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DIVERSE
Flowers in the Wildwood - Women in early Country Music
(Trikont US-0310 / Indigo)
25 Tracks, 70:29; mit ausführl. Booklet und Infos
Dann ist die Frauenbewegung ja ein alter Hut?! "Lord, I wish I was a single
girl again" gibt sich Lulu Belle im Opener des neuesten
Trikont-Geschichtshörbuchs dezidiert sich selbst genug, eine weitere
Hymne auf das "Single Life" von Roba Stanley folgt auf dem Fuß. 1939
eingespielt ersteres, 1925 gar bereits zweiteres Stück, zwischen 1924
und 1940 der Rest des prallen Samplers zum Thema "Women in early Country
Music". Musikjournalist Christoph Wagner hat ihn kenntnisreich und
geschmackssicher wie immer zusammengestellt hat - allein, und das scheint
mittlerweile eigentlich die gesamte historische Schiene des Trikont-Programms
zu betreffen: Es geht auch die größte Klasse in der Masse leicht
unter! Zumindest, was die Bedürfnisse von Otto Normalkonsument betrifft:
Originalität war auch in der Frühzeit der Country Music schon ein
rares Gut, dazu gingen aufgrund der noch nicht sonderlich differenzierten
Aufnahmetechnik viele Feinheiten, speziell bezüglich der Dynamik, verloren.
Und wie viele von uns Musikliebhabern sind schon von einem vergleichbaren
Jäger- und Sammlerdrang beseelt wie Joe Bussard und Keith Chandler,
deren Sammlungen die Aufnahmen entstammen?
Christian Beck
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TONY TRISCHKA
Classic Bluegrass Banjo Solos
(Homespun Video DVD; 11 Tracks; mit Tabulaturen)
Tony Trischka ist einer der beliebtesten und besten 5-string-Banjospieler
der USA. Auf dieser DVD, die sich an fortgeschrittene Spieler richtet, lehrt
er 11 klassische Bluegrass-Banjo-Solos, u.a. "John Henry", "Sitting on Top
of the World", "Dixie Breakdown", "Salt Creek", "Casey Jones" "Clinch Mountain
Backstep" und "Doug's Tune" (Doug Dillard).
Trischka spielt die Stücke jeweils im (oft atemberaubenden) Originaltempo
vor, begleitet wird er dabei von dem Gitarristen John McGann. Anschließend
wiederholt er sie in langsamen Tempo und erläutert die diversen Tricks
und Techniken für die linke und rechte Hand mit Hilfe der
Bild-in-Bild-Technik, bei der die linke Hand in Großaufnahme in einem
Extra-Bild eingeblendet wird. Die DVD ist eine 1:1-Übertragung des bereits
als VHS-erhältlichen Kurses, der auf Videoband sicher so seine Berechtigung
hatte. Aber, obwohl der Kurs für Banjospieler insgesamt sicher aufschluss-
und lehrreich ist - auf DVD überzeugt er nicht, weil bis auf die direkte
Titelanwahl die Möglichkeiten dieses Mediums schlicht verschenkt wurden.
So wäre es z.B. schön gewesen, wenn man als Option die elf Titel
hintereinanderweg als Konzertvideo ohne die Lernabschnitte und diese dafür
separat in kleineren Häppchen anwählen könnte. Zumindest die
Tabulaturen (die als Heft der DVD beiliegen) hätte man zum Mitlesen
auf die DVD nehmen können, von Bio- und Diskografien mal ganz abgesehen.
Ulrich Joosten
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PETER NARVAEZ
Some Good Blues
(Eigenverlag)
17 Tracks, 50:52
GORDON QUINTON
Molly Bawn - A Guitar Memoir
(Woodnight Records wnmcd-002)
12 Tracks, 44:56; mit Infos
DAVE PANTING
Look Around
(Eigenverlag)
10 Tracks, 33:29
Herbst 2002 in der kanadischen Provinz Neufundland und das heißt diesmal
für den Folker!: Drei höchst unterschiedliche CDs aus dem
östlichsten Osten Nordamerikas.
