarre, Perkussion, Geige, Pferdegeige u.v.a.) ist eine der Stärken von La Lionetta. Mein Favorit, das a capella gesungene "Re Ungino", zeigt, welch explosive textliche Kraft ein traditionelles Stück haben kann: "Hätten wir auf unsere Frauen gehört, wären wir nicht in den Krieg gezogen und hereingelegt worden". Die unvermeidliche gesampelte Stimme von George W. Bush auf dem nachfolgenden Marsch "Marcia 'd Ghera", einem Gemisch aus Dudelsack und Perkussion, zeugt davon, dass eben gewisse Herren auch heute noch nicht auf die Frauen hören. Bei dieser frischen Produktion bleibt nur zu hoffen, dass La Lionetta uns noch weitere 25 Jahre den Marsch blasen.

Martin Steiner

 

LA LIONETTA - Arzan


JOHN SPIERS & JON BODEN
Bellow

(Fellside Recordings FECD175)
58:28; 12 Tracks; mit Infos

Man muss sich das mal vorstellen! Zwei junge und ziemlich unerfahrene Herren aus England, einer spielt Akkordeon, der andere fiddelt und singt, nehmen ihre erste CD für ein kleines Label mit gutem Namen auf - und das Ding geht ab wie eine Rakete. Spiers & Boden rollten die Folkszene quasi von hinten auf und kassierten einen Preis nach dem anderen. "Bellow" ist der Nachfolger und sogar noch besser!

Man muss sich das mal anhören! Einfach Akkordeon, Fiddle und Gesang (lediglich bei vier Tracks kommen Gitarre bzw. Bouzouki hinzu), aber die zwei entfachen eine Power, das ist unglaublich. Gedankt ist das zum einen der energischen Art, mit der sie ihre Instrumente bedienen. Meist traditionell englisch, manchmal selbstgeschrieben, aber immer geradeaus, sauber aufgenommen, immer mit einem begeisternden Live-Klang. Und zum anderen ist es die Stimme von Jon Boden, zu der mir nur die Redewendung "aus vollem Halse singen" einfällt. Laut, kraftvoll, aber immer kontrolliert, nie geschrieen. Von daher steht der Albumtitel (to bellow = brüllen) gewiss für Energie und Emotionen, ist jedoch im Bezug auf den Gesang etwas irreführend. Und alles schnörkellos Englisch, auch das ist wichtig, schließlich sind die Kelten nur Nachbarn. Sicherlich eine der besten Folk-CDs des Jahres 2003!

Mike Kamp

 

JOHN SPIERS & JON BODEN - Bellow


DANIEL LE NOAN / ALAIN MICHEL
An Eured ou la folle journée

(An Naer 701)
17 Tracks, 60:00; mit Infos und Bildern

SPONTUS HA KANNERION PLEUIGNER
Spontus ha Kannerion Pleuigner

(An Naer 602)
11 Tracks, 49:50; mit breton./franz. Texten

LOENED FALL
Gouez!

(An Naer 702)
13 Tracks, 65:43; mit breton. Texten und franz./engl. Infos

Wer sagt, das bretonische Label An Naer produziere ungewöhnliche CDs, liegt nie verkehrt. Schließlich fallen die labeltypischen Hochkant-CD-Hüllen in jeder Plattensammlung auf. Oft ist aber auch der musikalische Ansatz der CDs bemerkenswert. An Eured zum Beispiel ist eine Art musikalisches Hörspiel, das eine Hochzeit in der Zentralbretagne beschreibt: vom Morgen in der Küche über das Standesamt und die Kirche bis hin zum Festschmaus. Und alle Wege werden mit Musik begleitet, meist vom couple sonneur Daniel Le Noan (Bombarde) und Alain Michel (Dudelsack/biniou kozh), später wird auch gesungen (u.a. von Anne Auffret). Aufgenommen wurde das ganze wohl bei einer echten Hochzeit, wie die Bilder im Booklet nahelegen. Auch Reaktionen und spontane Gesangseinlagen der Hochzeitsgesellschaft sind immer wieder zu hören. Die folkige Ausgelassenheit des Festes wirkt ansteckend, obwohl die Musik an sich eher etwas für Hardcore-Traditionalisten ist. Auch die zweite CD ist ungewöhnlich. Die junge Fest-Noz-Gruppe Spontus (Durchschnittsalter: 20 Jahre) hat sich auf ihrem zweiten Album mit einem Männerchor zusammengetan, der überwiegend aus älteren Herren besteht. Gemeinsam ist ihnen das Interesse an der Musik aus der Gegend um Vannes. Die CD enthält neben fünf Kollaborationen, auch sechs sehr schöne Spontus-Instrumentalstücke. Und das ist auch gut, denn die einstimmigen bretonischen Gesänge sind nicht übermäßig beeindruckend. Gemeinsam ist aber allen Tracks eine gewisse Melancholie. Das macht wohl der Kontakt mit dem Alter. Am wenigsten aus dem Rahmen fällt das jüngste (ebenfalls zweite) Album von Loened Fall. Die fünfköpfige Fest Noz-Band um die Kan ha Diskan-SängerInnen Marthe Vassallo und Ronan Gueblez hat es wieder live eingespielt. Unterstützt von Geige, Bombarde und Gitarre gelingt es Vassallo und Gueblez erneut, atmosphärisch warme und doch spannungsreiche Tanzmusik zu schaffen.

