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DICK GAUGHAN
Prentice Piece

(Greentrax Recordings/Fenn Music Service CDTRAX236D)
Do-CD, 21 Tracks, 107:23; mit Texten u. Infos

Die Regeln des Musikgeschäfts haben den Dick Gaughan noch nie interessiert, folglich sucht man die üblichen "Best of…"-Zusammenstellungen in Sachen Gaughan seit 30 Jahren vergeblich. Nun hat er sich doch breitschlagen lassen, eine subjektive Kompilation seiner Lieblingstracks zu erstellen und gibt ihr den bescheidenen Titel "Prentice Piece" (Gesellenstück).

Circa ein Drittel des Materials ist traditionell (Lieder & Melodien) , fünf Stücke von Dick selbst, zwei von Brian McNeill plus etliche weitere schöne Songs, z.B. Allan Taylors episches "Land Of The North Wind". Eine schöne Sammlung, die ich selbst ähnlich ausgesucht hätte, wobei es eine bedauerliche Tatsache ist, dass es Material gibt (z.B. von Five Hand Reel oder Clan Alba), worauf Dick keine Rechte besitzt. Erfreulich ist, dass er in den Infos seine Beweggründe offenlegt.

Niemand wird ernsthaft die enorme Bedeutung bestreiten, die Dick Gaughan für die internationale Folk- und Liedszene besitzt. Dabei besitzt er nicht das, was man eine schöne oder warme Stimme nennen könnte. Nein, da sind Ärger, Wut und kiloweise weitere Emotionen drin, gerade das macht seinen Gesang so faszinierend und das passt zu seinen politischen, zu seinen (nie parteipolitisch) sozialistischen Liedern. Diese Doppel-CD belegt seinen herausragenden Status.

Mike Kamp

 

DICK GAUGHAN - Prentice Piece


MAURO PALMAS
Cainà

(Biber 76741)
14 Tracks, 49:01; mit Infos

Wer sardische Musik mag, ist sicher schon öfters auf den Namen Mauro Palmas gestoßen. 1983 gründete er zusammen mit Elena Ledda die legendäre Folk-Jazz-Formation Suonofficina. Mit "Cainà" vertont er den gleichnamigen, 1922 auf Sardinien gedrehten Stummfilm, der vor zehn Jahren in einem Prager Archiv wieder entdeckt wurde. Ursprünglich live aufgeführt, gelangt das Werk nun in einer Studioaufnahme auf CD. Mit von der Partie unter anderen Italiens Ausnahme-Akkordeonist Riccardo Tesi, der Saxophonist Gavino Murgia und ein feine Akzente setzendes Streichorchester. Der Saitenspezialist Palmas (Mandoline, Mandoloncello, Mandola) begleitet "Cainà" auf ihrer Reise mit Klängen vom Balkan über Sardinien bis in den nordafrikanischen Raum, angereichert mit Jazz und neuer ernster Musik. Mauro Palmas und Produzent Friedemann Witecka sind der Meinung, dass diese Musik auch ohne Film ein "Hörerlebnis von Kraft und Bestand" ist. Dem stimme ich ohne Wenn und Aber zu. Doch die im Booklet abgedruckten Bilder einer sardischen Realität, die wir so schon lange nicht mehr antreffen, wecken Lust, die stimmungsreiche Musik mit dem Stummfilm zusammen genießen zu können. Hoffentlich werden DVD-Produktionen bald so kostengünstig, dass auch solche spannenden Nischenprodukte erhältlich sind!

Martin Steiner

 

