backRezensionen Deutschland


SPERRIS & WICCA
Polyvonne

(Eigenverlag)
13 Tracks, 48:23; mit Infos

Zweites Album des anglophilen Duos aus Münster: nach dem vielversprechenden Debüt lässt „Polyvone“ eine deutliche Weiterentwicklung erkennen. Sperris & Wicca überzeugen mit ex- pressivem Gesang, filigranem Finger- und Flat-Picking und eigenständigen Bearbeitungen überwiegend traditionellen Materials aus England, Irland und Schottland. Auf einigen Tracks bekommen Sängerin Sabine Hillen und Gitarrist Ralf Schomacher Unterstützung von den Gastmusikern Hendrik Hakanes (Violine) und Paul Kurtz (Bass), die die sparsamen und geschmackvollen Arrangements des Duos um einige interessante Nuancen bereichern . Sperris & Wicca bevorzugen deutlich die ruhigeren und melancholischen Töne, verträumte Stimmungen, mystische Balladen, die sie stets einfühlsam und angemessen interpretieren. Zwischendurch kann es auch schon mal lebhafter werden, wie Titel wie „Bobby Shaftoe“ beweisen. Ein großes Lob geht hierbei an die Songauswahl: Plattitüden und Cover beliebter keltischer ‚Sauf- und Rauf-Hits' werden geschickt vermieden. Eigenkompositionen wie „Life is a great affair“ lassen aufhorchen.

Anne-D. Marcordes


REINHOLD WESTERHEIDE - Valseana – Waltzes from Latin-AmericaREINHOLD WESTERHEIDE
Valseana – Waltzes from Latin-America

(Laika Records 3510155.2)
25 Tracks, 76:44; mit Infos

Eine CD randvoll mit kleinen gitarristischen Kostbarkeiten im ¾ Takt. Reinhold Westerheide spürt auf seiner programmatischen Einspielung „Valseana“ dem Phänomen des lateinamerikanischen Walzers nach. Paraguay, Venezuela und Brasilien sind die Stationen dieser ganz und gar nicht akademischen Studie des „Drehtanzes“. Die berühmten „Valses venezolanos“ eines Antonio Lauro dürfen da natürlich genauso wenig fehlen wie die Werke von Barrios Mangoré oder Villa-Lobos. Sehr schön ist die hinreißende und perkussiv sehr eindrucksvoll umgesetzte Interpretation des „Petit valse“ von Baden Powell. Das akustische Bild ist leicht, offen und transparent. Auch die größten technischen Klippen meistert Westerheide, den manche vielleicht als Duopartner von Ulli Bögershausen kennen, absolut lässig. Die Aufforderung zum Tanz am Ende des ausführlichen Booklets ist wohl ganz wörtlich zu nehmen, auch wenn einen nach gut 76 Minuten Walzer schon ein leichter Drehschwindel befallen kann.

Rolf Beydemüller


BIERMÖSL BLOSN - Räuber & WildererliederBIERMÖSL BLOSN
Räuber & Wildererlieder

(Mood Records 6702/Zweitausendeins)
16 Tracks, 46:53; mit Texten u. Infos

Hilfe – was ist das? Werden jetzt gar unsere bayerischen Vorzeigekabarettisten Biermösl Blosn ihren Prinzipen untreu? Ja und nein. Erstmals in ihrer Bandkarriere nahmen die Well-Brüder eine Platte nicht live auf, und erstmals enthält sie keine eigenen, sondern (mit Ausnahme von zwei Well-Vertonungen) rein traditionelle Lieder und Instrumentalstücke. Und erstmals es eine Art „Konzeptalbum“ geworden: Die Well-Brüder singen und spielen Lieder über bayerische Zeitgenossen, die man je nach Blickwinkel als Staatsfeind oder Nationialhelden bezeichnen kann, wie den „Boarischen Hiasl“ Matthäus Klostermair, den Räuber Matthias Kneissl, den Wildschütz Jennerwein und andere. Dabei ist es eigentlich so naheliegend: Wer wäre besser geeignet, die zahllosen Moritaten und erschröcklichen Räuberballaden glaubhafter zu interpretieren, als die aus einer alten bayerischen Volksmusikantenfamilie entstammenden Well-Brüder. Die verpassen den Liedern zwar mit authentischen Instrumenten recht traditionelle Arrangements, jedoch immer mit dem notwendigen Augenzwinkern (wenn sich schon mal ein Dudelsack oder eine Drehleier zwischen Alphorn, Zither, Steirisches Akkordeon, Harfe oder Tuba schleicht) zu interpretieren. Als Gast liefert der Kabarettist und langjährige Bühnenpartner der Gruppe, Gerhard Polt eine herzzerreißende, eine definitive Version des „Wildschütz Jennerwein“ ab.