Christian Rath

 

DANIEL LE NOAN / ALAIN MICHEL - An Eured ou la folle journée

SPONTUS HA KANNERION PLEUIGNER - Spontus ha Kannerion Pleuigner

LOENED FALL - Gouez!


ALEGRE CORRÊA & GUINHA RAMIRES
Handmade

(Extraplatte EX-WO 001-2)
10 Tracks; 39:03; mit Infos (dt./engl.)

Infancia

(Extraplatte EX 329-2)
11 Tracks; 62:13; mit Infos (port./engl.)

Beide Aufnahmen sind nicht mehr ganz aktuell (1993-1999) und man muss sich wirklich fragen, warum diese hervorragenden Aufnahmen erst jetzt vorgestellt werden - entstanden übrigens nicht in Zuckerhutnähe, sondern im Copacabana fernen Wien. "Handmade" konzentriert sich in besonderem Maße auf die Duoarbeit mit dem ebenfalls aus Brasilien stammenden Gitarristen Guinha Ramires. Eine Vielzahl von Saiteninstrumenten kommt zum Einsatz: Cavaquinho, Kontragitarre, 12-saitige, akustische und halbakustische Gitarren. Mal abgesehen vom Latinklassiker "Cumbanchero" stammen alle Kompositionen aus eigener Schmiede. Die Arrangements sind außergewöhnlich interessant und feingestaltig - gepaart mit einer nicht zur Schau gestellten Virtuosität ein echtes gitarristisches Highlight. Die improvisatorische Freude der beiden Vollblutmusiker ist ansteckend. Besonders witzig: die Kombi aus Bluegrass und Frevo auf "Festa do Barão". Glanzlichter setzen auch die Gastmusiker an der Harmonika oder dem Englisch Horn! Auch der Vorgänger "Infancia" enthält die gleiche Mischung aus typisch brasilianischer, jazznaher Harmonik, sangbarer Melodik und treibenden Rhythmen. Die Besetzung wird hier durch Bass, Schlagzeug, Harmonika, Vocals und Bläser erweitert. Den Namen Corrêa sollte man sich unbedingt vor dem nächsten Besuch im gutsortierten CD-Handel merken. Der Freund exzellenter brasilianischer Musik hat in Zukunft lediglich die Alpen zu überwinden.

Rolf Beydemüller

 

ALEGRE CORRÊA & GUINHA RAMIRES - Handmade

ALEGRE CORRÊA & GUINHA RAMIRES - Infancia


NICOLAI DUNGER
Here's my Song, you can have it … I don't want it anymore / Yours 4-ever

(Virgin 7243 596855 2 6)
11 Tracks; 41:33, mit Infos u. sehr schönem Hochglanz-Booklet (engl.)

