backRezensionen Südamerika


CHAVELA VARGAS
En concierto

(Warner Classics & Jazz 8573 836562)
17 Tracks, 66:51

Diese herbe, rauchige und herzzerreißende Stimme sucht ihresgleichen. In Lateinamerika trägt Chavela Vargas den Titel "das ewige Weinen des Altiplano". Wenn sie in Boleros, Rancheros und Tangos über das Leben und vor allem das ewige Leid singt, dann scheint ihr ganzes Herzblut in jedem einzelnen Seufzer zu liegen. Als Tochter armer Bauern aus Costa Rica musste Chavela schon als Kind auf den Kaffeeplantagen schuften. Mit 14 Jahren lief sie weg und schlug sich zu Fuß(!) bis Mexiko durch. Sie träumte von einer großen Karriere als Sängerin. In den Straßen der Hauptstadt, auf Plazas, in Kneipen und Bars stimmte sie ihre schwermütigen Lieder an. Erst 1961 gelang ihr der Durchbruch und sie nahm ihre erste Platte auf. Auftritte in Paris und New York machten sie weltweit berühmt. 2001 wurde sie in Spanien für ihr Lebenswerk mit dem Orden "Isabel La Católica" ausgezeichnet. Chavela Vargas, Jahrgang 1919, war mit ihrer unkonventionellen Lebensweise ihrer Zeit weit voraus. Zahlreiche Legenden ranken sich um ihr bewegtes Leben, im Tequila ertränkte sie ihren Kummer. Ihre Emotionen und Erfahrungen sind von einem langen Kampf gegen die Einsamkeit und Bitternis geprägt. Das merkt man auch diesen Liveaufnahmen aus den Konzertsälen der Welt an. Niemand interpretiert den Gassenhauer "En el último trago" des bekannten Ranchera-Komponisten José Alfredo Jiménez oder das Volkslied "La Llorona" (die Weinende) so ergreifend wie Chavela Vargas.

Suzanne Cords

 


MAURICIO VENEGAS & EFRAÍN RÍOS
Ando Cubano

(Tumi Music 113/ Sunny Moon)
12 Tracks, 43:59, mit Infos und spanischen Texten

Ein zufälliges Zusammentreffen und ein paar Flaschen Rum, die sich bis zum frühen Morgen leerten, sind höchstwahrscheinlich der Nährboden, auf dem dieses leichtfüßig dahertänzelnde Album entstand. In einer dieser langen heißen Nächte in Havanna trafen nämlich der Kubaner Efraín Ríos und der Chilene Mauricio Venegas-Astorga zusammen, waren sich auf Anhieb sympathisch und schmiedeten Pläne für ein gemeinsames musikalisches Projekt: Dass diese Idee nicht nur ein nächtliches Hirngespenst blieb, ist der Vision des Tumi Music Direktors zu verdanken, der die beiden beim Wort nahm. Und so entstand dieses beschwingte Werk, das die sinnlichen kubanischen Rhythmen in der Tradition chilenischer Klänge auffängt. Der Autodidakt Riós demonstriert eindrucksvoll, wie er mit Tres, Bass und Pecussion umzugehen weiß, während sein chilenischer Kumpan als Multiinstrumentalist auf der Kena, der Charango, dem Cuatro, dem Berimbau, dem Cajon, der irischen Flöte und der Sanza brilliert. Die Vielfalt der Instrumente sorgt für einen satten Klangteppich, und die Musiker und Sänger ( u.a. Alejandro Dominit, Jorge Masa, Frank Padrón und Irving Frontela) an der Seite der beiden Hauptprotagonisten Ríos und Venegas-Astorga haben sichtlich Spaß bei der Arbeit. Also "Ando Cubano", auf nach Kuba.

Suzanne Cords

 


CANTOAMÉICA
Vamos! Vol. 13 - Salsa & More from Costa Rica

(ViaCancun VC 9013/Danza Y Movimiento)
15 Tracks, 72:57, mit Texten

Eine Salsa-CD aus Costa Rica ?!

Tatsächlich und zudem Tanz- und "Hör"musik gleichermaßen; Son, Chá cha cha, Bolero ... also Salsa und afrokubanische Rhythmen im weitesten Sinn. Spannende und unterschiedliche Arrangements bieten sehr abwechslungsreichen 73 Min. langwährenden Genuss und entführen Tänzer und Hörer in die Karibik.