 MAURO PALMAS - Cainà


GEORG KREISLER & BARBARA PETERS
Lieder gegen fast alles

(kip records 6024)
15 Tracks, 56:46; mit Infos

Es ist kaum zu glauben: Georg Kreisler ist achtzig! Er ist seit Jahrzehnten künstlerisch tätig, er ist heute schon Legende, er hat viele wunderbare, böse, bissige und berühmte Lieder geschrieben und keiner trägt sie besser vor als er selbst. Vor einigen Jahren hat er angefangen seine alten Lieder neu einzuspielen; aufgefrischt, z.T. aktualisiert besteht damit die Möglichkeit sie einem neuen, jüngeren Publikum nahe zu bringen. Wie aktuell seine zeitkritischen Lieder sind, belegt die neue CD, die er zusammen mit seiner Frau und Partnerin Barbara Peters aufgenommen hat. Da bekommen Politiker, Wirtschaftsbosse, Spießer und Kleinbürger zielgenau eins auf die Mütze. Bei so viel Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen im Spätherbst des eigenen Lebens, bleibt keine optimistische Aussicht: "Es hat keinen Sinn mehr Lieder zu machen, statt die Verantwortlichen nieder zu machen" lautet das gleichwohl kämpferische Resümee im letzten Lied der CD, das aber vorsichtshalber und glücklicherweise vorletztes Lied heißt. Kraftvoll und präzise ist sein Ausdruck, es passt jeder Ton, wie gesagt, man merkt ihm die Jahre nicht an. Barrbarra Peterrs dagegen missachtet z.B. öfterr eine goldene Rregel des Chansons: Werr das "r" krräftig singt, gibt dem Lied Charrakterr. Ich weiß für uns Berlina ist das schwer, aber die Dichter aus dem süddeutschen Sprachraum, wie Brrecht, Krreisler oder Weckerr, arbeiten damit. Da muss es zuverlässig kommen.

Rainer Katlewski

 

GEORG KREISLER & BARBARA PETERS - Lieder gegen fast alles


BATTLEFIELD BAND
Time Tide

(Temple Records/Bellaphon)
12 Tracks, 46:44; mit Texten u. Infos

Die Battlefield Band ist nun schon seit einigen Jahrzehnten ‚on the road' - und sie bleiben auch mit "Time Tide" ihrem Motto treu: traditionelle schottische Stücke, eigene Kompositionen und Melodien bekannter schottischer Musiker werden auf akustische Weise im typischen Battlefield Band-Sound präsentiert.

Und dieser Sound bleibt konstant - auch wenn es in den letzten Jahren viele Umbesetzungen gegeben hat. Im letzten Herbst hat der langjährige (und trotzdem noch junge ) Geiger John McCusker die Band verlassen und wurde durch den noch jüngeren Alasdair White (Fiddle/Whistle/Bouzouki) ersetzt. Im Januar wurde dann die zweite kurze Periode beendet, in der die Batties eine weibliche Stimme hatten, die herausragende Karine Polwart, die sich nun wieder mehr auf ihre eigene Band Malinky konzentriert (s.a. Besprechung in diesem Heft). Für sie kam ein alter Bekannter der Batties zurück - nämlich der Sänger, Gitarrist und Bouzouki Spieler Pat Kilbride, der in den 70ern bereits Mitglied der Gruppe war.

Um das Quartett vollständig zu benennen, bleiben noch der Piper, Whistle Spieler und Bassist mit dem langen Bart, Mike Katz und das Gründungsmitglied Alan Reid (Gesang, Keyboard, Akkordeon) zu erwähnen.

Trotz der neuen Namen findet man eigentlich nicht viel Neues auf der Scheibe, dafür aber gute handgemachte schottische Musik.

Christian Moll

 

BATTLEFIELD BAND - Time Tide


OSTBAHN KURTI
Kurtiositäten

(Koch Universal CD 081676-2)
14 Tracks, 62:23; mit Infos

Die Musikarchäologen der österreichischen Bundeshauptstadt Wien halten den Atem an: Auf teilweise abenteuerlichen Wegen haben 14 Stücke des Kurt Ostbahn auf eine Kompilation gefunden; verschollene Kurtiositäten, einer staunenden Fachöffentlichkeit vorgeführt. Und die wundert sich, warum so viele der Originalbänder verschwunden, defekt oder beseitigt sind, dass sogar ein Stück von einer zerkratzten Single-B-Seite abgenommen werden musste. So changiert die CD zwischen den Polen Bootleg-Qualität und perfekter Studio-Produktion.

Die Hommage an das Kurtszeitgedächtnis beginnt im Jahre 75, als der Künstler als junger Mann beim Anlagenverleih Zech den Haustechniker machte, nebenbei aber schon Gelegenheit fand, mitsamt der Begleitband "Chefpartie" die ersten Songs aufzunehmen. Weil sich ein Mittelsmann in die Entrümpelungskolonne einschlich, konnten die Lehrlings-Bekenntnisse "3 Wochen z´lang" und "I schwör auf 1 PS" aus dem Zech-Nachlass gerettet werden. Ähnliche Anekdoten erzählen die Kompilierer Willi Resetarits und Dr. Trash zuhauf im Beiheft.