Amerikana von Folk über Country bis Blues mit europäischem Metropolen-Ennui zu kreuzen, könnte gut Nicolai Dungers Erfindung sein, der immerhin bereits seit einem halben Jahrzehnt daran arbeitet. Und eine relativ einsame Meisterschaft hat er dabei mit "Here's my Song … " inzwischen auch erreicht. Ob es dafür tatsächlich nur des einen kleinen Kunstgriffs mit Mercury Rev bedurfte? Jedenfalls erzeugt die Hinzunahme der amerikanischen Opulenzler für Teile der Produktion inklusive Overdubs genau das richtige Spannungsverhältnis zwischen den Polen: Von der Südstaaten-Plantagennostalgie Leon Redbones bis zu Pub Rock á la Graham Parker oder gar New Wave wie Elvis Costello sie ab "This Year's Model" mit Hilfe von Steve Nieves Orgel herausquäkte reicht das Spektrum des Albums. Fehlt nur noch Dungers ähnlich brüchig wie das von Ron Sexsmith klingende Jammerorgan - und fertig ist eine Amerikana-Annäherung, die sich ebenso gern alle naslang flirrend in die Lüfte erhebt wie sie bombenfest auf dem Boden der ländlichen amerikanischen Volksmusikstile des letzten Jahrhunderts steht. Dass man manchmal nicht recht weiß, ob es einen der Schönheit der sehnsüchtigen Visionen wegen zerreißen soll oder der Unmöglichkeit wegen, all die Angebote des Global Village immer stringent unter einen Hut zu bekommen, gibt dem Ganzen noch den zusätzlichen Dreh: Je rätselhafter, desto interessanter, gerade in der Musik

Christian Beck

 

NICOLAI DUNGER - Here's my Song, you can have it … I don't want it anymore / Yours 4-ever


FRANCA MASU
Alguímia

(AraMusica/Felmay CD-20030001)
10 Tracks; 44:43; mit katal. u. ital. Texten

Hab ich recht gehört? Da singt eine Sardin Katalanisch und ihr stimmlicher Ausdruck erinnert entfernt an Maria del Mar Bonet von der Insel Menorca. Was auf die erste Hörprobe als Widerspruch erscheint, macht durchaus Sinn. Franca Masu wuchs in Alghero im Nordwesten Sardiniens auf. Alghero, katalanisch Alguer, geographisch etwa so weit von den Balearen entfernt wie diese von Spanien, wurde im 14. Jahrhundert von den Katalanen erobert. Diese liehen Barceloneta, wie sie die Stadt auch nannten, ihre Sprache und Kultur. Noch heute wird in Alghero neben dem Sardischen Katalanisch gesprochen. Kein Wunder also, wenn Franco Masus zweite CD sehr mediterran, aber keineswegs sardisch klingt. In ihrer Musik finden sich Einflüsse von Tango und Swing Jazz neben Anleihen an Flamenco und Fado. Mit dem Produzenten Mauro Palmas hat die Sängerin einen Glücksgriff getan. Wie sie liebt der Saitenvirtuose neben feinen, intimen Klängen die große Geste und den weiten Spannungsbogen. Palmas und seine sardisch-katalanischen Mitmusiker (Gitarre, Bass, Akkordeon und Perkussion) legen Franca Masu einen fliegenden Teppich aus kristallklaren Tönen, auf denen ihre Stimme zum Olymp der Gesangsgöttinnen des Mittelmeers aufsteigt.

Martin Steiner

 

FRANCA MASU - Alguímia


BALTINGET
Classic

(GO' Danish Folk Music Production GO 0103)
13 Tracks; 49:28; mit Infos dän./engl.

Sehr dänisch ist die CD darin, dass die Gruppe im Beiheft klagt, die traditionelle Geigenmusik sei in ihrem Land so gut wie ausgestorben, doch sie hätten sie nun wieder belebt. In ihrer Abneigung gegen brauchbare Informationen könnten sie fast norwegisch sein - oder glaubt wirklich jemand, dem Publikum sei mit Auskünften wie "Zwei gute Melodien, für die wir uns bei Peder Gorm Sørensen bedanken können" auf irgendeine Weise gedient? Und schließlich klingt sie eher shetlandisch, und Titel wie "Reventlow Jigs" lassen jedenfalls auf einen ausgiebigen Austausch übers Meer schließen. Ein "Großer Hamburger" wird im Beiheft als "schlüpfrig" bezeichnet, aber ach, es klingt eher süß und fast zu Heulen romantisch, wie viele Titel auf dieser Instrumental-LP, wenn es nicht lebhaft wird, wie in den Jigs, dann ist es schön und ergreifend. Also sehr gut zu hören, nur wüssten wir gern soviel mehr - woher stammen die Stücke, wann haben die Gewährsleute gelebt, auf die Baltinget sich beruft, wieso klingen die "Berggren Reels" passagenweise absolut wie "The Mason's Apron"? Weitermachen, Baltinget, und in Zukunft auch an die Wissbegier des Publikums denken!

