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CHRISTIAN W. HUBER:
Handbuch zur CD-Herstellung : Studio, Mastering, Pressung, Artwork, Druck, Vertrieb, Werbung ; eigenes Label, Recht, Gema, Vinyl, Kosten. – Köln : Bosworth Musikverl., 2002. – 176 S. : mit Abb.
ISBN 3-936026-45-9

„Weisse wat, Liselotte?! – Heute mach' ma ma uns're eijene CD, woll?“

Oft angedroht und- wenn überhaupt- nicht nur unter Folkies meistens schlumpfig und inkompetent in die Tat umgesetzt. Das soll sich laut Christian W. Huber in Zukunft ändern.

Der hat sein jahrelang gesammeltes Knoff Hoff im „Handbuch zur CD-Herstellung“ so gut wie eben möglich zusammengefasst. Gemeinsam mit dem Bosworth-Verlag ist er der Meinung, dass Otto Normal das in Zukunft nicht mehr fällige Lehrgeld möglichst in den Erwerb seines Kompendiums stecken soll. Und um es mal vorweg zu nehmen: es gibt einige gute Gründe, die dafür sprechen.

Huber skizziert auf knapp 180 Seiten in ca. elf Kapiteln plus Anhang sämtliche nötigen und weniger nötigen Hürden, die wir auf dem steinigen Wege zur eigenen CD überwinden müssen. Von Tipps zur Aufnahme, Song- und Studioauswahl, über die grafische Gestaltung, die Vorbereitung für und die Auswahl des Presswerkes, bis hin zu Gedanken über Verkaufsstrategien und den Vertrieb des eigenen Silberlings, finden wir eine umfangreiche Zusammenfassung aller entscheidenden Schritte. Checklisten sollen das Nachmachen und den reibungslosen Ablauf erleichtern. Darüber hinaus informiert uns Huber über rechtliche Fragen, technische Hintergründe, über die GEMA und andere für die Herstellung von CDs oder derer die sie herstellen bedeutende Verwertungsgesellschaften und Verbände. Mittlerweile wieder trendy und neben der DVD mit stetig steigenden Absatzzahlen in den Statistiken der einschlägigen Fachpresse: das Vinyl, die gute alte Schallplatte. Wie wir unserer Gedudel bei Bedarf hineinkratzen lassen? – Nachzulesen in Kapitel elf. Zu guter Letzt werden wir belohnt und auf das Musikbiz losgelassen, indem wir uns in das Geheimnis der Gründung eines eigenen Labels einweihen lassen. Wer's bis zum Anhang, dem umfangreichen Glossar und Adressenverzeichnis geschafft hat, kennt fast alle Schikanen und weiß im Grunde wie's geht. Allerdings nur im Grunde, denn zwischen dem Drüber-Lesen und dem Herstellen von CDs liegt mit oder ohne Nachschlagewerk noch immer der steinige Weg des In-die-Tat-Umsetzens.

Wer ernsthaft daran interessiert ist, dass sich die eigene Musik in Form von Demo bis hin zu Album-CDs schon bald in einer stetig steigenden Anzahl von CD-Playern zu Hause fühlt, dem bietet das Handbuch eine nützliche Hilfestellung. Huber, ´72 geboren und selber Labelinhaber, schreibt aus der Praxis und in der Regel gelingt es ihm, sein Wissen in gut les- und nachvollziehbare Einheiten zu verpacken. Damit wäre er in der Lage, auch eingefleischte Folkies glaubhaft in die Geheimnisse der CD-Herstellung einzuweihen... so sie es denn selber wollen. Nicht nur Neulinge können von seinen Ratschlägen und den zahlreichen Tipps zur Vermeidung von Fehlern profitieren.

Zweifelsohne die größte Stärke des Buches aber ist die Tatsache, dass es meines Wissens keine wirkliche Alternative dazu gibt. Das Schließen dieser Informationslücke rechtfertigt somit für alle potenziellen CD-Herstellerinnen und -Hersteller den Erwerb dieses Buches und lässt über einige Schwachstellen in der Gliederung und einige wenige Versäumnisse und Irritationen gnädig hinwegsegeln. Immerhin scheint das „Handbuch zur CD-Herstellung“ nach, laut Pressemitteilung, „mehreren tausend“ CD-Produktionen, die erste Buchveröffentlichung des Autors zu sein: ein überwiegend gelungener und überfälliger Leitfaden.

