|
THOMAS FELDER
Flitterlampio
(Musik und Word TF 1200)
12 Tracks, 51:43; mit Infos
Es ist immer etwas Besonderes, wenn ein neues Album des schwäbischen
Liedermachers erscheint. Sein zwölftes Album seit 1977,
Flitterlampio, schenkte der Dichtersänger und
Multiinstrumentalist aus Reutlingen sich und uns zu seinem 50. Geburtstag.
Es zeigt sich, dass er sich nicht verbiegen lässt und seinen Idealen
treu bleibt. Felder gehört zu den Liedermachern, die noch eindeutig
politisch Stellung beziehen. Während diese Zeilen geschrieben werden,
steht der Angriff der USA auf den Irak kurz bevor und erschreckend aktuell
klingen Felders Zeilen Amerika/Du lieber graoßer Bruader/Mae
Allmachts-Ooschuldsluader/Dir schleck i d Schdiifel a. Felders Themen
sind wie immer von tiefer Menschlichkeit geprägt, ob er eigene Texte
singt oder Mundart-Übertragungen eines Hölderlin-Textes. Selbst
ein Kirchenlied (O Heiland reiß die Himmel auf) stellt
keinen Gegensatz zu seinem eigenem Werk dar. Dabei setzt sich der bekennende
Christ durchaus kritisch mit der Institution Kirche (Mir send des
Gsälz von der Erde), aber auch mit den modernen Götzenbildern
unserer Gesellschaft auseinander (Autobekenntnis) mit
seziermesserscharfer Lyrik. Seine neue CD hat der exquisite Pianist, Gitarrist
und Leierspieler Felder zusammen mit einer Reihe kompetenter Gastmusiker
(u.a. Bass, Schlagzeug, Akkordeon, Oboe etc) abwechslungsreich arrangiert
und eingespielt. Genial!
Ulrich Joosten
|
|
|
WENZEL
Ticky Tock - Wenzel singt Woody Guthrie
(Conträr Musik 27a/Indigo)
14 Tracks, 49:26; mit Texten u. Infos
Selten ist in den Medien (siehe auch Folker! 01/03) bereits vor dem Erscheinen
einer Lied-CD soviel Aufmerksamkeit geschenkt worden, treffen doch hier das
Werk einer Folk-Legende und der vielleicht kreativste deutschsprachige
Liedermacher aufeinander. Wenzel gelingt es, die kraftvolle Poesie Guthries
in seinen Nachdichtungen mit unverwechselbarer Art zu vereinen. Mitunter
ist eine Seelenverwandtschaft zu vermuten: Ich trink meinen Whiskey,
ich mag guten Wein. Obwohl es keine eigentlichen Politsongs gibt, tauchen
eine Fülle von Sätzen auf, die ihre Gültigkeit behalten haben:
Du weißt der Mensch führt Krieg gegen die Natur oder
Wehe fort die Fliegerbomben mit ihren Piloten. Musikalisch hört
man neben amerikanischen Stilen (Auf der Flucht vor Staub und Dreck)
vieles in der an Eisler orientierten Wenzelschen Art. Z.B. Asche zu
Asche und Neunzig Meilen Orkan, unterstützt durch
weltmusikalische Einflüsse, u.a. vom Balkan (Klarinette, Tuba). Guthries
Tochter Nora singt bei drei Titeln selbst mit. Mit Ausnahme des etwas
überzogenen Ich bleibe am liebsten bei Daddy ist Wenzels
Gesang souverän. Das Booklet in Schwarzweiß-Ästhetik knüpft
an Lied am Rand (Th. Kramer) an. Ticky Tock (gibt
es auch in englischsprachiger Version) setzt zweifellos Maßstäbe.
