backRezensionen Nordamerika


HARRY BELAFONTE
Island In The Sun / The Complete Recordings 1949-1957

(Bear Family Records BCD 16262 EL)
5-CD Box (LP-Größe) mit 100-seitigem gebundenem Buch; CD 1: 28 Tracks; CD 2: 25 Tracks; CD 3: 25 Tracks; CD 4: 15 Tracks; CD 5: 19 Tracks;

Am 1. März wurde Harry Belafonte 75 Jahre alt. Er kann auf eine mittlerweile über 50 Jahre andauernde Karriere zurückblicken, die ihm unzählige Erfolge in der Musik- und Filmbranche gebracht hat. Rechtzeitig zum Wiegenfest hat Bear Family Records eine Box mit fünf CDs vorgelegt, die das Schaffen des Sängers, Entertainers, Schauspielers und politischen Aktivisten in den Jahren von 1949 bis 1957 in der für das Label in Hambergen bekannten Vollständigkeit dokumentieren. Natürlich sind alle bekannten Hits vertreten. Die Zusammenstellung straft aber auch alle Kritiker Lügen, die Belafonte gerne in die Ecke kitschiger Schlager stellen wollen. Dafür stehen vor allem seine frühen Aufnahmen, die er mit der Creme der New Yorker Jazzszene eingespielt hat. Ein besonders schönes Beispiel ist dafür gleich der Opener der ersten CD, "Lean On Me". Belafonte, der als einer der ersten farbigen Sänger auch von den alles beherrschenden weißen Funk- und Fernsehanstalten anerkannt wurde, hat mit seinem Erfolg den westlichen Pop bereits mit afrikanischen und jamaikanischen Rhythmen aufgemischt, bevor überhaupt Begriffe wie Reggae, Afro-Pop oder gar Weltmusik aufkamen. Darauf ist er durchaus stolz: "Wenn man mich als Pionier der Weltmusik bezeichnet, will ich das gerne akzeptieren." Im reichlich bebilderten und illustrierten Begleitbuch - die Betonung liegt wie immer bei Bear Family-Produktionen auf Buch - kommt Belafonte selbst zu Wort, und viele seiner Zeitgenossen und Kollegen berichten darüber, was sie mit Harry erlebten. Darunter Calypso-Star Lord Burgess sowie der Dirigent, Komponist und Arrangeur Robert DeCormier.

Michael Kleff


 DIVERSE - Preachin The Blues - The Music of Mississippi Fred McDowellDIVERSE
Preachin The Blues - The Music of Mississippi Fred McDowell

(Telarc/inakustik 83536)
12 Tracks, 51:26, mit Infos

Hochkonjunktur scheint zu haben, das Schaffen legendärer Blues-Gitarristen und Sänger von zeitgenössischen Musikern dieses Genres nachempfinden zu lassen. Nach den Robert Johnsons-Adepten und einer gelungenen Vorstellung von einigen bezeichnenden Songs dessen Lehrmeisters Son House wird nun der suggestive Delta Stil eines Fred McDowell ins 21. Jahrhundert transponiert. Jener lebte zwischen 1904 und 1972 größtenteils in der Gegend zwischen Memphis und dem nördlichen Mississippi und hinterließ deutliche Spuren in der Rockmusik der 60er und 70er Jahre. So coverten die Stones sein "You Gotta Move". Nun versuchen sich ganz aktuell Paul Geremia, Charlie Musselwhite, Anders Osborne, Steve James, Sue Foley, Kenny Neal, Gregg Hoover, Scott Holt, Tab Benoit, David Maxwell, Johnny Sansone und Brian Stoltz an seinen expressiven Interpretationen, die aus Blues, Country und Gospel schöpften. Vom klassischen Gesang mit akustischer Gitarrenbegleitung und Harmonika, über Solo-Piano bis hin zum elektrifizierten, kompletten Band-Sound sind hier Variationen zusammengestellt, um einem Mann und seinem persönlichen Stil Reverenz zu erweisen. Sauber produzierte Randy Labbe. Hier wird kein Klischee-Blues verunglimpft, sondern ein runder Überblick über einen exemplarischen Teil des epochalen Schaffens von Mississippi Fred McDowell gegeben. Für jene, denen dieser Ur-Blueser neu ist, ein gelungener Einstieg, für alte Hasen ein erfrischendes, oft überraschendes Deja-vu.

