backRezensionen Nordamerika


DIANE CRAIG
Fortunes Told

(CoraZong/Bellaphon COR 255 032)
13 Tracks, 45:29; mit Texten

In vieler Hinsicht ist diese junge Künstlerin eine typische Vertreterin der Bluegrass-Tradition: Themen wie die Fluchtwege der Highways („I'll Take The Highway“), der nicht versiegende Optimismus im sozialen Überlebenskampf („Your Mama Ain't Wrong“), der gefallene Südstaaten-Soldat und seine trauernde Mutter(„The Wild Magnolia“). Auch das Personal der von Diane Craig und ihrem Partner Don Woodson verfassten Songs wie der alte Poet oder die Wahrsagerin passen ins Genre ebenso wie die typische Instrumentierung mit Fiddle, Dobro und Mandoline. Aber gerade in diesem Punkt beginnt der Unterschied zu den üblichen Neuerscheinungen: es fehlt das sonst allgegenwärtige Bluesgrass-Banjo. Den größten Unterschied aber macht die Künstlerin selbst: mit ihrer rauchig-klagenden Stimme, die an Marianne Faithfull erinnert (wenn diese singen könnte), und mit diesen Liedern, die mich berührt haben in ihrer Echtheit und Tiefe. Am nahesten ging mir „The Ghost Of Townes Van Zandt“, eine unter die Haut gehende Verbeugung vor dem großen Texaner 'for the sake of the song'. Diane Craig hat sicher das Zeug zu einer künstlerischen Persönlichkeit, die über Genregrenzen als Singer-Songwriterin Beachtung finden kann.

Jörg Eiben


DAN BERN - New American LanguageDAN BERN
New American Language

(Cooking Vinyl/Indigo Musik COOKCD 235)
12 Tracks, 60:23; mit Texten

An der von Kritikern verliehenen Bezeichnung „neuer Dylan“ ist schon so mancher Künstler gescheitert. Dan Bern wird noch beweisen müssen, ob er dem auch ihm aufgedrückten Qualitätsstempel gerecht wird. Mit Blick auf die vorliegende CD lautet die Antwort auf jeden Fall „ja“. Sechs Jahre sind seit seiner Debüt-CD „Dog Boy Van“ vergangen, und der Musiker, der einst Cello spielte, hat sie genutzt. Dan Bern präsentiert sich hier als Geschichtenerzähler. In seinen Songs reist er durch Amerika – auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, nach einer neuen Wirklichkeit und nach einer neuen Sprache, wie beispielsweise im Titelsong. Dabei begegnet er fiktiven wie wirklichen Personen, die er in einen Dialog einspannt, von Eminem über Keith Richards und Britney Spears bis hin zu Gott, den er in „God Said No“ bittet, ihn in das Berlin der Nationalsozialisten zu versetzen, damit er Hitler töten kann. Und im epischen (Minuten langen) Talking Blues „Thanksgiving Day Parade” fragt Bern vor dem Hintergrund der traditionellen, vom Kaufhaus Macy´s einst ins Leben gerufenen Parade, ob das Leben nicht eigentlich ein Märchen sei und jeder unserer Schritte einem Traum gleiche. Musikalisch ist die CD geprägt von kraftvollen Folkrock-Rhythmen, wobei jedoch auch ruhigere Töne und klassische Singer/Songwriter-Melodien zu hören sind wie bei „Black Tornado“ und „Albuquerque Lullaby“ zu hören sind.

Michael Kleff


DIVERSE - American Polka – Old Tunes & New SoundsDIVERSE
American Polka – Old Tunes & New Sounds

(Trikont/Indigo Musik US-289)
25 Tracks, 69:07, mit ausführl. Begleitheft

Vor dem zweiten Weltkrieg war Whoopee John Wilfahrt hinter Bing Crosby und den Andrew Sisters der wichtigste Star der Firma Decca. Er spielte mit seiner Band Polka. Doch im Krieg sank der Stern: Sein Drummer wurde verdächtigt, Morsezeichen an Nazi-Spione im Publikum zu trommeln. Wer will, kann auf dieser CD die „New Ulm Polka“ hören, um die geheimen Botschaften endlich zu entschlüsseln.

Polka in den USA: zwischen Kitsch und Underground. Der Sampler präsentiert einen kompletten historischen Bogen, von Aufnahmen aus den 20er- und 30er-Jahren bis zum zeitgenössischen Polkaschaffen in den Staaten. Die Erscheinungsformen dieser Umpa-umpa-Musik wirken genauso vielfältig wie die Bandnamen: „The Happy Schnapps Combo“, „Polish Muslims“ oder „Das Fürleins“, letztere eine sagenumwobene reine Frauen-Polka-Kapelle aus den 80ern. „The Polkaholics“ grölen ihren „Happy Wanderer“ und die „Brave Combo“ nimmt sich mal wieder einen Rock-Klassiker vor: Hendrix´ „Purple Haze“.

Banal und genial, weggetreten oder hellwach – das lässt sich alles nachhören. Und mit der CD und handelsunüblichen Biermengen verwandelt jeder Vatis Gartenlaube in den heißesten Polkaclub Southside Chicago. Ein Tipp bei Gästen aus Fernost: Versuchen Sie es mit der Schnapps-Combo: „You Can´t Teach The Japanese To Polka“.

