backRezensionen Nordamerika


DIVERSE
Vanthology - A Tribute to Van Morrison

(Evidence Music ECD 26128-2 / ZYX Music)
15 Tracks; 57:54, mit Infos

Gibt es eine größere Ehrbezeugung für einen weißen Soulbruder, als von afroamerikanischen Kolleginnen und Kollegen mit Neu-Interpretationen seiner Stücke Tribut gezollt zu bekommen, als hätten sie es selbst aus ihrem Ärmel geschüttelt? Genau dies ist auf "Vanthology" der Fall und dergleichen Verdienste mehr: Eine Handvoll der Sorte von Künstlern für die üblichen dreieinhalb Minuten ins Spotlight geschoben zu haben, deren Maß an Ruhm in besonders krassem Missverhältnis zu der Qualität ihrer Einspielungen steht; ihnen neben den unvermeidbaren Superhits auch ein paar übersehene Juwelen an die Hand gegeben zu haben - beide, Superhits wie Geheimtipps, auf "Vanthology" an die Wand genagelt wie sie es besser nicht hätten bekommen können. "Gloria" und "Real real gone" seien hier pares pro toto: Beide stechen aus dem breiten stilistischen Spektrum von Boogie über Ballade bis Shouter durch ähnlich nervös pulsierende Fiebrigkeit heraus. "Gloria" wird durch Sir Mack Rice so ein nach Van the Mans und Patti Smith's Versionen kaum noch für möglich gehaltener dritter Frühling beschert. "Real real gone" aber gibt einer Frau das Zeug zum Hit, die als die eigentliche Entdeckung von "Vanthology" gelten müsste - wenn sie sich nicht schon rund vierzig Jahre Ruhm und Ehre im Metier mit der schwarzen Seele ersungen hätte: Wie Bettye Lavette den Stomper kräht, ist seinem Schöpfer ebenbürtig!

Christian Beck

 


WALTER TROUT & THE RADICALS
Relentless

(RUF Records 1083)
14 Tracks; 73:01

Finger weg : Das gilt für Freunde der subtileren, leisen Töne.

Sofort zugreifen : Das gilt für Freunde des forcierten Bluesrock, denn der "Hau-Drauf-Walter" hat seine diesjährige Europa-Tournee zur Aufnahme einer Live-CD genutzt und der Konzertmitschnitt aus dem Paradiso in Amsterdam gibt einen guten Einblick in das Live-Repertoire eines der "härtesten" Bluesrocker unserer Tage.

Schon mit dem Opener "I'm tired" ist klar, dass hier ein Großmeister dieses Genres zu an's Werk geht. Walter Trout und seine Radicals schenken sich wirklich nichts, die Stratocaster jault und kreischt, Joey Pafumi verdrischt sein Schlagzeug, Jimmy Trapp's Baß wummert unerschütterlich, während Sammy Avila der guten alten Hammond B-3 die Sporen gibt (im Galopp auf "The best you got"). Etwas Erholung geben die zwei Akustiker "Jericho Road" und "Lonely tonight", die eigentliche Klasse Walter Trouts zeigt sich aber in seinen atemberaubenden Licks und Läufen, bei denen ab und an Jimi Hendrix um die Ecke lacht ("Mercy", "Chatroom girl").

Bei den Texten zeigt sich dann ein anderes Bild, Walter Trout singt über die Trennung von seiner Familie, schildert in "Collingswood" seine eigene Kindheit und widmet "Cry if you want to" seinem kleinen Sohn.

Also : Finger weg.... - und für Bluesrocker das derzeitige Maß der Dinge.

Achim Hennes

 


AZURE RAY
Hold on Love

(Saddle Creek Europe EFA CD 56822 / EFA)
12 Tracks; 42:11, mit Infos u. Texten

Was den Strahl Blaulicht aus Omaha/Nebraska gegenüber dem überwiegenden Großteil seiner Konkurrenz im Genre atmosphärisch-ätherischer Songlandschaften auszeichnet, ist ihre den meisten Mitbewerbern meilenweit überlegene stilistische Offenheit: Obwohl sich auch die von Orenda Fink und Maria Taylor erzeugte Stimmung wie die meisten Vertreter des Slow Song im Schlepptau der Cowboy Junkies vor allem auf gehauchten Gesang, akustische Instrumente und langsame Tempi stützen, vermag man sie stilistisch doch nur sehr schwer festzunageln. Dies ist die direkte Folge ihrer ungewöhnlichen kompositorischen Vielschichtigkeit: Nicht jeder Song gleich strukturiert, nicht jeder mit den immer selben Melodiebögen und Harmoniefolgen, nicht jeder mit den stereotypen Assoziationen zwischen den bereits erwähnten Cowboy Junkies und Mazzy Star, es klingt auch mal nach Julee Cruise und Angelo Badalamenti, nach House-Übermutter Björk oder nach Louise Goffin. Entsprechend das dynamische Spektrum: nicht nur Statik, sondern auch leichtfüßig gezupftes Folkliedchen; nicht nur immer Paralyse, sondern durchaus auch einmal kraftvolles Erwachen - und alles durchdringendes Licht. Wie der Name des mittlerweile im dritten Jahr segelnden Projektes schon sagt …

