backRezensionen Deutschland


TOM BOMBADIL FOLK BAND - Jean bleib doTOM BOMBADIL FOLK BAND
Jean bleib do

(Eigenverlag)
13 Tracks, 50:43

Auch eine Art des Comebacks: Während andere Folkbands sich nach längerer Pause in elektrifizierter Besetzung zurückmelden, geht die Tom Bombadil Folkband aus Wörrstadt den umgekehrten Weg: Mit beinahe identischem Personal wie auf ihrer LP "Roter Mond" (aus dem Jahre 1987), auf der Instrumente wie Synthesizer, Schlagzeug, Saxofon und E-Gitarren neben traditionellen Instrumenten in einer Mischung aus Folk, Rock und Jazz zum Einsatz kamen, meldet sich die Band nach längerer Auszeit zurück mit einem rein auf akustischen Instrumenten eingespielten Album. Nicht, dass die Arrangements weniger fetzig wären, im Gegenteil. Es herrschen die Klänge von Drehleier und diversen Dudelsacktypen vor. Denkt man sich nun noch das Diatonische Knopfakkordeon hinzu, so kann man sich bereits vorstellen, dass die Band sehr französisch klingt, auch wenn das weitere Instrumentarium aus Bouzouki, Xylophon, Violine, Gitarre und Bodhràn besteht. In den Credits der (meist bekannten) Stücke finden sich deutliche Hinweise, welche Vorbilder hier stilbildend waren: Jean Blanchard, Gilles Chabenat und Evelyn Girardon stehen für die französische Fraktion, aber auch Kompositionen des La-Rotta-Drehleierspielers Walter Simons und von Ex-Blowzabella Ian Luff sind zu hören. Dazu ein, zwei traditionelle deutsche Lieder und eine Bellmann-Übertragung ergeben eine Mischung, von der man nicht unbedingt erwartet, dass sie funktioniert. Aber die Bombadils schaffen es mit ihrer Spielfreude und ausgefeilten Arrangements, die CD wie aus einem Guss klingen zu lassen. Hörenswert!

Ulrich Joosten


SCHANDMAUL - Von Spitzbuben und anderen Halunken SCHANDMAUL
Von Spitzbuben und anderen Halunken

(FAME Records/BMG)
12 Tracks, 46:48; mit Texten u. Infos

Sie waren die Gewinner des deutschen Folkpreises 1999. Nach der Debüt-CD "Wahre Helden" (März '99) legten sie sofort nach: vorliegendes Album wurde schon im Dezember 2000 im Eigenverlag produziert. Nachdem einige Firmen aufmerksam wurden und kooperieren wollten, wurde das Ganze remixed und remastered und ist so jetzt seit kurzem im Handel.

Schandmaul nennen ihre Musik selbst "schelmischer Mittelalter-Folkrock" und das trifft es ziemlich genau. Die Mechanismen mittelalterlicher Spielmannsmusik werden adäquat eingesetzt: eingängige Melodiefloskeln auf lauten Instrumenten und kurze Refrains zum Mitsingen, die Texte aus dem (mittelalterlichen) Leben gegriffen. Ohne allzu komplizierten Arrangements und Melodieläufe ist es sehr breiter, massiver Power-Folk zum Mittanzen. Aber wer tanzt schon ständig mit, wenn der CD-Player läuft? Ein paar mehr Breaks und ruhige Teile bitte! Wenn sie vorkommen, sind sie angenehm und musikalisch durchdacht. Die Frauenstimmen hätte ich mir öfter gewünscht, denn der expressive Gesang von Thomas Lindner geht manchmal auf Kosten der Textverständlichkeit.

Es ist nicht selbstverständlich, dass angesagte Live-Bands auch im Studio gut klingen. Hier ist eine ordentliche Abmischung mit sauberer räumlicher Trennung der Instrumente zu konstatieren.

Anspieltipp ist der Opener "Herren der Winde": abwechslungsreich, melodisch einprägsam und als Schmankerl eine Drehleier-Schnarre im Off Beat.

