backRezensionen Nordamerika


TOM SHAKA
Bless My Soul

(Acoustic Music Records/Zomba 319.1259.242)
15 Tracks, 68:47; mit Infos

In der Tradition von Texas- und Delta-Bluesern wie Lightnin' Hopkins und „Honeyboy“ Edwards geht der Italo-Amerikaner und Wahlhamburger Tom Shaka (Sciacca) zu Werke. Sein intensives, nahe den schwarzen Vorbildern platziertes Stimmorgan untermauert er abwechslungsreich mit Akustik-, Elektro- und Resonatorgitarre, Mandoline, Harmonika im Gestell, Fußstampfen, Händeklatschen und Fingerschnippen. Neben Coverversionen von Chester Burnett, „Smokestack Lightnin'„, Willie McTells Dauerbrenner „Georgia Rag“, dem u. a. bis auf die Mississippi Sheiks zurückgehenden „Sitting On Top Of The World“ und das Muddy Waters-Frühwerk „You Gonna Miss Me“ erklingen auf „Bless My Soul“ einige, im Südstaatenblues verankerte Eigenkompositionen. Textlich bezieht der bekennende Vegetarier gesellschaftskritisch Stellung. Etwa im sechsminütigen „War Blues“ gegen das Big Business. Ein Höhepunkt der Zusammenstellung: das überraschende und mit unverstellter Stimme im Stil des 50er Jahre Rock'n'Roll zelebrierte „Sea Cruise“. Ein weiterer das a-capella-Spiritual „Good Lord“.

Annie Sauerwein

 

TOM SHAKA - Bless My Soul


LARRY BUTLER/WILLIE NELSON
Memories Of Hank Williams Sr. – Vol. 1 & 2

(BSW Recordings/ZYX BSW 001-2/BSW 002-2)
Do-CD, 20 Tracks, 55:54

Für viele gehört Hank Williams ganz sicher zum Erbe der amerikanischen Popular-Musik und seine Bedeutung über die Country Music hinaus als Vorläufer von Rock'n'Roll und Mainstream Country ist weithin akzeptiert. Wenn sich zwei ausgemachte Traditionalisten ihres Genres wie der auch bei uns populäre Willie Nelson sowie der in Europa weniger bekannte Larry Butler, der einst als Produzent von Johnny Cash fungierte, anschicken, Songs ihres Idols aufzunehmen, verspricht das eine spannende Sache zu werden. Es finden sich auf diesen zwei CDs die wirklich bekanntesten Songs von Hank William wieder, von Up-Tempo-Nummern wie „Move It On Over“ bis zu Cry-In-Your-Beer-Balladen wie „My Son Calls Another Man Daddy“, von Tränendrüsen-Kitzlern wie „I'm So Lonesome I Could Cry“ bis zum Goodtime-Kracher „My Bucket's Got A Hole In It“, die Auswahl entspricht weitgehend dem Erwartbaren. Angenehm auch, dass Butler und Nelson, die sich von Strophe zu Strophe den Lead-Gesang teilen, die Songs nicht überinstrumentiert haben, sondern auf die „historische“ Country-Besetzung mit Steel-Guitar, Fiddle und elektrischer Gitarre als Solo-Instrumenten vor einer soliden Rhythmus-Gruppe beschränkt haben, so dass wirklich der Song, die Story und die Sänger im Vordergrund bleiben. Es ist allerdings zu fragen, warum beide Alben für die europäische Veröffentlichung nicht zu einer CD zusammengefasst wurden, weil die Spielzeit der Einzel-CDs für hiesige Verhältnisse wahnsinnig kurz ist. Bleibt zu hoffen, dass der Käufer sie zum reduzierten Midprice erwerben kann.

Jörg Eiben

 


THEY MIGHT BE GIANTS
No!

(Rounder/inakustik RRCD 8113)
17 Tracks, 33:50; mit Texten sowie Multimedia-Spur für PC und Mac

Zwischenzeitlich schien es so, als ob They Might Be Giants auf dem Weg wären, eine richtige Pop-Band zu werden. Das Zeug dazu hätten John Linnell (keys, voc.) und John Flansburgh (g., voc.), vor allem was ihre Melodien angeht, die sich im Nu festsetzen. Doch mit „No!“ bleiben sie auf ihrem in den 80ern begonnenen Weg und legen sogar noch eins drauf – für 17 Stücke brauchen sie diesmal nur etwas mehr als eine halbe Stunde. Die aber hat es in sich, voll gepackt mit musikalischen Ideen verschiedenster Genres, aus denen andere Bands Dreieinhalbminutenhits zaubern würden. Doch TMBG gehen selten über die 2:30-Grenze hinaus.