Wir starten mit weißem, akustischem Blues mit Gitarre, Mundharmonika,
Mandoline und vor allem Stimme, einem rauen, tiefen Bluesorgan. Jaja, es
ist unzweifelhaft der Blues, der ihn umtreibt, aber dank der Tatsache, dass
Peter Narvaez die Stücke alle selber schreibt, werden uns hinlänglich
bekannte Schemata erspart. Heraus kommt eine frische, schwungvolle Musik
mit viel Gefühl. Es mag paradox klingen, aber dieser Blues macht Spaß.
Wunderschöne traditionelle und zeitgenössische Melodien auf Gibson-
und Takamine-Gitarren bringt Gordon Quinton zu Gehör. Dieser
Fingerpicking-Gitarrist braucht lediglich wie hier ein vernünftiges
Aufnahmestudio, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen. Auf
technische Tricks verzichtet G. Quinton völlig.
Dave Pantings spielt bei der auch hierzulande nicht völlig unbekannten
Band Rawlins Cross und bietet solo eingängige Singer/Songwritermusik.
Ich will ihm nicht vorwerfen, dass Texte und Melodien ziemlich berechenbar
sind. Manche mögen das. Ich weiß, Quantität ist nicht alles,
aber wer heutzutage nur Material für eine halbe Stunde Spielzeit hat,
der wartet entweder noch ein paar Monate auf den Kuss der Muse oder er begeht
wie hier Betrug am Hörer.
Mike Kamp
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SONNY LANDRETH
The Road We're On
(Sugar Hill SUG-CD-3964 / In-Akustik)
12 Tracks, 48:03; mit Texten
In der an hervorragenden Gitarristen sicherlich nicht armen Blues-Szene nimmt
Sonny Landreth schon seit einigen Jahren eine Sonderstellung ein. Seine
unverwechselbare Slide-Technik, gepaart mit der Musikalität aus dem
tiefen Süden der USA, hat ihn in und um New Orleans zum wohl gefragtesten
Gitarristen gemacht.
Im Vergleich zum Vorgänger ist seine neue CD jedoch für Puristen
sicherlich schwere Kost. Sonny Landreth tauscht die akustische immer öfter
gegen die elektrische Gitarre. Auch macht er sich die Studiotechnik zunutze
und sampelt beides übereinander. Die Texte seiner Songs handeln meistens
von der Liebe - sei es zu einer Frau oder zu seiner Heimat Louisiana - und
deren Begleiterscheinungen. Purismus hin oder her : Wenn dann Stücke
wie "True Blue" oder das stimmungsvolle "A World Away" herauskommen, ist
die Frage nach der "authentisch richtigen" Instrumentierung belanglos, zumal
"Juke Box Mama" dann ja auch wieder mit einem rein akustischen Stück
"versöhnt".
Wenn Slide-Gitarre süchtig machen kann - diese CD ist die passende Droge
dazu.
Achim Hennes
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RICK DANKO
Times like these
(Corazong Records 255 034 / Soulfood)
11 Tracks, 47:59; mit Infos
Einmal abgesehen davon, dass es sein Vermächtnis ist, was
The-Band-Sänger und -Bassist Rick Dankos nun postum erschienenes letztes
Album noch vor seiner entspannten musikalischen Meisterschaft auszeichnet,
ist der musikalische Witz! Das Interessante an der Coverversion ist, wenn
sie dem Original etwas hinzuzufügen hat: Wenn Sam Cookes "Chain Gang",
bei allem Schrecken, den sie einst transzendierte, eine melancholische
Leichtigkeit ausstrahlt, die im Refrain, ohne deshalb peinlich zu werden,
regelrecht zu blödeln anfängt; oder wenn das von Danko zusammen
mit Bob Dylan geschriebene "This Wheel's on Fire" vom Rocker zum
majestätischen Americana-Traditional im Folk-Gewand wird. Jerry Garcias
"Ripple" oder Eric Claptons "All our Past Times" kommen da, was ihren
Innovationsgehalt angeht, zwar nicht mit, müssen sich, souverän
wie sie gepflegt werden, aber auch nicht verstecken. Überhaupt - dass
Rick Danko alles Recht der Welt zum Standard hatte, hört man auch auf
"Times like these" noch einmal in jeder Note: Er muss nur die Stimme erheben
- und die Überschwänglichkeit, mit der Dylan und The Band damals
die Rockmusik in ihre größte Zeit führten, quillt noch einmal
aus allen Poren
Christian Beck
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DIVERSE
Island To Island
(Ossian OSSCD 131)
14 Tracks, 48:48; mit Infos
Über zweitausend See-Meilen liegen zwischen Irland und Neufundland.
