backRezensionen Europa


THE IAN BRUCE BAND - Jigs, Jives & JacobitesTHE IAN BRUCE BAND
Jigs, Jives & Jacobites

(Linn Records/Koch Classics AKD 173)
12 Tracks, 50:28; mit Texten

Live ist Ian Bruce ziemlich unschlagbar, daher war es eine gute Idee, die aktuelle CD im Riverside Club in Glasgow direkt einzuspielen. Dazu kommen mit seinen Namensvettern Fraser (Fiddle) und Lowthian (Akkordeon) Mitmusikanten, die einen riesigen Erfahrungsschatz vorweisen können. Lediglich den Percussionisten hätte man sich sparen können. 1x Burns, 1x Byron, diverse Tunes von Mr. Lowthian und natürlich und hauptsächlich Lieder von Ian Bruce, wie wir sie kennen und als seine Fans lieben. Wer spricht seine Probleme so offen aus ("Where should I go"), wer schreibt ein absolut nicht peinliches Lied über eine verblichene Katze ("Namenlos") oder wer sagt Konzert-Hooligans die Meinung und offenbart trotzdem einen Blick in die Künstlerseele ("Pearls Before Swines")? Eingängige Melodien und seine kräftige Stimme sorgen dafür, dass die Fans diese CD mit Freuden in ihre Bruce-Sammlung einreihen werden. Einzige Enttäuschung: das schottische Publikum, was trotz des überzeugenden Materials und mehrfacher Aufforderung partout nicht mitsingen will. Lösung: die nächste Live-CD in Deutschland aufnehmen.

Mike Kamp


MALAGÜERO
Latitudes

(sonifolk 20160)
10 Tracks, 47:42, span. Infos u. Texte

LAIO
Como Corre O Tempo

(peermusic CD 13010)
10 Tracks, 42:48

Malagüero ist eine erst seit wenigen Jahren bestehende spanische Folkrockband, die hier ihr erstes Album vorlegt. Die Musiker um die herausragende Stimme von Yolanda Pedreño Vidal entstammen den verschiedensten Genres, Klassik, Jazz, Pop, Folk. Entsprechend vielseitig ist das Programm, das auf den diversen Roots spanischer Musik wie auch anderer mittelmeerischer Regionen fußt. Die Bandbreite einer Gruppe in ihrem ersten Album aufzuzeigen ist eigentlich immer richtig. Man muss dafür in Kauf nehmen, dass einige Titel abfallen. Wäre dies eine LP, so würde ich nur die B-Seite empfehlen (ab Track 5), die mehr als eine Klasse besser ist als die ersten vier, doch belanglos poppigen Titel, sowohl was Titelauswahl, Stilsicherheit und Einfallsreichtum der Arrangements betrifft. Malagüero sind neben der Sängerin: Lucas Albaladejo (p, kb), Carlos Lopez Esparza (dr), Andres Sandoval Morillas (v), Francis Javier Navarro Arroyo (fl, Dulcimer, Pipes), Juan Antonio Peña Tudela (g, perc).

"Celtic flavoured Music" bietet die galizische Formation Laio um den Gaita-Spieler Edelmiro Fernández (bekannt vom "Pilgrim"-Album Shaun Daveys), der in den ersten Stücken allerdings zugunsten jazzig-funkiger Bläser in den Hintergrund tritt. Folkiger wird die Scheibe erst ab Track 6, wobei das galizische Element nach meinem Dafürhalten stärker zur Geltung kommen sollte.