„No!“, so steht es auf dem Cover, ist die erste Platte der verkappten Giganten für die ganze Familie. Besonders aber für die Kindsköpfe dieser Welt. Denn das um Gastmusiker erweiterte Duo singt über Dinge wie einen unwilligen Besen, der nicht kehren will, lässt eine Einkaufstüte reden, gibt Verkehrserziehung und fragt sich, wo bloß die Luftballons herkommen – unter Hinweis darauf, dass „Hungary“ not „hungry“ ist und „turkeys“ nicht „from Turkey“ sind. Derart abstruse Geschichten erzählt in Deutschland vielleicht nur Helge Schneider („Allein an der Bar“). Und damit wir Kindsköpfe noch mehr Spaß bekommen, lässt sich die CD in den Computer schubsen, um zusätzlich Trickfilme auszuspucken. Ob darin ein pädagogischer Sinn steckt? Phantasie wurde in der Pisa-Studie wohl nicht abgefragt.

Volker Dick

 

THEY MIGHT BE GIANTS - No!


DOLLY PARTON
Halos & Horns

(Sugar Hill/Sanctuary Records SANPR126)
14 Tracks, 57:41

Dolly Parton at her best! Die Frau ist einfach gut! Fast alle Stücke stammen aus ihrer Feder. Zwei davon sind älteren Datum, neu arrangiert. „What A Heartache“ erschien 1984 auf dem Filmsoundtrack zu „Rhinestone“ und „Shattered Image“ wurde 1976 veröffentlicht. Der Song ist Dolly Partons selbstbewusste Antwort auf Gerüchte und Geschichten in Boulevardblättern über die Größe ihres Busens oder ihre Liebesbeziehungen. Die Botschaft lautet: Lasst mich in Ruhe mit diesem Mist. Spätestens mit ihrem Sugar Hill-Debütalbum „The Grass Is Blue“ vor einigen Jahren hat sich Dolly Parton von ihrem Image als Superstar gelöst und sich der Musik ihrer Heimat, der Berge von Tennessee zugewandt. Während sie sich u.a. Gedanken über den Zustand der Welt angesichts des 11. September und seiner Folgen macht, beweist sie bei einigen anderen Songs ihren Humor, mit Zeilen wie „Ein UFO entführt mich von zu Hause“ beim Thema unglückliche Beziehungen („I´m Gone“) oder bei „These Old Bones“, wo sie die näselnde Stimme ihrer Mutter nachmacht. Und einmal mehr hat Parton keine Scheu gezeigt, sich an Klassikern anderer Musiker zu versuchen. Dieses Mal war Plants und Pages „Stairway To Heaven“ an der Reihe, dem sie mit Chor einen eher spirituellen Charakter verleiht. Für die harmonische Gesangsunterstützung sorgen die Kingdom Heirs und die Stevens Sisters. Und der Kern ihrer Instrumentalisten besteht aus einer achtköpfigen Band, den Blue-Niques. Dolly Parton sollte mit dieser CD jeden bekehren, der meint, immer noch über Country- und Bluegrassmusik abfällig die Nase rümpfen zu können.

Michael Kleff

 

DOLLY PARTON - Halos & Horns


WOLF KRAKOWSKI
Goyrl : Destiny

(Tzadik TZ 7166)
12 Tracks, 52:41; mit engl. Texten

Ein zweites Album des in Österreich gebürtigen und mit jiddischer Muttersprache aufwachsenen Bluesbarden aus – ja, woher eigentlich? Erst Schweden, dann Kanada, und schließlich Neuengland. Wolf Krakowski (Gesang, Akustikgitarre) bleibt seinem Stil von „Transmigrations: Gilgul“ (s. „das besondere Album“ in Folker 1/2002) treu: Wiederum traditionelle jüdische Lieder, allesamt in jiddischer Sprache gesungen und mit englischer Übersetzung im Begleitheft, dazu die nasale Stimme, die ungemein an Bob Dylan erinnert.

Begleitet wird Krakowski von den „Lonesome Brothers“, namentlich Jim Armenti (Gitarre), Ray Mason (Bass) und Tom Shea (Schlagzeug), die für die musikalische Umsetzung der eigentlich alten Lieder verantwortlich sind. Einfühlsam zum Beispiel das auch bei uns bekannte „Dona, Dona“, in einem ungewohnt Tempo derart langsam vorgetragen, dass die dadurch beim Zuhörer entstandene Schwermut fast angenehm wirkt. „Auch unsre Feinde können mitkommen; mach' ihnen nur Angst, Gott, bestraf' sie nicht – bringt Brot und Wein, lasst uns glücklich sein...“ – solche vor Jahrzehnten verfasste Worte (von Moshe Oysler in „Drey, Dreydel“) wirken auch in unseren heute konfliktintensiven Welt aktuell.

Ausgezeichnet das Begleitheft, in dem die einzelnen Komponisten kurz vorgestellt werden, so etwa der jiddische Poet Itzik Manger oder die in Israel äußerst populäre Nurith Hirsch. Bliebe noch hinzuzufügen, dass das Album von Frank London (Klezmatics) produziert wurde.

