backRezensionen Deutschland


DIVERSE
Das Lied der Moorsoldaten 1933 bis 2000
Bearbeitungen - Nutzungen - Nachwirkungen

(Eigenverlag DIZ CD002)
DoCD 19 Tracks, 74:43; 20 Tracks, 79:27; mit umfangreichem Booklet

"Wohin auch das Auge blicket, Moor und Heide nur ringsum" - wer kennt sie nicht, diese Zeilen aus dem Lied der Moorsoldaten. Aber wer weiß schon, dass der Text des Liedes im KZ Börgermoor von dem Arbeiterdichter Johann Esser und dem Schauspieler Wolfgang Langhoff geschrieben und von dem kaufmännischen Angestellten Rudi Goguel vertont wurde? Hanns Eisler brachte die Melodie im Londoner Exil in seine heutige Form, ehe das Lied sehr schnell einen Siegeszug um die ganzen Welt antrat, verbreitet unter anderem durch den deutschen Volkssänger Ernst Busch und den farbigen amerikanischen Tenor Paul Robeson. Unzählige Versionen sind seitdem entstanden, in den verschiedensten Sprachen und musikalischen Interpretationen. Die vorliegende DO-CD dokumentiert die Entstehungsgeschichte des Liedes, begonnen mit einer faszinierenden Instrumentalversion der Kölner Saxofonmafia aus dem Jahre 1984, über diverse (musikalisch teils recht eigenwillige) deutschsprachige Interpretationen (Hein und Oss Kröher, Hannes Wader, die Schnitter...) bis hin zu den internationalen Interpretationen durch Pete Seeger, Rosso Maltese, der Conolly Group und vielen anderen.

Die repräsentative Pappbox enthält neben zwei CDs ein 64-seitiges Booklet mit vielen seltenen Illustrationen, die neben dem kenntnisreichen Text die faszinierende Geschichte eines Welt-Klassikers des Protestliedes spannend dokumentieren - ein herausragendes kulturhistorisches Dokument.

Die in limitierter Auflage erschienene Box ist beim DIZ (s. Bezugsadressen) bis Ende 2002 zum Sonderpreis von € 20,- erhältlich, danach wird die Edition teurer.

Ulrich Joosten

 

DIVERSE - Das Lied der Moorsoldaten 1933 bis 2000 - Bearbeitungen - Nutzungen - Nachwirkungen


FRIEL'S KITCHEN
A Place of Clear Water

(Jigit Records JICD 1021)
12 Tracks, 55:24; mit Texten u. Infos dt./engl.

Nachdem sich die Friels seit geraumer Zeit schon in der hiesigen Liveszene ihre Lorbeeren verdienen, kommt hier ihr Debutalbum, das vermutlich ebenso bald Lorbeeren kränzen werden, verdientermaßen. Dass Johannes Schiefner (Uilleann Pipes, Cittern, Whistles, Keys), Jens Kommnick (hier: Gitarre, Bouzouki, Cello), Regina Elling (Flute, Perc.) Könner auf ihren Instrumenten sind, hat sich weit - bis in den Osten! - herumgesprochen; dazu kommen mit Angelika Berns und Lisa Olivier zwei völlig unterschiedliche Leadstimmen (die für mich entgegen den Verheißungen des Infos allerdings im Duett nicht besonders gut zusammenpassen), mit Franziska Urton die Fiddle, mit Dirk Neuhoff E-Bass und E-Kontrabass, sowie mit Holger Ries Percussion aller Art und Herkunft; zudem erweisen sich alle noch mehrfach als begabte Chorsänger. Die großzügige Besetzung garantiert zusammen mit geschickten Arrangements traditioneller und eigener Titel und ausgefeilter Produktion einen dichten Sound, der in Richtung Irish Folkpop geht. Ein Kollege hat die Band mit Limerick Junction verglichen, und das ist wohl noch der treffendste Vergleich: nur besser! Für mich zeigt die CD in der Mitte Längen, aber das ist wohl dem persönlichen Geschmack und manch beharrlichem Keyboardsound geschuldet, und einem wundervollen A-capella-Song, der an Steeleye Span denken lässt, wird dann auch alles wieder gut.

Kerstin Braun

 

FRIEL'S KITCHEN - A Place of Clear Water


ADARO
Minnenspiel

(Steamhammer/SPV 085-74142)
14 Tracks, 56:10; aufwändig gestaltetes Booklet mit mittelhochdt. Texten.