Markus Brachtendorf

 

CHRISTIAN W. HUBER: Handbuch zur CD-Herstellung


PETER AUTSCHBACH:
Gitarre Pur Bd 1 : Stilübergreifendes Lehr- und Lernmaterial für E- und Akustikgitarrist(inn)en. – Osnabrück : Acoustic Music Records, 2001. – 79 S. : mit Noten u. Abb. + CD. – (AMB ; 3012)
ISBN 3-931453-38-3 / ISMN M-700070-38-0

DETLEF BUNK:
My Connections : Zehn poppige Gitarrenstücke zwischen Folk, Latin, Blues & New Age. – Osnabrück : Acoustic Music Records, 2002. – 51 S. : mit Noten u. Abb. + CD. – (easy guitar) (AMB ; 3025)
ISBN 3-931453-53-7 / ISMN M-700070-53-3

NORBERT ROSCHAUER:
Zwanzig Klassik Hits : Leichte Duos für Gitarre ; Renaissance, Barock, Wiener Klassik, Romantik. – Osnabrück : Acoustic Music Records, 2002. – 46 S. (+24 S. Begleitheft f. Gitarre 1) : überw. Noten ; mit Abb. + CD. – (AMB ; 3016)
ISBN 3-931453-44-8 / ISMN M-700070-44-1

Drei Neuerscheinungen aus der „Acoustic Music Books“ Reihe, die sehr unterschiedliche Zielgruppen bedienen. Peter Autschbach, Jazz-Rock Gitarrist der Oberliga, legt Band I eines dreiteilig konzipierten Lehrbuches vor. Angesprochen werden E- wie Akustikgitarristen, die bereits über grundlegendes Wissen verfügen. Die stilistische Bandbreite der Übungsstücke ist sehr groß: Bluesbegleitung, Hardrockriffs, Reggaerhythmen, Rock'n'Roll, Bossa Nova Patterns, Folkpicking, Jazzvoicings, pentatonische Skalen – kaum ein musikalisches Gebiet, das nicht gestreift wird. Das didaktisch sicherlich sehr fragwürdige Unternehmen bietet jedoch eine solche Fülle an unglaublich gut klingendem Appetithäppchen, dass man es getrost jedem Gitarristen empfehlen kann, der eine Art genreübergreifenden Schnupperkurs sucht.

Detlef Bunks Sammlung mit Eigenkompositionen wendet sich in erster Linie an klassisch vorgebildete Saitenkünstler. Jedes der 10 „Popmusik“ orientierten Stücke wird einleitend auf technische Stolpersteine abgeklopft. Da wird der Sambarhythmus analysiert, spezielle Anschlagtechniken werden sauber erklärt und die Angst vor kniffligen Jazzharmonien genommen. Die eigenständige Tonsprache Bunks macht die reizvollen Kompositionen zu einer schönen Bereicherung des gitarristischen Repertoires. Auch Gitarrenlehrer sollten mal einen Blick in die „Connections“ riskieren, denn interessante Literatur für (allerdings) fortgeschrittene Schüler ist selten.

Waren die Heft CDs der bisher besprochenen Bände ohne jeden Tadel, muss man sich bei Roschauers „Klassikhits“ doch ein wenig wundern. Die Klangqualität lässt arg zu wünschen übrig, Timing und Tuning sind hier und da sehr ungenau und echte Fehler gibt es leider auch. Das hätte doch wohl vermieden werden können, zumal es sich wirklich um einfache klassische Originale bzw. Bearbeitungen klassischer Musik aus 4 Epochen handelt. Vorbildlich dagegen die notentechnische Aufbereitung des musikalischen Materials. Ein eingelegtes zusätzliches Heft enthält die 1. Stimmen aller Stücke. Die CD kann als Play along genutzt werden um die Duos in zwei verschiedenen Tempi mitzuspielen. Eine sehr sinnvolle Idee auch für Schüler, denen das Üben von Einzelstimmen zu Hause sicher schnell zu langweilig wird.