Piet Pollack


CRAZY CHRIS KRAMER - Blue CaveCRAZY CHRIS KRAMER
Blue Cave

(Blow Till Midnight BTM 08/Koch)
10 Tracks, 43:24

Zum zweiten Mal mischt der Ruhrpott-Bluesharp-Spieler artfremdes Instrumentarium unters Futter: Didgeridoo, Djembe, Kalimba oder eine Waldzither werden gnadenlos eingebluest. Wirklich eingebluest? Nein. Auch wenn sich Bluesfeeling im Gesang, in Phrasierungen oder in den Soli findet, kann von Blues kaum mehr die Rede sein. Leichtfüßig und bisweilen gefällig liegen nette Melodien über tragfähigen Grooves, das darf man anerkennen. Doch die Tiefe fehlt, zu sehr klingt die Musik nach einer vorbereiteten Jam-Session; da plätschert zuviel, Ideen fehlen. Und so richtig auf den Punkt ist das auch nicht gebracht. Nette Momente immer mal wieder, und Kramers wunderbare Unverfrorenheit, mit "Worldblues" den zu seiner Kreation gehörenden Gattungsbegriff gleich mitzuliefern, hat schon Klasse. Dem Album fehlt sie.

Luigi Lauer


VIOLET - Omnis MundiVIOLET
Omnis Mundi

(Costbar/Autogram Records)
13 Tracks, 45:19; mit Texten

Violet sind Newcomer aus dem Bereich der Neo-Folk-, Indie-Pop- und Darkwaveszene, kommen aus Münster und haben gerade mit "Omnis Mundi" ihr erstes offizielles Album an den Start gebracht. Dass sie sich für düstere Musik begeistern, Fans von Christian Death bzw. der großartigen Gitane Demone sind, wie insbesondere Sängerin Bianca Stücker betont, kann man hören. Dass sie ihre künftigen Fans eher im Bereich der 'Schwarzen Szene' als unter Folkies suchen, geben sie mit der gewählten Sparte (Neo-Folk/Darkwave) offen zu.

Ihre Mischung aus rockigen Folksongs, düsteren Neo-Folk-Balladen und Dark-Wave-Klängen klingt beim ersten Hören nicht unbedingt umwerfend neu, aber "Omnis Mundi" birgt Potential. Viele ihrer Stücke, wie beispielsweise die Vertonung eines Textes des spanischen Lyrikers Miguel Hernández, entpuppen sich als sehr kraftvoll und mystisch-umspannend. Violet erzeugen musikalische Sequenzen, die aus dem Rahmen fallen. Poppige und rockige Klänge werden immer wieder eingebunden und reißen die düster-melancholische Stimmung auf. Die acht jungen Musiker gehen zudem eine Verbindung ein, die so sicher bisher noch zu suchen war: Sie verbinden E-Gitarren, Pipes, Violine und Schlagwerk mit Harfe und Hackbrett (!!). Textlich versucht man, sich an englischen, spanischen, lateinischen, deutschen, aber auch hebräischen Vorlagen und Eigenwerken. Zwar ist "Omnis Mundi" noch nicht ganz ausgefeilt, aber man darf auf die Entwicklung dieser Band gespannt sein.

Claudia Frenzel


IAN MELROSE
A Scottish Legacy

(Acoustic Music Rec./Zomba)
15 Tracks, 52.25, mit Infos

"Im Moment gibt es eine große Experimentierfreude in der schottischen Musikszene - aber es funktioniert nur, wenn die Musiker in der Tradition verwurzelt sind und ihr Respekt erweisen", so der schottische Gitarrist Ian Melrose im Booklet seines neuen Soloalbums. Um es vorweg zu nehmen, ich halte "A Scottish Legacy" für ein äußerst gelungenes und hörenswertes Werk.

Mit seinen sensiblen, filigranen und stimmigen Arrangements schottischer (Fiddle-) Tunes und Airs beweist Melrose feines Gespür für die musikalischen Traditionen seiner Heimat. Technisch versiert überträgt er spezifische Fiddle-Phrasierungen und Verzierungen auf die Akustikgitarre: stilsicher, verspielt, mal rhythmusbetont, mal sehr lyrisch und bisweilen mit überraschenden Wendungen. In der Herangehensweise erinnert das mitunter an seinen Landsmann Tony McManus, trägt aber durchaus eine eigene Handschrift. So wird der beliebte Session-Reel "McLeod`s" mit einem groovenden Latin-Feeling aufgepeppt, Scott Skinners "The Mathematician" kommt als relaxter Ragtime daher und "Andrew`s" wird mit jazzig-swingendem Fretless-Bass und Drums unterlegt. Besonders gut gefällt mir der sparsame Einsatz der Resonator Slide Gitarre, die die süße Melancholie eines Slow Airs wie "Mairi Bhan Og" wirkungsvoll unterstreicht.

