backRezensionen Asien


 CICALA MVTA - deko - bokoCICALA MVTA
deko - boko

(Nektar 68.822)
12 Tracks, 56:05, mit Infos

Es gibt Musik, bei der nützen selbst die gutgemeinten "File under:"-Hinweise auf den CD-Hüllen absolut nix, weshalb die Plattenfirma sie bei der zweiten CD von Cicala Mvta konsquenterweise gleich weggelassen hat. Welche Sortierempfehlung hätte sie auch geben sollen: Klezmer? Balkan? New Orleans Jazz? Nepal? Japan? Neue Musik? Punk? Free Jazz? - Stimmt alles und stimmt alles nicht...

Die große Kunst des Wataru Ohkuma (Klarinetten, Akkordeon, Kompositionen, Arrangements) besteht nämlich darin, diesen musikalischen Flickenteppich mit einem schlüssigen Gesamtkonzept verwoben zu haben. Hierzu diente dem Japaner Chindon, ein zu Anfang des vorigen Jahrhunderts entstandener Stilmix, der vornehmlich von durch die Städte ziehenden und mit Werbetafeln behangenen Straßenmusikern gespielt wurde. Laut, schrill & schräg -die Attribute für erfolgreiche Werbung- ist denn auch die Musik von Cicala Mvta. Ob bulgarisch inspirierte Eigenkomposition, traditionelle Klezmermelodie, arrangierter Bartokscher Mikrokosmos oder selbstkompiliertes Medley mit Stücken von Albert Ayler, dem großen Wahnsinnigen des Free Jazz: Ohkuma und sein Septett (Gesang, Geige, Gitarren, Banjo, Bouzouki, Cello, Tuba, Blockflöten, Saxophone, Schlagzeug, Plattenspieler, um nur die wichtigsten Klangerzeuger zu nennen) meistern mit Bravour jede musikalische Vertracktheit und haben dabei immer zwei Dinge: Witz und Stil.

Walter Bast


VARIOUS ARTISTS
Gamelan Of Central Java: II. Ceremonial Music

(Dunya Records/Gebhardt fy 8042)
5 Tracks, 60:00; mit Infos

Beim Anhören dieser ausgezeichnet aufgenommenen CD mit Gamelan-Musik aus Surakarta musste ich an einigen Stellen lauthals auflachen. Das aus Anlass eines islamischen Festes herangeströmte Volk benahm sich nämlich während des Musikvortrags erfrischend undiszipliniert: da wurde geplappert, gelacht und lauthals dazwischengerufen, ja, an einigen Stellen hören sich die Nebengeräusche wie Sägen(!) an oder, alternativ, wie ein zur Kleinkindbegeisterung eingesetztes Quietsche-Entchen....

Ich war versucht, mir das hierzulande vorzustellen: Hochamt am Ostersonntag oder an Allerheiligen, und dann so ein Publikum, na das wäre ein Spaß!

Doch was ist eigentlich so falsch an der Tatsache, dass hier auf einer "Live"-CD mal das wirkliche Leben (mit) zu hören ist. Und wo, bitteschön, steht geschrieben, dass E-Musik nur mit angehaltenem Atem gehört werden darf? War's bei der Premiere von Händels Feuerwerksmusik etwa still? Keine kreischenden Damen bei Liszt und Paganini? Keine Randale an italienischen Opern? Keine Zuschauerproteste bei unverstandenen Beethoven-, Schumann- oder Mahler-Werken?

Wäre auf der vorliegenden CD nicht auch noch jede Menge großartiger Musik, man müsste sie schon wegen ihrer charmanten Atmosphäre als Referenz für eine Aufführungspraxis heranziehen, bei der sich die hehre Kunst mitten im Leben abspielt, und somit weder teure Musentempel noch öffentliche Zuschüsse braucht.

Walter Bast


SHIVKUMAR SHARMA & RAHUL SHARMA
Santoor Duet Live

(Chhanda Dhara SNCD 71201)
3 Tracks, 75:23, mit Infos

HARIPRASAD CHAURASIA & RAKESH CHAURASIA
Flute Duet Live

(Chhanda Dhara SNCD 70501)
3 Tracks, 65:55, mit Infos

AMJAD ALI KHAN
With Sons

(Chhanda Dhara SNCD 70701)
4 Tracks, 70:03; mit Infos

Generationswechsel bei Indiens großen Musikvirtuosen? Eindeutig nein, denn Wechsel hieße ja, dass sich die Alten zurückziehen würden. Eher signalisieren die drei vorliegenden CDs ein Nachrücken: Die Meisterschüler sind inzwischen selbst zu Meistern geworden und werden von ihren Lehrern sukzessive auf die Nachfolgezeit vorbereitet.

Dank der klugen Programmauswahl von Chhanda Dhara-Chefin Shefali Nag konnte man anlässlich der letztjährigen Ausgabe der "Indischen Nacht" am 7. April in Stuttgart gleich drei Ensembles bewundern, bei denen Alt und Jung gemeinsam zu hören und zu sehen waren. So betraten Santur-Meister Shivkumar Sharma mit seinem jüngsten Sohn Rahul, der Bansuri-Virtuose Hariprasad Chaurasia mit seinem Neffen Rakesh, und Sarod-Maestro Amjad Ali Khan gleich mit seinen beiden Söhnen Amaan und Ayaan die Bühne der Stuttgarter Liederhalle. Den musikalischen Resultaten kann man nun auf den vorliegenden drei CDs lauschen. Es sind, das kann ich vorwegnehmen, beeindruckende Aufnahmen geworden. Und obwohl vornehmlich die nordindische Klassik eine originär solistische ist, in der Duos und gar Trios eher die Ausnahme bilden, ergänzen sich Jung und Alt nicht allein deshalb so gut, weil sie das gleiche Instrument spielen, sondern weil sie dieselbe Geisteshaltung verkörpern.

Zur Musik: die Herren Chaurasia, beide auf der Bansuri- Bambusholzflöte zugange, interpretieren mit tatkräftiger Tabla-Begleitung durch Zakir Hussain die Ragas "Dhani" und "Khamaj". Die Herren Sharma zelebrieren den 70-minütigen Raga "Chandrakauns" auf den zweihundert Saiten ihrer beiden Zimbeln. Amjad Ali Khan, der das Abschlusskonzert der "Indischen Nacht" bestritt, interpretiert zunächst solistisch den sehr raren Raga "Komal Rishab Asavari" (den er nach eigenem Bekunden zuletzt 1971 aufführte) und danach zusammen mit seinen Söhnen den Raga "Anand Bhairav" als musikalisches Frage-und-Antwort-Spiel für drei Sarod-Kurzhalslauten.

Fazit: Wer klassische indische Musik in ihrer komplexen Schönheit daheim genießen möchte, der kommt um den Erwerb der brillant aufgenommenen Tonträger aus dem Hause Chhanda Dhara nicht herum. Wer darüber hinaus einmal die Konzertatmosphäre einer "Indischen Nacht" erleben möchte, der kann das "ob und wann" per eMail erfragen. Ein Besuch auf "www.chhanda-dhara.de" lohnt sich auf jeden Fall.

Walter Bast


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