Annie Sauerwein


JIM ROONEY & ROONEY´S IRREGULARS
My Own Ignorant Way

(Appaloosa Records AP 143)
13 Tracks, 45:37; mit Infos

KATY MOFFAT
Cowboy Girl

(Shanachie 6054)
15 Tracks, 66:02; mit Infos

DEBI SMITH - Red Bird RedDEBI SMITH
Red Bird Red

(Shanachie 8037)
12 Tracks, 44:09; mit Texten

Jim Rooney besitzt viele Talente. In seiner nunmehr über 50 Jahre andauernden Karriere war er Musiker, Sänger, Autor, Geschäftsführer eines Plattenstudios ebenso wie Manager des legendären Club 47 in Cambridge/Boston und Mitveranstalter beim Newport Folk Festival. In den vergangenen 25 Jahren hat sich der heute in Nashville und in Irland, dem Land seiner Vorfahren, lebende Rooney vor allem einen Namen als Produzent gemacht. John Prine, Iris DeMent, Peter Rowan, Nanci Griffith und Sean Keane sind einige der Musiker, mit denen er gearbeitet hat. Mit "My Own Ignorant Way" ist Rooney nun selber auf hinter die Glasscheibe des Studios zurückgekehrt. Mit Rooney´s Irregulars, darunter "usual suspects" wie Pat Alger (Gitarre), Stuart Duncan (Mandoline) und Pat McLaughlin (Gitarre) hat der Sänger und Gitarrist Countryklassiker, Eigenkompositionen sowie Stücke von Hank Williams (u.a. "House Of Gold"), dem kürzlich verstorbenen Waylon Jennings (u.a. "Waymore´s Blues") und Hank Snow ("Music Makin´ Mama From Memphis") eingespielt. Dabei spielen Rooney und seine Irregulars die ganze Erfahrung aus, die sie den vielen Jahren ihrer Karriere gewonnen haben. Eine absolute Empfehlung in Sachen Countrymusik.

Das gilt auch für das neue Opus der Texanerin Katy Moffat. Unter dem passenden Titel "Cowboy Girl" entführt sie ihre ZuhörerInnen in die Welt der Cowboys. Mit ihrem langjährigen Kollegen David Wilkie von der Gruppe Cowboy Celtic singt Katy Moffat mit ihrer markanten Stimme über die Nöte und die Freuden der Gesetzeshüter, der Outlaws und der Siedler in Amerikas Westen. Neben zwei Eigen-Kompositionen ("Magdalena And The Jack Of Spades", "Black-Eyed Caballero") enthält "Cowboy Girl" Titel aus der Feder von Bruder Hugh, Joe Ely, Norman Blake und Tom Russell sowie weitere Klassiker des Genres. Produziert wurde die CD von David Wilkie, der auch als Sänger, Gitarrist und an der Mandoline auf der CD zu hören ist.

Diese Frau hat Stimme. Das stellt Debi Smith (ein Mitglied der Four Bitchin´ Babes) mit dem Puccini-Stück "O mio babino caro" (!) eindrucksvoll unter Beweis. "Red Bird Red" ist die dritte Solo-CD der Sängerin, Songschreiberin und Instrumentalistin (Gitarre, Bodhrán, Piano), auf der sie eine Reihe angesehener Instrumentalisten um sich versammelt hat. Ihre Balladen erzählen vom Alltag der Menschen. Wobei allerdings in erschreckender Weise die manchmal simple Denkweise vieler Amerikaner zum Ausdruck kommt, wie Krisensituationen zu erklären und zu lösen sind ("God Help Us"). Von dem Ausflug in die Welt der Oper und irischen Anklängen bei "Angels Calling" abgesehen, bewegt sich "Red Bird Red" musikalisch mehrheitlich auf dem Feld der Countrymusik. Wobei die CD für meinen Geschmack jedoch etwas zu "glatt" produziert ausgefallen ist und es an im Ohr bleibenden Höhepunkten mangelt.

Michael Kleff


RORY BLOCK - I´m Every WomanRORY BLOCK
I´m Every Woman

(Rounder/inakustik RRCD 3174)
14 Tracks, 49:44

Nach zahlreichen Alben, die von ihrer Liebe für den Countryblues und das Songschreiben geprägt sind, hat Rory Block mit ihrer 14. CD (nach ihrer eigenen Zählweise!) musikalisches Neuland betreten. Die 14 Songs sind eine Mischung unterschiedlicher Stile und reichen von a-capella-Stücken über akustische Songs bis hin zu einer Reihe ihrer persönlichen Soulklassiker. So finden sich auf "I´m Every Woman" Stücke u.a. von Al Green, Marvin Gaye, Teddy Pendergrass, Curtis Mayfield und Chaka Khan, die den Titelsong der CD aus der Feder von Ashford/Simpson einst zum Hit gemacht hat. Dieser Ausflug in die Welt der Soulmusik sei der viel geehrten Sängerin und Gitarristin gegönnt. Doch ihre wahren Stärken zeigt die mehrmalige Gewinnerin des W.C. Handy Awards, wenn sie sich auf ihrem ureigenem Terrain bewegt. Und das sind die akustischen Stücke sowie die a-capella-Songs, bei denen Blocks "Bluesseele" so richtig zum Ausdruck kommt. Dazu zählen beispielsweise ihre Duettnummern mit Kelly Joe Phelps bei "Pretty Polly" und Gaye Adegbalo (Saffire) bei "Sea Lion Woman" sowie mit Paul Rishell und Annie Raines bei dem Traditional "Rock Island Line".