Christian Beck

 


DAN HICKS & THE HOT LICKS
Dan Hicks & The Hot Licks featuring an All-Star Cast of Friends

(Surfdog Records 44018-2 / Neo / Sony Music)
CD 13 Tracks, 75:45 / DVD 15 Tracks, mit Infos

An "Beatin' the Heat", sein sensationelles 2000er Duette-Album mit Rickie Lee Jones, Tom Waits, Bette Midler und Elvis Costello kommt der vorliegende Bastard aus CD und DVD zwar nicht ganz heran - aber ein Muss für den Freund bissiger Westernswing-Spielarten mit Gegenwartserdung ist er eigentlich trotzdem: Zu seinem 60. Geburtstag leistete sich Dan Hicks einen Karriererückblick mit großem Orchester und allem Drum und Dran. Was noch eine besondere Dimension bekommt, wenn man bedenkt, dass der ehemalige Charlatans-Schlagzeuger, der schnell zu Gitarre und Gesangsmikro wechselte, nach ordentlichen Erfolgen bei Publikum und vor allem Kollegen zwischendurch jahrzehntelang von der Bildfläche verschwunden war - regelrecht versunken in vorzugsweise flüssigen Substanzen, die auf Dauer niemandem gut tun. Schließlich aber tauchte er wieder auf, mit allem, was er seinem kräfteraubenden kalifornischen Alltag in seiner inzwischen über vierzigjährigen Karriere abgerungen hat, vom ersten selbst geschriebenen Tune "How can I miss you when you won't go away" über "Walkin' one and only", das Maria Muldauer später für ihn zum Hit machte, bis zu den Tracks, mit denen der Old-Timey-Exzentriker den Kopf im Rentenalter doch noch einmal über Wasser bekam. Und wie: Wohlsein!

Christian Beck

 


PETER ROWAN
Reggaebilly

(A-Train Entertainment ohne Bestellnummer, alevers@a-train.com)
10 Tracks; 47:08; mit Infos

THE ROWAN BROTHERS
Crazy People

(A-Train Entertainment/There 005, alevers@a-train.com)
10 Tracks; 40:16; mit Besetzungsinfos

PETER ROWAN & DON EDWARDS
High Lonesome Cowboy

(Shanachie 6058)
11 Tracks; 48:03; mit Infos

Peter Rowan macht "sein Ding". Ich kenne kaum einen anderen Musiker, der so unbeirrt und ohne Rücksicht auf aktuelle Moden oder traditionelle Beschränkungen seit vielen Jahren seinen eigenen Weg geht. Vor 40 Jahren war er einer der Bluegrass Boys von Bill Monroe, Ende der sechziger Jahre war er Mitglied der sogenannten Undergroundband Earth Opera u.a. mit David Grisman, mit dem Rowan dann auch neben Jerry Garcia bei Old And In The Way mitwirkte. Er spielte mit der Folkrockband Seatrain, mit seinen Brüdern Chris und Lorin, formte mit Jerry Douglas und Martin O´Connor das Trio Crucial Country und veröffentlichte eine Vielzahl von Solo-CDs. Nach gängigen Popularitätsdefinitionen ist Peter Rowan wahrlich nicht berühmt. Aber gut ist er. Peter Rowan ist exzellent - sowohl als Sänger als auch als Songwriter und als Instrumentalist. Und immer wieder, wenn man gerade geglaubt hat, ihn in eine musikalische Schublade stecken zu können, wartet Rowan mit einer Überraschung auf. Davon zeugen die drei vorliegenden CDs.

Auf "Reggaebilly" - das deutet der Titel der CD schon an - kreiert Peter Rowan seine ganz eigene Mischung aus Reggae, Country und Bluegrass. In den Tuff Gong Studios in Jamaica nahm Rowan die Grundbänder mit drei Musikern aus Kingston auf - Squidley Cole (Schlagzeug), Chris Livingston (Bass) und Ex-Wailer Earl Chinna Smith (Gitarre). Für die Nashville-Overdubs sorgten dann u.a. Jerry Douglas (Dobro), Eddie Adcock (Banjo) und Stuart Duncan (Fiddle). Höhepunkte der CDs sind die von Peter Rowan arrangierten Traditionals "Little Maggie" und "The Cuckoo bird".