Aufi gehts, kauf ma's!

Ulrich Joosten


BERTI KURZ
Der will doch nur spielen

(Eigenverlag)
20 Tracks, 53:38

Gleichsam als Heimspiel entstand die Einspielung des Liedermacher-Kabarett-Programms als Live-CD. Das sollte der Aufnahme sicher Atmosphäre geben (Kurz mit vielem Dank ans Publikum: „Ihr seid CD-tauglich“!). Das musikalische Arrangement ist einfach gestrickt und eingängig. Zwei Gastmusiker begleiten. Berthold Kurz bedient sich einer bewährten Persiflage, um mit seinen Hörern fiese gesellschaftliche und politische Alltäglichkeiten vordergründig zu verspotten. Manchmal wird – wie beim „Individualisten“ – die Satire bewusst ad absurdum geführt: „Wenn alle 'ne eigne Meinung haben, dann hab' ich sie auch, gerade die.“ So weit, so gut. Nur: Wenn angeblich Lehrer, Erzieher und andere Autoritäten im Lieblingslied (!) des zehnjährigen Kabarettisten-Sohnes nur „Buff-dadada, Blablablabla“ reden, wie kann da Achtung entstehen? Wie soll da ein Knirps zum Lernen und zur Neugier motiviert werden? Respektlosigkeit wechselt mit Banalität und Gemeinplätzen: „Es war einmal eine Nonne, die betete viel in der Sonne.“ Die Nonne träumte von einem Kind mit dem Papst; dagegen hat der gebürtige Düsseldorfer Kurz erfreulicherweise nichts einzuwenden. Er selbst träumt von seiner Welt ohne Krieg, Grenzen, Verbote, Sklaverei, Autorität, Sex und Crime, im Endeffekt vom „Karneval zu jeder Zeit“, man könnte auch platt sagen: „Buff-dadada, Blablablabla“. Mit zunehmenden Takes wird cum grano salis die CD vom Quer- zum Verquerdenken.

Stephan Rögner


REINIG, BRAUN + BÖHM - Verzehl ma nix – Lieder um die PfalzREINIG, BRAUN + BÖHM
Verzehl ma nix – Lieder um die Pfalz

(Pfalz Records PRCD 2002-01)
13 Tracks, 46:34; mit Infos

Ein ehemaliger Grashalm (Peter Braun) und zwei Ex-Siebenpfeiffer (Paul Reinig und Rüdiger Böhm) präsentieren auf ihrer Debüt-CD pfälzische Texte von lokalen Dichtern, eigene Kompositionen und traditionelle Tänze aus der Pfalz, meist in der heimischen Mundart gesungen und mit Instrumenten wie Gitarre, diat. Knopfakkordeon, Mandoline, Hackbrett, Blockföten, Krummhorn, Klavier und Cello eingespielt.

