backRezensionen International


NAKED RAVEN
Live Girl

(Capital T3 Records)
13 Tracks, 73:35

Atmosphärisch dichte Songs im Spannungsfeld zwischen Pop, Folk und klassischer Kammermusik sind das Markenzeichen des australischen Quintetts Naked Raven. Nach vier Studio-CDs legt die Band aus Melbourne nun ein Live-Album vor. Nach diversen Line up-Wechseln in letzter Zeit - zu meinem Bedauern ist auch der Songwriter und Gitarrist Russ Pinney nicht mehr mit dabei - interessiert es natürlich, ob sich der Sound der Band verändert hat. Doch keine Sorge! Multiinstrumentalist James Richmond, Janine Maunder (Piano, voc.), sowie die neuen Bandmitglieder Stephanie Lindner (Violine) und Caerwen Martin (Cello) machen ihre Sache hervorragend. Die Aufnahmen wurden im Sommer 2002 in der Berliner Kalkscheune mitgeschnitten; die Konzert-Atmosphäre kommt gut rüber. Wie soll man diese sehr individuelle und subtile Musik beschreiben? Elegisch, melancholisch, verspielt, filigran, bisweilen experimentell ... lange, ruhig fließende Melodiebögen, die musikalische Interaktion - vor allem zwischen den Streichern - von traumwandlerischer Sicherheit. Außergewöhnlich und schmerzhaft - schön: hört rein und überzeugt euch selbst!

Anne-D. Marcordes

 

 


SOLOMON & SOCALLED
Hiphopkhasene

(Piranha / EFA CD 69154)
15 Tracks, 54:57; mit Infos (engl.)

Werter Klezmerfreund, Sie sind zu einer der verrücktesten Hochzeiten (jidd.: Khasene) in Jiddischland eingeladen. Bitte teilen Sie mit uns die uralten jüdischen Bräuche, Zeremonien, ja eigentlich Rituale - wie das Weinen der Braut oder die sieben Segenssprüche. Und sollten Sie auf der Suche nach Suzie Creamcheese sein, vielleicht ist sie ja genau auf dieser Hochzeit zu finden.

Wow - da erhält man nun als Rezensent ein Klezmeralbum, denkt sich tief atmend: "noch eines" und hält dann plötzlich das Innovativste an Klezmer in Händen, bis dato fast unverstellbar. Dabei ist es nicht der (fast übliche) Jazz, der hier in den Klezmer gemischt ist. Es ist vielmehr eine Synthese aus gekonnten, man möchte sagen intelligenten Blödeleien, die bis in das "Baruch Atah Adonai", dem Anfang vieler jüdischer Gebete, in Hipp-Hopp übergehen. So, als ob "Freak Out" (Zappa), "Pet Sounds" oder "Sgt. Pepper's" Pate gestanden wären. Verantwortlich für das Durcheinander zeichnen sich die Briten Sophie Solomon (Violine) und "Socalled" (Piano), denen es gelang, für ihr Projekt in der Digitallis Allstars Simcha Band so Klezmergrößen wie Michael Albert (Horn), Zev Feldman (Tzimbel) oder Frank London (Trompete) zu vereinigen. Auf "Hassidish" ist selbst David Krakauer (Klarinette) zu hören. Gratulationen zu einem der besten Klezmeralben der Neuzeit!

Matti Goldschmidt

 

 


BILL LASWELL
Points of order

(Innerhythmic Neo / MCC Inr011)
8 Tracks, 48:09

Eine der spannendsten Neuerscheinungen auf dem Worldmusicsektor stammt aus einer Zusammenarbeit eines weltberühmten Jazzmusikers (eben Bill Laswell) mit einer mittlerweile leider aufgelösten Hip-Hop-Legende, dem Anti-Pop-Consortium. Die Zusammenkunft der Musiker erscheint genauso wenig folkloristisch wie die Kompositionen auf "Points of Order" und so scheint hier ein Beweis für die Berechtigung vorzuliegen, dass Worldmusic häufiger als Untergruppe der Rubrik Jazz gelistet wird. Bill Laswell passt sicherlich besser zu den Leverkusener Jazztagen als nach Rudolstadt, aber hört man hinter dieses explosive Gemisch aus Electronic Ambient, Dub, und Drums & Bass, so hört man ganz eindeutig, warum Laswell doch ein World-Music-Star ist. Völlig unbeeindruckt bedient er sich sämtlicher musikalischer Kulturen, nicht als Ausdruck ihrer musikalischen Ethnologie, sondern schlicht als vorhandenes Werkzeug. So klingen die südamerikanischen Elemente nicht südamerikanisch und die indischen nicht fernöstlich. Es klingt ausschließlich nach Laswell und entzieht sich damit, wie von ihm gewohnt, einer Einordnung in die gängigen Labelklischees.

Chris Elstrodt

 

 


DIVERSE
Awards For World Music

(Manteca 215 / Unionsquare)
DO-CD, 28 Tracks, 139:29; engl. Infos

Warum nicht die Besten nehmen? Auf zwei CDs wird hier ein Panoptikum geboten, das eine Leistungsschau der aktuellen, "ausgezeichneten" Weltmusik darstellt. "Ausgezeichnet" gehört in Anführungszeichen, weil es die für das Jahr 2003 nominierten Künstler sind, die hier geboten werden, also nicht die bereits von BBC 3 geehrten. Im Kreis dieser Erlauchten landen nur wenige. Viele Helden sind aber allemal dabei: Salif Keita, Youssou N`Dour, Trilok Gurtu, Susana Baca, Gotan Project, Te Vaka....ein wenig "die üblichen Verdächtigen" also. Aber, okay, sie stehen nicht von ungefähr in der engeren Auswahl. Daneben gibt es auch frische Namen wie die kubanische Liedermacherin Yusa oder die Klezmerschreck-Combo Oi-Va-Voi, sowie kaum bekanntes - nehmen wir das DuOud oder Alka Yagnik. In jedem Fall bietet der Sampler Musik auf sehr hohem bis höchstem Niveau, und die Songauswahl macht gewiss Appetit auf den einen oder anderen Künstler. Sehr zu empfehlen!

Luigi Lauer

 

 


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