Der Kurti gibt uns wie immer im Wiener Dialekt den Underdog, den Aufrechten unter lauter Jasagern - etwa im Neil-Young-Cover von "Thrasher". Und einmal, da hören wir ihn sogar mit den Größen der Austropop-Szene: Ambros, Danzer, Steinbäcker. Kurts und gut: eine CD mit Schmäh, Liebesleid und -freud. Eben des woahre Leam.

Volker Dick

 

OSTBAHN KURTI - Kurtiositäten


VITOLD REK
The Polish Folk Implosion

(TasoMusic/Sunny Moon TMP CD 507)
13 Tracks, 56:25; mit ausführl. Infos engl./poln.

Einer der ersten europäischen Jazzmusiker, der sich früh der Musik seiner Heimat zuwandte, war ein Posaunist aus dem Südfunk-Tanzorchester von Erwin Lehn. Sein Name war Ernst Mosch, und was er aus der Folklore seiner böhmischen Heimat gemacht hat, wurde für Jahrzehnte ein abschreckendes Beispiel für all jene, die sich unvoreingenommen mit den Folktraditionen der Alpenregion oder Osteuropas befassen wollten. Kein Wunder, dass sich viele Jazzmusiker da lieber von der Musik Indiens, Südamerikas oder Nordafrikas inspirieren ließen.

Einzig unsere polnischen Nachbarn kramten schon seit den sechziger Jahren recht eifrig in der einheimischen Traditionskiste. So steht auch das Projekt des Bassisten Vitold Rek in einer Reihe mit den Werken eines Komeda, Namyslowski, oder Seifert, mit dem einzigen aber entscheidenden Unterschied, dass Rek hier erstmals eine echte Synthese zwischen einem traditionellen Ensemble (der Kapela Resoviana) und einem Jazzquintett (Albert Mangelsdorff, tb/Charlie Mariano, as/John Tchicai, ss & ts/Vitold Rek, b/ Gilbert Matthews, dr) angestrebt und auch erreicht hat. Hier wird nicht nebeneinander, hier wird zusammen gespielt, vom Duo bis zur vollen Kapelle. Rek wusste offensichtlich sehr genau, was er nicht wollte: weder die totale Banalisierung der Tradition, noch politisch korrektes aber sinnleeres Herumgurken. Manchmal haben Feindbilder ja auch was Positives...

Walter Bast

 

VITOLD REK - The Polish Folk Implosion


OYSTERBAND
Rise Above

(Pläne/Indigo)
10 Tracks, 39:04; mit Texten

Seit beinahe einem Vierteljahrhundert liefern die Oysters nun mit schöner Regelmäßigkeit geschmackssichere Produktionen von gleichbleibend hoher musikalischer Qualität. Britischer Roots-Rock in bester Manier, diesmal wieder mit einer starken Betonung des rockigen Elements. John Jones und Co. zeigen keinerlei Ermüdungserscheinungen: dynamisch, energiegeladen, bisweilen rotzig-aggressiv, bisweilen zärtlich und melodiös, treibende Drums und melancholische Uilleann Pipes- und Cello-Solos, Gefühl und Härte - dazu die intelligenten selbstverfassten Songlyrics. Genau so muss moderner, zeitgemäßer Folk Rock heute klingen - und da können sich alle Pogues-Epigonen verstecken! Das mit einer Reihe hochkarätiger Gastmusiker (besonders erwähnenswert Benji Kirkpatrick an der Bouzouki) eingespielte Studio-Album strotzt vor Power und Ideen - schwierig, hier irgendwelche Tracks als Anspieltipps auszuwählen; mir persönlich gefällt aber besonders die kreative und mutige Interpretation des Traditionals "Blackwaterside". Sollte den Oysters mit diesem ausgesprochen poppigen Album endlich der Sprung in die Charts gelingen? Zu wünschen wäre es ihnen !

