Die Besondere - Blues
CANNED HEAT
Friends In The Can
(Ruf Records RUF 1066 CD)
11 Tracks + 2 Bonustracks, 58:18; mit Infos
Nach dem Besuch ihres Konzerts im März war ich äußerst gespannt
auf "die Neue" von Canned Heat. Für mich war damals schon erstaunlich
(sorry!), wie frisch und mit welcher Spielfreude ihre Musik rüberkam;
für viele (nochmals sorry!) ist ihr seit Jahrzehnten gespielter Boogie
im Grunde ja bloß "flotter Blues mit Groove".
Ein Etikett, dass an Canned Heat seit ihrem furiosen Woodstock-Auftritt klebt,
als sie Zehntausende zum Tanzen, Singen, Feiern brachten. Hippie-Blues, der
sich irgendwann in den siebziger/achtziger Jahren verliert. Neben Drogen-
und Alkoholproblemen versetzte ihnen der Tod des Sängers Alan Wilson
und einige Jahre später der des legendären Frontmanns Bob "The
Bear" Hite beinahe selbst den Todesstoß. Viele Umbesetzungen folgten,
aber die Wege kreuzten sich immer wieder. Henry Vestine, Harvey Mandel, Corey
Stevens, Larry Taylor sind als Gefährten aus alten Tagen dann auch auf
der neuen CD zu Gast. Als besonderes Bonbon darf das Stück "Little Wheel"
gelten, hier singt John Lee Hooker, der als "King Of Boogie" über viele
Jahre hinweg Vorbild, Mentor und Freund der Gruppe war. In der aktuellen
Besetzung spielen Canned Heat nun seit 1999 zusammen: Fito De La Parra
(Schlagzeug), Dallas Hodge (Lead-Gitarre /Gesang), Stanley Behrens (Harp,
Querflöte, Sax, Gesang), Greg Kage (Bass), John Paulus (Rhythmusgitarre).
Dallas Hodge übernimmt dabei die Gesangparts von Bob Hite, Stanley Behrens
diejenigen des Falsettsängers Alan Wilson. Mich überzeugt diese
CD; sei es nun mit "Bad Trouble", einem Stück in alter Canned Heat
Boogie-Tradition mit Mundharmonika und Slide-Gitarre, dem entspannten "Black
Coffee" oder dem groovenden, sozialkritischen "That Fat Cat" mit Querflöte
und Congas. Traurig-schön ist der Klang der chromatischen Harp und der
Gesang von Stanley Behrens - "It Don't Matter" ist ein Stück über
das Verlassenwerden und die Gefühle dabei.
Durch viele Höhen und Tiefen ist diese Band gegangen. "Friends In The
Can" transportiert ihren Boogie nun gut und sicher ins 21. Jahrhundert.
Achim Hennes
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Die Besondere - Bretagne
LES FRÈRES MOLARD
Bal Tribal en public
(TonAll Produksion TA 001)
8 Tracks, 64:49
Eine gemeinsame CD der Molard-Brüder Patrick (Pipes), Jacky (Geige)
und Dominique (Drums, Percussion) war schon lange im Gespräch. Gewidmet
ist sie dem verstorbenen vierten Bruder Claude, mit dem zusammen die drei
1973 "Satanazet", eine der ersten Fest-noz-Gruppen, gründeten. Die Idee,
die 35jährige Präsenz der Molards auf der bretonischen und
internationalen Szene zu würdigen, wurde auf dem "Festival des Tombées
de la Nuit" in Rennes 2000 geboren. Gedacht war nicht an eine beschauliche
Trio-Einspielung mit den Classics der Vergangenheit, sondern ein aktuelles
Album bzw. eine Tournee mit vielen eingeladenen Musikern. Gleichwohl sind
Reminiszenzen an jene Bands unüberhörbar, mit denen die Molards
den modernen wie traditionellen bretonischen Folk mitgeprägt haben.
Mit den Gruppen "Gwerz" (1981), "Pennou-Skoulm" (1982), "Archetype" (1985)
und "Den" (1987) gelang der internationale Durchbruch. Danach folgte eine
bis heute andauernde Zusammenarbeit mit dem Jazzgitarristen Jacques Pellen
und dem E-Bassisten Alain Genty sowie unzählige weitere Alben und Projekte,
darunter das etwas kurzlebige Label "Gwerz Pladenn".