Rolf Beydemüller

 

PETER AUTSCHBACH: Gitarre Pur Bd 1

DETLEF BUNK: My Connections

NORBERT ROSCHAUER: Zwanzig Klassik Hits


SIEGFRIED SCHMIDT-JOOS / WOLF KAMPMANN:
Pop Lexikon / unter Mitarb. Von Barry Graves u. Bernward Halbscheffel. – Originalausg. – Reinbek b. Hamburg : Rowohlt Taschenbuch-Verl., 2002. – 764 S. – (rororo Sachbuch ; 61114)
ISBN 3-499-61114-7

RICHARD SCHUBERTH:
CrossRoots : Das Lexikon der irischen, schottischen, englischen, walisischen und bretonischen Folk-, Traditional- und Roots-Musik. – Moers : Ludwig, 2002. – 544 S. : mit s/w-Fotos
ISBN 3-935943-00-8

Weihnachten scheint mir die richtige Zeit zu sein, um sich Lexika zu kaufen oder besser noch, schenken zu lassen. Das liegt nicht unbedingt am Preis, so ungeheuer teuer müssen die Nachschlagewerke nicht sein. Es geht um das Nachschlagen an und für sich, dafür ist die sog. „Zeit zwischen den Tagen“ wie geschaffen. Sollten Sie zufällig meiner Meinung sein, dann habe ich hier zwei recht unterschiedliche Empfehlungen.

1) Falls sich irgendwem die Frage stellen sollte: Was macht ein Pop-Lexikon im Folker!?, nun, zum einen ist heutzutage erfreulicherweise kaum noch eine Musikrichtung luftdicht in sich abgeschlossen und zum anderen kommt es auf die Definition von Pop an. Die Masterminds dieses Werkes (die auch für das Rock-Lexikon verantwortlich zeichnen, wo die Querverbindungen zu Folk seltener sind) kennen keine Scheuklappen: „Sind nicht die meisten Erscheinungsformen der unter dem Dachbegriff Weltmusik zusammengefassten musikalischen Ethnien in ihrem konkreten Kontext Pop? Ja, war nicht selbst der größte Teil der klassischen Musik seinerzeit Pop? Wären wir konsequent, scheint mir müssten wir mit unserem Popbegriff bis zu den Troubadours zurückgehen.“ Weil das kaum machbar ist, wollen sie lediglich „einen möglichst repräsentativen Überblick über die Populärmusik der letzten 50 Jahre“ geben. Und da sind wir natürlich bei! Nein, nicht der Folker!, der findet in diesem Buch leider mit keinem Wort statt, aber unsere Musik schon, zwar logischerweise am Rande, aber immerhin. Beispiele gefällig? Asian Dub Foundation, Billy Bragg, Calico, Cheb Khaled, Emmylou Harris oder (natürlich!) Woody Guthrie. Die unzähligen Einträge in dem leider unbebilderten Buch vermeiden vorbehaltlose Jubel- oder Verdammungsarie, weil sie in großen Mengen positive wie negative Zitate aus Zeitschriften benutzen. Die Wertung eines jeden Künstlers bleibt somit sympathischerweise den Lesenden vorbehalten.

2) Sollten Vorbehalten dagegen existieren, dass hier ein Buch besprochen wird, das im gleichen Verlag wie diese Zeitschrift erschienen ist, ich kann sie zerstreuen: Vetternwirtschaft, Seilschaften oder Klüngelei kann uns niemand unterstellen. Zwar erhält der Folker! bei den Danksagungen ein dickes Lob, aber das war's auch (fast) schon. Und auch diese Rezension enthält Lob und Tadel, soweit ist also alles ganz normal.

Richard Schuberth hat ein Lexikon zusammengestellt, das schon längst überfällig war. Er hat trotz thematischer Eingrenzung im Alleingang ein unglaublich weites (keltisches) Feld beackert und diese Leistung kann gar nicht überbewertet werden. In dieser Leistung liegt allerdings auch die Wurzel von einem der drei einsamen und die Qualität nur unwesentlich beeinflussenden Kritikpunkte. Fehler weist dieses Lexikon erfreulich wenige auf (und ich werde einen Teufel tun, auf den wenigen herumzuhacken), zu kritisieren sind eher die Unvollständigkeiten, die wegen der Soloarbeit fast unvermeidlich waren. Clevererweise hat der Verlag vorgesorgt und dem Buch eine Korrekturpostkarte für eine Zweitauflage beigelegt. Eine Art Spezialistenteam unter Leitung von R. Schuberth jedoch hätte das Projekt bereits im ersten Anlauf näher ans Ideal gebracht. Da ist z.B. ein Horst Pohle, der Ende 1987 die zweite Auflage seines von mir immer wieder konsultierten „Folk Record Source Book“ über das fast deckungsgleiche Thema verfasst hat, wenn auch exklusiv auf Tonträger bezogen. Der Mann ist erfreulicherweise noch auf diesem Planeten (bzw. in Berlin) und gehört in ein solches Team. Kritikpunkt zwei sind die quantitativ wenigen, nicht gerade aktuellen Fotos, deren Qualität oft auch noch dubios ist. Ziemlich unverständlich, wenn man bedenkt, dass diese Zeitschrift (die ja im selben Verlag..., ach, ich sagte es bereits) ein umfangreiches und wohlsortiertes Fotoarchiv besitzt. Die letzte Kritik bezieht sich auf den unsinnigen Zwang, (fast) jedem Künstler (fast ausschließlich) englischsprachige Zitate voranstellen zu müssen. Und wenn schon Englisch, dann bitte auch korrekt, denn ein paar Mal schmerzt es bei Zitaten von Nicht-Muttersprachlern doch arg.