Andel Bollé


QUILTY - I'm Here Because I'm HereQUILTY
I'm Here Because I'm Here

(Eigenverlag)
15 Tracks, 51:44, mit engl. Texten u. schwed. Infos

Hej, schön, dass Ihr hier seid! Zwar war ich nach dem ersten Titel, "Ye Jacobites by Name", schon fast dabei, Euch schwedischen Iren in die Ecke der vielen tausend ähnlich klingenden Traditional Irish Folk Bands mit identischem Programm zu packen, aber nein! Da ist mehr im Spiel als das Herunterrasseln von Standards. Punkt 1: Schöner Satzgesang (Barret's Privateers!). Punkt 2: Es groovt auf Gitarre, Banjo, Bouzouki, Mandoline und Kontrabass, zuweilen unterstützt von Bodhrán und Perkussion. Punkt 3: Die Fiddle wird typisch irisch gespielt und hat doch auch ein wenig was von schwedischer Tradition - oder bilde ich mir das nur ein? Lasst es drin! Punkt 4: Es braucht gar nicht viel, nur die richtigen Einfälle, um alte Freunde so zu arrangieren, dass man großen Spaß beim Hören hat, am liebsten mitspielen, mitsummen oder die Füße (möglichst schnell) bewegen möchte. Planxty haben es vorgemacht und viele sind daran gescheitert. Die hier nicht. Und was das Schönste ist, Quilty (Dag Westling, Gideon Andersson, Esbjörn Hazelius) sind tatsächlich immer mal hier. Hingehen!

Kerstin Braun


MELO X
Do

(Quinton 0103-2)
9 Tracks, 51:09; mit Texten u. Infos

Worldmusic in edelster Bedeutung des Wortes wird uns hier präsentiert. Da werden Samples mit Jazzfusion kombiniert, ein fetziges Schlagzeug trifft auf traditionellen Gesang, Technobeats jagen über die Kontinente, landen mal in Tuva, mal bei den Inuit. Dabei bildet das Saxophon eine Klammer, die aus völlig gegensätzlichen Elementen ein harmonisches Album schafft. "Do" klingt sehr westlich und unterscheidet sich dadurch erheblich von den üblichen Worldmusic-Produktionen, die verständlicherweise gerade versuchen, die Authentizität der Einflüsse zu wahren. Dadurch klingt das Album wie aus einem Guss, es entsteht ein neuer Stil ohne benennbare Wurzeln, auch wenn die 'Roots' allgegenwärtig hörbar sind.

Das Artwork ist so liebevoll und zeitgemäß wie die Kompositionen. Man muss schon einen Hang zu modernen Bläsersätzen haben, um mit dieser Veröffentlichung warm zu werden. Sax-Liebhaber erhalten hier aber ein Schmuckstück, welches vermutlich (schon wegen des leichten Überformats des Covers) einen besonderen Platz in der CD-Sammlung bekommen wird.

Chris Elstroth


GARY & VERA ASPEY
...travelled the road

(Eigenverlag GVCD 01)
13 Tracks, 49:26, mit Infos

Verglichen mit früheren Aufnahmen ist dieses 2001er Werk eine leichte Enttäuschung, auch wenn es nach mehrfachem Hören besser klingt. Die CD wird treue Gary & Vera-Fans erfreuen, denn Tonträger von ihnen gibt es selten genug und auch als Souvenir eines gelungenen Konzertabends ist nichts gegen den Tonträger einzuwenden. Der ganz spezielle Gary & Vera-Harmoniegesang jedoch, der uns in den 70ern umgehauen hat, der fehlt schmerzlich. Gary übernimmt die meisten Soloparts und man hat fast das Gefühl, dass sich Vera hinter seiner Stimme versteckt. Ihr Gesang fehlt einfach, zumal Gary nicht eben der geborene Leadsänger ist. Seine Stimme klingt häufig unnatürlich hoch, was einigen Songs und Refrains nicht gut tut, z.B. "Wasting Time" oder "Man of the Road", wobei letzteres Stück zusätzlich schlecht produziert ist. Live mag das klappen, aber nicht auf CD. Der Fairnis halber sei erwähnt, das die Harmonien und der Zauber von Gary & Vera bei Stücken wie "Over the Lancashire Hills", "Song for Bowdoin", "Run River" oder "The Price of Coal" durchschimmern, aber zumindest für diesen langjährigen Fan und Freund reicht das nicht.

Gary & Vera kommen nur noch selten nach Deutschland, daher wird ihnen diese CD kaum neue Fans einbringen, aber alte Fans sollten sich ihre eigene Meinung bilden.