Und dennoch klingen die Jigs, Reels und Hornpipes so, als würde sie
nur eine Dorfmeile trennen. Der Grund, erstmals in den siebziger Jahren von
Aidan O'Hara wissenschaftlich beleuchtet: Noch vor der großen
Emigrationswelle nach Nordamerika landeten irische Auswanderer aus Waterford,
Wexford, Kilkenny und Tipperary in Neufundland und infiltrierten die Insel
mit Dialekten, Tunes und der Lilting-Tradition. Die CD "Island To Island",
auf der das Cork-Trio Séamus Creagh (Fiddle), Mick Daly (Gitarre)
und Aidan Coffey (Akkordeon) den Neufundländern Graham Wells (Akkordeon),
Billy Sutton (Banjo), Jason Whelan (Bouzouki, Gitarre), Colin Carrigan (Fiddle)
und Paddy Mackey (Bodhrán) gegenübergestellt wird, ist aber mehr
als hörbar gemachte Musikwissenschaft. Hervorragende Musiker arrangieren
mit Liebe zum Detail irisch / neufundländische Traditionals und stehen
sich in der Lebendigkeit des Spiels in nichts nach. Zu personellen
Überschneidungen kommt es allerdings nur auf Track 3 (Aidan darf bei
Jason und Colin mitspielen). Verantwortlich für die Achse des Schönen
(Cork - St. John's) zeichnet Produzent und Ko-Ordinator Séamus Creagh,
der von 1988 bis 1993 in Neufundland gelebt hat.
Elise Schirrmacher
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JOEL HARRISON
Free Country
(ACT 9419-2)
12 Tracks, 65:41; mit Infos
Ab Ende der 1940er bis Mitte der 1960er Jahre wurde von US-JazzmusikerInnen
als Ausgangspunkt für ihre ausgedehnten Improvisationen häufig
ein kleines Thema aus der Popularmusik gewählt. Meist waren es Melodien
aus (Walt-Disney-)Kinofilmen, Musicals oder simple Schlager. Themen aus Oper
& Operette waren eher selten und nur dann, wenn sie eh' schon einen
Jazz-Bezug hatten (Bernstein, Gershwin etc.). Aus dem reichen Fundus
traditioneller nordamerikanischer Musik fand jedoch kaum ein Lied Eingang
ins Jazz-Realbook.
Auf seiner aktuellen CD hat der Gitarrist Joel Harrison nun ein Dutzend
Country-Standards zusammengetragen. Teils arrangiert, teils (er-)improvisiert,
machen sich Harrison, seine vierköpfige Band (sax, violin, bass, drums),
sowie ein paar hochkarätige Gäste wie Sängerin Norah Jones
oder Pianist Uri Caine, über Cashs "Folsom Prison Blues" und "I Walk
The Line", A.P.Carters "Will The Circle Be Unbroken", Guthries "This Land
Is Your Land" oder Merle Haggards "Sing Me Back Home" her. Ergänzt durch
Traditionals wie "Wayfaring Stranger" (das aufgrund seiner melodisch-harmonischen
Nähe wie eine Improvisation über Gershwins "Summertime" klingt...),
"Lone Pilgrim" oder "Twelve Gates To The City" ist hier ein brillantes
Stück zeitgenössischer Musik entstanden, welches das Beste aus
zwei musikalischen Welten in sich vereinigt.