Aber stopp stopp stopp, keine weitere Kritik! „CrossRoots“ IST überfällig, IST Spitze, IST ein Buch, mit dem man arbeiten ebenso wie schmökern kann. Besonders erfreulich ist die Idee, leicht dunkel hinterlegt diverse wichtige Fachbegriffe zu erläutern. Und eines sollte auch ganz klar und deutlich gesagt werden: Ein Lexikon dieser Qualität und besonders dieser Tiefe gibt es selbst in den Mutterländern dieser Musik zumindest meines Wissens nach nicht. Kein ernstzunehmender, deutschsprachiger Fan der Musiken Irlands, Schottlands, Englands, Wales und der Bretagne sollte ohne dieses Lexikon sein. Echt & ehrlich!!!

Mike Kamp

Bezug CrossRoots: via Folker!-Shop

 

SIEGFRIED SCHMIDT-JOOS / WOLF KAMPMANN: Pop Lexikon

RICHARD SCHUBERTH: CrossRoots


MICK MOLONEY
Far From The Shamrock Shore : The Story of Irish-American Immigration Through Song. – Cork : The Collins Press, 2002. – 39 S. : mit zahlr. s/w-Fotos u. Abb.
ISBN 1-903464-13-7

„It's a long way to Tipperary...“, daran erinnert uns ein bekannter Song aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, aber noch wesentlich weiter war es bis Amerika für die Hunderttausende von irischen Immigranten, die vom 17. bis Anfang des 20. Jahrhunderts den Mut hatten, die acht- bis zehnwöchige Überfahrt anzutreten, um ein neues Leben auf der anderen Seite des Atlantiks zu beginnen. „Far From The Shamrock Shore“ erzählt ihre Geschichte. Auf der beiliegenden CD mit 16 wohl produzierten traditionellen Songs illustriert der Autor die Reise der frühen Siedler musikalisch. Die Missernten auf den heimischen Feldern wurden eingetauscht gegen enge Ghettos in den Industriestädten, Verzweiflung wurde gegen Hoffnung eingetauscht. Und immer dokumentierten die Iren ihre Geschichte mit Songs. Es war Frank Harte, der schrieb: „Die an der Macht schreiben Geschichte, während jene, die leiden, die Lieder schreiben.“

Wir lesen, wie im 17. Jahrhundert die Katholiken von den Protestanten unterdrückt wurden. Sie nahmen ihnen ihr Land weg. Öffentliches Singen und einheimische Instrumente wurden zusätzlich von den britischen Kolonialisten verboten, um die gälische Kultur auszuradieren. Das klingt leider immer noch familiär, wenn wir an die 10jährige Herrschaft der Taliban in Afghanistan denken. Das Los der Iren bringt mir „The New Colossus“ ins Gedächtnis, das New Yorker Freiheitsstatuen-Gedicht über den Ruf nach Rechten für Immigranten, 1883 geschrieben von Emma Lazarus: „Give me your tired, your poor, your huddled masses yearning to be free...“ Diese Zeilen beeinflussen bis heute unser Denken bezüglich Einwanderung und Exil. Das Gedicht war natürlich nicht ausschließlich auf die Iren gemünzt, der Zusammenhang ist m.E. unverkennbar. Sie sahen sich selbst als „deorai“ (Gälisch für Exil), der einzig bekannte Ausdruck für die, die ihre Heimat (mehr oder weniger) freiwillig verließen.