Mary John Kamp


 EMIEL VAN DIJK - Across The BordersEMIEL VAN DIJK
Across The Borders

(Acoustic Music Records/Zomba 319.1254.2)
16 Tracks, 57:06, mit Infos

Der 'neue' Mann aus den Niederlanden stellt direkt im ersten Stück seines Deutschland Debüts klar: "Geht nicht, gibt's nicht". Was da an Virtuosität, raffiniertem Arrangement und rhythmischer Komplexität geboten wird, lässt einem für gut vier Minuten den Mund offen stehen. Aber das ist erst der Anfang. Souverän wechselt der diplomierte Klassikgitarrist von Nylons zu Stahlsaiten, von der Flamencogitarre zur 12-saitigen. Derart grenzüberschreitend auch das musikalische Spektrum. Leichthändig, stilsicher und mit großem Ton führt van Dijks Weg durch Mexiko, Cuba, Spanien, Brasilien und einige nicht ganz einwandfrei bestimmbare Gegenden. Percussionist Onno Witte setzt dezente rhythmische Glanzlichter, äußerst präzise und durchdacht. Sehr überraschend ist die Bearbeitung des berühmten "Adagio for strings" von Samuel Barber, das schon häufig als Filmmusik ergreifende Szenen noch ergreifender gemacht hat. Wetten, dass das noch niemand so 'funky' interpretiert hat. Überhaupt groovt das ganze Album mächtig. Wie locker van Dijk Bassfiguren, Improvisation und Akkordspiel miteinander verbindet, ist einfach unverschämt gut. Ein wohlgemeinter Rat an alle Gitarristen: Nehmt euch ein Stündchen Zeit, genießt das tolle Album und seid nicht neidisch, denn: "Geht nicht, gibt's doch" - nur nicht für Emiel van Dijk.

Rolf Beydemüller


 CLAIRE BYRNE / DARRAGH MURPHY / BARRY KERR / PATRICK DAVEY - The Humours of PipingCLAIRE BYRNE / DARRAGH MURPHY / BARRY KERR / PATRICK DAVEY
The Humours of Piping

(Lochshore CDLDL 1299)
16 Tracks, 52:55, mit Infos

Der Titel signalisiert bereits deutlich, was uns erwartet: Herzerfrischendes Uilleann Piping mit dem Schwergewicht auf "Geantrai" - dem fröhlichen Element der irischen Tradition. Mit viel Verve und Spielfreude, aber auch diszipliniert mit vorbildlicher Rhythmik und Fingerfertigkeit zeigen vier junge Piper aus Nordirland ihr Können. Viele Tunes abseits des "traditionellen" Piping Repertoires werden geboten - sehr erbaulich. Besonders erwähnenswert sind Arrangements von Kompositionen von Liz Carroll und Paddy O'Brien (# 15 bzw. 1 & 14), Patrick Davey's Eigenkompositionen, Bearbeitungen von "O'Rourke's/Maggie Rafferty" und der Hymne "Día do Bheatha". Dabei glänzen die vier mit einem phänomenalen musikalisch-technischen Standard!

Ihre Klang-Stilistik kann am besten als modernes "Middle-of-the-Road"- Piping bezeichnet werden (gemeint ist damit eine Einbindung von stakkatierten Phrasen in offene, gebundene Linien) mit einer deutlichen Tendenz zum Legato-Spiel. Zur klanglichen Abrundung wird Gitarrenbacking spendiert.

Nur eine kleine Kritik an Aufnahmetechnik - nicht immer "high-end" - und Liner Notes sei erlaubt: Weder erfahren wir das Alter der Musiker und die, wie ich meine, wichtigen Informationen zu den gespielten Stücken fehlen fast ganz.

Eine wunderschöne CD für Uilleann Pipes Liebhaber und alle, denen es an einem ernsthaftes Studium der irischen Musik gelegen ist.

Johannes Schiefner


PLOMMON - Sah!PLOMMON
Sah!

(Akku Disk ADCD 3035)
15 Tracks, 55:36; mit Texten in Schwedisch und Englischer Sprache

Nachdem ich in der letzten Ausgabe die Gruppe in einem Artikel vorstellen durfte, habe ich nun die Freude, ihr neues Album zu rezensieren. Noch einmal für alle, die den Artikel noch nicht gelesen haben - Plommon sind fünf schwedische Mädchen, die schon seit 10 Jahren als Gruppe musizieren. Während dieser Zeit hat es nur eine Umbesetzung gegeben, Gründungsmitglied Ingeborg Svenonius verließ die Band vor etwa drei Jahren, dafür kam Anna Elwing hinzu. Diese CD ist die erste mit Anna.