Allen Freunden der Fingerstyle-Gitarre - und darüber hinaus allen Schottland-Fans - sei diese CD wärmstens empfohlen.

Anne D. Marcordes


EKKES FRANK - Lieder zum Lauf der ZeitEKKES FRANK
Lieder zum Lauf der Zeit

(Westpark Music/Indigo 87085)
CD-ROM mit 14 Tracks, 57:46; mit Texten, Bildern u. Videos

Ein alter Bekannter meldet sich mit satirisch-kritischen und leisen, nachdenklichen Liedern wieder einmal zu Wort. War er früher auf Veranstaltungen der Friedensbewegung und der Linken ein häufiger Gast, so war es die letzten Jahre sehr viel ruhiger um ihn. Doch er hat's nicht verlernt, bissige, satirische und humorvolle Lieder zu schreiben. Auf dieser CD sind nun fünf neue zu hören. Politisches über die Post-Demokratie, Gesellschaftskritisches über Cyberlove, Selbstkritisches bei "Ich bin trans", Männliches "Worüber man nicht spricht" und beim "Anruf von Oma" Komisch-Makabres. Der gute Mann kann einfach gute Texte schreiben - intelligent und originell, er vermeidet den flachen Reim. Musikalisch macht er keine großen Sperenzien; saubere, angenehme Begleitung seiner Texte steht im Vordergrund. Doch mit fünf Liedern ist ja noch keine CD gefüllt. Als Sättigungsbeilage gibt es jede Menge Zugaben, Lieder aus vergangenen Jahrzehnten, eine Best of sozusagen. Da darf natürlich seine berühmte Adamo-SPD-Parodie: "Du lässt Dich gehen, ach..." nicht fehlen. Interessant sind seine drei abschließenden, persönlichen Lieder. Er hat dergleichen "nur selten gewagt". Schade eigentlich, hier werden die Brüche und die Zweifel jenseits der Gewissheiten deutlich. Nach eigenem Bekunden wird "Ich möchte nach Hause", ein Lied voll des Suchens und der Widersprüche, vom Publikum mit am häufigsten gewünscht. So ändern sich die Zeiten, es spiegelt sich bei ihm wider. Sehr hübsch ist, gerade weil es so verhalten ist, sein einziges Liebeslied: "Traumlied".

Rainer Katlewski


TRIO KALI GARI - ayzige sunTRIO KALI GARI
ayzige sun

(Unicornio UR 34015)
12 Tracks, 61:25; mit Texten

Das nunmehr zweite Album des Trio Kali Gari erhielt den Untertitel "klezmer jiddisches kalabyrintisches". Wir werden hier jetzt sicher nicht den Versuch eines Streitdialogs unternehmen, aber selbst wenn nicht Klezmer, so soll noch lange kein negatives Urteil über die Musik der Gruppe gefällt werden. Ganz im Gegenteil: Bereits bei einem ersten Hineinhören klingt die Musik gefällig, lädt zum Mitswingen ein und - der jüdische Einfluss ist nicht zu überhören und genauso ist es: Nicht alles, was jüdisch klingt, muss eben gleich Klezmer sein.

