backRezensionen Deutschland


REGINA LINDINGER
Jahreszeiten

(Popeya CD01202 / Bogner records)
15 Tracks, 52:18; mit Texten

Es gibt noch glückliche Menschen auf dieser Welt. Regina Lindinger ist offensichtlich eine von diesen. Durch ihre neue CD Jahreszeiten kommen mit Sicherheit weitere glückliche Menschen hinzu. Nachdem Lindinger auf ihren bisherigen Veröffentlichungen der Menschheit durch ihre Musik die Träume brachte, sind es nun ihre Texte. Das heißt nicht, dass die Musik unbedeutend oder sogar schlecht ist, im Gegenteil. Aber man ertappt sich doch immer wieder dabei, zum Booklet zu greifen und mitzulesen. Verstohlener Blick nach verstaubten Kerzen oder einem guten Tee paart sich mit dem Wunsch, doch noch einmal Hermann van Veen zu hören. So klingt es also, wenn eine Vocal-Artistin sich als Liedermacherin versucht. Ihre eigene Art der Improvisation kommt auf der CD ebenfalls zu ihrem Recht, doch scheint sie heute eher Betonung auf die Texte zu legen. Wo selbst die Musik sie stört, trägt die Dame die Texte gesprochen vor und auch das verwandelt sich in Musik. Dass sie wie selbstverständlich die verschiedensten Weltmusiken mit bayrischen Wurzeln verheiratet, wundert mich dann auch nicht mehr. Eine leise CD zum Zuhören, eine typische Lindinger eben.

Chris Elstrodt

 

BIERFIEDLER - Nimm von mir


RALF GEHLER
Up frien foten 1992 - 2002

(Eigenverlag)
14 Tracks, 48:50

Sackpfeifer in Mecklenburg :
"Dudel den dudel, wat hest in'n Sack?"

In: Muesser Blätter 3, Schwerin-Mueß, 2002, 32 S.

Ein Sack für alle Fälle! 10 Jahre lang sammelten sich alle möglichen bisher unveröffentlichte Aufnahmen an, die der Musikwissenschaftler, Volkskundler, Musiker und Instrumentenbauer Ralf Gehler zusammen mit diversen Gruppen und Ensembles eingespielt hat, u.a. mit Sackpfeifers Paradies, Ostkreuz Combo oder Trespann. Die 14 Tracks klingen erfreulich unakademisch, die Lieder und Tänze sind modern und abwechslungsreich arrangiert, die Sackpfeifen erklingen sehr sauber eingestimmt und werden obendrein mit großer Virtuosität eingespielt. Neben der Sackpfeife bekommt man noch Drehleier, Maultrommel, diatonisches Knopfakkordeon, Saxophon, Bass, Viola, Hakenharfe, Mandola, Schalmei und Perkussion zu hören, wobei der Dudelsack inmitten dieser Instrumente jeweils die prominente Rolle spielt, ohne aufdringlich zu wirken. Repertoiremäßig wildern die Musiker u.a. im Evangelischen Kirchengesangbuch, das eine "außerordentliche Quelle bordunfähiger Melodien" darstellt. Damit es jedoch nicht allzu kirchlich klingt, finden sich auf der CD auch moderne Kompositionen von Drehleierer Cliff Stapleton (ex-Blowzabella) und dem französischen Musette-Guru Jean Blanchard, ergänzt um historische Lieder und Tänze.

Dass Gehler auch ein exzellenter Kenner der Dudelsack-Historie ist, beweist seine Veröffentlichung über Sackpfeifer in Mecklenburg mit historischen Dokumenten, Noten und Abbildungen - eine gelungene Ergänzung zur CD. Dudelsackklängen vom Feinsten lauschen und dazu in historischen Fakten blättern - Bordunfreund, was willst Du mehr?

Ulrich Joosten

 

BIERFIEDLER - Nimm von mir

Sackpfeifer in Mecklenburg : "Dudel den dudel, wat hest in´n
	  Sack?"


