Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder CDs, die aus der Masse herausragen:
Spanien | MIQUEL GIL | Orgànic |
England | PAUL STEPHENSON | Light green ball |
Afrika | SALIF KEITA | Moffou |
(Sonifolk 20167)
11 Tracks, 48:38; mit katalan. u. span. Texten
Wie das Herrchen, so der Hund. Abgewandelt gilt dieses Sprichwort manchmal auch für CD-Covers: Wie der Herr auf der CD, so die Musik. Das zerfurchte Gesicht des Sängers aus Valencia zeugt von Leben, Liebe, Leid; nichts ist geschönt, kein Bartstoppel wurde weg retuschiert. Genau so singt Miquel Gil auch: Sein raues Organ zelebriert jedes Wort, jede Silbe trägt Gefühle an die Oberfläche. Hier schöpft einer aus seiner reichen Lebenserfahrung und einer langen musikalischen Vergangenheit. Angefangen hatte alles am Ende der Franco-Zeit mit Rockmusik, dann war Gil Mitbegründer von Al Tall, der wohl bekanntesten valencianischen Folk-Band. Daneben sang er immer auch Flamenco. All dies manifestiert sich aufs Schönste auf diesem großartigen Album. Gil vertonte dabei fast ausschließlich Gedichte junger PoetInnen aus Valencia. Die Texte verströmen den Geruch des Meers, von Sand und Sonne. Nach Meer klingt auch die Musik, nach Mittelmeer, um genau zu sein. Neben den typisch valencianischen Mandolinen im Takt der Jotas schöpft Gil aus der großen Einflusssphäre der Musik Valencias, die vom arabischen Raum über Andalusien bis Neapel und Griechenland reicht. Höhepunkte dieses eigentlich aus lauter Höhepunkten bestehenden Albums sind vielleicht die stark arabisch geprägte Gedicht-Trilogie "Van Tres" und das traditionelle "Canço dels traginers". Dieses Lied beginnt mit einem urtümlichen stimmlichen Schafgeblöke, nach und nach setzt die raue Stimme von Gil ein und trifft dabei auf die schöne Frauenstimme von Mara Aranda. Wer Radio Tarifa liebt, wird auch diese CD schätzen. Viele der Ingredienzien, die deren CDs spannend machen, sind auch auf "Orgánic" vereinigt. Neben Flamencogitarren und Mandolinen kommen auch ein bulgarischer Dudelsack, Krummhörner oder eine Handorgel zum Zug. Das Schwergewicht bei Miquel Gil liegt allerdings auf dem Lied - der Melodie und dem Wort. "Orgànic" ist ein wunderschön poetisch-musikalisches Geschenk aus Valencia an die Welt. Nehmen wir es an! Es wird uns auch nach vielem Hören noch Freude bereiten.
Martin Steiner
PAUL STEPHENSON
Light green ball
(Stockfisch SFR 357.6023.2)
13 Tracks, 48:58; mit Texten u. Infos
Paul Wer? Auf dem Cover seiner neuen (ersten?) CD schaut der großnasige, hornbebrillte Westenträger aus wie der Hauptdarsteller in der Realfilm-Version eines Andy-Capp-Cartoons... Aber die CD kommt von Stockfisch und allein diese Tatsache verspricht zumindest einen akustischen Leckerbissen. Und Wow! - Was für ein Sänger und Gitarrist! Und was für ein Songschreiber!
Der aus England stammende Songwriter nennt als große Vorbilder James Taylor und die Beatles, darüber hinaus lässt sich Paul Simon als weiterer Einfluss identifizieren, an dessen Stimme die Stephensons gelegentlich erinnert.
