|
TAN
Yar Diye Diye - Longing for you
(Oriente Musik RIEN CD 47 / FMS)
12 Tracks; 45:40; Infos in dt./engl., Texte in dt./türk.
Eine großartiger Transport türkischer Roots-Musik in die urbane
Neuzeit. Wer die Zeiten deutsch-türkischer Bands für ein Phänomen
der 70er und 80er Jahre hielt, wird mit diesem Silberling wohltuend korrigiert.
In den Händen hervorragender Musiker erweisen sich die türkischen
Traditionen mit ihrem Taktreichtum und ihren feinen Melodien als erfrischende
Fundgrube. Das mehr als 10 Jahre alte Titellied "Yar diye diye" des Bandleaders
Ergün Aktoprak zeugt von einer langen Entwicklungsgeschichte: Er sang
es schon bei "Ses" und davor gab es noch die eher folkloristische Band "Olay".
Zusammen mit dem Keyboarder Jürgen Dahmen schuf er das musikalische
Konzept dieser "Morgendämmerung" (Tan). Ergüns weiche Stimme steht
im angenehmen Kontrast zu den quirligen Perkussionen; die jazzigen Akzente
von Saxophon und Piano fügen sich mit Langhalslaute (Baglama) und
Kurzhalslaute (Oud) zu einem wohl ausbalancierten Klangspektrum. Die Textbeilage
der CD mit der Übersetzung aller Lieder ermöglicht einen Einblick
in die Poesie alter türkischer Lieder. Die Stücke bieten (neben
einem eigenen Lied und zwei instrumentalen Eigenkompositionen) einen Querschnitt
durch die Vielfalt türkischer Musiken aus Mittel- und Ostanatolien,
vom Schwarzen Meer und vom Mittelmeer, vom Rebellendichter Pir Sultan Abdal
und dem großen Humanisten Yunus Emre.
Tan hat zugleich Frische und Reife. Dieser Mix klingt keineswegs artifiziell,
sondern wie eine gelungene Orient-Fusion, made in Germany.
Birger Gesthuisen
|
|
|
RAVI SHANKAR
The Rough Guide to the Music of Ravi Shankar
(World Music Network RGNET 1134 CD / Edel)
9 Tracks; 71:11; mit Infos (engl.)
Üblicherweise etikettieren die Macher der "Rough Guide"-Edition ihre
CDs nach Land, Re(li)gion oder Musikstil. Nur selten wird einem Einzelmusiker
eine Folge gewidmet, meist dann, wenn er repräsentativ für ein
Instrument, eine ganze Stilrichtung oder gar ein ganzes Land steht. Bei Ravi
Shankar trifft all dies zu, hinzu kommt sein großer Bekanntheitsgrad
über die indische Musik hinaus. Seit seinem ersten Auftritt im Westen
im Jahre 1956 brachte er Beatbands, Jazzern und Klassikern die Sitartöne
bei, bespielte die großen Rockevents von Monterey über Woodstock
bis zum (Benefiz-) Konzert für Bangla Desh seines Freundes George Harrison,
er schrieb Filmmusiken und neoromantische "Konzerte für Sitar und
Orchester", er verschmolz die großen Musiktraditionen aus Indiens Norden
und Süden, genauso wie die von Orient und Okzident, kurzum: er war bereits
"crossover", als das noch keine Bezeichnung für uninspirierten
Fusionsmüll war!
"Pionier und kultureller Katalysator" lautet der Untertitel dieser recht
solide kompilierten CD, die manche Phasen seines Schaffens beleuchtet, manche
aber auch - und das hängt mit fehlenden Lizenzen zusammen - sträflich
im Dunkeln lässt. Deshalb meine Empfehlung: Halten Sie ergänzend
Ausschau nach Produkten der Firmen Chhanda Dhara, BeatGoesOn, Ocora, EMI,
CBS/Sony oder DGG. Dort finden Sie Ravi Shankars facettenreiches Gesamtwerk
bestens dokumentiert.
Walter Bast
|
|
|
AKI & KUNIKO
Ha
(Acoustic Music Records/Zomba/319.1318.2)
8 Tracks; 39:45
Eine höchst interessante Konstellation: ein Dialog zwischen der inzwischen
in Japan äußerst populären Steelstring und einem der wichtigsten
traditionellen Instrumente Japans, der Wölbbrettzither Koto, einem der
Eckpfeiler japanischer Musiktradition schlechthin. Von Beginn an keine Frage:
hier begegnen sich auch zwei meisterhafte Instrumentalisten. Aki, der auch
den kompositorischen Part beisteuert, handhabt sein Instrument virtuos bis
hin zu fast rockiger Expressivität - überhaupt kommt ab und zu
des Labelchefs stilistische Bandbreite in den vergleichenden Sinn, was auch
für den kompositorischen Aspekt gelten darf . Doch bei aller
Virtuosität liegt das Hauptaugenmerk auf der dramaturgische Entfaltung
der Stücke. Fast scheint es, als habe Aki dem stilistischen
Repertoire-Kosmos der Koto alle nur mögliche Entfaltung eingeräumt;
ein Raum, in dem sich Kuniko meisterhaft bewegt. Ihr scheinen ebenfalls westliche
stilistische Einflüsse längst vertraut. Beide Instrumente umtanzen,
umschwirren sich, berauschen sich, um wieder, fast schwebend, zu verharren.