INGO BARZ
Das macht, dass wir uns finden...

(Schnitterhof Verlag)
18 Tracks, 62:00; mit Texten

Da haben wir es nun um die Ohren gehauen bekommen: Wir leben im alten Europa. Doch was ist dieses alte Europa? Um uns die Geschichte und die Besonderheiten Europas nahe zu bringen, begibt sich der Mecklenburger Ingo Barz mit uns auf eine Liederreise. Beginnend mit einem Morgengesang zum alten Kreta wandert er durchs Römische Reich ins Frühmittelalter, beschreibt Pest und Inquisition, die Entdeckungen und Philosophen, die Verfolgungen und Kriege, die Revolutionen und schließt seinen Kreis wieder mit einem Abendgesang auf Kreta. Das Bild einer friedlich zusammenlebenden und -arbeitenden Völkergemeinschaft wird zur Vision - auch für andere Regionen. Musikalisch setzt er diese unterschiedlichen Stationen seiner Reise sehr abwechslungsreich und der jeweiligen Zeit angepasst um. Es sind kluge, anregende und auch schöne Lieder, die sich abheben von dem, was Liedermacherei sonst so bietet. Es sind keine direkt politischen Lieder, keine Kampfsongs, aber auch nicht die gängigen Herz-Schmerz-Texte und keine Nabelschau, sondern engagierte Kunst, humanistisch orientiert und außerdem noch gut.

Rainer Katlewski

 


FRED APE
So läuft das eben

(pläne 88884 / BMG)
15 Tracks, 62:02; mit Texten und Infos

Kennern des Polit-Liedrocks dürfte der Dortmunder kein unbeschriebenes Blatt sein, gehörte er doch viele Jahre zur erfolgreichen Band "Ape, Beck & Brinkmann". Nach 19 (!) LP/CDs und dem Tod von Peter Brinkmann 1999 nun das erste Soloalbum des 50-jährigen, wobei ihn Weggefährten wie Rudi Mika (voc/g/b/vi/mand/harp/key), Guntmar Feuerstein (voc/g) und Ralf Kiwit (u.a. Arrangements) begleiten. Die Texte stammen größtenteils von Ape selbst, die Kompositionen ebenso, aber auch von Tom Petty, Marc Knopfler und Ry Cooder. Zwei Drittel der Songs sind brandneu, darunter das eindringliche "Was brennt?" zum Thema Rechtsradikalismus und deutsche Mentalität: "...wippt zur Volksmusik, wenn alles blond und glatt gefönt ist stimmt die Republik". Gesellschaftskritisches dominiert, ohne ins Plakative der siebziger, achtziger Jahre abzudriften. Ape zeigt aber auch einen boshaften Humor, z.b. wenn im Standort Hölle der Heizer wegen Energieeinsparungsplänen und Automatisierung entlassen werden soll. Stilistisch ist ein unspektakulärer Folk-Liedrock zu hören, wobei ich den Gesang etwas zu brav empfinde. Hier würde den Texten etwas Schräges, Schnoddriges gut tun.

Reinhard "Pfeffi" Ständer

 

FRED APE - So läuft das eben


DIVERSE
"It's good to see you - Venner Folkfrühling Highlights 2002"

(ARTyCHOKE AP-1002-CD
19 Tracks, 77:23

Im Osnabrücker Land - seit jeher eine Hochburg für Folkbegeisterte - scheint sich ausgehend vom Venner Gasthaus Linnenschmidt und der Folkclubmannschaft um Dieter Wasilke und Brian McSheffrey, eine rege neue Club- und Festivalszene zu bilden. Die vorliegende Konzertaufzeichnung ist ein repräsentativer Querschnitt, der zeigt, dass beim Venner Festival der Scherpunkt eindeutig nicht auf Weltmusik liegt, sondern auf Internationalem Folk, Irish Folk und Folkrock. Darüber hinaus wird Plattdeutschen Songs und Liedermachern ein breites Feld eingeräumt.