Plommon sind eine junge akustische Band, die sich auf Geigenmusik - bis zu fünf (!) - und (mehrstimmigen) Gesang spezialisieren, hinzu kommt ein Harmonium und ab und zu mal eine Blockföte. Die Instrumentaltitel sind meist eher schnell und energiegeladen. Bei den Liedern gibt es zum einen die mehrstimmigen, oft etwas frech klingenden, die schon eine sehr lange Plommon-Tradition haben - zum anderen singt Anna Elwing auch einige Lieder allein. Und gerade diese Momente sind gänsehaut-erzeugend. Anna hat eine tolle Stimme und kann locker einen großen Saal völlig in ihren Bann ziehen.

Das Album wurde im September 2001 im "Taraxacum" in Leer live aufgenommen und das ist kein Nachteil. Die Produktionsqualität ist hervorragend und man kann die pure Energie der fünf bei einem Konzert auf dieser CD spüren. Mich stört nur das Mitgeklatsche des Publikums auf dem allerletzten Track - aber was soll's, insgesamt ist es eine sehr gelungene CD.

Christian Moll


SEÁN TYRRELL
Belladonna

(Longwalk Music LMCD 003)
18 Tracks, 67:41; mit Infos u. engl. Texten

Warnhinweise wegen problematischer Texte findet man ja z. B. bei HipHop-Platten - aber bei einer Folk-CD? Am Schluss des Booklets notiert Tyrrell ganz unverblümt: "Ich bin bezichtigt worden, ein Romantiker, Melancholiker und manchmal Zyniker zu sein. Diese CD ist freimütig mit beiden ersten bestückt und berührt auch letzteren." In der Tat bewegt sich Tyrrell schon immer abseits des "Happy-go-lucky"-(Irish)Folks. Und manchmal heißt es angesichts recht schwermütiger Songs wahrlich tief durchatmen. Aber diese Nachdenklichkeit, dieses Eintauchen in anrührende Geschichten und versponnene Gedichte ist genau seine Stärke. Er ist kein klassischer Singer/Songwriter. Tyrrell ist stets auf der Suche nach Texten fremder Autoren, die sich seiner Ansicht nach lohnen, vertont zu werden. Und da hat er längst eine anerkannte Meisterschaft erworben. Ob das skurrile Zauberergedicht "Hocus Pocus" oder das verquere Poem W. B. Yeats ("The Stolen Child"), es gelingt ihm einfach, den passenden musikalischen Rahmen zu bauen. Zu den vertonten Gedichten gesellte er Balladen, die er früher im Repertoire hatte und die ihm wieder wichtig sind; dazwischen einige Jigs'n'Reels, und mit "An Spailpín Fánach" ein richtig lustiges Volkslied dazu. Aufgenommen wurde das Album mit zahlreichen Freunden in seinem Haus im Co. Clare. Das alles klingt sehr intim, hat einen gewissen ungeschliffenen Live-Charakter. Ein ergreifendes Album, für das man Zeit und Ruhe braucht.

Roland Schmitt


DIVERSE
This Lable Is Not Removable

(Free Reed FRTCD25)
Dreifach-CD, 61 Tracks, 224:08, mit Infos

Bear Family ist berühmt für ihre extensiven CD-Boxen, aber Neil Wayne ist dabei, seine Firma Free Reed ebenfalls in dieser Kategorie zu etablieren (s.a. die Martin Carthy-Box, Folker 6/2001). Gemeinsame Merkmale: minutiös recherchiertes Material und umfangreiche Dokumentation. Das liebe ich, wenn ich die Musik hören und mich gleichzeitig über ihren sozialen und historischen Hintergrund informieren kann.