Volker Dick


JOHN COWAN - Always Take Me BackJOHN COWAN
Always Take Me Back

(Sugar Hill/Fenn Music Service SUG-CD-3932)
13 Tracks, 49:46; mit Texten

JERRY DOUGLAS
Lookout For Hope

(Sugar Hill/Fenn Music Service SUG-CD-3938)
11 Tracks, 48:34, mit Info

JERRY DOUGLAS - Lookout For HopeBeim Hören dieser beiden CDs werden Erinnerungen an die großen Zeiten von Bands wie New Grass Revival oder sporadisch auftreten Formationen wie Rowan-Douglas-O´Connor-Bush wach. Zeiten, in denen diese Musiker mit ihren frischen Klängen junges Publikum für die oft altbacken auftretende Bluegrass-Szene interessierte. Nach der Auflösung von New Grass Revival gingen die Mitglieder des so erfolgreichen Quartetts alle ihre eigenen Wege. Neben Bela Fleck, Pat Flynn und Sam Bush auch Bassist und Sänger John Cowan. Auf „Always Take Me Back“ gibt sich Cowan rockig, ohne seine Wurzeln aus den Bluegrass- und Newgrass-Jahren zu verstecken. Im Mittelpunkt aller Tracks steht jedoch Cowans beeindruckende Tenorstimme, die schon vielen New Grass-Songs ihren Stempel aufgedrückt hat. In seinen Liedern geht es um das Auf und Ab eines Familienlebens („Blood“, „18 Years“) ebenso wie um Gedanken zum Attentat in Oklahoma City („Read On“). Das Dobro steht natürlich ganz im Mittelpunkt von Jerry Douglas´ neuer Solo-CD. Wobei der begnadete Instrumentalist bei einigen der zehn Instrumentaltitel – gesungen wird nur bei „Footsteps Fall“, wo Maura O´Connell zu hören ist – auch zur Kona-Gitarre greift. Mit einigen usual suspects wie Drummer Larry Atamanuik, Fiddler Stuart Duncan und Mandolinist Sam Bush spielt sich Douglas durch ein weites Feld von Bluegrass-Traditionals bis hin zu ausschweifenden Improvisationen. Ein Höhepunkt unter vielen ist der Rockklassiker „Little Martha“ der Allman Brothers, den Douglas mit seinem Dobrospiel in eine mitreißende Stringband-Nummer verwandelt.

Michael Kleff


MICKEY HART - Over The Edge And Back -The Best OfMICKEY HART
Over The Edge And Back -The Best Of

(Ryko/Zomba 384.0385.2)
9 Tracks, 46:48

Man kann wohl keine Rezension über Mickey Hart schreiben, ohne die Grateful Dead zu erwähnen. Als Schlagzeuger dieser Ausnahmeband hat er die Weltmusik wohl näher kennen gelernt als mancher Studiotüftler. Folgerichtig schuf Mickey Hart in den letzten 25 Jahren etliche Meisterwerke der Ethnomusik. „Over The Edge” enthält neun repräsentative Werke dieser Zeit und wird zu einer „Best of”-Compilation ganz eigener Art. Alle Tracks wurden von Hart neu gemischt, und natürlich gibt es einen unveröffentlichten Track, nämlich „Call To The Nations”. Dieser Song, an dem neben Hart u.a. auch Phillip Glass mitkomponiert hat, wurde bei der Eröffnung der olympischen Spiele in Atlanta 1996 von hundert Percussionisten uraufgeführt. Die übrigen acht Tracks sind nicht weniger aufregend, sei es „Compound” aus der Apocalypse-Now-Phase, sei es „Udu Chant” von dem mit dem ersten World-Music-Grammy ausgezeichneten Projekt „Planet Drum”. So wird „Over The Edge” zu einer Rundreise durch die vielfältige Welt der Percussion. Dass Hart sich dabei nicht einmal in einem einzigen Fall auf die wissenschaftliche Entdeckung beschränkt, sondern durchgehend mit gut hörbaren Kompositionen zumeist aus dem Rocksektor arbeitet, macht einen Teil seines Genies aus.

Chris Elstroth


IAN & SYLVIA - The Complete Vanguard Studio RecordingsIAN & SYLVIA
The Complete Vanguard Studio Recordings

(Vanguard/ZYX Music 4VCD 196/99)
4-CD-Box ; 90 Tracks, 280:50, mit buchartigem Booklet

Für die älteren Folkfans unter den Lesern dürften die Stimmen von Ian und Sylvia Tyson für die Essenz des Folksounds nicht nur der kanadischen Szene in den frühen sechziger Jahren stehen. Ian und Sylvia sind auch mit der Karriere von Künstlern wie Gordon Lightfood und Joni Mitchell, die mit Coverversionen von u.a. „Early Morning Rain“, „For Lovin´ Me“ und „The Circle Game“ erste Erfolge feierten. Aber auch sie selbst hatten Songs in ihrem Repertoire, die bis heute ihre Faszination nicht verloren haben, darunter Sylvias „You Were On My Mind“ und Ians „Someday Soon“ sowie „Four Strong Winds“. Gleich sieben Alben von Ian & Sylvia sind jetzt auf den hier vorliegenden vier CDs zusammengestellt worden. „Ian & Sylvia“ (1963), „Four Strong Winds“ (1963), „Northern Journey“ (1964), „Early Morning Rain“ (1965), „Play One More“ (1966), „So Much For Dreaming“ (1966) und „Nashville“ (1968). Im umfangreichen Booklet – mit zahlreichen Fotos – zeichnet Tom Vickers Leben und Karriere der beiden kanadischen Künstler, deren Wege sich Anfang der siebziger Jahre trennten, bis heute nach. Ein empfehlenswertes Dokument der Folkgeschichte.

Michael Kleff


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