Einige der auf der fast 80 Minuten langen CD mit den Höhepunkten des Festivals 2002 vertretenen Künstler waren auch in diesem Jahr in Venne zu Gast. Man konnte sich mit dem CD-Mitschnitt sozusagen schon mal den Mund wässern. Beteiligt sind Allan Taylor und Helmut Debus als Duo (grandios: Taylors neuer Song "The lovely Lili Marleen"), Susanne Lundeng, Iky Duenya, Mannijo, Liederjan (die eine zwerchfellerschütternde Version des Songs "Wir lagen vor Madagaskar" zum Besten gaben), Laway, An Rinn, Groundspeed, Rapalje, Connemara Stone, Lack of Limits.

Eine schöne, stimmungsvolle Live-CD. Man kann den Veranstaltern nur jede Menge Erfolg wünschen, damit sie ihr Konzept und ihr Festival weiter ausbauen und hoffentlich langfristig etablieren können.

Ulrich Joosten

 

DIVERSE - "It´s good to see
	  you - Venner Folkfrühling Highlights 2002"


ANONIMI
Sto Labyrintho

(Raumer Records RR15402)
13 Tracks, 48:46; mit Texten gr./dt.

Sie leben in Berlin, sind vielleicht sogar dort geboren, aber sie sind waschechte Griechen, die vier Herren von Anonimi und das merkt man ihrem Zweitling an. Keinerlei Ouzo-Seligkeiten, sondern Bouzouki-dominierte Musik mit lyrischen Texten, die wir dank der Übersetzungen auch verstehen können. Und nur Anonimi können ein Berliner Lied wie (übersetzt) "In der Pariser Straße wohnt sie" textlich und musikalisch so völlig authentisch griechisch rüberbringen. Aber nicht genug mit den vier Herren von Anonimi, es gibt griechische Gäste zuhauf, zuvorderst die charmante Sängerin Aspa Anogiati, die jedes empfängliche Herz zum Schmelzen bringt. Das ist jedoch keine Kritik an Kostas Christodoulou, den etatmäßigen Sänger von Anonimi! Auch bei ihm springt der Funke selbst ohne Sprachkenntnisse sofort über.

Wer also eine moderne, aber 100%ig griechisch klingende Gruppe hören oder engagieren möchte, muss dafür nicht bis Athen reisen. Berlin tut's auch, dank Anonimi. Mir hat die Musik viel Freude bereitet.

Mike Kamp

 

ANONIMI - Sto Labyrintho


DIETER KROPP & THE FABULOUS BARBECUE BOYS
Seven Nights

(Spareribs Records SPR 05)
18 Tracks, 58:17

Bis Mitte der 1990er Jahre zumeist im Duo aktiv, legt Dieter Kropp neben anderen Veröffentlichungen, wie zuletzt der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem amerikanischen "Harpisten" R.J. Mischo mit den "Fabulous Barbecue Boys" Michael van Merwyk, Gitarre, Thomas Bornemann, Schlagzeug und Harald Fricke, Kontrabass seinen vierten Longplayer vor. Und der hat es in sich. Diesmal lud sich der Detmolder darüber hinaus einen vierköpfigen Bläsersatz ins westfälische Studio. Das Ergebnis lässt sich hören. Auch wenn die Verpackung nicht mehr so aufwändig ist wie bei den vorhergehenden Veröffentlichungen, so bläst einen der Sound schon beim eigenen Opener "Barbecue Boogie" buchstäblich vom Hocker. Dass die Truppe auch mal countrymäßig entspannt swingen kann, wird bei "My Little Girl" und seiner folkig, akustischen Harmonika deutlich. Überhaupt bewegt sich der auch theoretisch versierte Virtuose nicht nur auf der Richter-Diatonik stilsicher und souverän durch viele Bluesstile und Bluesverwandtes. Jazzige Reminiszenzen an die Rhythm' and Blues-Ära der vierziger und frühen fünfziger Jahre bringen Titel wie die Eigenkomposition "Where Were You Baby?" und Otis Blackwell's "Don't Be Cruel" in die Bluesquellenforschung ein. Bei letztem Titel wird klar, dass es dem Harmonikaspieler auch gelang, an seinem manchmal gescholtenen Gesang zu feilen. Eine deutsche Blues-Veröffentlichung der ambitionierteren Art.