Gabriele Haefs

 

BALTINGET - Classic


BURHAN ÖÇAL & THE TRAKYA ALLSTARS (feat. Smadj)
Kirklareli il siniri

(Doublemoon)
10 Tracks (+ 1 hidden Track); 61:33; Infos in engl.

Der türkische Perkussionist Burhan Öçal ist bei uns vielleicht durch sein "Istanbul Oriental Ensemble" (drei CDs bei Network) bekannt. Neben seinen Sidesteps - u. a. als Begleiter von Joe Zawinul, Sting und Andreas Vollenweider - verwirklichte er mit seinen "Trakya Allstars" ein eher persönliches Album, das die Musik seiner Herkunftsregion Thrakien illustriert, die als europäischer Teil der Türkei im Schnittpunkt zwischen Balkan und Orient liegt. Die AllStarBand ist eine handverlesene Truppe mit einer Blas-Sektion aus Klarinette und Trompete sowie drei Zurna-Oboen, einer Saiten-Fraktion aus Geige, dem Ud-Banjo Cümbüs und der Trapezzither Kanun, sowie Akkordeon, Gesang und natürlich mit Vasentrommel Darbukka, der Rahmentrommel Davul und Schlagzeug.

Insgesamt ein eher solides, traditionelles Album. Die innovativen Akzente des Soundtüftlers Pierre Smadj (z.B. vom DuOud) schlagen einen spannenden Bogen von der Tradition zur Jetztzeit, können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine kreative, durchwobene Aufarbeitung der Traditionen hier nicht stattfindet.

Birger Gesthuisen

 

BURHAN ÖÇAL & THE TRAKYA ALLSTARS (feat. Smadj) - Kirklareli il siniri


ELKIE BROOKS
Shangri-La

(Slave to the Rhythm Records/STREBSHANG001)
13 Tracks, 56:41; mit Texten

ELKIE BROOKS/HUMPHREY LYTTELTON
Trouble in Mind

(Slave to the Rhythm Records/CPA 7063X)
13 Tracks, 51:49

Den großen Erfolg hatte die englische Sängerin Elkie Brooks mit Idioten: 1987 beispielsweise mit der Single "No More the Fool" oder 1981 mit "Fool if you Think it's over". Sie selbst war natürlich nie "the fool", sondern ging ihren kurvigen Weg von der Soul- und Rock- hin zur Schlagersängerin und wieder zurück. Mit "Shangri-La" liegt eine von elektronischen Sounds bestimmte CD vor, die im Familienkreis entstand: Sohn Jermaine schrieb den Großteil der Musik und produzierte, während Brooks' Ehemann Trevor Jordan an den Reglern saß. Sie haben ihre Elkie in weite synthetische Räume platziert, in denen die Stimme mal klar steht, mal verschwimmt. Teilweise sperrige Melodien wechseln sich mit gefälligen souligen Songs ab. Die Familie Jordan/Brooks weiß hier immerhin, Atmosphäre zu erzeugen. Die geht der Kooperation mit der europäischen Trompeterlegende Humphrey Lyttelton und seiner Band ab. Bereits zu Beginn ihrer Karriere in den frühen Sechzigern trat die Sängerin mit dem inzwischen 82-Jährigen auf und für dieses Album kamen beide wieder zusammen, um 13 Songs in drei Tagen festzuhalten - lauter Swing- und Bluesnummern, darunter auch der "Bad Penny Blues", 1955 die erste Jazz-Aufnahme, die jemals die britischen Top 20 erreichte. Doch Instrumente und Stimme verhallen im Raum, von Unmittelbarkeit keine Spur. Im wahren Wortsinn: nicht zu fassen.

Volker Dick

 

