In der afrikanischen Savanne kann man die mächtigen
Affenbrotbäume mit ihren Wasserbäuchen und knorrigen Astriesen
schon von weitem erkennen. Die Einheimischen nennen sie Baobabs.
Viele
sagen, der Baum sei heilig und die Geister der verstorbenen Griotmusiker
würden hier wachen. Ein Baobab kann viele hundert Jahre alt werden.
Manchmal denkt man, er sei tot, weil er keine Blätter mehr hat und ganz
vertrocknet aussieht. Aber dann regnet es, und er erwacht wieder zum Leben.
Und wir sind wohl ein bisschen wie ein Baobab. Diese Worte sagt einer,
der 15 Jahre lang kein Instrument angerührt hat: Barthélemy Attisso,
Gitarrist des Orchestra Baobab, das auch schon viele für tot erklärt
hatten einschließlich ihm selbst. Dass die Band nun wie Phönix
aus der Asche steigt, verdanken die Musiker Labelchef Nick Gold von World
Circuit, der eindeutig ein Faible für Alt-Herren-Bands hat. Man denke
an die Afro Cuban All Stars, die kubanischen Jungs, die er wieder zusammen
trommelte. Ähnlich geschah es mit den Mannen vom Orchestra Baobab, die
sich Mitte der 80er Jahre des oh Gott mittlerweile letzten
Jahrhunderts auflösten.
Von Suzanne Cords
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Pirate's Choice (World Circuit/Indigo, 2001) |
Der nostalgische Rückblick führt zurück ins Jahr 1970.
Ortswechsel. Dakar. Die Elite der Hauptstadt Senegals lechzt nach
Amüsement. Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes sind
Unterhaltungsorchester groß in Mode. Und sie spielen die Musik, die
Seeleute mit in die Hafenstadt gebracht haben. Renner sind vor allem die
kubanischen Rhythmen Son und Guaracha, die man in Dakar Pachanga nennt. Aber
auch Tango, Pasodoble, Jazz, Soul und Pop gehören zum Repertoire. In
einem Nightclub muss die Hausband mehrere Stile beherrschen, um auf Zuruf
der
Gäste
den gewünschten Sound liefern zu können eben Specialist
in all Styles sein. So ist es auch im Baobab, und das Babob ist nicht irgend
eine Kaschemme, sondern der Club schlechthin in Dakar. Der Besitzer hat für
seine neue Hausband die sechs besten Musiker der Starband beim Rivalen im
bekannten Miami Club abgeworben. In Ermangelung eines eigenen Namens nennen
sie sich kurzerhand Orchestra Baobab.
Der Jurastudent Barthélemy Attiso aus Togo gehört dazu, ein begnadeter Gitarrist, der sich mit dem Musikerjob sein Studium verdienen will. Charlie Ndiaye sitzt am Bass, Issa Cissokho spielt das Tenorsaxophon, Mountaga Koita die Kongas und der junge Marrokaner Latfi Ben Geloune die Rhythmusgitarre. Balla Sidibe und Rudy Gomis sind die Sänger der neuen Gruppe. Sie stammen aus der Casamance im Süden Senegals, wo lebensfrohe, sinnliche Musikstile wie Jola, Mandinka und Balanta mit melodischer Schlagzeugtradition sich mit getragenen portugiesisch-kreolischen Morna-Klängen abwechseln. In einer Zeit des neuen nationalen Selbstbewusstseins fordert Präsident Léopold Senghor die Rückbesinnung auf eigene Werte und zunehmend fließen diese afrikanischen Musikstile beim Orchestra Baobab ein. Griot-Sänger kommen an Bord des Orchestras Baobab wie Thionne Seck oder der Wolof Ndiouga Dieng. Der akustische Mix mit afrikanischen Zutaten, immer getragen vom kubanisch inspirierten Pachanga-Rhythmus, kommt an. Baobab kopiert nicht nur, sondern verzaubert mit einem ureigenen Klanggemisch, einer Kombination aus Casamance und Kuba. Abgerundet wird das Ganze durch ein babylonisches Sprachengewirr aus Spanisch, Französisch und afrikanischen Sprachen.
Jede Nacht bilden sich lange Schlangen an der Ecke Lamine Gueye und Place de la République. In Scharen strömen die Menschen ins Baobab. Wirtschaftsbosse und Politiker, Geschäftsleute und Journalisten frequentieren regelmäßig den In-Club, blasen den Rauch kubanischer Zigarren auf die Bühne und lauschen der Hauscombo. Der Staatspräsident schickt seine Staatsgäste vorbei. Pierre Cardin heuert die Band für die Hochzeitsfeier seiner Tochter an, kurzum: Der Stern des Orchestra Baobab strahlt weit über die Landsgrenzen hinaus. Nicht nur Afrika ist vom Baobab-Virus infiziert: Präsident Senghor schickte uns regelmäßig ins Ausland, um Senegal musikalisch zu repräsentieren, erinnert sich Rudy Gomis an die glanzvolle Ära. Wir hatten so viele Stile im Angebot, dass sich fast jeder damit identifizieren konnte. Das war wohl das Geheimnis unseres Erfolgs.
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