Annie Sauerwein

 

DIETER KROPP & THE FABULOUS BARBECUE BOYS - Seven Nights


ACHIM RESCHKE
Im Fluss

(Eigenverlag)
20 Tracks, 52:13

Reschke ist auf einem guten Weg. Handwerklich, musikalisch auf jeden Fall; da ist wieder eine Stimme, die noch dem virtuosen Fingerstyle - Schöngeist - Mainstream aus dem Weg gehen konnte. Reschke, mit Picks arbeitend, ist nicht nur von daher eher "Picker" - sein nahezu klassisches Spiel scheint etwas mehr aus der vor - DADGADschen Zeit der Folktunes und Balladen, des "Folkjazz" der Lämmerhirts und Weilands, Qualeys, Renbourns inspiriert.

Reschkes perlende Kleinode sind wie vielfältige fantasieanregende Kieselsteine am Ufer eines Baches - das erinnert mich etwas an Klaus Weilands "Pebbles"... So sicher er sich seiner handwerklichen und stilistischen Mittel sein kann, manchen Stücken könnte etwas mehr Raum zum Ausbreiten gut tun; manches bleibt Thema. Sein "Amazing Grace" etwa wird nicht "amazing", wirkt eher wie ein nettes "Farewell". Aus schönsten Mosaiksteinen wird auch nicht automatisch ein schlüssiges Album -Konzept. Hier bleibt eine gewisse Unentschiedenheit. Die Aufteilung in 4 Blöcke: Prolog, Aktivität, Ruhe, Sinn, lässt ein Schielen in, milde gesagt, schöngeistige Richtungen vermuten, wirkt aber eher aufgesetzt und deplatziert, könnte gar die CD in die Ecke esotherischer Beliebigkeiten geraten lassen. Da gehört sie nicht hin, weil sie sinnlich UND lebendig ist. So herrscht eine gewisse Unentschiedenheit: Eine Menge bunter Mosaiksteine, die vielleicht nur ungünstig angeordnet wurden...um eine Gesamtvision besser nachvollziehen zu können.

Steffen Basho-Junghans

 


ABI WALLENSTEIN
Step In Time

(Nullviernull NVN 03001)
13 Tracks, 56:11; mit Infos

Sehr abwechslungsreich ist sie geraten, die neue CD von Abi Wallenstein. ‚Down Home' mit akustischer Slide-Gitarre wird mit dem "Death Letter Blues" von Son House geboten, dann das elektrische Pendant mit dem Titel "Blue Bird", dazu noch ein feines Stück im Piedmont-Stil namens "Silver City", welches Sonny Terry / Brownie Mc Ghee oder Cephas / Wiggins alle Ehre machen würde. Begleitet wird Abi Wallenstein hierbei jeweils von Steve Baker an der Harp, auf den das im letzten Satz ausgesprochene Lob ebenfalls uneingeschränkt zutrifft.

In der elektrischen Fraktion gibt es neben "Off The Hook", der Überarbeitung eines Stones-Stücks, das aufwändige "Destination Mississippi", diesmal mit Henry Heggen an der Harp und einer Bläsersektion namens "Die Liberos".

Meine Favoriten sind jedoch die von Abi Wallenstein selbst komponierten Akustiker mit Harp-Begleitung: "Gimme More" oder "Written By A Friend Of Mine" mit Henry Heggen und die schöne Ballade "Leaving To Stay" mit Steve Baker und verhaltenem Background-Gesang (Petra Schechter und Kimia Roth). Gerade die letzten drei Stücke sind für Abi Wallensteins raue, etwas heisere Stimme der ideale Träger.