Bei dem aktuellen Projekt geht es um das Free Reed-Label selber sowie sein Archiv und wenn Neil Wayne sich in diesem Zusammenhang ein wenig selber feiert, dann ist das mehr als legitim, denn er IST Free Reed. Es macht wenig Sinn, auf jedes der unzähligen Details auf den drei CDs einzugehen. Die Künstler reichen von unbekannt bis sehr bekannt (z.B. Fairport, Nic Jones, John Kirkpatrick oder June Tabor), der Spaßfaktor ist davon unabhängig hoch. Neben Tracks von Veröffentlichungen aus den 70ern und 80ern hat erfreulich viel bislang unveröffentlichtes Material Verwendung gefunden. Bemerkenswert sind zwei Dinge. Zum einen lautet das populärste Instrument nicht Gitarre oder Fiddle, sondern Concertina. Auch das liegt in der Person Wayne begründet, die Concertina ist sein Lieblingsinstrument und sein Label begann als Magazin für eben jenen Zieh- und Drück-Balg. Und zum anderen präsentieren die CDs bewusst oder unbewusst überwiegend englische Musik im Gegensatz zur üblichen irisch/schottischen Dominanz.

Fazit: für Freunde von Concertina und/oder englischer Musik schlicht ein Muss.

Mike Kamp


WAGNER PÁ
Brazuca Matraca

(Virgin - Exil Musik LC 1286-2 LC 08972)
12 Tracks, 56:41; mit Texten u. Infos

Beim ersten Einhören überrascht und verunsichert Wagner Pás "Brazuca Matraca" ein wenig. Da singt einer meist spanisch mit brasilianischem Akzent - fast so weich und lässig wie Urvater Carlos Jobim. Bossa Nova klingt an, um bald darauf pan-lateinamerikanisch bis global zu werden. Wagner Pás weltmusikalischer Rundumschlag hat einen guten Grund: 1986 zog er als Zwanzigjähriger vom "Arsch der Welt" - culo del mundo - und von der "Farbigen Welt" - color del mundo - (Wagner Pá) von Brasilien nach Barcelona, wo seine Mutter auf dem braslianischen Konsulat arbeitete. Dort angekommen, gehörte er bald zum Freundeskreis von musikalischen Weltenwanderern wie Fermin Muguruza oder Manu Chao. Diese Einflüsse sind unverkennbar auf dem Album, das sicher ein wenig Abwechslung auf den Dance Floor bringen wird. Allerdings kommt bei längerem Anhören der CD eher Langeweile auf: Manche Lieder haben gar wenig Fleisch auf den Knochen und die gesampelten Beats tragen auch nicht gerade zur Spannung bei. Einige Lieder, wie "Falando alta" oder "Folia" riechen aber bekömmlich nach Sommer und Wärme.

Martin Steiner


 AL COOK - The Country BluesAL COOK
The Country Blues

(Wolf Records 120.972 CD)
18 Tracks, 64:39; mit Infos

Al Cook gilt in Wien als Blues-Pionier. Er spielte schon Anfang der 60er Jahre Bottleneck-Gitarre und ließ in Folklokalen und Wienerlied-Gaststätten aufhorchen. Der Veteran hat nun sein 11. Album seit 1970 fertiggestellt. Die 18 selbstproduzierten Songs sind wieder eine Zeitreise durch antike Stile des Pre-War-Blues. Ähnlich wie auf früheren Alben schuf Al Cook (alias Alois Koch) kleine Blues-Vignetten, die Musik und Leben seiner Idole widerspiegeln: Tommy Johnson, Son House, Robert Johnson und u.a. Auch ein einsamer Wolf wie der Individualist Cook kommt nicht ohne Freunde aus. Neben anderen ist dies der wunderbare Harmonica-Spieler Stefan Rausch sowie zwei interessante Blues-Ladies: neben einer gewissen Karin Daym auch die großartige junge Kathie Kern, selbst eine begabte Blues-Pickerin. Stimmlich ist Cook seinem Schellack-Timbre treu geblieben und auch der Rest ist Al Cook pur, ob Boogie-Piano oder Gitarre. Vielleicht ist dies das schnörkelloseste und purste Blues-Album, dass er je aufgenommen hat. Es wurde auf Rundung und Glättung des Sounds wohl bewusst verzichtet, deshalb muss man das Schnarren von Saiten und andere Nebengeräusche wohl in Kauf nehmen.

