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NIX
Eu, Causa e Efeito

(Traumton Records/Indigo CD 1840-2)
13 Tracks, 55:07; mit portugies. Texten

Mann oder Frau, das ist hier die Frage. Das feminine Timbre des Brasilianers Fênix (Phönix) sorgt in Rio de Janeiro seit einiger Zeit für Furore. Jetzt hat der androgyne Counter Tenor sein erstes Album veröffentlicht. Und damit ihm niemand musikalisch rein redet, hat er sich trotz verlockender Angebote entschieden, die CD in Eigenregie zu produzieren. Als erfahrener Co-Produzent stand ihm dabei der musikalische Direktor Maria Bethânias zur Seite. Das Resultat der Zusammenarbeit mit Jaime Alem nennt sich selbstbewusst „Eu, Causa e Efeito“ (Ich, Ursache und Wirkung). Fênix setzt ganz auf leise Töne und ungewöhnliche Interpretationen bekannter Stücke, denn neben drei vielversprechenden Eigenkompositionen huldigt er vor allem den künstlerischen Idolen seiner Jugend. „Serrado“ von Djavan, „Avohei“ aus Zé Ramalhos Feder oder „Qui nem Jilo“ vom König des Baião Luiz Gonzaga ist eine Hommage an Brasiliens Nordosten, in dem Fênix aufgewachsen ist. Peter Gabriels „Mercy Street“ erinnert an die lange Zeit, die der Sänger in New York verbracht hat. Arrangiert wurde die Scheibe von Gitarrist Caio Cezar, Geiger João Gaspar sowie Pianist Samuel Kardos und Paulo Rafael. Daneben schauen als Gäste illustre Namen rein: Percussionist Naná Vasconcelos, Maracatu Nação Pernambuco und Ney Matogrosso, der Pionier der androgynen Stimme in Brasilien schlechthin, mit dem Fênix zu Recht gerne verglichen wird.

Suzanne Cords

 

FÊNIX - Eu, Causa e Efeito


RCIO FARACO
Interior

(Universal 064 159-2)
11 Tracks, 46:39

Filigran und anmutig, mal melancholisch, mal beschwingt kommt dieses leise Album daher. Und man fragt sich unwillkürlich, ob man da nicht den jungen Caetano Veloso hört oder ist es doch der Poet Chico Buarque?! Mitnichten, aber der Brasilianer Márcio Faraco wäre mit seiner Musik ohne Zweifel gut in der Zeit des Bossa Nova und des Tropicalismus aufgehoben gewesen. 1963 geboren, drängte er in den 80er Jahren mit leisen Tönen auf den Markt in Rio, die so gar nicht in die Welt der bunten Rock- und Discoszene passen wollten. Keiner wollte ihn hören, da nutzte es ihm auch nichts, dass er bei einem Songschreiberwettbewerb den Titel „Bester Komponist Brasiliens“ gewonnen hatte. Enttäuscht zog Márcio Faraco nach Paris ins poetische Exil, wo es für ihn musikalisch endlich aufwärts ging. Die Duettaufnahme mit der französischen Sängerin Clémentine verhalf ihm zum Durchbruch. Im Frühjahr 2000 erschien sein Debütalbum „Ciranda“, eine -Reise durch die Stilvielfalt seiner brasilianischen Heimat. Dieser Linie ist Márcio Faraco auch bei seinem zweiten Werk „Interior“ treu geblieben: Baião, Samba, Bossa Nova und Chorinho laden zum Träumen ein. Zu Faracos Stimme gesellen sich Mino Cinelu und Júlio Gonçalves mit gedämpfter Percussion, die Pianisten Kenny Barron und Wagner Tiso, die Gitarristen Patrice Larose und Indio Brasil, außerdem klingen hier und da Cavaquinho, Saxophon, Akkordeon und Bass an. Augen zu und entspannen..

Suzanne Cords

 


DIVERSE
Chill: Brazil

(Warner Classics & Jazz 0927 47019-2)
Do-CD, 36 Tracks, 138:50

Marcos Valle, mittlerweile ergrauter Sohn der Bossa Nova-Ära, hat uns die Aufgabe abgenommen, in den Plattenläden mühsam nach brasilianischen Lieblingshits vergangener Jahrzehnte zu suchen und serviert sie uns fix und fertig abgepackt in einem liebevoll zusammengestellten Sampler. Dafür hat er sich extra in die Katakomben von Warner Brazil begeben und unermüdlich alte Aufnahmen durchforstet. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Mit einem genüsslichen Schauer stellt sich immer wieder der bekannte Aha-Effekt ein: Das Lied kenn ich doch! Zugegeben, nichts Neues dabei, aber immer wieder schön, in alten Zeiten zu schwelgen und den Maestros der Musica Popular Brasileira zu lauschen. Klassiker wie „Água de Beber“ oder „Garota de Ipanema“ von Tom Jobim, „Mas que Nada“ von Jorge Ben und „Samba da Benção“ von Baden Powell fehlen hier ebenso wenig wie die Stimmen von Bebel Gilberto, Milton Nascimento, Ney Matogrosso, Gilberto Gil, Nando Reis, Hermeto Pascoal oder Baby Consuelo. Und neben Bossa Nova, Samba- und Jazzgrößen gibt es dann noch einige jüngere Interpreten wie Kid Abelha oder Paula Toller, die den musikalischen Bogen schließen. Derart inspiriert hat Komponist, Gitarrist, Pianist und Sänger Marcos Valle als Eingangsstück eine Eigenkomposition auf dem Sampler veröffentlicht, „Guanabara“, eine leichtfüßige Bossa-Nova-Nummer. Über zwei Stunden Hörgenuss vom Feinsten sind garantiert!

Suzanne Cords

 

DIVERSE - Chill: Brazil


DJ DOLORES & ORCHESTRA SANTA MASSA
Contraditório?

(Stern's Brasil/Stern's Music STCD 2018)
13 Tracks, 52:19

DJ Dolores alias Helder Aragão legt schon seit 1989 in Recifes Szenekneipen Platten auf. Er kennt sich bestens aus in Brasiliens Nordosten und seiner reichen Kultur- und Musikgeschichte. Daher hat er sich vor vier Jahren kurzerhand entschlossen, selber Musikproduzent zu werden. In eigenwilliger Manie hat der Tüftler Straßengeräusche am Computer bearbeitet und mit traditionellen Rhythmen gemischt. Einen Namen machte er sich damit zunächst in der einheimischen Filmbranche, die seine Mischungen als Soundtrack benutzte. Vor kurzem hat sich DJ Dolores dann mit dem Orchestra Santa Massa zusammen getan, und seitdem köcheln der Elektronikmaster und die traditionellen Trommler einen wilden Sud aus Rockgitarre, Percussion, Hinterwäldlergesängen, Straßenlärm und Rabeca, einer Art Geige, die die spanischen Kolonialherren mitgebracht haben. Zum fröhlichen Experimentieren hat DJ Dolores noch ein paar befreundete DJs und Musikerfreunde eingeladen. Das Resultat dieser Mixtur kann man jetzt auf der Scheibe mit dem passenden Titel „Contraditório?“ (Widerspruch?) hören. Teilweise witzig, gegen Ende manchmal langatmig, aber auf jeden Fall originell.

Suzanne Cords

 


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