Eine gelungene Deutschfolk-CD ist dabei herausgekommen, die schöne Arrangements, angenehmen Gesang und hörenswerte Mundarttexte bietet. Teilweise Neuaufnahmen aus dem Repertoire ihrer Vorläufer-Bands wie „Luscht uff dich“ aus dem Grashalm-Repertoire, aber auch gut ausgewählte Texte wie „Brot der Heimat“, mit dem der jüdische Autor Kurt N. Berg aus Mannheim im Exil dieses etwas andere Heimatlied schrieb oder der Song „Noh'm Kriech“ von Friedel Römer, aber auch neuere Texte z.B. von dem Pfälzer Liedermacher Peter Schraß. Eine gelungener musikalischer Streifzug durch ihre Heimatregion, musikalisch vom ältesten bekannten Liebeslied aus der Pfalz („Var hin ze guoter Stunde“ um 1200 von Friedrich von Leiningen geschrieben) über traditionelle Tänze bis zum Pfälzer Rock'n'Roll.

Ulrich Joosten


THE BURNING BISCUIT BAND
Mere Morsels

(Whoope Records)
13 Tracks, 58:39; mit Infos

Spannende, lebendige und energiegeladene Musik eines in München ansässigen multinationalen Quintetts. Die erstaunliche stilistische Bandbreite der „Brennenden Kekse“ ergibt sich aus den unterschiedlichen musikalischen Einflüssen der verschiedenen Bandmitglieder, die – wie bei Gitarrist und Melodeonspieler Paul Richards – zwischen Abba und Zydeco rangieren . Zwischen traditionellen keltischen und englischen Tunes, Bluegrass, Jazz, Rock und Pop geht hier die Post gewaltig ab. Die Briten Paul Richards und Suzanne Booth (Voc.;Git.), der Ire Colm 0`Tuama und der deutsche Geiger Klaus Lamac überzeugen mit phantasievollem und authentischem Spiel, Charme und einer gehörigen Portion Frechheit. Spielerisch und unangestrengt verbinden sie so gegensätzliche Titel wie den Reel „ Silver Spear“, die alte Swing-Nummer „The Lady is a tramp“, einen bretonischen Csardàsz oder Annie Lennox`“Love is a stranger“ zu einer sehr selbständigen Mixtur. Hinzu kommen eine Reihe hörenswerter Eigenkompositionen aus der Feder verschiedener Bandmitglieder. Ein originelles Debut einer abgefahrenen Truppe, der ich ein größeres Publikum wünsche.

Anne-D. Marcordes


FOR FREE HANDS - Eastern MoodsFOR FREE HANDS
Eastern Moods

(Laika Records 3510150.2)
9 Tracks, 60:41

Folk- wie auch Jazz-Puristen werden vielleicht die Stirn runzeln, doch hier geht es um nichts weniger als Weltmusik, zeitgenössisch und doch verwurzelt im Reichtum teils jahrhundertealter Traditionen. Hans Hartmann am Chapmannstick, jenem beidhändig getappten 12saitigen „Griffbrett“, dessen Vorfahren z.B. Bassgitarre hießen, Andreas Brunn -Gitarren, Maurice de Martin – Drums/Perkussion und Vladimir Karpow –Saxophon/Flöte bilden wahrlich ein Quartett „freier Hände“.

Mit Zutaten aus Jazz, Rock und Funk einerseits und Zigeunermusik, Polka und bulgarischen Volksliedern andererseits erschaffen die Vier eine zuweilen verführerisch sphärische und sinnliche, dann wieder lebendig tanzende Welt voller Stimmungen und Fantasien, dabei die Möglichkeiten ihrer Instrumente immer weiter auslotend. Wie bereits beim Duo Hartmann/Brunn vibriert die Musik durch feinfühlige melodische und rhythmische Nuancierungen mit ungeraden Metren, eröffnen die Arrangements fließend Räume, in denen sich die teils beschwörenden Klänge ausbreiten oder quirlige, überschwängliche Begegnungen entstehen. Dabei verschmilzt das manchem Ungewohnte an zeitgenössischen, teils freien Elementen mit dem scheinbar Exotischen östlicher Traditionen so selbstverständlich, dass immer wieder eine geradezu intime Vertrautheit entsteht.

Steffen Basho-Junghans


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