Michael Kleff


 ED GERHARD - House of GuitarsED GERHARD
House of Guitars

(Virtue Records VRD 1925/The Creative Service Company)
11 Titel, 47:41, mit Kurzinfos)

Ein Album, auf dem nur alte, einfache (sprich: billige) Gitarren verwendet werden, als eine Art Reaktion auf die Manie zu "high-end" Gitarren und die Geringschätzung einfacherer Gitarren.... Fingerstylist Gerhard will eine Lanze brechen für diese Instrumente und zeigen, dass es der Musiker ist, der die Musik macht.

Mit dieser Idee, solche Gitarren, die irgendwann zuverlässig Dienste taten, zu einem höheren Musik -Level zu erheben, wird auch um das Album herum reichlich kokettiert. Gerhard spielt verschiedene Harmonys, Ohaus, Framus 12string, eine Maccaferri plastic archtop usw., mit all deren Eigenwilligkeiten, nimmt die alten, teils abgespielten Saiten in Kauf. Er schafft mit feinen Arrangements, in Ton und Sound einen bemerkenswert feinsinnigen, temperierten Wohlklang, bei dem sich Eigenwilligkeiten wie Besonderheiten einfügen, ja oft die besondere Würze einer Passage, einer Figur ergeben. Doch wo die eigenwilligen Charaktere vielleicht doch zu mehr kreativem Mut zum Experiment hätten verführen können (leider gibt's nur ein Solo-Stück), werden diese doch eher als exotische Gewürze genutzt in einer letztlich sehr glatten Produktion. So sehr viele Passagen gefährlich ohrwürmeln, fehlt mir insgesamt doch hier und da eine Zutat, hätte alles eine spannendere Exkursion seines Könnens werden können.

Steffen Basho-Junghans


MIMI & RICHARD FARIÑA - The Complete Vanguard RecordingsMIMI & RICHARD FARIÑA
The Complete Vanguard Recordings

(Vanguard/ZYX 3VCD 200/02)
3-CD Box mit 32-seitigem Booklet; 45 Tracks, 164:11

Über die große Bedeutung von Mimi und Richard Fariña für die Entwicklung des Folkrocks und ihre wichtige Rolle im Rahmen des Folkrevivals Anfang der sechziger Jahre hat der Folker! ja bereits ausführlich berichtet (Heft 6/2001). Wer sich davon bislang noch nicht musikalisch hat überzeugen können, dem bietet diese 3-CD Box jetzt die Gelegenheit. Darauf finden sich sämtliche Vanguard-Studioaufnahmen des Duos: "Celebrations For A Grey Day" (1965), "Reflections In A Crystal Wind" (1965) und "Memories" (1968). Als Bonus-Material kommen sieben bislang unveröffentlichte Live-Aufnahmen vom Newport Folk Festival 1965 hinzu, bei dem die Fariñas einige Tausend ZuhörerInnen im strömenden Regen mit ihrem Instrumentalspiel und ihrem Gesang begeisterten. Bei den Newport-Aufnahmen sind als Gäste des Duos u.a. zu hören Jean Ritchie, Peter Yarrow (bei "Pack Up Your Sorrows", einem Stück das Peter, Paul & Mary ein Jahr später selber aufnahmen) sowie Al Kooper an der elektrischen Gitarre und Kyle Garahan mit der Mundharmonika. Washtup-Bassist Fritz Richmond erinnert sich im Booklet daran, dass vom Newport Festival 1965 neben der ersten "elektrischen" Darbietung Bob Dylans vor allem der Auftritt von Mimi und Richard Fariña in Erinnerung geblieben sei. In einem mit bislang unveröffentlichten Fotos illustrierten ausführlichen Beitrag würdigt Todd Everett die nur kurze Karriere der Fariñas. Hinzu kommen die Original-Linernotes der seinerzeit erschienenen Alben.