Achim Hennes

 

ABI WALLENSTEIN - Step In Time


SUSANNE SCHÖNWIESE
Pilgrim

(Claywork 002)
8 Tracks, 47:00

Wer den Folker! liest, um Geheimtipps für seine CD-Sammlung zu finden, voila! Susanne Schönwiese veröffentlicht ihre vierte CD auf dem hauseigenen Label und wird damit für den großen Markt wohl uninteressant bleiben. Dabei hat "Pilgrim" für viele Ohren etwas zu bieten. Wer eine extrovertierte Stimme schätzt, die insbesondere in den leisen Tönen ihre Kraft entwickelt, ist hier sicherlich gut beraten. Für Harfenliebhaber ist diese CD schon fast ein Muss, denn die Harfe begleitet die Sängerin als Hauptinstrument. Uschi Laar als Harfenistin ist ebenso wie das Rückgrat, Willi Lichtenberg am Kontrabass und Ramesh Shotham an der indischen Perkussion eine gelungene Besetzung. Pilgrim" besteht überwiegend aus Eigenkompositionen, aber man traut sich auch an den normalerweise unerträglichen "Tristans Lament", sozusagen den "Wild Rover der Mittelalterszene" heran und wirft sich sogar auf einen Text von Ernst Jandl. "Pilgrim" erzeugt Sehnsucht und macht nicht satt. Die CD ist zu ruhig, um die Spannung abzubauen, die Schönwieses Stimme erzeugt. Man fragt sich, warum diese Scheibe schon wieder im Player liegt, obwohl sie nicht sonderlich spektakulär zu sein scheint. Weil sie eben doch spektakulär ist.

Chris Elstrodt

 


MICHY REINCKE
Album

(Rintintin Musik / Indigo)
19 Tracks, 76:16; mit ausführl. Booklet

Geschichten und Balladen, angesiedelt zwischen gutem Popschlager und Liedermacherei liefert Michy Reincke auf seinem Album. Geschichten aus dem Leben, natürlich viel über Frauen und Liebe, musikalisch flott präsentiert ergeben eine stimmungsvolle Scheibe, die man gerne hört. Seine zart rauchige Stimme, seine treibende Diktion und seine gradlinige Gitarrenbegleitung geben den Liedern einen solch sehnsuchtsvollen Schmelz. Das ist dieser suchender Typ mit dem Schuss Draufgängerei, der Gefühle so authentisch ausdrücken kann. Da haben dann auch melancholische Songs ihren Platz, aber auch der Ruf: "Ich will zurück auf die Reeperbahn". Mit seiner Band "Felix de Luxe" hatte der Hamburger vor vielen Jahren Hits gelandet: "Taxi nach Paris" und "Nächte übers Eis", sie finden sich ebenso auf der CD wie "Valérie, Valérie" und "Für immer blond", mit denen er in den Neunzigern erfolgreich war.

Rainer Katlewski

 

MICHY REINCKE - Album


CHRIS JONES & STEVE BAKER
Smoke and Noise

(Acoustic Music Records / Zomba 319.1303.242)
12 Tracks, 67:23

Nicht im eigentlichen Sinne ein Duo, das dem akustischen Blues verpflichtet ist, pendeln die umtriebigen Wahl-"Nordlichter" Chris Jones und Steve Baker zwischen den Stilen Folk, Blues und Rock. Im vergangenen Jahr live im Fuldaer "Backstage" und in der Schorndorfer "Manufaktur" mitgeschnitten, zeigen die beiden Vollblutmusiker eine Bandbreite zwischen Klassikern, wie "God Moves on the Water", "St. James Infirmary", Leadbellys "Bourgeois Blues" , Lowell George's Trucker-Hymne "Willin'" und vielen Beiträgen von Chris Jones, welche sich nahtlos in das übrige Spektrum einbetten. Hier fällt besonders das lyrische und eindringliche "Roadhouses and Automobiles" auf. Steve Bakers ausgefuchste Harmonikaläufe ergänzen mal sensibel, mal bluesig verzerrt das filigrane Gitarrenspiel und den kraftvollen Gesang von Chris Jones. Doch die stilistische Gradwanderung zwischen traditionellem Blues, Rock'n'Roll, Songs, Balladen und Acoustic Funk kann durchaus als gelungen bezeichnet werden. Steve Baker hat schon recht, wenn er die Ausrichtung eines seiner vielen Duo- und Trio-Projekte als "Rock'n'Roll without a band" betitelt. "Smoke and Noise" stellt unter Beweis, dass die Musiker nicht nur als viel beschäftigte Studiocracks und Harmonikalehrbuchverfasser, sondern auch auf den Bühnenbrettern überzeugen können. Die Livescheibe kommt zudem in schöner, technisch perfekter Farbfotoästhetik auf Papphülle daher.