Hier entsteht zwischen dem Hintergrund japanischer Musiktradition und einem
stilistisch breit gefächerten zeitgenössischen Musikverständnis
ein äußerst lebendiger Kosmos, der letztlich in einem
unverschämten Höhepunkt endet: Er ist, wie eine alte LP, bereits
nach nicht einmal 40 Minuten zu Ende ...
Steffen Basho-Junghans
|
|
|
SHUJAAT KHAN
Raga Shuddh Kalyan / Raga Tilak Kamod
(India Archive Music IAM CD 1064)
3 Tracks; 76:37
USTAD VILAYAT KHAN
Raga Khamaj
(India Archive Music IAM CD 1065)
6 Tracks; 76:25
TEJENDRA NARAYAN MAJUMDAR
Raga Kafi Kanada / Raga Manj Khamaj
(India Archive Music IAM CD 1066)
3 Tracks; 68:40
SHUJAAT KHAN / TEJENDRA NARAYAN MAJUMDAR
Raga Jog
(India Archive Music IAM CD 1067)
2 Tracks; 72:24
alle CDs mit ausführlichen Infos (engl.)
Wann schlafen indische Musiker?
Bei mir klingelt der Wecker jedenfalls um viertel vor 6. Acht Stunden seien
das Mindeste, sagen die Schlafforscher. Also demnächst ab ins Bett,
wenn bei der Champions-League die zweite Halbzeit beginnt? - Unterstellt,
ich lebte nicht in Gerd's own country, sondern irgendwo in Indien, dann
könnte es sein, dass mein Unterbewusstsein mich so gegen 2 Uhr gerade
aus einer lustigen REM-Phase herausholt, um mir mitzuteilen, dass meine
freundlichen Nachbarn Shujaat und Tejendra gerade mit ihrer Version des Raga
Jog begonnen haben, denn die historische Aufführungspraxis für
klassische indische Musik schreibt für diesen Raga nun mal die Zeit
zwischen Mitternacht und 3 Uhr früh vor. Daß dies keine Ausnahme
ist, beweisen diese vier CDs: von den sechs vorgestellten Ragas gehören
fünf in die Mitternacht-Kategorie. Zugegeben, das wird auch unter jungen
indischen Musikern heute nicht mehr sooo eng gesehen, aber, ich gestehe,
während des letztjährigen Sommers habe ich mir oft gewünscht,
statt Grillwurst und DJ Ötzi wären Sandelholz und Sitarklänge
ins überhitzte Schlafzimmerchen geweht
- Nun gut.
Wann schlafen indische Musiker? - Keine Ahnung, aber wenn die Ergebnisse
nächtlicher musikalischer Aktivität auch hierzulande von dieser
Qualität wären, dann ließe ich mich gerne wecken und lauschend
wieder in den Schlaf wiegen.
Walter Bast
|
|
|
DIVERSE
Mahpushane Türküleri (Prison Songs)
(Kalan Müzik CD 266 / Choice Music)
12 Tracks; 56:16 ; türkisch mit engl. Kurztext
Asker Türküleri (Soldier Songs)
(Kalan Müzik CD 267 / Choice Music)
10 Tracks; 51:13 ; türkisch mit engl. Kurztext
Zwei CDs präsentieren hochbrisante Themen aus der türkischen
Volksliedkultur: Soldaten- und Gefängnislieder. Dieses innenpolitische
Minenfeld von hoher Brisanz wird in Neu-Einspielungen guter Sänger (und
einer Sängerin) vorgestellt. Im Zentrum steht der Asik-Stil der fahrenden
Sänger mit Gesang und Langhalslaute, aber die Bardengesänge werden
auch von der rauchigen Bambusflöte Ney, von Klavier und Gitarren begleitet.
Leider hat das mutige Label Kalan eine Chance vertan, denn in der Beilage
werden die Liedtexte lediglich in türkischer Sprache wiedergegeben und
die wenigen Zeilen englischer Zusammenfassung verwehren dem
nicht-türkischen Publikum den Zugang. Ein bedauernswerter Unsinn.
Birger Gesthuisen
|
|
|
ZULYA
Elusive
(Westpark Music 87101 / Indigo)
12 Tracks; 44:45; mit Texten & Übersetzungen (engl.)
Geboren und aufgewachsen in der (inzwischen) autonomen Republik Tatarstan,
lebt Zulya Kamalova seit dreizehn Jahren in Australien. Das ist, was ihren
Gesang betrifft, ohne hörbare Folgen geblieben. Was jedoch Komposition
und Arrangements ihrer Lieder angeht, so haben sich da elementare Dinge
verändert. Die Wolga ist jetzt sozusagen überall: in Australien,
Irland, Indien, Afrika, Amerika, Arabien, in Folk, Jazz und Pop. Didgeridoo,
Tinwhistle, Oud, Kora, Kalimba, Tabla, Bouzouki, Maultrommel, und Litungu
korrespondieren mit Slidegitarre, Flügelhorn, Tuba, Akkordeon, Saxello
(Sopransax mit gebogenem Schalltrichter), Baritonhorn oder Kontrabaß.
Nun krankten Konzepte wie dieses in der Vergangenheit meist daran, dass die
Musiker zuviel wollten und ihr Werk letztlich hoffnungslos überfrachteten.
Zulya und ihr Co-Produzent Blair Greenberg wussten offensichtlich um diese
Gefahr und haben die Stücke nur äußerst sparsam mit diesen
musikalischen Exotika gewürzt. Die Arrangements wirken angenehm reduziert,
fast spartanisch, und Zulyas Stimme ist jederzeit präsent. Und das ist
bei einem Liederalbum ja wohl immer noch die Hauptsache.
Walter Bast
|
|