Matti Goldschmidt

 

WOLF KRAKOWSKI - Goyrl : Destiny


DIVERSE
Songcatcher II – The Tradition That Inspired The Movie

(Vanguard/ZYX VCD 79716-2)
17 Tracks, 46:14

Es sind Filme des US-Kinos, die das Interesse eines breiten Publikums an der amerikanischen Lied-Tradition in letzter Zeit wieder angefacht haben; nach „Where Art Thou Brother“ war es der Soundtrack zu „Songcatcher“. Der Vokal-Trainer dieses Films, Fred Jasper, hat diese Kompilation zusammengestellt aus Aufnahmen des renommierten Folk-Labels Vanguard. Die meisten dieser Aufnahmen sind über 40 Jahre alt und lassen Künstler hören, die der Balladen-Tradition der Anglo-Irischen Einwanderer verhaftet sind. Dazu die A-Capella-Sängerin Almeda Riddle und auch Sarah Ogan Gunning, die mit weiblichen Antwort auf „Man Of Constant Sorrow“ zu hören ist. Traditionals wie „The Coo Coo Bird“ mit einem gewissen Hubert Smith und „Sugar Baby“ mit Dock Boggs werden zumeist von einem traditionellen Banjospiel begleitet, das die Entwicklung zum Blues Grass erahnen lässt. Balladen-Sänger treten als Interpreten hinter die Story zurück; sie sehen sich als narrative Vermittler. Auch Doc Watson, Gigant der nicht Nashville-hörigen Country Music, mit drei Songs auf dieser Kopplung vertreten, wurzelt in dieser Tradition, und natürlich auch Maybelle Carter, weibliche Mitbegründerin der Country-Dynastie der Carter Family. Viele Aufnahmen sind Field Recordings und so zieht sich der Eindruck der Authentizität durch diese hörenswerte Zusammenstellung vom ersten bis zum letzten Track.

Jörg Eiben

 

DIVERSE - Songcatcher II – The Tradition That Inspired The Movie


NAKED RAVEN
Wrong Girl

(T3/just Records Babelsberg)
12 Tracks, 58:13; mit Texten

Mit zwei neuen Mitgliedern – der Cellistin Caerwen Martin (für Kate Mazoudier) und der Violinistin Stephanie Lindner (für Jenny Thomas) – hat die australische Band um Sängerin und Pianistin Janine Maunder ihre mittlerweile vierte CD vorgelegt. Eine Formulierung wie „die bis dato beste Platte“ klingt abgegriffen, aber auf „Wrong Girl“ trifft sie zu. Die CD ist für mich ein Meisterwerk. Es bedarf jedoch mehrmaligen (lauten) Hörens, um all die vielen unterschiedlichen klanglichen Nuancen zunächst zu entdecken und dann zu genießen, die in den zwölf Songs stecken. Mal klingt es nach Folk, mal nach Pop – oder ist es Folk-Pop („Anything“)? Dann sorgen die Percussions (James Richmond) für einen Beat-Groove („Velvet Sky“) oder entführen gemeinsam mit Maunders verfremdeten Gesang in psychedelische Gefilde („Paper Boy“), und schon beim nächsten Lied erzeugen Caerwens Cello und Lindners Violine – verstärkt um Jason Bunn (Violine) und Erkki Veltheim (Viloa) eine klassisch angehauchte Stimmung (besonders schön: das Instrumentalstück „Metamorphose“). Und über allem schwebt die Stimme von Janine Maunder. Für die Gedicht-gleichen Texte voller Metaphern zeichnet mit einer Ausnahme – der Titelsong stammt aus der Feder von Maunder – Gitarrist Russ Pinney verantwortlich.

Michael Kleff

 

NAKED RAVEN - Wrong Girl


LARRY GARNER
Embarrassment To The Blues?-Live in Europe

(Ruf Records 1078)
10 Tracks, 71:30

Die teilweise von Garner selbst produzierte Scheibe bringt einen Querschnitt aus seinem Schaffen der letzten zehn Jahre, aufgenommen bei einem Gastspiel in der Siegener „Oase“ im Dezember 2001. Die Begleitband bilden Michael van Merwyk, ((Slide-) Gitarre); Christian Dozzler (Tasten, Harmonika, Gesang), Miguel Hernandez (Bass) und Stoney Trahan (drums. perc.). Unter die blues- und soulgefärbten, kraftvollen Songs mischt sich auch mal ein schlichteres Pop-Liedchen wie „Somebody“. Dennoch durchaus musikalisch überzeugend und mittels impulsivem Gesang, wie dem erläuternden Text den übrigen Titeln angeglichen. Auf zwei Spuren philosophiert er über Tagespolitik (Terrorismus) und menschliche Unzulänglichkeiten. Kostprobe: „Wenn mein Hund stirbt, trauere ich mehr als über meinen vom Schicksal gestraften Nachbarn eine Tür weiter“. Gerade diese textlichen Bezüge zur Zeit, in der wir leben, verpackt in dichte musikalische Arrangements, stellt Garner in die Reihe der großen klassischen Meister seiner Zunft. Eine bis zum letzten Ton spannende Produktion, deren Qualität auch durch das sparsame Begleitmaterial nicht beeinträchtigt werden kann.

Annie Sauerwein

 

LARRY GARNER - Embarrassment To The Blues?-Live in Europe



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