Die Musiker, mit denen "Bal Tribal" durch die Bretagne, Portugal und die
Schweiz tourte und im Februar '02 in Carhaix diese CD einspielte, sind kein
Querschnitt der musikalischen Vergangenheit, diesbezüglich wären
nur zu nennen der langjährige Bombarde-Partner von Patrick, Ives Berthou,
der Geiger Christian Lemaïtre und Jacques Pellen. Einige wird man vermissen,
Genty vor allem, auch die Freunde von Skolvan oder Soïg Sibéril,
ebenso wird manchem das galizische Element fehlen. Eine solche Bandbreite
kann man indes auch kaum auf einer CD ohne Brüche unterbringen.
Herausgekommen ist eine Mischung traditioneller Stücke und moderner
Kompositionen, die es in sich hat. Wie man hört, ist der Vertrieb des
Albums sowohl von Keltia Musique wie von Diffusion Breizh mit der
Begründung abgelehnt worden, es sei nicht kommerziell genug! Das ist
durchaus skandalös, obgleich dem so ist. Ich habe selten eine so
kompromisslose Scheibe gehört, die auch vor Free-Folk-Einlagen nicht
zurückschreckt, über deren musikalischen Wert man durchaus geteilter
Meinung sein darf. Die bulgarische Sängerin Kalinka Vulcheva streift
mit ihrer Stimme die Grenze zur gesanglichen Ekstase. Das Album wird für
Gesprächsstoff sorgen, ist es doch bei einigen Stücken auf hohem
Level provokant. Dass es diesen auch musikalisch besitzt, war bei der Besetzung
nicht anders zu erwarten.
Andel Bollé
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Die Besondere - USA
LUCINDA WILLIAMS
World without Tears
(Lost Highway / Island / Polydor 170 355-2 / Universal)
13 Tracks, 59:54; mit Infos und Texten
"Everything is wrong" bestätigt Lucinda Williams lakonisch die Opfer
des "American Dream"; "Keep on walkin'" ist ihr aufmunternder Rat zum Thema
"People talkin'". Ich liebe dich immer noch, weil ich weiß / dass du
die Grausamkeiten, die Du tust, nicht so meinst" beruhigt sie Herz in den
Händen den Bad Guy mit der "Sweet Side". Aber wenn es um ihre eigenen
Gefühle geht, reißt sie ihr "Did you love me forever just for
those three days?" nahezu in Stücke: Eine einzige klaffende Wunde -
wie offen Lucinda Williams sie mit ihrem Publikum teilt, hat es seit Bob
Dylans "Blood on the Tracks" nicht mehr gegeben! So verstehen sich wohl auch
die guten Beziehungen, die Lucinda Williams seit Jahren zum Lager des
Singer/Songwriter-Übervaters pflegt: Sie spielt inzwischen in der gleichen
Liga. Erst gab sie Ex-Never-Ending-Tour-Gitarrist John Jackson ein
vorübergehendes Gnadenbrot, dann übernahm dessen Platz Dylans halbe
aktuelle Band. Dazu spielt Lucinda Williams neuerdings dieselben Festivals
wie der alte Grantler, und das Gemunkel über Kollaborationen wird auch
immer lauter. Verständlicherweise, steht Williams mit "World without
Tears" doch geradezu breitbeinig in des großen alten Rootsrockers
Fußstapfen: Griffige Kompositionen schüttelt sie am Fließband
aus dem Ärmel, ihre Texte haben längst Poetenniveau; Stimme und
Intonation klingen wie das weibliche Pendant zur Gießkanne, und die
Intensität der Performance ist Legende. "World without Tears", ein einziger
Schrei aus tiefster verwundeter Seele, toppt noch einmal den Vorgänger
"Essence". Der hatte bereits "Car Wheels on a Gravel Road" übertroffen,
was bei den Jubelarien, die das Album eingesammelt hatte, unmöglich
schien. Dass die "World without Tears", die Lucinda Williams nun so
inbrünstig besingt, das unerreichbare Limbo einer in der Realität
Gefangenen sind, ist traurig. Aber am Ende immerhin wenigstens für ihre
Qualität als Künstlerin verantwortlich - vielleicht ist doch nicht
ausnahmslos alles falsch an diesem Spiel
(Porträt mit Interview
und Tourbericht in FOLKER! 5/2003)
Christian Beck
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