„It's a long way to Tipperary..“ und genau da kommen auch meine Eltern her. Ich war erst einmal dort und in Amerika war ich noch nie, aber als ich dieses Buch sah, da wusste ich, das ist für mich. Ich liebe das Layout mit seinen eingeschlagenen Seiten. Das gibt mir das Gefühl, das Buch an beliebiger Stelle öffnen zu können und mit dem Lesen zu beginnen. Das Gefühl, unter diesen cleveren Ein- bzw. Umschlägen kleine Schätze entdecken zu können. Jeder Abschnitt ist interessant und hochinformativ, angereichert mit Fotos und Illustrationen. Die Texte etlicher Lieder weisen dem Leser den Weg.

Ich weiß nicht, wie weit es genau bis Tipperary ist, aber ich weiß, dass dieses Buch und die CD einen besonderen Platz in meinem Bücherregal bekommen. Ich habe viel über meine eigene Geschichte gelernt und kann „Far From The Shamrock Shore“ uneingeschränkt weiterempfehlen.

Mary John Kamp

Bezug: The Collins Press, West Link Park, Duncloyne, Wilton, Cork, Ireland, www.collinspress.com

 

MICK MOLONEY: Far From The Shamrock Shore


EGON LUDWIG:
Tango Lexikon – Der Tango rioplatense – Fakten und Figuren des berühmten latino-amerikanischen Tanzes. – Berlin : Lexikon-Imprint-Verl., 2002. – 701 S. : mit s/w-Fotos u. Abb. sowie Farbfotos in Buchmitte ; Anh.: Auswahldiskografie, Bibliografie u. Abk.-Verz. (ca. 125 S.)
ISBN 3-89602-294-6

Ein erstaunlich umfassendes Werk zu nur einem Tanz! Über Jahrzehnte hinweg sammelte der Autor Wissen zum Tango, der zu den spannendsten des letzten Jahrhunderts zählt und dessen Popularität ungebrochen weiter besteht – weltweit. Die Sammlung vereint Kurzbiografien von Tango-Komponisten und -spieler, viele Begriffserklärungen, Instrumentenkunde und Geschichte. Alles lässt sich gut lesen und bleibt so durchaus nicht nur dem Fachmann vorbehalten. In der Mitte verbreiten einige Fotos das berühmte Flair des Tango an seinen ursprünglichen Orten, auch die Schwarzweiß-Fotos illustrieren das Lexikon fantastisch.

Natürlich braucht man das Buch nicht zum Tanzen. Doch es steht einem Tangotänzer unheimlich gut an, dieses Werk jederzeit aus dem Regal ziehen zu können.

Zu ernst sollte man es mit dem Begriff „Lexikon“ aber nicht nehmen. Dem objektiven, wissenschaftlichen Anspruch, den der Begriff „Lexikon“ suggeriert, hält unser Tango-Lexikon nicht stand. Welches übrigens dem Tango rioplatense gewidmet ist, weil der Autor den üblichen Begriff Tango argentino als falsch ablehnt. Dieser kommt lexikalisch erst gar nicht vor. (Der Tango erhielt seine wesentlichen Entstehungsimpulse tatsächlich nicht nur aus dem argentinischen Gebiet von Buenos Aires, sondern auch aus Montevideo.) Viele Aspekte der Tango-Geschichte sind sehr subjektiv dargestellt, die Wellen der Tango-Bewegung in Europa scheinen kaum aufgefallen zu sein. Der Autor erfreut sich im Auswälzen vieler „unerforschter“ Aspekte, was oft sehr vage wirkt. Dafür unterteilt er den Tango mit Freuden in vielerlei Unterarten und -gruppen. In diesem Lexikon ist sicher so manche Bewertung geeignet, Fachleute in heftige Dispute verfallen zu lassen. Mir macht dieses Buch viel Vergnügen und reizt immer wieder zum Nachschlagen.

Jürgen Brehme

 

EGON LUDWIG: Tango Lexikon


MICHEL PLISSON:
Tango / Vorw. von Horacio Ferrer ; aus d. Franz. Von Konstanze Fischer. – Gegenüber der Orig.ausg. Aktual. Ausg. – Heidelberg : Palmyra-Verl., 2002. – 183 S. : mit s/w-Fotos + CD
Einheitssacht.: Tango: Du noir au blanc
ISBN 3-930378-42-6

Das Buch des Pariser Musikethnologen erscheint schon nach einem Jahr auf Deutsch und befasst sich mit großer Sachlichkeit und zugleich voller Wärme für diesen rätselhaften Tanz mit Geschichte, Stilen und Techniken. Breiten Raum nehmen die sozialen Aspekte der Verbreitung des Tango ein, die Wanderungen durch die Welt und durch verschiedene soziale Schichten. Das Buch besteht aus verschiedenen Artikeln, die sich bestimmten Themen des Tango widmen, sowohl nach historischen als auch geografischen Gesichtspunkten. Besonders anspruchsvoll sind die Anmerkungen zum Rhythmus des Tango, welcher diesen von jeder anderen Art der Musik abgrenzt, trotz aller zeitlichen und regionalen Einflüsse. Ein sehr sachkundiges Buch.