Es ist Pop - Minnepop oder Mittelalterpop. Alle Texte auf der neuen CD der Tübinger Gruppe Adaro sind in mittelhochdeutscher Sprache und stammen von Autoren wie Heinrich von Morungen oder Ulrich von Winterstetten. Die Musik hat jeweils Adaro-Gitarrist Jürgen Treyz komponiert. Dabei sind auch E-Gitarren zu hören, aber Adaro spielt - anders als z.B. In Extremo - nicht mit Metal-Klischees. Auch elektronische Effekte beherrscht die Band, aber - anders als z.B. Corvus Corax - zielt man nicht auf die Club-Szene. Nein, es ist schmuserockiger Pop mit vielen Mainstream-Anleihen, aber fast immer originell. Die schnarre-lose Drehleier von Konstanze Kulinsky klingt wie eine Mischung aus E-Geige und Keyboard, Christoph Pelgen setzt seine Krummhörner eher selten ein. Meist singt er, ab und aber auch Konstanze Kulinsky, und das ist neu für Adaro. Ist es auch gut? Ihr Gesang ist zart, allzu zart, eher hauchig und dünn, und dennoch sind die von ihr gesungenen Tracks wie "Wigen Wagen" die Highlights dieser CD. Perfekter Kitsch, den man niemandem vorspielen mag, aber doch immer wieder hören will.

Christian Rath

 

ADARO - Minnenspiel


HANS-ANDRÉ STAMM
Celtic Desires

(Jigit Records JICD 1020)
17 Tracks, 70:13; mit Texten engl./dt. u. Infos

Die Menschen sind verschieden, und ist das nicht herrlich?! Manchmal sind aber gar nicht die Menschen selbst verschieden, sondern nur die Dinge, die sie zu diesem oder jenem Zeitpunkt tun, und das ist doch eigentlich auch herrlich: wenn einer da Hippop singt und dort Funfolkspeedpolka spielt und auf dieser CD den irisch/schottischen Tenor wie am Kamin im Touri-Castle gibt. Aber es muss deshalb nicht jeder alles mögen. Ich jedenfalls mag die "traditionelle" Tourinummer am Kamin nicht, auch wenn es sich um auserlesene Songs and melodies full of love and passion handelt. Wir hören laut Info und Booklet feinfühlig arrangierte Frauen-, Kinder- und Männerstimmen, Uilleann Pipes, Fiddle und Flöte, Harfe, andere Instrumente, sowie "Sounds". Vor allem aber hören wir "reine Stimmung" (also nicht die hier & heute gebräuchliche temperierte Stimmung) der Instrumente, in die Herr Stamm selbige versetzt hat. Ich habe mich lange gefragt, wie man eine Tin Whistle in reine Stimmung versetzt, oder wie man als temperiert erzogene Musikerin eine Violine spielt, die in reine Stimmung versetzt wurde. Nun, erst Info lesen, dann fragen. "Die reine Stimmung wird durch ein minutiöses und aufwendiges Nachbereiten der Aufnahmen erreicht und scheint ... einen direkteren Weg zu den Emotionen zu finden." Hm. Nee, nich wirklich. Das wissen bei mir Grobgestrickten schon die esoterischen Keyboardsounds zu verhindern.

Kerstin Braun

 

HANS-ANDRÉ STAMM - Celtic Desires


SCHNAFTL UFFTSCHIK
Oi Tate oh Father

(Global Village/Fenn Music Service 182)
13 Tracks, 69:24; mit Basisinfos

Erschien "Sabagold", die erste CD der Gruppe (1999), noch bei dem deutschen Label Oriente, ist man als Rezensent höchst überrascht, eine (überwiegend ost-) deutsche Klezmergruppe im Programm des renommierten US-Labels "Global Village" zu sehen - dort kamen bislang immerhin derartige Klezmergrößen wie z.B. Dave Tarras, Abe Schwartz oder Harry Kandel zur Geltung. Das Sextett befindet sich also in wahrlich guter Gesellschaft. Michael Schlesinger, der Firmenchef von "Global Village", hatte ganz bewusst nicht gefragt, ob die Gruppe "jüdisch" sei oder nicht; darauf käme es überhaupt nicht an, vielmehr sei Klezmer "zu verstehen" und diese Musik "mit Seele" zu spielen.