Bereits in den siebziger Jahren gab es drei Alben der Rowan-Brüder. Mit "Tree on a hill" kam es 1996 zum Revival. Die jetzt veröffentlichte CD vereinigt Titel, die im Laufe der vergangenen zehn Jahre eingespielt worden sind. New Acoustic Swing mit grandiosem Harmoniegesang beschreibt wohl am besten den allen Stücken eigenen musikalischen Grundton. Die Liste der Begleitmusiker allein ist ein Leckerbissen: u.a. Jerry Douglas, Sam Bush, Roy Huskey Jr., Larry Attamanuik (aus alten Seatrain-Tagen), Tim O´Brien, Edgar Meyer und Flaco Jimenez, der mit seinem Akkordeon bei der hier vorliegenden Version des Rowan-Klassikers "Free Mexican Airforce" natürlich nicht fehlen durfte.

In die uramerikanische Welt traditioneller Cowboymusik tauchen Peter Rowan und Don Edwards auf "High Lonesome Cowboy" ein. Gastmusiker Tony Rice und Norman Blake tragen auf der CD zu Gitarrenhighlights bei. Bei den meisten Stücken handelt es sich um Traditionals. Hervorzuheben sind die Interpretationen von Bill Monroes "Midnight On The Stormy Deep", Maybelle Carters "Buddies In The Saddle" und Woody Guthries "Philadelphia Lawyer".

Michael Kleff

 

 

   

PETER ROWAN & DON EDWARDS - High Lonesome Cowboy


DIVERSE
Man of constant Sorrow

(Yazoo Records YAZOO 3001 / Shanachie)
20 Tracks; 61:20, mit Infos u. Textauszügen

Man kann mehr als eine grundlegende Wahrheit amerikanischer Folk-Musik anhand "Man of constant sorrow and other timeless mountain ballads" lernen. Zum Beispiel: Der Titelsong wird schon wesentlich länger gesungen als "O Brother, where art thou?" in den Kinos läuft; viel länger auch als Bob Dylan sich des Traditionals angenommen hat, der es seit über 40 Jahren im Programm hat - die auf der Kopplung enthaltene Aufnahme Interpretation Emry Arthurs gilt als die erste bekannte Einspielung. Ein weiteres Merkmal echter Folk-Musik ist, wie die Motive, Arrangements, ja sogar Melodien, immer wieder kehren: "In the Hills of Roane County" etwa, hier in der Einspielung der Blue Sky Boys enthalten, entspricht Note für Note dem Stück, das als "Rank strangers to me" in den Bluegrass-Kanon eingegangen ist, der sich vor allem um das Werke der Stanley Brothers gebildet hat. Dann: Je mehr Folk und je weniger Pop, desto stabiler letztlich die Qualität; wo die eigene Freude am Musizieren den Impuls, andere unbedingt beeindrucken zu müssen, in den Schatten stellt, scheint entsprechend auch weniger in die Hose zu gehen. Und schließlich: Die Klangqualität ist dabei letztlich schnurz! Im Gegenteil: Es klingt nach einer Weile fast wie Heimat, das ganze Geknister und Gerausche ...

Christian Beck

 


RHONDA VINCENT
One Step ahead

(Rounder Records RRCD 0497 / CRS / In-akustik )
12 Tracks; 34:44, mit ausführlichen Infos u. Texten

Das Unwohlsein, das einem beim Anblick des Covers unwillkürlich in die Glieder fährt, auf dem Frau Vincent auf Plateausohlen, in Lederjeans und oben wie unten sehr knappem T-Shirt der Stadt um sie herum die Stirn bietet, verfliegt beim Hören sofort: Stilreiner Bluegrass ist ihr Metier! So meisterhaft, wie er in offenbar keinem anderen Stil der Populären Musik so häufig ist. "Das ist das Geheimnis unserer Musik", erklärt die Sängerin, Violinistin und Mandolinistin im Booklet ihres zehnten Albums "One step ahead" das Ethos, das dieser Meisterschaft zugrunde liegt: "Man erwartet von dir, dass du in der Lage bist, dein Instrument zu spielen. Du musst richtig singen können. Und es herrscht Ehrfurcht vor der Kunst des Songwriter-Handwerks. Mit 'Oh Baby' und einem simplen wiederholten Riff kannst du nicht durchkommen." Kein Wunder, dass die 12 Titel, selbst- wie fremdgeschrieben, bereits in knapp 35 Minuten durch sind: Auf den Punkt geschrieben und interpretiert wie sie sind, braucht es keine Sekunde mehr! Und für den Wunsch nach mehr gibt es ja den Repeat-Schalter am CD-Player: So dicht am Puls der Zeit sind die hinterwäldlerisch an den Wurzeln ihrer Musik hängenden Bluegrass-Cracks um Rhonda Vincent allemal …

Christian Beck

 


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