Reinhard Pfeffi Ständer
|
|
|
GLENDALOUGH
Along The Shore
(Eigenverlag)
15 Tracks, 62:15; mit Texten
Dass das Debütalbum dieser frisch geschlüpften Giessener Band auch
ohne Sauf- und Gröhl-Image, Banjo, Mandoline und Bouzouki
eindrucksvoll die Stimmung auf der grünen Insel widerspiegelt,
wie es der Pressetext behauptet, stimmt. 62 Minuten Along The Shore
(Gesang, Gitarre, Flöten, Perkussion) sind ein ständiges Rauf und
Runter durch grasgrüne Hügellandschaft mit tiefen Schlammlöchern.
Allerdings klingt das Regenrohr in Andy Irvines West Coast of Clare
wie eine Klospülung, nicht wie Meer und die Bodhrán in
Spancill Hill, als würden die Nachbarn einen Nagel in die
Wand klopfen. Glendaloughs Foggy Dew-Version gehört versteckt
wie ein Osteraufstands-Ei, und Hannah Pohls Interpretation von Goethes
Willkommen und Abschied sollte den nächsten Dampfer zum
Grand Prix d'Eurovision nehmen. Dabei beweist die Geige und Bass spielende
Sängerin in anderen Klassikern wie There Were Roses, She
Moved Through The Fair oder Matty Groves, dass sie Geschmack
hat und singen kann, stellenweise fast soulig. Auch das Xaphoon-Solo von
Peter Stockmann in Ready For The Storm gehört eher in die
Bergregion des Albums. Die völlig unirischen Triller auf der Querflöte
sollte er sich aber lieber abgewöhnen.
Elise Schirrmacher
|
|
|
CELTIC BREW
Not too baad
(Eigenverlag)
10 Tracks, 48.14; mit Texten
Neues von der Band mit der Vorliebe für Understatement-CD-Titel. Nach
Could Be Worse und Lovesongs And Other Tragedies
hier nun das aktuelle Album Not Too Bad und in der Tat
ist dieses launige, spritzige und tanzbare musikalische
Gebräu alles andere als schlecht gelungen. Die Münsteraner
Bigband um Folk-Urgestein Martin Hannemann (Ak. Gitarre, Piano, Keys, Voc.)
bleibt ihrem Konzept treu: Traditionelle Songs und Tunes aus Irland, Schottland,
England perfekt gemixt mit viel, viel Rock, jazzigen Improvisationen,
Blues-Licks; gleichermaßen gut für Kopf, Bauch und Beine. Die
großen Vorbilder von den britischen Inseln sind deutlich
herauszuhören, trotzdem geht die Musik von Celtic Brew weit über
stumpfes Kopieren hinaus.
Auch die Songauswahl, die ich noch auf dem letzten Celtic Brew-Album als
etwas zu abgedroschen kritisierte, trifft diesmal ins Schwarze; Anspieltipps:
Fairport Conventions
Crazy Man Michael oder der locker-flockige Sunshine
Hornpipe Schwierig, aus dieser Crew ausgefuchster Musiker jemanden
besonders hervorzuheben; trotzdem möchte ich die wunderschöne Stimme
von Alexander Eusterbrock und das rasante, authentische und rockige Fiddlespiel
von Dennis Brandt lobend erwähnen. Schön, dass es noch Leute gibt,
die solch eine Musik machen!
Anne-D. Marcordes
|
|
|
PAYUTA & FRIENDS
... sitar ... signs ...