Insofern dürfte das Ergebnis auf der vorliegenden CD durchaus als gelungen bezeichnet werden. Stefan Gocht (Sousophon), Reinhard Gundelwein (Klarinette, Gründer der Band), Christoph Renner (Percussion), Johannes Siedel (Posaune), Uwe Steger (Akkordeon) und Lutz Wolf (Trompete) schöpfen aus dem Vollen und interpretieren ihre musikalischen Vorbilder mit angenehmer Frische und Lebendigkeit. Kein Wunder, sind doch drei der Musiker Absolventen der Berliner Hochschule für Musik "Hanns Eisler". Gratulation an die Schnaftls, als Vertreter der Alten Welt und zeitgenössischen Klezmers erfolgreich Eintritt in die USA gefunden zu haben. Woher die 1995 gegründete Gruppe allerdings ihren Namen hat, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Matti Goldschmidt

 

SCHNAFTL UFFTSCHIK - Oi Tate oh Father


SUSANNE WEINHÖPPEL
Blaue Stunden

(kip records 6023)
14 Tracks, 46:31; Texte u. Infos

Ein offenes, freundliches Gesicht blickt einen vom Cover an, herrlich Böses, Schwarzes und Gemeines erwartete einen auf der Silberscheibe - das war 1995 die Nr. 1 der Harfe spielenden Susanne Weinhöppel . Auf ihrer neuen CD blickt sie verklärt und vergeistigt in die Ferne, blaue Stunden, das Geheimnisvolle wird bemüht. Das ist auch zugleich die Schwäche der CD. Sie wäre besser geworden, wenn sie weniger bemüht einfühlsam, geheimnisvoll und kunstvoll ausgefallen wäre. Frau Weinhöppel singt Lieder, die ihr selbst gefallen, von Brel, Dylan/Ambros, Degenhardt, Biermann, Villon und anderen, aber passen die auch zu ihr, zu ihrer (recht hohen Kehlkopf-) Stimme, zu ihrem Stil? Wenn man die Originale kennt, weiß man, dass sie nicht zu verbessern sind. Durch mehr Betonung oder Vibration der Stimme gewinnen die Lieder nicht mehr Tiefe, sondern sie verlieren ihre Doppelbödigkeit. Degenhardts "August der Schäfer hat Wölfe gesehen" z.B. bezieht sein Grauen aus dem Unscheinbaren, wie selbstverständlich Dahingesungenen. Auf diese Effekte darf man nicht drauflos singen, sie wachsen aus dem Unterschwelligen, hier wäre weniger mehr gewesen. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Und dann sind da auch wieder ihre Stärken, wo es genau passt: "Weib, Weib muaßt hoamgeh" (Bekannt von Esther Ofarim: "Noch einen Tanz"), wo sie mit Sensibilität und einer gewissen Schärfe den richtigen Ton trifft. Von dieser Art hätte man sich mehr gewünscht, da wird auch deutlich, welches unverwechselbare Potential in ihr steckt.

Rainer Katlewski

 

SUSANNE WEINHÖPPEL - Blaue Stunden


3 LITER LANDWEIN
"Schenk ein"

(East Side Story Records EASY 97001-2)
20 Tracks, 64:00

Bei diesem Gruppennamen fällt einem nach dem Blick auf die Playlist als erstes in Abwandlung des bekannten Spruches ein: alter Wein in neuen Schläuchen, eine Menge Titel, die nach "Best of Irish and Scottish Folk" klingen. Davon kennt man natürlich "The star of the county Dawn" oder "She moved through the fair" in zahllosen Versionen, unter anderem von Superstars wie Van Morrison und den Chieftains.

Na, dann wollen wir die CD mal dekantieren und schauen, wieviel musikalisches Mostgewicht die ostdeutsche Beerenauslese auf die Oechslewaage bringt. Und siehe da - sie möpselt überhaupt nicht, und auch von Korkbrand keine Spur! Frisch, frech und selbstbewusst spielen Akim Bartel, Hans-Jürgen Taube, Jens Boeck und Uwe Herbst ihr Repertoire mit ansprechendem, reeelativ akzentfreiem Gesang und handwerklichem Können auf den Instrumenten (u.a. Gitarren, Bouzouki, Mandoline, Banjo, Whistles, Akkordeon, Flöte, Schalmei etc). Unbeeindruckt davon, wie viele andere möglicherweise vollmundigere Verschnitte es von den Stücken bereits gibt, spielen sie zusammen mit ihren Gastmusiker fetzig und schön arrangiert eben ihre eigenen Versionen ein. Wie jetzt, Van Morrison hat das auch schon gesungen? Egal, dann schenk ihm eben auch ein Glas Landwein ein, von dem herberen, ostdeutschen! Denn neben englischsprachigen Songs haben die Jungs auch einige deutsche Lieder im Bocksbeutel. Ihre eigenwillige Neuvertonung des Klassikers "Wer jetzig Zeiten leben will" lässt ebenso aufhorchen wie ihr neuer "Dr Eysenbarth"-Text. Wenn sie noch mehr solch innovativer Ideen einkellern und ein wenig reifen lassen, dann möchte ich mir von der nächsten Spätlese schon mal ein Fässchen reservieren. Alavott!