Anne-D. Marcordes

 

OYSTERBAND - Rise Above


DANSAUL
Foot & Mouth

(Eigenverlag DS01)
11 Tracks, 54:40

Nomen est omen, Dansaul sind in erster Linie zwei junge Engländer namens Dan Plews (Gesang, Gitarre, Mandola, Dulcimer, Harmonium, Fretless Bass) und Saul Rose (Melodeon, Akkordeon), die ursprünglich aus der Ecke von Eliza Carthys Kings of Calicutt stammen. Sie werden von drei Kollegen (u.a. Steáfán Hannigan) und drei Gästen unterstützt. Das Repertoire besteht aus ein paar Mal Trad. Arr., ein paar zeitgenössischen Stücken und viel Input von der Band mit Dan Plews als dem kreativesten Schreiber. Der Sound ist durchgehend folkig-frisch und up-to-date, die Melodien klingen oft nach traditionellem Ursprung, sind es aber nicht. "Yabadabadoo" z.B. bringt jedes Festivalpublikum zum Tanzen. Auch bei den Lieder ist Plews dominierend, nicht zuletzt wegen seiner Stimme, einer angenehmen Mischung aus Folk- und Popintonation. Plews selber arbeitet auch häufig solo in Deutschland (entsprechend sind seine Sprachkenntnisse), Dansaul hätte hier mit einem vernünftigen Manager sicherlich auch gute Chancen. Mein Lieblingsstück jedoch ist nicht von Plews, sondern von Roger Wilson, der Ohrwurm "Payday".

Ärgerlich sind lediglich die Liner Notes, die mir einfach zu wenig verwertbare Infos enthalten. Okay, die Veröffentlichung hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel (1998), aber musikalisch ist es dennoch eine der besten Debut-CDs, die ich seit langem gehört habe.

Mike Kamp

 

DANSAUL - Foot & Mouth


ANGELITE
Balkan Passions

(Jaro 4234-2)
18 Tracks, 53:37; Info dt./engl.

Die mit Sicherheit interessanteste CD des professionellen bulgarischen Frauenchores. Sie versammeln um ihre ureigene bulgarische Liedkultur die Musik der Ethnien, die in Bulgarien leben. Da taucht die ganze Bandbreite der Balkanmusik auf. Türkei, Kroatien, Griechenland, Rumänien, Zigeunermusik, Brass - alles eingebettet in die 20 (!) Frauenstimmen. Als Gastmusiker hat der Chor große Namen wie Maria Farantouri, Leibsängerin von Mikis Theodorakis, oder Fanfare Ciocarlia eingeladen, die diese CD zu der spannungsreichsten machen, die ich je von Angelite zu hören bekam.

Jürgen Brehme

 

ANGELITE - Balkan Passions


FRANZ ZWAZL
Unplugged

(HZR 954.210.21)
10 Tracks, 35:22

Franz Zwazl, daheim im süd-niederösterreichischen Ternitz, ist ein Liedpoet der alten Schule. In seinem musikalischen Umfeld hat er ein Naheverhältnis zu Fingerpicking-Assen wie dem Briten Allan Taylor und dem Österreicher Peter Ratzenbeck. Letzterer drängte ihn auch, seine Lieder, die er eigentlich nur im kleinen Freundeskreis oder in niederösterreichischen Beisln und Heurigen vortrug, endlich einmal auf Ton-Konserve zu bannen. Tatsächlich sind alle Lieder dieser etwas unglücklich betitelten CD es wert, einem größeren Publikum zur Kenntnis gebracht zu werden, haben sie doch etwas, was man heute seltener hört: poetisch-melodische Zwischentöne, subtil und sensibel, mit der Einfühlsamkeit dessen, der die Menschen mag und den Narren und Modernisierungsverlierern mehr traut als den egoistischen Erfolgsmenschen. Es gibt Einblicke in die Unzulänglichkeiten menschlicher Alltagsbewältigung ("Ballade vom Landausflug"), in die Verzwicktheit von Partnerbeziehungen ("Herbst") und die Vergeblichkeit menschlichen Bemühens ("Da Engel und da Teife"). Immer präsent ist Zwazl's Humor, der manchmal auch recht österreichisch-derb sein kann ("Landleben"). Jedenfalls ist seine Botschaft, dass es bei aller Trauer darüber, dass das Leben ein Ablaufdatum hat ("Wia is Leb'n außarinnt"), immer noch etwas zum Lachen gibt. Es ist ein einfaches Album der unspektakulären Art, auf dem Gesang und Gitarrenbegleitung (nebst einer Mundharmonika) ausreichen, um den Hörer zu fesseln, weil die Geschichten aus der Mitte des Lebens kommen.