Michael Kleff


DIVERSE - Blues From The Heart Of DixieDIVERSE
Blues From The Heart Of Dixie

(Taxim 1044-2 TA/inakustik)
16 Tracks, 68:56, mit ausführlichen Infos

Ein Musikerpaar stellte die vorliegende CD mit dem regionalen Schwerpunkt Alabama zusammen. Die Sängerin und Gitarristin Debbie Bond und der Gitarrist und Sänger Billy Earl McClelland. Beide sind seit Jahren im Blues- und Singer-Songwriter-Milieu zu Hause. So finden sich kraftvolle, zeitgenössische Blues-Nummern jeweils mit eigener Band von u.a. Billy C Farlow, Topper Price, James und Lucky Peterson, Eddie Kirkland, Gary Edmonds, George Butler, Little Jimmy Reed, Clarence und Curtis Butler, Big Bo McGee, Microwave Dave, Elnora Spencer, Willie King, Jerry McCain, sowie der beiden Produzenten. Beigelegt ist ein 24-seitiges s/w Booklet mit stimmungsvollen Bildern, etwa vom Spezialisten des Metiers, Axel Küstner. Es wurde von 1976 bis ins Jahr 2001 in verschiedenen Studios aufgenommen und gemischt. Für die nötige Stimmung traf man sich auch schon mal im bekannten House of Blues in Memphis, Tennessee. Hier wird dokumentiert, wie die Zusammenarbeit von schwarzen und weißen Blues-Musikern klingen kann. Alle Songs sind Einstiegshilfen für die Soloscheiben der Musiker und geben einen Querschnitt der Arbeit ihrer Bandprojekte wieder. Interessante Beispiele von traditionellem und modernisiertem Blues.

Annie Sauerwein


RICE; RICE, HILLMAN & PEDERSEN
Running Wild

(Rounder/inakustik RRCD 0483)
12 Tracks, 35:29; mit Infos

HOT STRING QUINTET
5AUSBLN

(HSQ 0815/100)
13 Tracks, 44:59

HOT STRING QUINTET - Jukebox FavouritesHOT STRING QUINTET
Jukebox Favourites

(Undo Records/HSQ 0815/1970)
10 Tracks, 33:20

Tony und Larry Rice, Chris Hillman und Herb Pedersen. Diese vier Musiker mit langer Geschichte - die Byrds, die Flying Burrito Brothers, das David Grisman Quartet, J.D. Crowe & The New South, die Bluegrass Album Band, die Desert Rose Band, die Laurel Canyon Ramblers sind einige der Stationen ihrer individuellen Karrieren - sind auf der Bühne selten gemeinsam zu erleben. So ist es erfreulich, dass die Bluegrass-Veteranen sich, wenn mit einer Laufzeit von gerade einmal 35 Minuten auch nur reichlich kurz, die Ehre geben, eine neue CD vorzulegen. Nicht nur für Bluegrass-Freunde sollte "Running Wild" einen Leckerbissen darstellen. Das liegt u.a. daran, dass Hillman und Pedersen nicht aus den Mutterstaaten des Bluegrass kommen, sondern aus Kalifornien. Die Rice-Brüder stammen zwar aus North Carolina, doch machten sie ihre ersten praktischen Bluegrass-Erfahrungen ebensfalls im Sonnenstaat an der amerikanischen Ostküste, wo sie sich 1963 zum ersten Mal begegneten. Folk und Rock, die dort beide eine ganz andere Rolle als in den Bergen der Appalachen spielten, hinterließen ihre bis heute unüberhörbaren Spuren. Daher klingen Bluegrass-Versionen von Bands wie den Beatles ("Things We Said Today") oder Stephen Stills´ Manassas ("4+20") bei Rice, Rice, Hillman & Pedersen auch ganz natürlich. Das wird besonders beim Gitarrenspiel von Tony Rice deutlich, der - beeinflusst vor allem von Clarence White - eher ein Sologitarrist ist als der für den Bluegrass typischen Rhythmusspieler.

Wahrlich nicht aus dem Mutterland des Bluegrass kommt das Hot String Quintet. Sind seine Mitglieder, wie der Titel der CD "5AUSBLN" versteckt andeutet, doch aus Berlin. Stilistisch erinnert das Quintett an Newgrass-Bands wie Skyline und New Grass Revival oder Béla Fleck und die Flecktones (u.a. bei "I´ll Know You" oder "Swallow The Flecktones"). Alle 13 Tracks sind Eigenkompositionen, darunter fünf aus der Feder von Banjo-Spieler Andreas David und vier von Sänger und Gitarrist Friedrich Barniske. Dabei überraschen sie z.B. mit einem wunderschönen Banjo/Fiddle-Wechselspiel, das eine Rap-Einlage auf "Orient Express" vorbereitet. Das Ergebnis muss sich nicht hinter den amerikanischen Originalen verstecken. Daher ist es auch nicht überraschend, dass selbst das eher konservative Magazin Bluegrass Unlimited "5AUSBLN" empfiehlt.

Auf "Jukebox Favourites" spielt sich die Berliner Band durch einige Rockmusik-Hits der 60er, 70er und 80er Jahre. Da gibt es dann u.a. Manfred Mann ("Fox On The Run"), die Beatles ("You Won´t See Me"), Prince ("Purple Rain") und T. Rex ("Ride A White Swan"). Oldies im Bluegrass-Gewand, das muss meiner Ansicht nach nicht sein.

Michael Kleff


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