Ulrich Joosten

 

3 LITER LANDWEIN - "Schenk ein"


Folk-Kinder

Vor Weihnachten schnell noch ins Kaufhaus, Tonkonserven für die Kids sind immer richtig. Wirklich? Zwischen Blocksberg und Blümchen ist meist nur Erschreckendes, musikalisch wie inhaltlich, zu entdecken. Doch ich kann Produktionen von "richtigen" Musikern empfehlen. Dabei will ich unbedingt auch die Kinder-Musikbücher erwähnen, die im Folker! Nr. 2 empfohlen wurden. Das haben die anderen Kids nicht!

WOLFGANG RIECK
Die Maus im Fernrohr

(Eigenverlag)
13 Tracks, 43:47; reichlich Texte u. Grafiken

GERALDINO
Abenteuer Eisenbahn

(PSST-Music)
20 Tracks, 48:59; reichlich Texte u. Collagen

WILFRIED MENGS
Ballon-Fahrt

(Laura-Records)
16 Tracks, 47:14; Liederheft extra erhältlich

WATERING EYE
Nicodemus

(Sensual Records)
8 Tracks, 21:14: Lied-Texte

Wolfgang Rieck ist norddeutsche Folk- (oder eher: Liedermacher-)Legende, seit der Wende im Trio "Liederjan" gesamt-norddeutsch tätig. Dass er aber auch einen ernsteren Hintergrund hat als "nur" Musik, beweist er seit 1998 mit diesem Seefahrer-Programm. Schließlich ist er selber zur See gefahren, heute zeigt er es den Landratten-Kindern. Die CD strahlt eine Mischung aus Ungezwungenheit und Magie aus, die die Faszination des Live-Programms ahnen lässt. Obwohl (oder weil) es bei Instrumentierung und Arrangement kindgemäß übersichtlich zugeht, sind richtig schöne Folksongs herausgekommen. Besondere Ausstrahlung erreichen Jens Naumikats Streichquartett-Einflüsse. Für Spaß für Kids (und für sich selber) empfehle ich diese CD.

Auch Herr Geraldino muss sich musikalisch nicht verstecken, denn er versteht es herrlich, Eisenbahn-Flair zwischen Blues und Ballade zu zaubern oder rhythmisch richtig abzugehen. Er bringt den Kids musikalische Welten näher, denen sie im Kaufhaus kaum begegnen. Dies wäre somit mein Weihnachtstipp Nr. 2, obwohl mir diese Co-Produktion mit dem Nürnberger Eisenbahnmuseum etwas zu didaktisch ist. Die Zwischentexte, im hörbar gestellten Gesprächen mit Kindern, haben reichlich Zeigefinger-Charakter. Was aber der künstlerischen Qualität keinen Abbruch tut und den Eisenbahn-Fans den Spaß sowieso nicht verderben wird.

Tipp Nr. 3 kenne ich von Konzerten, auf denen die Mengs-Familie immer zu begeistern wusste, Familien-übergreifend. Diese CD kann da leider nicht mithalten. Das Konzept der Ballonfahrt, die nur aus der Ansage abzuleiten ist, ist zu wenig mitziehend und wird auch von der Liedauswahl nicht konsequent durchgehalten. Den internationalen Liedern hätte ich das jeweilige Landesflair auch in der Instrumentierung gewünscht. Nein, dieses zählt nicht zu den ganz tollen Werken des Thüringer Musikers. Und ist immer noch Klassen besser als ... siehe oben.

Im Kindermusical "Nicodemus" kombinieren Watering Eye moderne Popelektronik mit Cello und Mandoline. Folk-Pop vom Feinsten, mit berührenden Texten für angehende Teenager. Schade, dass die Scheibe so kurz ist, zu schnell ist die sanfte Musikwelt beendet. Und man müsste das Musical mal zu sehen kriegen. Bis dahin gibt es diese Aufnahmen.

Jürgen Brehme

 

WOLFGANG RIECK - Die Maus im Fernrohr
 
GERALDINO - Abenteuer Eisenbahn
 
WILFRIED MENGS - Ballon-Fahrt
 
WATERING EYE - Nicodemus


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