Liebe Musikfreundinnen und -freunde,
wenn Sie diese Zeilen lesen, tobt vielleicht bereits ein Krieg im
Irak. Angezettelt von einem Mann, der eine Marionette der Großindustrie
ist und offensichtlich ein ungelöstes Vater-Sohn-Problem mit sich herum
trägt. Obwohl die Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung für
die Politik von US-Präsident Bush merklich zurückgegangen ist,
zeichnen die meisten US-Medien nach wie vor ein Bild, wonach die
Unterstützung für den Waffengang überwältigend sei.
Interessant ist, dass das Schweigen eines Großteils der Rockmusiker-
und Singer/Songwriter jetzt auch von einigen Musikmedien in den USA thematisiert
wird. So beklagten Herausgeber und Redaktion der Weltmusikzeitschrift Global
Rhythm in ihrer Januar-Ausgabe gleich in zwei Kommentaren mit Verweis auf
die Antivietnamkriegs-Bewegung das mangelnde Engagement der Künstler
sowie das politische Desinteresse und mangelhafte Allgemeinwissen vor allem
der Jugend. Neidisch blickt man auf Brasilien, wo mit Gilberto Gil ein linker
Musiker zum Minister werden konnte. Allerdings wäre es auch in Deutschland
unvorstellbar, dass jemand wie Konstantin Wecker oder Franz Josef Degenhardt
von Bundeskanzler Schröder zum Kulturstaatsminister berufen werden
könnte.
Die Praxis der US-Einwanderungsbehörde bei der Vergabe von
Arbeitsvisa wird derweil immer bizarrer. Jüngster Fall: Die beiden
französischen Pianistinnen Katia und Marielle Labeques wollten in den
USA mit den Perkussionisten Colin Currie aus England und Julio Barretto spielen,
einem gebürtigen Kubaner, der seit zehn Jahren einen Schweizer Pass
hat, mit einer Schweizerin verheiratet ist und am Baseler Konservatorium
lehrt. Bei der Einreise nach Atlanta ging zunächst alles gut. Alle Musiker
hatten die erforderlichen Einreise- und Arbeitsdokumente. Dann wurde die
USA-Tour jedoch durch einen Abstecher nach Mexiko City unterbrochen. Bei
der erneuten Einreise nach Atlanta wurde Barretto trotz seiner gültigen
Papiere nicht mehr ins Land gelassen. Begründung des Beamten: Es sei
verdächtig, dass ein gebürtiger Kubaner mit einem Schweizer Pass
aus Mexiko einreisen wolle. Barretto wurde kurzerhand in ein Flugzeug
zurück in die Schweiz gesetzt. Seine Kollegen warteten außerhalb
der Zollkontrolle drei Stunden lang vergeblich auf ihren Kollegen, ohne
informiert zu werden. Unter der Überschrift "Musik und Zensur nach dem
11. September" stand dieses Thema auch auf der Tagesordnung des
Folker!-Gesprächs beim Festival Musik und Politik 2003 Ende Februar.
Die amerikanische Botschaft, die bereits im vergangenen Dezember um Entsendung
eines Vertreters zur Teilnahme an dieser Diskussion gebeten worden war, hatte
zumindest bis zur Drucklegung dieser Folker!-Ausgabe nicht auf die Einladung
reagiert.
Kommen wir zum aktuellen Musikgeschehen. In Deutschland wirft derzeit
die Festival-Zeit ihre Schatten voraus. Wobei die "Großen" ihr Programm
noch wie ihren Augapfel hüten. Doch eine erfreuliche Neuigkeit kann
an dieser Stelle schon verkündet werden: zum zehnjährigen
Jubiläum des "Stimmen"-Festivals in Lörrach (s. dazu den Artikel
in diesem Heft) ist der Folker! erstmalig als Medienpartner mit von der Partie.
Einige der Künstlerinnen und Künstler, die in diesem Jahr in
Lörrach auftreten, stellen wir Ihnen in den nächsten beiden
Folker!-Ausgaben vor.
Den aufmerksamen Leserinnen und Lesern wird aufgefallen sein, dass
sie einige der im vergangenen Heft angekündigten Themen vergeblich auf
den folgenden Seiten suchen werden. Zur Erklärung sei angemerkt, dass
die Folker!-Vorschau sich grundsätzlich nur als eine redaktionelle
Planungsabsicht versteht. Angekündigte und dann kurzfristig abgesagte
Tourneen etwa führen dazu, dass die eine oder andere Geschichte "gekippt"
wird, während ein anderes aktuelles Thema aufgenommen wird. Für
die Artikel und Porträts, die Sie trotz Ankündigung nicht im Folker!
finden, gilt in der Regel jedoch: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Und damit will ich Sie in die Lektüre der neuen Ausgabe
entlassen
Ihr Folker!-CvD
Michael Kleff
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