Kolumnen sind was feines. Denn anders als bei einer Rezension kann man sich einen Einstieg mit einem wildfremden Thema erlauben, kann von der Tierwelt in der Hohen Tatra parlieren, von der Pracht eines Topfenpalatschinken schwärmen oder die technischen Daten der Ducati Monster S4 bewundern. Damit ist jetzt Schluss, jedenfalls an dieser Stelle. Die Kolumne wird eingestampft. Am Redakteur liegt's nicht, auch nicht an den Herausgebern, nicht am CvD und schon gar nicht am Autor. Es liegt am Ende des Kuba-Booms. 5 CDs sind in 4 Monaten eingetroffen, da wollen wir nicht länger viel Lärm drum machen. Das können CDs schließlich selber. Die CD "En Route" vom Orquesta Aragon zum Beispiel, der ältesten Band der Welt, älter als die Stones sogar, 1939 gegründet und noch nie von der Leiter gefallen. Und: kein Staub ist unter den Talaren, sondern pure Spielfreude und wahre Könnerschaft. Fröhliche kubanische Tanzmusik, mit vollem Orchester, inklusive Streichern und Gebläse: Aragon werden tatsächlich immer noch besser. Noch mehr Vergangenheit steckt im Album "The Cuban Legend - Maria Teresa Vera". Die Dame gab mit 16 ihr erstes Konzert. Das war 1911, und sie wurde ein Unikat, bis heute hochverehrt. Sie rauchte und soff, liebte kräftigen Eintopf und ließ sich nichts vormachen. Sie erlebte die ganze Entwicklung von den Trovadores bis zu den Son-Sextetten mit. Diese Entwicklung vollzieht auch das Album nach, was es zu einem wichtigen und wohlklingenden Dokument macht, das sicher nicht nur Nostalgiker anspricht. Ein ebenfalls weites Spektrum bietet der Sampler "El Son de Cuba", und schon die Namen sind Musik: Ibrahim Ferrer, Septeto Nacional Ignacio Pineiro, Guillermo Portabales, Compay Segundo, Candido Fabre, Irakere, Pio Leyva, Benny Moré - Ohr, was willst du mehr. Gehört auf jede Mojito-Party. Unentschlossenheit dagegen auch nach dem dritten Hören von "Àmame", dem Debut der Gruppe Proposisón. Das ist zweifelsfrei gekonnt, wie hier zum ersten Mal eine auf a-capella-Gesang spezialisierte Gruppe auf eine klassische Son-Band stößt. Aber zu sauber. Die Stimmen bewegen sich zu gleichförmig, keine Gegenläufe, kein Kontrapunkt - Synchronsingen. Die Idee ist großartig, aber da ist mehr drin. Wie das geht, zeigt das zweite Werk von Bayuba Cante, "Orunmila´s Dance". Schon im Intro des ersten Stückes umgarnen sich Sopransaxofon und Cello aufs Raffinierteste, der Gesang spinnt den Faden weiter, gesetzt in unterschiedlichen Intervallen, mit eigenständiger Linienführung, und schon kriegt das Ganze Farbe. Darunter eine jazzig-funkige Groove-Sektion, die millimetergenau auf den Punkt spielt, ohne steril zu wirken, und noch reichlich Raum für solistische Ausflüge lässt - das ist wirklich gut. Verdammt gut. Und Tschüss.
Luigi Lauer
Orquesta Aragon
En Route
(Lusafrica 362582/Sunny Moon)
14 Tracks, 68:43;
Maria Teresa Vera
The Cuban Legend
(Edenways2006-2/Bellaphon)
24 Tracks, 78:23; Infos in Spanisch, Französisch, Englisch, Deutsch
Diverse
El Son De Cuba
(Iris 3001850/Harmonia Mundi)
2 CDs, 28 Tracks, 1:47:35; Infos Englisch und Französisch
Proposisón
Ámame
(Endirecto ECD 008)
11 Tracks, 45:34
Bayuba Cante
Orunmila´s Dance
(Network 20.833/Zweitausendeins)
10 Tracks, 53:35; Infos in Englisch, Deutsch, Französisch
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