Annie Sauerwein

 

CHRIS JONES & STEVE BAKER - Smoke and Noise


HANS KELLER
Rheinstadt / Vor dem Land zwischen den Meeren

(Eigenverlag)
2 CDs, 12 / 14 Tracks, 45:13 / 45:19; mit Infos

Irgendwie erinnert mich der stille Songpoet mit seiner warmen Stimme an Hannes Wader - die gesangliche Ähnlichkeit ist verblüffend. Beide CDs gehören allein vom Cover, aber auch inhaltlich auf die eine oder andere Weise zusammen. Die erste widmet er seiner alten Heimat Düsseldorf, die zweite seiner neuen, Schleswig-Holstein. Wobei letztere konzeptionell mit ihrer Meeresromantik eindringlicher ist: Möwen, Deiche, Landungsbrücken. Es gibt poetische Texte wie der von der Verkäuferin, die in ihre Träume von der weiten Welt flüchtet ("Cleopatra"), aber auch kritische Zwischentöne wie in "Der gemachte Mann" über einen opportunistischen Politiker um jeden Preis oder die "feine" Gesellschaft im "Hotel Vierjahreszeiten". In "Mondgefühle" zeigt sich Keller von der erotischen Seite. Sein Gitarrenspiel ist solide, mit Einflüssen verschiedenster Folk-Stilrichtungen, aber manchmal etwas monoton. Begleitet wird er von Uli Rademacher (git./voc./Harmonica/Tinwhistle). Wer die sanfte Poesie liebt, wird mit Hans Kellers Liedern zufrieden sein.

Reinhard "Pfeffi" Ständer

 


EAST BLUES EXPERIENCE
Red Balloon

(AMA Verlag 626636)
15 Tracks, 57:53

"You can't judge a book by looking at the cover" bewahrheitet sich mit dieser CD einmal mehr, denn was die martialisch dreinblickenden vier Herren hier an musikalischem Können präsentieren ist schon beeindruckend. Im Grunde alles Blues, jedoch äußerst vielschichtig: So gibt es Boogie mit "Once Bitten, Twice Shy", Southern Rock der an Lynyrd Skynyrd und Molly Hatchet erinnert ("Stop! Don't Take That Train"), dann (natürlich) Bluesrock und eine sehr schöne Ballade mit "Right Away". Im akustischen Teil ein Stück nahe an den afrikanischen Wurzeln ("Fall"), dann wieder mit "I'm Telling You Now" beste amerikanische Country-Folk Tradition. Das letzte Stück der CD bringt es dann auf den Punkt: "Don't Judge Me By The Colour Of My Skin", egal ob diese nun schwarz oder weiß oder tätowiert ist, gute authentische (Blues)Musik hat nichts mit Rasse und Herkunft zu tun. Peter Schmidt (Gitarre und Gesang), Rainer Engelmann (Bass), Ronny Dehn (Drums) und Axel Merseburger (Gitarre) kommen aus Ostdeutschland, und was sie hier spielen und singen ist nicht nachgemacht oder imitiert, es ist - einfach nur guter Blues.

Achim Hennes

 

EAST BLUES EXPERIENCE - Red Balloon


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