Nichts Ungewöhnliches auf den ersten Blick, auf den zweiten erinnert man sich: Costa Rica steht in erster Linie für Calypso, nicht für Salsa. Bei einigen der 15 Titel kommt der faszinierende und in die Ohren und Beine gehende Mix der Musikrichtungen Calypso und Salsa zum Tragen, dieser hat in der Talamanca seinen Ursprung. In dieser Region leben Nachfahren von jamaikanischen Gastarbeitern, welche vor mehr als 100 Jahren zum Bau der Eisenbahn kamen. Mit diesem Hintergrund und einer solchen Vermischung verschiedener ethnischer Wurzeln hat die Gruppe Cantoamérica eine für Costa Rica eigene Musikform geschaffen, der Name ist also Programm. Die Texte sind teilweise in Mecatelio (Kreolisch), Spanisch und Englisch geschrieben - alle Texte sind im Booklet wiedergegeben. Die Musik selbst ist beeinflusst von Nueva Trova Cubana, Miguel Matamoros und Benny Moré.

Corina Oosterveen

 


ASTOR PIAZZOLLA & QUINTETO TANGO NUEVO
Live in Colonia, 1984

(Intuition INT 33432/ Sunny Moon)
Do-CD, 15 Tracks, 100:41, mit dt., engl. und frz. Infos

In seiner Heimat Argentinien beschimpften ihn Puristen des Tango oft als Verräter, selbst als er schon in aller Welt Triumphe feierte. Dabei hat Astor Piazzolla nichts weiter getan, als den Tango der Hafenkaschemmen zu höchster Kunstform zu veredeln, ohne dabei seine Seele zu verleugnen. "Niemand verstand die Musik, die ich machte, weil es verrückte Musik war, nicht der traditionelle Tango, den jeder kannte. Es war lediglich der Versuch gute Musik zu spielen, die Essenz meines Landes und in erster Linie der Stadt Buenos Aires", wandte sich der Begründer des Tango Nuevo 1984 während eines Konzerts an sein Publikum. Dabei entstand diese Liveaufnahme. Zu hören ist der Bandoneonvirtuose mit dem 1960 von ihm gegründeten legendären Quinteto Tango Nuevo an der Seite des Pianisten Pablo Ziegler, des Geigers Fernando Suárez Paz, des Gitarristen Oscar Lopez Ruiz und des Bassisten Héctor Console. In dieser Besetzung sind auf dem einzigartigen Zeitdokument aus dem Fundus eines Kölner Rundfunkarchivs Klassiker wie der Nachruf auf Piazzollas Vater Adiós Noniño", die "Suite del Ángel" oder "Chin-Chin" verewigt. Außerdem überrascht das Album mit vier Kompositionen, die zum ersten Mal überhaupt auf Tonträger erscheinen. "Live in Colonia" verschafft allen Verehrern Piazzollas die Gelegenheit, den 1992 verstorbenen Maestro nochmals hautnah zu erleben.

Suzanne Cords

 


DIVERSE
Venceremos! Homenaje a Salvador Allende

(Last Call 3085542/ Fenn Music)
15 Tracks, 56:24, mit spanischen Texten

Ein Muss für jeden, der sich nicht nur für Südamerikas Musik, sondern auch für seine Geschichte interessiert. Der 11. September war für die Chilenen schon lange vor dem Attentat auf das World Trade Center in New York ein schicksalsträchtiges Datum: Vor genau 30 Jahren wurde die junge Republik durch einen Militärputsch gestürzt, Präsident Salvador Allende beging Selbstmord und Pinochet begann seine Schreckensherrschaft Auf diesem Album nun erweist der Komponist und Sänger Angel Parra, Sohn der bekannten Sängerin Violetta Parra, Bruder Isabel Parras und selbst eine Zeit lang Gefangener in Chiles Kerkern, dem sozialistischen Hoffnungsträger Allende seinen Tribut. In historischen Radioaufnahmen sind die Ansprachen des Präsidenten an sein Volk am Tag des blutigen Coups verewigt. Unvergessene Hymnen für Freiheit und Gerechtigkeit wie "Te Recuerdo Amanda" und "Manifiesto" von Victor Jara oder "El Pueblo Unido" von Sergio Ortega und bewegende Lieder aus Mauro Di Domenicos und Angel Parras Feder sowie die Stimmen von Isabel und Ventischka runden die Hommage an den Präsidenten ab. Ein rundum gelungenes Werk, das das Chile der 70er Jahre wieder auferstehen lässt, an die mutigen Kämpfer für die Demokratie erinnert und einem kalte Schauer über den Rücken jagt. "Vencermos!" ("Wir werden siegen") hieß damals der Schlachtruf des Volkes, das gegen die Diktatur aufbegehrte. Schaut man sich in der Welt um, dann ist dieser Schrei nach Gerechtigkeit so aktuell wie eh und je.

Suzanne Cords

 


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