Jörg Eiben


MALINKY
3 Ravens

(Greentrax Recordings/Fenn Music Service CDTRAX233)
14 Tracks, 56:03; mit Texten u. Infos

Lang hat's gedauert, denn die zentralen Personen waren anderweitig beschäftigt. Steve Byrne schloss sein Studium an der School of Scottish Studies ab und Karine Polwart konnte sich vor Angeboten kaum retten (Battlefield Band, Scots Women, MacAlias). Doch bereits auf dem diesjährigen Scottish Folk Festival betonten beide, dass Malinky in Zukunft ihr Schwerpunkt sein würde und die CD zeigt: eine weise Entscheidung! Neben Jon Bews (Fiddle) und Mark Dunlop (Whistle, Bodhran) ist es vor allem der irische Akordeonist Leo McCann, der die Instrumentalfraktion verstärkt und abwechslungsreicher macht. Doch bei Malinky wird nicht nur gejigt und gereelt, sondern gesungen und das besser denn je. Neben Karine und Steve nun auch Mark und Jon, lediglich Leo beschränkt die Luft auf den Balg. Die Lieder sind entweder traditionell oder von Karine, deren Songwriting-Talent enorm ist. "The Sound Of A Tear Not Cried" ist simpel und hoch politisch und geht unter die Haut. Erfreulich auch, wie schottisch Malinky klingen, ohne sich anderen Einflüssen zu verschließen. Karine Polwarts "Thaney" z.B. nimmt sensibel Balkan-Anklänge auf. Dennoch stammt mein Favorit aus der Feder von Steve Byrne, zumindest sagen das die Urheberangaben. Tatsächlich ist Thematik und Melodie von "The Lang Road Doon" eindeutig der Tradition entlehnt und ein Paradebeispiel dafür, wie einfühlsam Lieder arrangiert werden können. Malinky spielen nunmehr überzeugend in der schottischen Premier Divison des Folk!

Mike Kamp

 

MALINKY - 3 Ravens


OLE LUKKOYE
horse-tiger

(Klangbad/EFA)
6 Tracks, 59:02

Zugegeben, bereits die beiden ersten Alben "Toomze" und "Zapara" konnte man als bemerkenswerten frischen Wind aus dem fernen St. Petersburg bezeichnen, aber mit ihren nunmehr sechsten Veröffentlichung stellt sich die Band um ihren kreativen Leader Boris Bardash gewissermaßen selbst in den Schatten.

Ihre trancelastigen und avantgardistischen Soundteppiche werden auf "horse-tiger" durchweg mit groovige Downbeats versehen und somit zur ersten tanzbaren Ole Lukkoye-CD. Natürlich sind auch auf diesem Album unglaublich verspielte mystische Klänge prägend und wird ihr Markenzeichen, das Fagott, gekonnt in den Klangteppich eingewoben. Zudem experimentieren die Herren mit Sitar, Tablas und Digeridoos für ihre unendlichen sphärischen Klangwelten. Ebenso kommen Samples und atmosphärische Klänge wesentlich differenzierter zum Einsatz als bisher.

Kurz gesagt: "horse-tiger" ist das stimmigste Album der Psychedelic-Elektroniker und eine konsequente Entwicklung ihres musikalischen Schaffens. Locker haben sie erneut aus einem Fundus an exzellenten Ideen, wunderschönen Stimmungen und groovigen Samples geschöpft und all das zu einem in die Beine gehenden Ganzen vereint....Oberste Devise beim Konsum dieser Platte: Bitte anschnallen, Sie werden gleich abheben!

Claudia Frenzel

 