Jörg Eiben


CLIAR & GUESTS - Lasair Dhè - Flame Of GodCLIAR & GUESTS
Lasair Dhè - Flame Of God

(Macmeanmna SKYECD19)
16 Tracks, 70:55; mit Texten gäl./engl.

Wenn die schottisch-gälische Gruppe Cliar (s.a. "Die Besondere" Folker 4/2000) hier von Gästen redet, dann kommen sie in Stärke von Hundertschaften. Neben Kenna Campbell und Donnie Murdo MacLeod sind ca. 200 stimmgewaltige Mitglieder zu hören, Gäste aus den über 30 existierenden gälischen Chöre in Schottland. Cliar und Chöre stehen musikalisch auch im Mittelpunkt dieser CD. 1999 bekam Mary Ann Kennedy von der Gruppe Cliar den (bezahlten) Auftrag, ein neues Werk basierend auf gälischen Psalmen zu schaffen. So suchten sich sieben Komponisten unter der Leitung von Mary Ann Kennedy ihre bevorzugten Psalmen aus und das Resultat präsentierten Cliar und sämtlich Gäste mehrfach unter riesigem Applaus live. Bei diesen Konzerten wurde vorliegende CD auch mitgeschnitten. Haben Sie also ein Interesse an gälischer Sprache und/oder religiöser Musik und/oder Chormusik und/oder Folk a la Cliar? Dann ist die CD für Sie unverzichtbar.

Mike Kamp


 LÁ LUGH - Senex PuerLÁ LUGH
Senex Puer

(Sony Classical 60385)
14 Tracks, 57:12; mit Texten ir./eng. und Infos

Das Info schwindelt, und das ist ein Glück. Lá Lugh treten nicht in die Fußstapfen von Enya, denn irische Gesänge in einer Kirche gesungen klingen immer ein bissel 'wie Enya', dabei haben sich nur alle aus derselben Tradition bedient, wie schon tausend Kirchgemeinden vor ihnen. Aber diese hier, die sich mit Lá Lugh auf den altirischen Sonnengott beziehen, klingen wesentlich bodenständiger; die Stimme von Eithne Ní Uallacháin (die offenbar auch die meisten Chorstimmen erledigt hat) ist als körperliche Stimme (selbst mit viel Kirchenhall) wahrnehmbar und nicht als irgendwo im Raum hängendes Energiefeld, und sie singt in sehr traditioneller Art Lieder einer traditionsreichen Gegend, nämlich des heutigen Co. Louth, und bezieht mit dem lateinisch-irischen Senex Puer (Deus Meus) auch klösterliche Traditionen ein. Dabei wechseln dank Gastmusikern sehr sparsame 'traditionelle' Arrangements, z.B. Fiddle und Gitarre, mit 'exotischen' (Didgeridoo zur Verstärkung der geheimnisvollen Keltenstimmung) oder gar angerockten, und Neil Martins Cello ist sowieso fast immer dabei. Und wenn die schnellen Fiddlestücke, die der zweite Teil des Nukleus von Lá Lugh, Gerry O'Connor, spielt, an "Riverdance" erinnert, dann klängen sie auch wie die Corrs, weil Jim Corr die Tasten drückt - aber das tun sie definitiv nicht, sondern zeigen ein sehr eigenes musikalisches Gesicht.

Kerstin Braun


DRONES & BELLOWS
The Dancing Dog

(Eigenverlag)
12 Tracks, 49:41; mit Texten u. Infos

Das dritte Album der dänisch-schottischen Band aus Tønder. Pamela Naylor (Smallpipes, Flute,Whistle, Piano,Voc.) und ihre Kollegen überzeugen mit einer ausgewogenen Mischung aus fetzig präsentierten Tunes und zumeist ruhigeren, melancholischen Songs. Als Produzent zeichnet Multitalent Brian McNeill (der schon wieder !) verantwortlich, der auch mehrmals als Gastmusiker in den Vordergrund tritt und einen bisher unveröffentlichten Song ("The wind is a hard hard forester") beisteuert.