Walter Bast
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THEA GILMORE
Songs from the Gutter
(Flying Sparks TDBCD066 / Zomba)
Do-CD, 21 Tracks, 80:31; kaum Infos
Schnell, schnell, Isabell: Weil sie so unermüdlich produziert,
veröffentlicht Alternative-Hoffnung Thea Gilmore bevor ihre nächste
"richtige" Platte erscheint, noch schnell einen Doppelpack von Aufnahmen
zwischen allen Stühlen. Ein Album mit Songs, die sie fertiggestellt
habe, aber möglicherweise nie veröffentlichen wollte, und eines
mit Songs, die sie veröffentlicht, aber möglicherweise überhaupt
nie fertig stellen wollte, vermeldet die Künstlerin dazu, als da
wären: Die eigentlichen "Songs from the Gutter" entstanden in einer
kompakten Vier-Mann-Session im Mai 2002 Session, dazu kommt eine Bonus-Scheibe
mit Aufnahmen verschiedenster Herkunft aus den Jahren 1996 bis 2001. "Gutter"
rockt mit aller Kraft, zu der akustische Instrumente fähig sind, die
Outtakes und Demos im Anhang sind mitunter zarter, auch zerbrechlicher. Und
schräger: Wird auf "Gutter", wenn auch inspiriert, vor allem schnurgeradeaus
musiziert, oszillieren die Boni bis zur Lyrikrezension auf Beat. Trotzdem
kein Ausfall nirgends, was neben der durchgehend hohen Qualität der
21 "Songs from the Gutter" auch zu großen Hoffnungen für die Zukunft
zu berechtigen scheint: Thea Gilmore ist gerade mal 24
Christian Beck
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BERNARD ALLISON
"Kentucky Fried Blues"
(RUF DVD 3002; DVD, auch als CD)
7 Tracks, 60:00
Die vorliegende Video-DVD wurde als Live-Mitschnitt 1999 beim W.C. Handy
Festival in Kentucky aufgenommen. Auf der DVD ist eine Biographie über
Bernard Allison enthalten, die in fünf verschiedenen Sprachen abrufbar
ist. Außerdem enthält die DVD einen einleitenden Titel "Introduction",
der auf der CD nicht enthalten ist. Die restlichen 7 Stücke sind auf
DVD und CD identisch, und hier zeigt sich Bernard Allison in allerbester
Spiellaune. Seine Musik ist stark von Rock und Funk beeinflusst, und in bester
Familientradition führt er die energiegeladene Live-Performance fort,
die seinen Vater Luther Allison unvergesslich gemacht haben. Mit Volldampf
geht es dann auch los: "Buzz Me" und "Going Down" mit starkem Funk-Groove,
dann "Bad Love", ein Stück aus dem Repertoire seines Vaters, gefolgt
von der Up-Tempo Nummer "Life Is A Bitch" und dem Soulfunk-Titel "Midnight
Creeper", bei dem die Bläser Richard Martinez (Posaune) und Trevor Newman
(Trompete) verstärkt zur Geltung kommen. Den Kern des Live-Konzerts
bildet Buddy Guys "Leave My Girl Alone", eine 18minütige Widmung an
die Idole Albert King und Stevie Ray Vaughan. Ausgedehnte Soli und die
Interaktion mit dem Publikum zeigen hier noch einmal die Stärke dieser
Band, und den Abschluss bildet ein Lehrstück in Sachen Slide-Gitarre.
Achim Hennes
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VIC CHESNUTT
Silver Lake
(New West Records NW6044 / Blue Rose Records BLU CD0305)
11 Tracks, 58:59; mit Infos und Texten
Ist es die besondere Herausforderung, die Vic Chesnutt zu dem entscheidenden
bisschen "mehr" treibt, das den guten vom besonderen Musiker unterscheidet?
Seit ein Autounfall den Mann aus Athens/Georgia vor 20 Jahren an den Rollstuhl
fesselte, ist er im Chor der Singer/Songwriter immer unüberhörbarer
geworden. Erst merkte es R.E.M.-Sänger Michael Stipe, dann Widespread
Panic, schließlich Lambchop. Und der Rest der Roots-Szene natürlich,
weshalb Chesnutt fürs elfte Album aus dem Vollen schöpfen konnte:
Mit Lucinda-Williams-Gitarrist Doug Pettibone, Daryl Johnson (Neville Brothers,
Emmylou Harris), Patrick Warren (Tracy Chapman), Mike Stinson (Christina
Aguilera) und Don Heffington (Bob Dylan) tauchte er in den "Silver Lake"
- und hob einen veritablen Schatz! Wie der kleine Mann mit der brüchigen
Stimme in "Girls say" Jungs und Mädels gleichermaßen stichelt
und überhaupt immer wieder mit Witz und Biss genug für die ganze
Roots-Szene aus der Seele seines Landes und seiner selbst singt, das hat
Klasse. Wie die Band dazu alle Register zwischen Folk und Rock zieht, hat
Stil. Und wie sie zusammen niemals fehlen, zu bewegen - das ist das
Tüpfelchen auf dem i, das nur den wenigsten gelingt.
Christian Beck
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