ELKIE BROOKS - Shangri-La

ELKIE BROOKS/HUMPHREY LYTTELTON - Trouble in Mind


FREEBIDOU
Baby Foot Party

(Le Chant du Monde/harmonia mundi 274 1181)
13 Tracks; 43:01

Von freeBidou hatte ich, zugegeben, zuvor noch nie gehört. Doch schon der erste Höreindruck ihres neuen (zweiten) Albums ließ mich aufhorchen. Das Trio mit Akkordeon-As Patrick Fournier, Kontrabassist Stephen Harrison und Saitenspezi Alain "Bullon" Buisson (Banjo, Gitarren plus Percussion u. Geräusche) sprüht vom ersten Ton an vor Spielwitz und Energie. Da wird zwar nicht gleich alles in einen "melting pot" gekippt, aber entsprechend respektlos Volksmusik der französischen Regionen, klassische Musettes und (Tanz-) Musik der Bistros, wie sie wohl in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg dort erklangen, mit der Dynamik des Punk und/oder der Balkan-Brassbands (aber eben fast durchweg ohne Bläser) gekreuzt. Gleich "BATMAN en Roumanie" gibt mächtig Gas (nicht nur wegen der Motorradgeräusche am Anfang). Das Tempo bleibt auch in der Folgezeit hoch, wobei insbesondere die "Duelle" zwischen Akkordeon und Banjo faszinieren. Atempausen bieten neben dem einzigen Gesangsstück "Éclaircie 1" (mit Gastsängerin Blanche - im Original Bessie Smiths "Backwater Blues") midtempo-Nummern wie "Rumbala" oder pfiffige Walzer wie z. B. "A bientôt". Bisweilen fühlt man sich an die musikalische Untermalung eines Jacques-Tati-Films erinnert (z. B. "Medicament"). Wie überhaupt die Musik von freeBidou bestens für Soundtracks zu skurrilen Komödien passen könnte. Ein Hörvergnügen bietet auch "Amicalement vôtre", John Barrys Themamusik für die TV-Serie "The Persuaders" (dt. "Die Zwei") - hier im Reggae-Rhythmus.

Roland Schmitt

 

FREEBIDOU - Baby Foot Party


JUNE TABOR
An Echoe Of Hooves

(Topic Records TSCD543)
11 Tracks; 56:23; mit Texten und Infos

June Tabors gesangliche und interpretatorische Fähigkeiten zu loben wäre nach eine über 30jährigen Karriere müßig. Sie ist schlicht eine Klasse für sich.

Ihr aktuelles Werk konzentriert sich fast ausschließlich auf FJ Child, dessen Mitte des 19. Jahrhunderts gesammelte Balladen nummeriert eine wertvolle Quelle für das britische Revival 100 Jahre später waren. June Tabors dunkle Altstimme passt perfekt zu den meist tragischen Geschichten, die die Lieder transportieren. Erstaunlicherweise singt sie nur eine Ballade a capella, die meisten interpretiert sie zu der immer dezent angejazzten Pianobegleitung ihres Standard-Kollaborateurs Huw Warren. Die Höhepunkte in meinen Ohren jedoch sind 2x2 Lieder. Da stellt sich zum einen ein zusätzlicher Gänsehautfaktor ein, wenn sie zu den Northumbrian Smallpipes der Kathry Tickell sind und zum anderen gibt es ein Wiederhören mit Martin Simpson. Mit seiner Gitarrenbegleitung spielte June Tabor 1980 das legendäre Album "A Cut Above" ein und diese Mischung überzeugt auch heute noch ohne Abstriche.

Mike Kamp

 

JUNE TABOR - An Echoe Of Hooves


ROMANO DROM
Ande Lindri

(Daqui 332020/harmonia mundi)
13 Tracks; 48:54; mit Infos u. Texten (rom./frz./engl.)

Vielleicht kommen hier die nächsten Gipsy Kings. Romano Drom könnten durchaus, wenn A&R-Strategen sie ähnlich klug vermarkteten, an den Erfolg der Spanier anknüpfen. Tatsächlich klingt das Quartett aus Ungarn ähnlich wie die Iberer, wenn auch musikalisch um einiges vielschichtiger und natürlich mit osteuropäischerem Einschlag. Aber sonst: die vier Roma-Gitanos schlagen ihre Gitarren mit den gleichen flinken Rasgueados an, auch der mehrstimmige Männergesang klingt nach Gipsy Kings und mit "E bax" ("Glück") haben sie gar einen Ohrwurm wie "Beila Me" im Gepäck - wenn auch ein Lied mit ernstem Hintergrund, denn es erzählt die Geschichte eines Markthändlers, der im Gefängnis landet, bloß weil er Zigeuner ist. Bei Romano Drom müssen alle vier ans Mikro, oft ist der Gesang wahnwitzig polyphon. Alter Clan-Tradition folgend benutzen die Musiker, angeführt von Antal Kovacs senior und junior, Gegenstände aus dem häuslichen Umfeld als Perkussion, etwa Löffel oder Milchkanne. Beeindruckend sind die Gastauftritte von Sängerin Monika Lakatos und Akkordeonist Zoltan Orosz.

Frank Schuster

 

ROMANO DROM - Ande Lindri


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