(ON-Records/Jaro ON-004803)
13 Tracks, 64:58
Diese CD enthält genau die Musik, die man sich beim Kauf vorgestellt
hat. Eine CD voller Sitar-Klänge fernab indischer Klassik. Musikalisch
bewegt sich das Projekt eher zwischen Trance-Grooves und Weltmusik und macht
dabei auch vor Abstechern nach Lateinamerika nicht Halt. Die Sitar als
Hauptinstrument sorgt aber dennoch dafür, dass jeder Track, zumindest
für den Ungeübten, sehr indisch klingt. Dafür ist die Klangfarbe
einfach zu spezifisch. Wer also erwartet, dass Payuta die Sitar in gleicher
Art verwandelt wie Alex Wiska die Saz oder Eaton die Drehleier, wird
enttäuscht. Harry Payuta stammt aus dem musikalischen Umfeld von Embryo
und das kann diese CD kaum verbergen. Das Etikett Weltmusik für
Hippies ist vermutlich realistisch. Diese CD findet sich vielleicht
in den Kommunen Deutschlands wieder oder in den Chill-Out-Räumen von
Goa-Parties. Die Tracks sind allesamt westlicher Bauweise und könnten
in einer anderen Instrumentierung durchaus auch von Krautrockbands der
frühen Siebzigern eingespielt worden sein. Das macht die CD nicht schlecht,
im Gegenteil. Um Neugierige an die Sitar zu gewöhnen, ist diese CD optimal.
Für diejenigen, die ihr Jahresgehalt in holländischen Coffeeshops
anlegen, ist Payuta vermutlich sogar ein Pflichtkauf.
Chris Elstrodt
|
|
|
LYNCH THE BOX
Summer's Gone
(Jig It, JICD 1026)
12 Tracks, 51:52; mit Texten
And then there were three ... Lynch The Box mit Johannes Mayr (Akkordeon,
Satzgesang), Matthias Rülke (Gesang, Bouzouki, Banjo, Gitarre) und Tina
Fastje (Fiddle, Satzgesang) erinnern mit den ersten Tracks ihres zweiten
Albums stark an die Bothy Band, Patrick Street und Andy Irvine, was zum einen
an den Arrangements, zum anderen an der Titelauswahl liegt (Creggan White
Hare, Newry Highwayman). Das Trio bleibt zunächst relativ nahe an den
Vorbildern und befleißigt sich eines musikalischen Ausdrucks, der einen
denken lässt, dass das alles sehr hübsch erdacht und getan, aber
eben irgendwie doch schon mal da gewesen sei. Aber gemach spätestens
bei Track 8 beweisen sie, dass eine Polka auch in Akustikbesetzung prima
rocken kann. Auch in anderen Passagen verleiht das Zusammenspiel von Akkordeon
als Bass- und Harmonieinstrument und einem Soloinstrument dem Ganzen die
spezielle Lynch-Note. Dass alle drei ihre Instrumente meisterlich
beherrschen (was sie natürlich besonders bei den Tunes unter Beweis
stellen), muss bei den Namen wohl nicht besonders betont werden. Insgesamt
ein gelungenes Werk, das besonders bei Fans der Richtung Patrick Street und
natürlich den eigenen Fans Anklang und Lobpreis finden dürfte.
Kerstin Braun
|
|
|
OLDTIME BLUES & BOOGIE DUO
Drowning in the Blues
(Inakustik 9070 CD)
11 Tracks, 43:14; mit Infos
Ganz unbescheiden als einzige zwei in Deutschland die im Blues
schier ertrinken, so präsentiert sich das Piano-Gitarre-Duo Ignatz Netzer
und Thomas Scheytt in ihrem CD-Begleitheft. Ihr Motto lautet ganz klassisch:
Woke up this morning and my baby was not there. So einfach ist
das.
Und doch haben es sich die Herren aus dem Schwäbischen mit ihrer neuen
Scheibe nicht ganz so leicht gemacht, wie es scheint. Klassiker und Traditionals
wie Leroy Carrs How Long Blues, Rock Me Baby und
der Folkeckensteher Will The Circle Be Unbroken erklingen durch
die Mitwirkung so illustrer Gäste wie der Jazz-Organistin Barbara Dennerlein
und dem Drummer Earl Hope angenehm aufgefrischt. Und auch die Duobearbeitungen
und Reminiszenzen an legendäre Blueskoryphäen Big Bill
Blues und Elmore's Grave haben es in sich: Komplex, kraftvoll
und souverän klingen die Heilbronner da im Zweierpack.
Annie Sauerwein
|
|