Auffällig ist, dass sich auf "The Dancing Dog" im Gegensatz zu den Vorgängern wesentlich mehr Eigenkompositionen verschiedener Bandmitglieder befinden; und diese stehen traditionellen Tunes kaum nach, werden mit Versiertheit, Spielfreude und bisweilen einem frechen Augenzwinkern rübergebracht. So ist "Ludwig`s Lyst" (aus der Feder von Melodeon-Spieler Halvor Bogh) die eigenwillige Adaption einer Beethoven -Sonatina. Der Set of Jigs "Breaking the Ice"/"Out of the Crisis"/"Brian`s Fault" beweist, dass die Band ihre Lektion in traditioneller keltischer Musik sorgfältig gelernt hat. Das schottische Element steht in der Musik von Drones & Bellows klar im Vordergrund - dänische oder skandinavische Anklänge kommen eher subtil zum Tragen, lassen sich meist nur erahnen. Vielleicht macht gerade das den 'besonderen Sound' aus, den das amerikanische Internet-Magazin "Green Man Review" der Band bescheinigte.

Anne D. Marcordes


ANDY WHITE
rare

(Hypertension Music/Edel Contraire 1207 HYP)
18 Tracks, 73:34, mit engl. Texten u. Infos

AW hat 1985 seine erste Platte veröffentlicht und gehört heute zur "jungen Generation" der irischen Singer/Songwriter ... ah ja. Warum ich sein "ganz herausragendes junges Talent" nicht so sehe/höre, kann ich nur schwer begründen. Seine fast durchweg eigenen Songs sind voll beißender Sozialkritik, aber das hatten wir schon mal. Ein Track klingt ansatzweise nach Dire Straits, der nächste nach Lennon, der dritte wieder nach Dylan im Kellergeschoss, hatten wir also auch alles schon. Sein Kulterfolg "Religious Persuasion" muss bestimmt die Keimzelle von Rap & Drum'n'Bass gewesen sein und wird von Sinead O Conner (sic!) mit besungen, aber Kult? Nicht "in den traditionellen Einflüssen seines Landes zu verharren" ist mir einfach zu wenig originell, und selbst die Titel, in denen fünf Akkorde vorkommen, klingen manchmal, als wären es zwei. Alter Dylan-Spartrick, aber bei dem hat's eher andersrum funktioniert. Natürlich muss man dabei sehen, dass die vorliegende CD Alternativversionen, unveröffentlichte Songs, seltene B-Seiten und Live-Versionen vieler Jahre versammelt, daneben aber auch "seine Zusammenarbeit mit der gesamten irischen Szene" (??) dokumentieren soll. Wenn er also zu den Großen gehört, dann bleibt mir der Grund verborgen, und zur Rock-Coverversion von Tommy Sands' "There were Roses" kann ich nur sagen: Einen guten Song kriegt man nicht kaputt - aber hier ist es dicht davor.

Kerstin Braun


JOE McKENNA - The Irish Low WhistleJOE McKENNA
The Irish Low Whistle

(Shanachie/Koch 78043)
11 Tracks, 44:13 mit Infos

LÚNASA
the merry sisters of fate

(Music & Words/Sunny Moon MWCD 4034
11 Tracks, 43:27

Nur zwei von vielen Instrumentalplatten sollen an dieser Stelle besprochen werden, weitere siehe "Kurzschluss". Warum? Bei wenig Platz muss frau sich entscheiden, und zwar für die Scheiben, über die sie mehr zu sagen hat, was nicht heißen muss, dass die anderen schlechter sind. Und hier ist es einfach so, dass JMKs Spiel auf Low Whistle und Uilleann Pipes etwas so fröhlich Swingendes hat, dass man sie gut und gern als mehr hören kann denn als Demonstration technischer Brillanz oder das für die Ewigkeit festzuhaltende Repertoire eines großen Meisters. Daran wirken wesentlich auch seine Gäste mit, natürlich Antoinette McKenna an der Harfe, sowie Mary Bergin (Whistles), der allgegenwärtige Trevor Hutchinson (Bass), John Doyle - Gitarre und weitere an verschiedenen Schlagwerkzeugen. Gespielt wird vor allem traditionelles Repertoire sowie einige stimmungsvolle Eigenkompositionen.