Assistiert wird ihm u.a. von den für eine Günter-Pauler-Produktion schon fast obligatorischen üblichen Verdächtigen, Hans-Jörg Maucksch (Bass) und dem Multi-Multipel-Instrumentalisten Beo Brockhausen, der hier mit 13 verschiedenen Instrumenten wie Saxophon, Drehleier und Bambusklarinette exotische musikalische Farbtupfer setzt. Außerdem trägt Martin Huch wunderbar entspannte Slide-Licks auf der Dobro bei, Mike Silver singt Backing Vocal und ein estnischen Kinderchor beschließt die CD mit wunderbarem Harmonie-Gesang. Prägenden Anteil am musikalischen Gesamtbild jedoch hat Chris Jones, der an der zweiten (akustischen) Gitarre eine umwerfende Ergänzung des seinerseits brillanten Gitarristen Stephenson abgibt und mit ihm traumwandlerisch interagiert.
"I'm a lucky guy," heißt es in einem der Songs, "and that's no lie!" Ungelogen, wer solche Songs schreibt wie Paul Stephenson, darf das mit Fug und Recht von sich behaupten: Nahezu alle Lieder der CD haben eingängigen Ohrwurm- und Mitsing-Charakter, sie kommen wunderbar entspannt daher, ohne dabei nach Mainstream zu klingen. Toller Gesang und tolle Arrangements, und außerdem glänzt Stephenson als kurzweiliger Geschichtenerzähler mit poetischen Liebesliedern, mystischen Songs, die allesamt eine wunderbar positive Ausstrahlung haben. Good Vibrations, das trifft's.
Muss man noch erwähnen, dass die Produktion, wie alles, was aus Günter Paulers Tonschmiede kommt, klanglich über jede Kritik erhaben ist?
Paul Wer? Stephenson natürlich! Hoffen wir, dass sein Name bald genauso geläufig sein wird die seiner Vorbilder. Ein Meilensteinalbum!
Ulrich Joosten
(Universal 016906-2)
10 Tracks, 60:42
Dies ist das schönste und beste Album, das Salif Keita seit der epischen Platte "Mandjou" mit den Ambassadeurs gemacht hat. Das will was heißen, denn sie erschien 1978 und Keita hat auch danach wirklich beachtliche Musik veröffentlicht, "Soro" etwa, "Amen" oder "Folon". Was Keita wirklich drauf hat, macht aber erst sein jüngstes Werk wieder deutlich. Die Stimme ist sehr weit in den Vordergrund geschoben, was alleine mehr als die halbe Miete einfährt. Denn ein gutes Album mit Keita zu machen bedeutet vor allem dies: alles um seine Stimme herum zu arrangieren. Mit "alles" darf gerne "wenig" gemeint sein, bei Keitas Gesangskunst kann das nur nützlich sein. Produzent Jean Lamoot hat das verstanden und sich nicht gescheut, den Malier auch mal alleine zur Gitarre von Kante Manfila singen zu lassen selber eine Klasse für sich. Dass Cesaria Evora im Stück "Yamore" mitsingt, muss deshalb nur am Rande erwähnt werden, auch wenn sie stimmlich wunderbar hineinpasst. Der Albumtitel "Moffou" bezeichnet ein kleine Flöte, mit der Salif schon als Kind seine Umgebung nervte heute kennt man das Instrument kaum noch in Mali. Ein programmatischer Titel: Keita gräbt in seiner Vergangenheit und birgt Perle für Perle aus dem Schatz seiner Erfahrungen und Erinnerungen. Die Macher, nicht zuletzt Keita selbst, haben es geschafft, seine Qualitäten nach außen zu stülpen und Fähigkeiten ans Licht zu holen, die man seit "Mandjou" nicht mehr zu hören bekam. Das Ungestüme seiner frühen Tage wünscht man sich an manchen Stellen zurück, sänge er doch gelegentlich wieder am Limit. Doch die Patina seiner Stimme ist auch Ausdruck seiner Lebens-Patina, ein Schutzanstrich gegen Erosion. "Moffou" ist wundervoll, ein Meisterwerk.
Luigi Lauer
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