OLE LUKKOYE - horse-tiger


SQUADANE
Live - Black Forest Tales

(d'Ohr Recordings)
18 Tracks, 65:43

Furios, was diese Herren aus Österreich auf ihren diversen Akustik-Instrumenten zaubern! Hinter dem Bandnamen Squadune verbergen sich drei erfahrene Profis: Hubert Dohr, Martin Moro und Stefan "Stoney" Steiner. Der Erstling des Trios wurde live eingespielt und eignet sich gleichermaßen zum Abtanzen wie zum genussvollen Zuhören. Euro- Folk und mehr, handwerklich versiert, rhythmussichere und eigenständige (Tanz)-Musik auf Geige, Gitarre, Mandoline, Bouzouki, Melodeon, Bodhán und ‚Exoten' wie der Drehleier und der Nyckelharpa. Mit Frechheit und Spielwitz mixen Squadune irische Polkas und französische Tänze, eine italienische Mazurka, einen schwedischen Halling, eine Komposition von Kepa Junkera und Balkan-Rhythmen - und mittendrin der grandiose franko-kanadische Set "La Cardeuse". Klar, dass jetzt der eine oder andere kritisch fragen wird: Darf man sich denn so unverfroren bei verschiedenen ‚fremden' Traditionen bedienen? Ich denke, man darf - vorausgesetzt, es geschieht mit so viel Einfühlungsvermögen, Sorgfalt und Originalität wie bei Squadune. Und singen können sie auch, wie ihre Interpretation des englischen Traditionals "John Barleycorn" eindrucksvoll beweist.

Anne-D.Marcordes


DANÇAS OCULTAS
Travessa da espera

(L'empreinte digitale/Harmonia Mundi ED 13144)
14 Tracks, 53:40; mit Infos

Hinter dem Namen "Danças Ocultas" versteckt sich ein Quartett von vier Akkordeonisten aus dem Norden Portugals. Gespielt wird ausschließlich auf dem diatonischen Akkordeon. Ob das von Bandleader Artur Fernandes entwickelte Bass-Akkordeon immer noch als diatonisches Instrument durchgeht, sei dahingestellt. Das Geheimnis des Instruments verbirgt sich auf seiner rechten Seite, wo die chromatischen Halbtöne untergebracht sind - "diatonisches Bass-Akkordeon mit einem chromatischen Spiegel" beschreibt der Meister das Instrument. Verborgen sind auf der CD nicht nur etwaige Halbtöne. Erst beim mehrmaligen Anhören lüften sich die Nebel dieser zeitlosen Musik. Hier wird kein akkordeonistischer Schnelligkeitswettstreit abgehalten: Fast schon minimalistische Klanglandschaften lassen ruhige, fließende Bilder entstehen. "Travessa da espera" ist ein Zusammenschnitt ihrer zwei ersten Alben, wobei der Schwerpunkt auf dem zweiten, experimentelleren Werk liegt.

Martin Steiner

 

DANÇAS OCULTAS - Travessa da espera


MICHAEL MCGOLDRICK AND JOHN MCSHERRY
At First Light

(Vertical Records/Indigo VERT CD 061)
11 Tracks, 43:22; mit Infos

John McSherry (Uilleann Pipes, Low Whistle) & Michael McGoldrick (Concert Flute, Uilleann Pipes) sind Ikonen einer Generation von jungen irischen Musikern, die sich durch ein in der Geschichte der irischen Musik nie dagewesenes Maß an Virtuosität und Brillanz auszeichnen.

Ihr hohes kreatives Potential schlägt sich in einer Reihe von "Meilenstein"-Aufnahmen ("Fused", CDs der Band Lunasa) nieder. Die exakte Note-für-Note-Übereinstimmung in ihrer Musik spiegelt ihre intensive musikalische Freundschaft wieder und auch die Tatsache, das hier einer von der Stilistik des anderen viel übernommen hat. Einen geschmeidigeren, flötenverwandteren Pipes-Sound als den von John McSherry gibt es derzeit nicht. So entstanden in Zusammenarbeit mit Musikern der Gruppe Capercaillie diese sehr modern konzeptionierten Aufnahmen, ein Feuerwerk an Inspiration, Abwechslungsreichtum und rhythmischer Erdung. Dabei zeigen die beiden nochmals deutlich, wie sehr sie als Essenz der Band Lunasa gelten konnten.

Herausragende Tracks: "Farewell to Connaught", "Doina", "Lady Lane".

Minimaler Wermutstropfen: Bis auf eine deutliche Verstimmung auf einem Track ist die Perfektion fast ein bisschen unheimlich, worunter - wie ich finde - manchmal der ‚Herz'-Faktor ein wenig zu kurz kommt.

Conclusion, however: Klasse, einfach umwerfend, ein definitives Muss im irischen Plattenschrank!

Johannes Schiefner

 

MICHAEL MCGOLDRICK AND JOHN MCSHERRY - At First Light


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