Bei Lúnasa ist indes die Vielfalt schon vorgegeben, da es sich von vornherein um eine Band handelt, die mit Flutes (Kevin Crawford), Fiddle (Seán Smyth), Uilleann Pipes (Cillian Vallely), Gitarre (Donogh Hennessy) und Kontrabass (siehe oben) antritt; alle Mitglieder können bei Unpässlichkeit ihrer Hauptinstrumente auch noch Whistles in die Waagschale werfen, was Herr Hutchinson nicht nötig hat; ein Bass ist immer dabei. Dazu gibt es dann sogar noch Gäste u.a. an Klavier, Klarinette und Steel Guitar. Auch hier swingt, ja rockt ansatzweise die Tradition vom Feinsten, was vor allem Herrn Hennessys Gitarrenarbeit zu danken ist, die ich schon vor Jahren bei der verblichenen furiosen Band The Hurricane bewundern durfte. Und clevererweise hat man die Platte nicht zu lang gemacht und ein Fetzerset an den Schluss gestellt, das Lust macht, gleich wieder auf Start zu drücken.

Kerstin Braun


KARAN CASEY
The Winds Begin To Sing

(Shanachie/Koch 78044)
11 Tracks, 46:07; mit Texten

Diese Frau hat eine Stimme, die sich wie eine Raupe mit Seidenfellchen ins Ohr schleicht und dort nette Dinge tut - 'Wurm' wäre der falsche Ausdruck dafür. Und dabei erzählt sie lauter so traurige Geschichten wie von dem Sohn mit Blut am Hemd und von Soldaten for King and Country und von immer alleine ins Bett gehen müssen (blöd), und von Eppie Morrie, die mit einem ins Bett soll, den sie gar nicht will (auch blöd), von aufgehängten Schwarzen im malerischen Süden, von Sehnsucht, und von den Franzosen, die Europa befreiten - naja, das wäre traurig, wenn als Ende der Geschichte erzählt würde, wie man sich später von ihnen befreien musste, aber man kann nicht die ganze Weltgeschichte auf einer Platte haben. Will also sagen: Wir hören hier irische und schottische Traditionals in Irisch und Englisch, aber auch Lieder, deren Autoren bekannt sind, gar welche aus der "gälischen Hitfabrik" (wusste nicht, dass es so was gibt). Aber fast alle sind traurig, melancholisch, selbst die französische Freiheit kommt sehr nachdenklich, und wenn es ein wenig losgeht, dann eher dramatisch als fröhlich. Und das, obwohl Donald Shaw (Capercaillie), der bei fast jedem Song Tasten irgendwelcher Art drückte, im Studio offenbar pausenlos schlechte Witze erzählte. Die sind aber nicht mit drauf. Dafür das langjährige Gespann McGoldrick/Donnelly (Flute, Pipe, Fiddle) und viele andere Musiker, was allemal besser ist als schlechte Witze.

Kerstin Braun


 TONY McMANUS - Ceol MoreTONY McMANUS
Ceol More

(Greentrax Recordings/Fenn Music ServiceCDTRAX 226)
11 Tracks, 50:23, mit wenigen Infos

Ist er nun einer der besten Gitarristen Europas oder gar der Welt, wie einige Journalisten verbreiten? Eine müßige Frage, die den schottischen Saitenküntsler kaum interessieren dürfte. Doch Tatsache ist nun mal, Tony McManus ist eine Spitzengitarrist und seine neue Soloscheibe ist ein Spitzenprodukt. Er, der normalerweise als Begleitmusiker oder zunehmend als Produzent in den Studios unterwegs ist, überzeugt auch solo. Fast solo, denn der Capercaillie-Bassist Ewan Vernal unterstützt ihn einfühlsam (plus 2x Tablas). McManus schreibt nicht selbst, er interpretiert, meist traditionelle Melodien aus Schottland, Irland, Quebec oder Osteuropa. Selbst ein Stück des Jazzers Charles Mingus wirkt auf dieser CD nicht fremd.

Fazit: Ja, die Gitarrenfreaks haben genug Futter, aber auch die Freunde guter akustischer Musik mit schottisch-irischen Einschlag werden mehr als zufrieden sein.

Mike Kamp

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