Eine kleine Perle klebt ganz unauffällig am hinteren Einbanddeckel: eine CD mit alten Aufnahmen unterschiedlicher Stilistinnen, liebevoll zusammengestellt und kommentiert. Allein diese CD war es schon wert, das Buch kennen zu lernen.

Jürgen Brehme

 

MICHEL PLISSON: Tango


WILHELM STAHL:
[Niederdeutsche Volkstänze] : Niederdeutsche Volkstänze / Niederdeutsche Volkstänze Neue Folge / Tänze von den Nordfriesischen Inseln ; 3 Tanzhefte im Reprint ; Begleitbuch mit Noten und Tanzbeschreibungen in moderner Sprache / hrsg. von der Landesarbeitsgemeinschaft Tanz Schleswig-Holstein. – 1. Aufl. – Kiel : LAG Tanz Schleswig-Holstein, 1998. – getr. Seitenz. + CD

„Das Tanzwesen Deutschlands steht wieder einmal, wie schon so oft, im Zeichen der Ausländerei.“ Dies schrieb der Musiker und Musikforscher Prof. Stahl, besorgt um die Erhaltung deutscher Traditionen. Ein altes Thema! Denn er schrieb es 1921 im Vorwort zum ersten Heft „Niederdeutsche Volkstänze“. Weiter: „Borgte man früher vorzugsweise in blinder Bewunderung vom welschen Westen, so sind es heute amerikanische und englische Tänze ... die von der deutschen Jugend mit Hingebung und Begeisterung getanzt werden.“

Die Abkehr der deutschen Jugend vom deutschen Tanz motivierte zum Sammeln und Erhalten von (in diesem Fall norddeutschen) Traditionen in gedruckter Form. Ganz so unbeliebt konnten die regionalen Spezialitäten doch nicht gewesen sein, denn alle drei Tanzhefte, die hier im Reprint vorliegen, waren schnell vergriffen. Viele Tänze, die heute in norddeutschen Tanzkreisen getanzt werden, beziehen sich noch immer auf Stahls Aufzeichnungen, die einst mit großer Sorgfalt recherchiert worden sind. So ist das Reprint, welches sich die LAG Tanz zu ihrem 40. leistete, sicher eine gute, in jedem falle von einigen lang erwartete Sache. Sie macht die Sammlung wieder allgemein zugänglich. Die geringe Auflage lässt dem Werk trotzdem den Status einer Rarität.

Eine der besten Resonanzen auf diese Wiederveröffentlichung liegt mit dem ganz neuen LAG-Heftchen unter selben Namen vor: 23 Tänze wurden ausgewählt, um im modernen Satz und in neuerer Tanzsprache zu erscheinen. Dazu wurde unter Mitwirkung erfahrener Tanzleiter eine CD aufgenommen. Damit liegen nun Musikbeispiele hörbar und vor allem tanzbar vor, die den alten Traditionen zu neuem Glanz verhelfen. Die Spielweise der CD, welche die in den Tanzgruppen weit verbreiteten Aufnahmen aus den 50/60ern ablösen soll, hält technisch wie tänzerisch hohen Ansprüchen stand. Obwohl die Aufnahmen, wie so oft bei Konzentration auf die Tanzbarkeit, in ihrer Gesamtheit konzertanten Ansprüchen weniger genügen, sind sie für die norddeutsch Tanzenden eine klangliche Bereicherung und für den Rest der Tanzwelt, welcher sich vielleicht doch noch für deutsche Tänze interessiert, eine lohnende Anregung.

Jürgen Brehme

Bezug: sh.lag-tanz.de oder LAG Tanz, Jürgen Fularzik, Ginsterbusch 6, 24146 Kiel

 

WILHELM STAHL: Niederdeutsche Volkstänze 1

WILHELM STAHL: Niederdeutsche Volkstänze 2

WILHELM STAHL: Niederdeutsche Volkstänze 3


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