Fünf Jahre hat es gedauert, das Warten auf ein neues Studioalbum
der Klezmatics nach The Well, der phänomenalen
Co-Produktion mit der israelischen Sängerin Chava
Alberstein. Auf Rise up! Shteyt Oyf explodiert das Sextett um
Mastermind Frank London dafür regelrecht in alle Richtungen: Ob New
Orleans Jazz, indische Filmmusik oder spirituelle Sufi-Musik im Kosmos
der Klezmatics gibt es nichts, was man nicht mit Klezmer mischen könnte.
Geographisch sind sich die Musiker allerdings treu geblieben: Frank London
residiert immer noch in einer kleinen, dunklen Zweizimmer-Wohnung im New
Yorker East Village also genau dort, wo die Klezmatics 1986
gegründet wurden. Von hier aus koordiniert er auch seine vielfältigen
musikalischen Aktivitäten, ob es nun ein Soloauftritt bei der Bar-Mizvah
eines Freundes ist oder die nächste Europatournee der Klezmatics. Im
Folker!-Gespräch mit dem letzten verbliebenen Ur-Mitglied der
Klezmer-Supergroup geht es um das neue Album, die personellen
Umbesetzungen in der Band und um Tradition und Moderne in der
Klezmer-Musik
Von Carsten Beyer
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![]() Shvaygn=Toyt ( Piranha, 1989) Rhytmn And Jews (Piranha, 1991) Jews With Horns (Piranha, 1994) Possessed (Piranha, 1997) Rise up! Shteyt Oyf! (Piranha, 2003)
mit Chava Alberstein |
Frage: Als ihr die Klezmatics vor über 15 Jahren gegründet habt, hast du damals schon damit gerechnet, dass die Band einmal einen solchen Einfluss haben würde? Viele Kritiker sprechen von den Klezmatics heute als der wichtigsten Klezmer-Band der Welt ...
Antwort: Nein, sowas kann man natürlich nicht planen, so nach dem Motto: In zehn oder fünzehn Jahren sind wir eine der wichtigsten Bands im Klezmer! Anfang der 90er Jahre, so ungefähr um die Zeit, als wir unsere zweite CD Rhythm And Jews veröffentlicht haben, also in einem ziemlichen frühen Stadium unserer Bandkarriere, da hatte ich aber schon das Gefühl, dass das, was wir da machten, eine Richtung aufzeigen könnte und zwar nicht nur für uns, sondern auch für eine ganze Reihe anderer Musiker. Rhythm And Jews war ja ein sehr rohes Album, beinahe unfertig, aber es zeigte, was man alles mit jüdischer Musik machen kann. Man kann sie mit Jazz kombinieren, mit Rock und so weiter und ich glaube, in den zehn Jahren seit dem Erscheinen dieses Albums sind viele Bands diesen Weg gegangen.
Frage: Auf der anderen Seite gibt es natürlich gerade auch im Klezmer noch eine ganze Menge Musiker, die sich stärker der Tradition verbunden sehen, denen das, was die Klezmatics machen, viel zu weit geht. Wie stehst du zu solchen Vorwürfen, ihr verwässeret die Tradition?
Antwort: Diesen Streit gibt es doch schon lange und er bezieht sich beileibe
nicht nur auf die jüdische Musik. Egal was du machst, das Wichtigste
ist doch, dass du es gut machst. Das ist meine Philosophie. Ich hasse Kritiker,
die sich ihrem Thema nicht wirklich stellen. Das kennt man doch: Den
Tanzkritiker, der nur Ballett mag,
aber dann einen Abend mit modernem Tanz
kritisieren will und der das dann natürlich nicht gut finden kann!
Verschiedene Arten, mit der Tradition umzugehen, das bereichert uns doch
nur. Im Klezmer zum Beispiel kannst du sagen: Okay, wir machen Musik genauso,
wie sie im 19. Jahrhundert in Rumänien geklungen haben muss. Oder so,
wie es 1904 in Polen klang, davon gibt es sogar schon Tondokumente. Und dann
haben wir die Spielart der New Yorker Szene Anfang der 30er oder im Jahr
1942, als die Klezmer-Musiker anfingen, ihre Musik mit Mambo- Einflüssen
zu mischen. All das ist tatsächlich passiert, das heißt so etwas
wie reine Klezmer-Musik hat es sowieso niemals gegeben. Und genau
das macht ja schließlich ihren Reiz aus.
Hinweis der Redaktion: Frank London wird mit den Klezmer Brass Allstars am 25. März im Rahmen des Klezmer-Festivals der Stadt Gelsenkirchen auf treten. Informationen: Klezmermusik im Revier www.klezmerwelten.gelsenkirchen.de |
Frage: Wo steht ihr denn jetzt, auf eurer neuen Platte Rise Up! Shteyt Oyf!? Immerhin hat es ja sechs Jahre gedauert seit der letzten regulären Klezmatics-CD Possessed, zwischendurch habt ihr dann noch The Well gemacht mit der israelischen Sängerin Chava Alberstein ...
Antwort: Dass das alles so lange gedauert hat mit der neuen CD ist eigentlich
nicht unsere Schuld. Normalerweise erwartet deine Plattenfirma so etwa alle
zwei Jahre ein neues
Album und das wollten wir auch so machen. Dann allerdings
hat unser amerikanisches Label Pleite gemacht und wir mussten mit einer anderen
Firma verhandeln, die dann allerdings auch den Betrieb einstellte. Das war
gerade in der Zeit, als sich in der Plattenindustrie alles veränderte,
RCA wurde von Bertelsmann aufgekauft und wurde zu BMG und so weiter. Eigentlich
ist das Ganze nur noch ärgerlich, wenn ich mir überlege, dass sich
dieses neue Album dadurch um mehr als zwei Jahre nach hinten verschoben hat.
Deswegen ist es auch gar nicht so einfach zu sagen, wo genau wir jetzt stehen.
Vor acht oder zehn Jahren, da war Klezmer das ganz heiße Ding, und
zwar fast überall auf der Welt. Heute ist das nicht mehr ganz so, weil
die Szene inzwischen doch sehr viel größer geworden ist. Es gibt
mehr Bands, es gibt auch mehr gute Bands, das Angebot ist einfach
größer geworden.
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Folker!
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