Karin Christoph (Geige, Vokal) ist der Kopf der Gruppe, studierte Musikethnologie in Hamburg und kam eigentlich erst über ungarischen Zigeunerjazz zur jüdischen Musik. Zusammen gründete sie 1990 mit Thomas Denker (Akkordeon, Vokal) Kali Gari. Der Autodidakt aus Niedersachsen hat sein Herz völlig der jüdischen Musik gewidmet. 1995 schließlich vervollständigte Jens Piezunka (Kontrabass, Vokal) das Trio in der aktuellen Besetzung. Nicht nur Spielfreude und Virtuosität prägen die Musik des Trios, man sucht - über den musikalischen Bereich hinaus - nach Gegensätzen, möchte "Zwischentöne" wahrnehmen, "damit sich das Gesicht des Einzelnen nicht in der Menge verliert". Das ist dem Trio Kali Gari mit dem aktuellen Album, aufgenommen überwiegend als Live-Mitschnitt eines Konzertes auf dem Gut Winkhausen bei Paderborn, durchaus gelungen. Selbst wenn der Name "kali gari" frei erfunden ist und überhaupt nichts bedeutet...

Matti Goldschmidt


 WERNER VONBERG - Late Night Blue - Early Morning OrangeWERNER VONBERG
Late Night Blue - Early Morning Orange

(Eigenverlag)
8 Tracks, 34:03

Ob im Duo mit dem Akkordeonisten Bruno Friedmann oder mit der Gruppe Squip: Der Drehleierspieler Werner Vonberg war nie der modernen Interpretation traditioneller Klänge abgeneigt. Nun legt er eine Solo-Produktion vor, auf der er sämtliche Instrumente selbst einspielte.

Pumpender E-Bass, und darüber eine Drehleier, die zunächst akustisch klingt, dann aber mehr und mehr elektronisch verfremdet wird, und aus einer 5er-Bourrée entwickelt sich ein "Blues for Kate", bei dem die Leier wie eine mit vielen Bendings gespielte E-Gitarre klingt. Gleich im nächsten Stück geht es weiter mit E-Gitarre und -Bass, über deren Figuren die Drehleier einen 5er (schon wieder) - Walzer spielt. Dann ein groovender Bass, Drumloops, jazzige Sologitarre, und meditative Drehleiernfiguren, die einen An Dro in Sciene-Fiction-Sound verpacken. Funkiger Bass, und eine Wah-Wah-Gitarre zu Drehleier in der zweier-Bourrée "Street Style" - das geht ganz schön ab!

Werner Vonbergs neues, engagiertes Projekt erinnert entfernt an ein ähnliches Experiment mit Sequenzern und Effektgeräten, das vor Jahren Nigel Eaton und Paul James mit dem Projekt "Whirling Pope Joan" abgeliefert haben. Mesmerisierende, ultramoderne Drehleiermusik, aber orientiert an überlieferten Tanzformen und niemals so abgedreht, dass sie nicht mehr nachvollziehbar wäre. Ich frage mich aber, wie Werner die Musik auf die Bühne bringen will?

Leider ist die CD mit nur wenig mehr als einer halben Stunde sehr kurz. Aber sehr hörenswert!

Ulrich Joosten


THE PANCHINKO FAKE
Claustrophobia And Other Joys

(Sireena Records/Fenn Music Service)
13 Tracks, 60:40

Diese Scheibe ist quasi "The Best of Rolf Kirschbaum", der sich eher als Produzent oder Musiker bei Die Fehlfarben, Joachim Witt oder Taj Mahal einen Namen gemacht hat und von dem auch ich eigentlich noch nicht so viel gehört habe. Vielleicht verschafft sich der eher bescheidene Gitarrist aus Bremen ja mit diesem Album etwas mehr Gehör. Zu wünschen wäre es ihm, denn die Tracks sind nicht nur allesamt ziemlich abgefahren, sondern auch einfach genial!

"Claustrophobia And Other Joys" beinhaltet rare Stücke und Konzertmitschnitte. Feinster Spacerock, schier endlose Gitarrensoli und abgedrehte Jazzanleihen werden auf diesem Album groß geschrieben. Stücke wie "In The Beefcan" oder "Moving, Frog In The Cup" lassen die Frage aufkommen, warum man von dieser Band eigentlich noch nicht in allen Magazinen gelesen hat. Aber The Panchinko Fake machen es dem Hörer nicht einfach. Sie klingen mitunter etwas sehr schräg, haben Texte, auf die man doch öfters mal genauer hört und springen munter durch die verschiedenen Genres. Freunde abgefahrener spaciger Klänge mit Nick-Cave-Anleihen kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Repeat-Taste kann man getrost überkleben.

Claudia Frenzel


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